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regung verommen hat, da — wie schon öffentlich und formell erklärt worden ist — irgendwelche Absicht, die Nichtkatholiken Deutschlands oder besten Fürsten zu kränken, seiner Seele ganz und gar fern lag.
Der Heilige Vater hat übrigen» niemals eine Gelegenheit Vorbeigehen lassen, um seine aufrichtige Achtung und Sympathie für die deutsche Nation und ihre Fürsten zu bekunden, und hat noch bei einer kürzlichen Gelegenheit die Freude gehabt, diese seine Gefühle zu wiederholen.
Der Unterzeichnete Kardinal benutzt diese Gelegenheit, um Seiner Exzellenz den Ausdruck seiner ausgezeichneten Hochachtung zu erneuern."
Wenn man diese Worte aus der päpstlichen Kanzlei liest, muß man schon sagen: das ist ein mageres Ergebnis. ES wird noch magerer, wenn man folgende Auslastung des päpstlichen Regierungsblattes, des „Offeroatore Romano" dazunimmt:
.Am Abend des 14. ds. M. eröffnete der preußische Gesandte v. Mühlberg dem Kardinalstaatssekretär, daß seine Regierung mit Genugtuung von den Erklärungen Kenntnis genommen habe, welche in der Note, die ihm überreicht wurde, enthalten seien. Er fügte hinzu, daß der Reichskanzler ihn ersucht habe, dem heiligen Stuhl seinen aufrichtigen Dank auszusprechen für die Haltung, welche der Vatikan in dieser Angelegenheit eingenommen habe, und er betrachte diese Haltung als eine kostbare Garantie des Fortbestehens der freundschaftlichen Beziehungen, welche zwischen dem heiligen Stuhle und der Regierung bestehen. Es ist daher kaum hervorzuheben (so erklärt das Blatt in dem Kommentar Wetter) wie nichtssagend die Behauptungen der Blätter find, welche von einer angeblichen Zurücknahme der Enzyklika seitens des heiligen Vaters gesprochen haben, da die Enzyklika durch den heiligen Vater in der ganzen Welt zur Kenntnis gebracht worden ist, und zwar aus Grund der Veröffentlichungen in dem offiziellen Blatt des Vatikans. Der heilige Vater hat jedoch angefichis der Aufregung, welche durch die Veröffentlichung der Enzyklika entstand, aus eigenem Antrieb und vorsichtshalber rechtzeitig die notwendigen Vorkehrungen getroffen, damit die Enzyklika in den Kirchen und in den bischöflichen Blättern Deutschlands nicht veröffentlicht wird. Dies wurde mündlich dem preußischen Gesandten bereits am 11. d. M. mitgeteilt."
Das ist das alte Rezept des päpstlichen Hofes: „Zurückgenommen wird nichts, und wenn man noch so sehr unrecht hätte"; die römische Kirche hat noch nie über eine ihrer christlichsten Taten Buße getan. Woher soll man da das Entzücken nehmen, das zu „aufrichtigem Dank gegen den heiligen Stuhl" hinreißt, das blindlings kostbare Garantieen für den Frieden sieht, wo weit und breit gar keine vorhanden find, wo kein a u f r i ch t i g e » Entgegenkommen ist? Da muß man doch arg anspruchslos sein!
Ein deutsche» Herz wird mehr al» an dem Dank des Reichskanzlers an der folgenden neuen Kundgebung Geschmack und Gefallen finden, welche der Zentralvorstand de» Evang. Bundes unter dem 15. ds. Mts. erläßt:
„Die ,Nordd. Mg. Ztg? veröffentlicht heute, Mittwoch, den 15. Juni, in Nr. 137 das Ergebnis der diplomatischen Aktion der preußischen Regierung beim Vatikan. Danach hat der Papst den deutschen Bischöfen den Befehl gegeben, die Verkündigung des Rundschreibens von der Kanzel und die Veröffentlichung in den bischöflichen Verordnungsblättern im deutschen Reiche zu unterlaßen.
Indem wir anerkennen, daß in diesem päpstlichen Befehl auf die elementare Empörung des deutschen Volkes einige Rücksicht genommen worden ist, können wir dagegen in der Note der Kurie vom 13. Juni keine ausreichende Genugtuung für die schweren Beschimpfungen der deutschen Reformation und Nation sehen.
Wenn der Papst den Ursprung der gewaltigen Erregung auf die Verkennung de» Zweckes und auf unrichtige Auslegung seine» Rundschreibens zurückführt, so liegt darin eine seltsame Einschätzung der Auffassungsgabe der deutschen Protestanten, Parlamentarier, Vertreter der kirchlichen Behörden und Regierungen.
Wenn der Papst sodann erklärt, daß er „mit wahrem Bedauern die Nachricht von einer solchen Erregung vernommen hat", so sind wir der Meinung, daß nicht die berechtigte Erregung, sonder» die vorhergegangene Beschimpfung hätte bedauert und zurück- geuommen werden müssen. Nur dies würde den Versicherungen des Papstes einen Wert gegeben haben, die ihm „irgend welche Absicht, die Nichtkatholiken Deutschlands oder dessen Fürsten zu kränken", fernlag.
Das protestantische Volk kann aus diesem Ausgang nur erneut die ernste Mahnung entnehmen, sich durch Zusammenschluß zu einem großen, deutsch-evangelischen Volkskunde eine wirkungsvolle Rüstung wider die ultramon- tanen Machtbestrebungen zu verschaffen. Namentlich aber gilt es, in entschlossener Abwehr der Zentrumspartei entgegenzutreten, die, noch päpstlicher als der Papst, kein Wort der Mißbilligung des Rundschreibens im Parlament fand, die den Geisteskampf zwischen Rom und Wittenberg auf das Gebiet des politischen Machtkampfes überträgt und dadurch in unserem Volksleben eine dauernde Störung des konfessionellen Frieden» herbeiführt.
Darum muß der einmütige Ruf aller deutschen Protestanten lauten: Keinerlei Förderung der Bestrebungen der politischen päpstliche» Bannerträg er im deutschen Reiche, keinerlei Bündnis
Federbett mit weichem Kopfkiffen gab es nicht, aber doch eine Schütte Stroh, und um doch eine bessere Unterlage nicht zu entbehren, eine alte Pferdedecke, die auf beiden Seiten und in ihrer ganzen Ausdehnung mit Schafpelz benäht war. Die Zeit hatte dem alten Ding freilich Übel mitgespielt; die Decke hatte zahllose Löcher, und der Pelz hing in Fetzen herab, aber dem Schäfer leistete sie gleichwohl noch gute Dienste.
Der Bauer streckte sich im Kasten aus und zog den Hut vom Kopfe der ihn im Liegen belästigte. E» war dunkel um ihn herum, nur durch die Bretterfugen drang ein ungewisses Licht ei». Wenn er diesen das Auge näherte, konnte er aber deutlich den Birnbaum erkennen. Nach einer Weile mußte er sich auf die andere Seite drehen. Die Hütte war etwa» zu kurz für seine Gestalt; e» schmerzten ihn die Glieder. Wenn er lange warten mußte, konnte sich der Aufenthalt darin ziemlich unangenehm gestalten. Immerhin schien es ihm notwendig, die zuträglichste Lage auSzusuchen, solange er noch allein war; sobald sein Weib oder der Steinerfritz beim Baum eintraf, durfte er sich nicht mehr rühren, weil sonst da» Rascheln des Strohes seine Anwesenheit verraten hätte.
So dehnte und wälzte er sich denn in dem beschränkten Raume von einer Seite auf die andere, bemerkte aber nicht, daß er bei seinen unruhigen Bewegungen in eines der Löcher der Pelzdecke geraten war und den Kopf durchgesteckt hatte. Kaum lag er wieder still, hörte er den Fußpfad entlang eilfertige Schritte nahen. Ein Blick durch die Bretterhütte zeigte ihm seine Frau. Wird sie vorübergehen oder bleiben? Sein Herz begann ungestüm zu klopfen; Hoffnung und Furcht stritten sich darin um den Sieg. Da krampste sich plötzlich sein ganze» Inneres zusammen; er fühlte ein Weh, so daß er alle Willenskraft aufbieten mußte, um nicht laut aufzuschreien. Denn Babette bog ab vom Fußpfad, kam geraden Weg» auf den Baum zu und blieb unter ihm stehen. Dem Mann war unsagbar elend zu Mute. Wie eilig sie es hatte! Wie die Sehnsucht nach
mit dem Zentrum! Nur durch solche klare Stellungnahme kann das hohe Gut de« deutschen Bürgerfriedens erfolgreich gewahrt werden."
8od.
Tagesrreuigkeiteu.
— Bei der kürzlich vorgenommenen ersten höheren Justizdienstprüfung wurde unter and. Kandidaten für befähigt erkannt und zur Vorbereitung für den höheren Justizdienst zugelassen: Deckinger, Max. von Calw.
— Die Generaldirektion der Staatseisenbahnen hat die Eisenbahnassistentenstelle in Teinach dem Eisenbahngehilfen Stanzer übertragen.
Cannstatt 20. Juni. Eine rohe Tat wurde dieser Tage verübt. In einer der letzten Nächte wurden einem hiesigen Gärtner eine große Anzahl Gurken stöcke aus Rache in seinem Gewächshaus ab geschnitten und ihm ein Schaden von einigen Hundert Mark verursacht. Als Täter soll ein früherer Arbeiter von dem Gärtner der flüchtig ist, in Betracht kommen.
Tübingen 20. Juni. Während des letzten Hochwassers sind an dem im Bau begriffenen Ncckarstauwerk eine große Menge Diele und Rundholz weggerissen und fortgeschwemmt worden. Einen Teil der Sachen erhielten die Unternehmer in Kirchentellinsfurt und Pliezhausen wieder. Der größere Teil aber wurde in Mittelstadt gelandet und dort als gute Beute betrachtet. Namentlich hat der dortige Müller das Sirandrecht ausgeübt und soll nun in einen Prozeß verwickelt sein, bei dem es sich um einige tausend Mark handelt.
Schorndorf 20. Juni. Seit einigen Tagen ist die neuerbaute untere Remsbrücke dem öffentlichen Verkehr freigegeben. Die offizielle Uebernahme wird nach Erledigung der Uferbaute», Instandsetzung der Zufahrtsstraßen usw. erfolgen. Die neue Brücke, die mit einem Kostenaufwand von 100000 zu dem die Stadt außer den Kosten für die Nebenarbeiten 10000 ^ beiträgt, erbaut wurde, bildet eine Zierde de» Stadteingangs.
Tuttlingen 20 . Juni. Zu dem bereits gemeldeten Bootsunfall wird weiter berichtet: Ein schwerer Unglücktfall, welcher zwei junge, hoffnungsvolle Menschenleben forderte, ereignete sich gestern Sonntag vormittag 9 Uhr. Der ledige 24 Jahre alte Franz Schlegel, Finanzpraktikant auf dem hiesigen Kameralamt (gebürtig aus Ulm), Fräulein Emma Klaß, Tochter der Frau Präzeptor Klaß Wwe., 23 Jahre alt und der 26 Jahre alte verheiratete Kaufmann Joh». Marquardt wollten mit einem Kahn auf der Donau von hier nach Beuron fahren. Bei der Ziegelhütte in der Nähe von Fridingen stieß der Kahn an einer reißenden Stelle auf einen Stein und kenterte. Die drei Insassen wurden au» dem Kahn geschleudert. Schlegel und Fräulein
dem Liebsten sie vorwärts trieb, daß sie noch vor ihm auf dem verabredeten Platze eintraf!
Da — was war da»? Täuschten ihn seine Augen nicht? Sah er recht? Babette kniete nieder unter dem Birnbaum, bekreuzigte sich und begann mit weit ausgebreiteten Armen leise zu beten. Die guten blaue» Augen waren hinaufgerichtet zum Himmel, und aus ihnen leuchtete da» Feuer frommer, andächtiger Begeisterung.
Dem Bauer wurde es auf einmal so leicht um die Brust. Sei« volles Vertrauen war wiedergekehrt. So sieht kein Weib aus, da» sündige Wege wandelt; so benimmt sich keine Fran, die im Begriff steht, ihren Gatten zu betrügen. Doch blieb ihm keine Zeit, sich über den jähen Umschlag seiner Gemütsstimmung klar zu werden. Denn Babette erhob sich von den Knieen und spähte, die Augen mit der Hand beschattend, nach der Richtung aus, wo der RoderShof lag. Dort in der Ferne zeigte sich der Unteroffizier.
Neunzehntes Kapitel.
Fritz Steiner war nicht nur den Sonntag, sondern auch während de» heutigen Montag» bei seinem Vater im Dorfe geblieben. Er hatte beschlossen, die junge Frau nicht eher wiederzusehen, als bi» er sich ber dem Stelldichein, in das sie gewilligt, in intimster Weise — so hoffte er jetzt sicher — aussprechen könne. Denn er hatte ihr doch bekannt gegeben, wie glühend er sie liebte, und daß er vor Sehnsucht nach ihr verschmachte« müsse. Und dennoch hatte sie ihm versprochen zum Birnbaum zu kommen. Das war doch ein Zeichen, daß sie seine Gefühle teilte und die lang getragene Maske der Sprödigkeit endlich fallen kaffen wollte. Erst al» die Zeit für das Zusammentreffen am Birnbaum herannahte, war der Unteroffizier hinaufgestiegen zum RoderShof und hatte dort die Uniform mü I dem Zivilanzug vertauscht. (Forts, folgt.)