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Schließlich wurde der Antrag, die nächste Jahresversammlung in Oberndorf a. N. abzuhalten, ohne Widerspruch angenommen.
Luftschiff r VII aus der Fahrt «ach Düsseldorf.
Friedrichshasen 21. Juni. (Abends 9 Uhr.) Das Luftschiff wird heute Nacht etwa um 1 Uhr die Fahrt nach Düsseldorf antreten. Graf Zeppelin wird das Schiff selbst führen. Höchst wahrscheinlich wird der Weg doch nicht das Rheintal entlang, sondern über Württemberg gewählt. Ob aber dabei Stuttgart berührt wird, und welche Route im einzelnen gewählt werden wird, läßt sich vorher nicht fest entscheiden.
Stuttgart 22. Juni. Das Luftschiff 2 VH ist heute früh 3 Uhr in Friedrichs- Hasen aufgestiege«, 3 Uhr 40 Mir», in Antendorf gesichtet worden «nd über Ulm, Geislingen das ReSartal abwärts gefahren, um 6 Uhr war das Luftschiff über Cannstatt- Stuttgart.
Stuttgart 22. Jnni. Das Südd. Corresp.-Bnreau meldet heute mittag 12 Uhr telephonisch: Das Luftschiff 2 VII war um 8 Uhr in Mannheim, "/»IO Uhr i« Cobleuz, °/t11 Uhr in Bonn, /-12 Uhr in Cöl« und wird um 12 Uhr in Düsseldorf erwartet.
Düsseldorf 22. Juni. DaS Luftschiff ist um 12 Uhr hier eingetroffen. ES hat die 700 km lange Strecke in 9 Stunden zurückgelegt.
Karlsruhe21. Juni. PrinzessinFeodora zu Schleswig-Holstein, die jüngste Schwester der Kaiserin, ist heute Vormittag in Obers as- bach, wo sie zum Besuche bei der Freifrau v. Röder weilte, an Herzschwäche gestorben. Prinzessin Feodora, die nur ein Alter von 36 Jahren erreichte, war schwer leidend. Seit Jahren kam sie häufig zur längeren Kur in die LampLsche Klinik in Sachsenhausen. Im Frühjahr dieses Jahres war sie mehrere Wochen dort, um Heilung von einem Magen- und Darmleiden sowie Ischias zu finden.
Mannheim 21. Juni. Heute nachmittag hat, wie die „Neue Bad. Landetzeituvg" meldet, ein junger Kaufmann namens Wernz hier die 17 Jahre alte aus Mainz gebürtige Artistin Else Schmidt, Mitglied einer Damenkapelle, aus Eifersucht durch mehrere Stiche getötet. Der Täter ist verhaftet.
Straßburg i. E. 21. Juni. Eine auf heute nachmittag in den VolkSgarten einberufene Versammlung der von der Tarifbewegung
im Baugewerbe beteiligten Arbeiter beschloß, daß die Arbeit morgen noch nicht ausgenommen werden soll, sondern daß morgen abend 6 Uhr eine abermalige Versammlung im Volkkgarten darüber beschließen soll, ob die Arbeit ausgenommen soll oder nicht. Der Vorsitzende der Versammlung, Maurer Schmitt, hatte erklärt, daß er die Verantwortung eines bestimmten Beschlusses nicht übernehme« könne, weil die Vertreter des Lokalverbandes in Berlin abwesend seien.
Berlin 21. Juni. Infolge des Todes ihrer jüngsten Schwester, der Prinzessin Feodora von Schleswig-Holstein, wird die Kaiserin ihre bisherigen Reisedispositionen ändern und die Reise zur Kieler Woche aufgeben. Die Beisetzung der Prinzessin findet voraussichtlich in Primkenau statt.
Berlin 21. Juni. Die „Nordd. ALg. Ztg." schreibt: Reichskanzler v. Bethmann- Hollweg wird sich am Mittwoch nach Schloß Bebenhausen begebe», um dem König von Württemberg seine Aufwartung zu machen.
Kiel 20. Juni. Die Vorexpedition nach Spitzbergen, die den Auftrag hat, die Möglichkeit einer späteren arktischen Expedition für Zeppelinluftschiffe festzustellen, wird am 2. Juli d. I. Kiel mit dem Dampfer „Mainz" vom Norddeutschen Lloyd verlassen. Bei Spitzbergen liegt der große norwegische Eikdampfer „Phönix" bereit, auf dem Vorstöße in die Eis- region unternommen werden sollen. An der Vor- expcdition werde« teilnehmen: Graf Zeppelin, Geheimrat Prof. Hergesell, Prof. Miethe U. a.
Paris 20. Juni. Wie aus Calais berichtet wird, mußten die an der Bergung de» „Pluviose" beteiligten Personen gewaltsam aus dem Innern de» Unterseebootes entfernt werden, da sie durch die giftigen Gase betäubt wurden und an ihrer Gesundheit gelitten haben. Dr. Mignet und der Kommandant Guedeney, die sich beide heldenhaft an den Bergungsarbeiten beteiligten, find mit 11 Tauchern schwer erkrankt.
Budapest 21. Juni. Bei einem orkanartigen Sturm stürzte gestern abend ein Luftballon bei der Ortschaft Suekoesd nieder, besten Insassen, der Leipziger Arzt Dr. Alb recht, der Fabrikant Müller au» Greiz und der Kaufmann Krauß aus Reichenbach herausfielen. Dr. Albrecht erlitt eine Gehirnerschütterung unfeinen Rippenbruch, Müller einen Armbruch, während Krauß unverletzt blieb. Der Ballon wurde darauf mit dem vierten Insassen, dem Handschuhfabrikanten Diener, durch den Wind emporgeschnellt und fortgetriebe«. Diener landete
erst heute morgen wohlbehalten bei Windstille in Csavoly. Die Verletzten werden im Bajaer Krankenhau» gepflegt. Die Luftschiffer hatte« eine Ballonfahrt vom Plattensee unternommen, wurden aber vom Wind ergriffen «nd nach Südungarn in die Nähe der Stadt Boja getrieben. (ES handelt sich um den Ballon Plauen, der am Sonntag in Leipzig aufgestiegen ist.)
Vermischtes.
Deutschland im Urteil eines Japaner». Im New-Uorker Blatt „Sun", das alle» eher ist als besonders deutschfreundlich, schreibt der Japaner Kaja Nakamuro au» Berlin über seine Eindrücke von Deutschland: „Lasten Sie mich Ihnen einige Eindrücke auf japanische Augen wiedergeben. Alles ist in Europa für mich anziehend, und ich fürchte, daß wir in Japan noch viel nachzuhole» habe». Selbst Holland, das doch nur eine Macht dritten Ranges ist, übertrifft uns weit in vielen Dingen. Sowohl sein Handel wie seine Landwirtschaft sind bester organisiert und stehen auf sicheren Füßen als bei uns. Deutschland gar ist in der Tat ein wunderbares Land. Zweifellos wird e» England bald auf allen Gebieten eingeholt haben. Seine Flotte nähert sich der englischen mit Riesenschritten, sein Handel und Gewerbe überflügeln den englischen in vielen Dinge». Ich weiß, welch wunderbares Land die Vereinigten Staaten find, reich an energischen Menschen m»t fast unbeschränkten Hilfsmittel»».. Aber in Deutschland scheint mir Me» Mehr systematisch oder, lasten Sie mich sagen, wissenschaftlich angelegt zu sein, obwohl her Boden karg und das Kapital knapp ist, wenn sich da» letztere jetzt auch sprungartig vermehrt. Ich glaube, wenn sich das amerikanische Volk die» nicht zu Herzen nimmt, so mag e» von dem deutschen geschlagen werden. So habe ich jüngst gelernt, daß Japan jetzt Lokomotiven und andere Stahlerzeugniste hier statt in Amerika kaust, weil die amerikanische Ware, die in früheren Jahren bevorzugt wurde, gegenüber der deutschen minderwertig ist. Die Spannung zwischen dem englischen und dem deutschen Volke scheint etwas nachgelassen zu haben, aber ihr Wettbewerb scheint mir so scharf zu sein, daß sie für die nächsten Jahre noch keine wirklichen Freunde werden können. Auf dem Festlande ist Deutschland durchaus die herrschende Macht, und ich habe mir sagen lasten, daß es sich selbst gegenüber einer Vereinigung von England, Frankreich und Rußland behaupten könne, solange es sich nicht zu einem Angriff verleiten laste. Die Deutschen sind kluge Köpfe mit kühlem, wissenschaftlichem Gehirn, ganz ungleich den Amerikanern oder Japanern, die mehr der sentimentalen Art angehören.
„Auf die Weis' Hab' ich also erfahren wüste«, was für einen Sündenbock ich in mein ehrliche« Haus g'führt Hab'? So vergiltst du meine Gastfreundschaft? — Aber warte Kanalje, jetzund hat dein letztes Stündel geschlagen!" Vor Zorn und Kränkung außer sich, hob er das Messer zum Stoße.
„Lorenz! Lorenz!" rief, seinen Arm umklammernd, die zum Tode erschrockene Frau, „b'stnn dich doch, was du tun willst! Um de« Heilands willen, wirf da« Messer weg! Der Mensch ist doch nicht wert, daß du seinetwegen deine Hände mit Blut b'sudelst!"
„Recht hast, Babett, ganz recht!" erwiderte der Bauer, indem er da» Messer von sich schleuderte. „Aber," setzte er ingrimmig hinzu, „leer ausgehen darf er deswegen doch nicht!" Und mit kräftiger Hand packte er den Steinerfritz an der Kehle, würgte ihn, daß er rot und blau im Gesicht wurde, und ließ seine gewichtige Faust in hageldichten Schlägen auf dessen Kopf niedersausen. „Nimm das! — Und das! — Und das auch noch, du Lump, du malefizischer!" stieß er dabei hervor, während aus Uebermaß von Zorn und Erbitterung Schaum auf seine Lippen trat.
Vielleicht hätte er selbst ohne Werkzeug und Waffe dem jungen Menschen, der sich vergeblich bemühte, die würgende Hand des Bauern von seiner Kehle zu entfernen, einen bleibenden Schaden an Leib und Gesundheit zugefügt, wenn nicht plötzlich eine andere Person ihre Nähe durch ein entsetzliches Geschrei kundgegeben hätte.
Der Hütjunge Hans kam eben mit seiner Herde hinter der Waldspitze hervor, um heiwzutreiben, als er etwa tausend Schritte vor sich im Dämmerlicht, des zur Rüste gehenden Abends ein grausiges, zottiges Wesen erblickte, das — nach des Hütbuben Meinung — den Sohn des Rodershofers am Halse gefaßt hatte «nd mit furchtbaren Schlägen mißhandelte, während die Bäuerin mit gerungenen Händen daneben stand. Im Gehirn des Knaben spuckte noch die Erzählung des Schäfer» vom Besuch des Bilme«; als er daher die ganz mit Pelzkappen bedeckte gespenstige Er
scheinung und dabei auch die Schäferhütte wahrnahm, stand es bei ihm zweifellos fest, wer dort seine unheilvollen Ränke ausüble.
Vor Schrecken fiel ihm die Geißel aus der Hand; allein er ließ sie und die ganze Herde im Stich und lief mit dem Zetergeschrei: „JestaS- mariejustef! Der BilmeLschneider! Der Bilmesschneider! Er hat unser» Franz bei der Gurgel und mergelt ihn!" querfeldein nach dem Hohlwegacker, wo seine Nachricht bei den die letzten Garben bindenden Leuten keine geringe Sensation erregte.
Im gleichen Augenblick, als Han« seine Schreckensrufe ausstieß, erklang vom Tale herauf das Aveglöcklein. In der Dorfkirche wurde „der Engel de« Herrn" geläutet.
Der bekannte Helle Ton der Glocke der die Städter in ihren hohen Häusern, die Bauern und Knechte auf dem Feld und den einsame« Wanderer auf der Landstraße mächtig bewegt, nach des Tages Mühen zur Einkehr bei sich selbst und zum Beten mahnt, brachte auch den Rodershofer wieder zur vollen Besinnung.
„So, du Schuft!" sagte er hoch aufatmend, indem er die Kehle de» Unteroffizier» freiließ. „An die Prügel wirst du denken dein Lebtag'! Ein Glück ist'S noch für dich, daß der Hüterbub' mich nicht der'kennt und dich von der Weiten für meinen Sohn g'halren hat. Sonst hält' nicht» vertuscht werden können, und dir wär' g'scheh'n, was du schon längst verdient hältst; von der Militär hätten sie dich fort'jagt mit Schand und Spott. Aber ich kenn' dich jetzt durch und durch. D'rum sag' ich dir: Mach' daß augenblicklich fortkommst von meinem Hof und laß dich nimmer blicken, und hüt' dich, daß du etwa« meinen Sohn entgelten laßt, wa» dir heut' passiert ist, sonst — du weißt schon, was ich mein', Bürschel! Vorläufig will ich noch Gnad' ergeh'« lasten vor Recht. Und jetzt troll dich — schnell!" rief er mit neu wieder aufflammender Heftigkeit.
(Fortsetzung folgt.)