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abzustreiten ist, ziemlich romanhaft, doch sind die einzelnen Angaben so bestimmt gehalten, daß es sich schon verlohnen dürfte, ihnen nachzugehen. Der Brief ist bereits der Staatsanwaltschaft übermittelt worden.

Böhmenkirch OA. Geislingen 16. Juni. Auf dem Trümmerfelde sind die letzten Mauer­reste gefallen, das weite Brandgelände ist zum großen Teil noch übersät mit den Trümmerstücken der zerstörten Gebäude. Seit Wochen werden von zwei Steinschlagmaschinen, die Tag und Nacht arbeiten, die alten Mauersteine zu Beton­gestein präpariert, in den Grund gesenkt sollen sie die Grundmauern für die neuen Häuser abgeben. Emsig regen sich Hunderte von Händen, um den Ort der Trauer wieder umzuschaffen und zu be­leben. An der Peripherie de» Platze» erstehen bereit» die neuen Gebäude, da» dritte wurde am letzten Samstag aufgerichtet und mit jedem Neu­bau, der sich erhebt, schwillt auch die Hoffnung in der Brust der Abgebrannten. Aber es muß noch eine Riesenarbeit geleistet werden, wenn die Hoffnung auf ein neues Heim in den nächsten Monaten sich bei allen erfüllen soll. Die Hoff­nung auf den Einzug ins neue Haus bedeutet nach so düsteren Tagen wieder Freude, aber sie wird nicht ungetrübt sein bei den Familien, die die neue Schuldenlast zu erdrücken droht, möge sich diesen auch fernerhin das Mitleid zuwenden, damit die schweren Wunden, die das Unglück ge­schlagen, allmählig wieder vernarben.

Vom Zabergäu 16. Juni. DieKlee- heu ernte ist so ziemlich beendet und hat einen reichen Futterertrag gegeben. Nun liegt auch da» Zabergäu mit Wiesen Heu voll, das infolge der letzten Regentage leider länger als wünschens­wert draußen liegen gelaffen werden muß. Für das viele überschwemmte Gras ist der Regen zwar gut, aber nur, wenn reichlich heißes Wetter folgt, auf daß da» Futter rasch abdorrt und dann gehörig durchgeschüttelt werden kann, damit der Staub ausfällt. Kommt der Sommer nicht zu Hilfe dann kann das Schlammheu nur zur Streue benützt werden, wa» einen erheblichen Schaden bedeuten würde. Der starke Niederschlag hat auch den jungen, kaum gesetzten Tabakpflanzen geschadet. Eine betrübliche Erfahrung zeigt sich auch an den Apfelbäumen. Es fällt viel Obst vom Stiel, sodaß der erhoffte Ertrag stark ver­kleinert wird.

Ebingen 16. Juni. Infolge des an­dauernden Regens waren die Veranstaltungen am zweiten Tag de« Gustav Adolffeste» au» der näheren Umgebung nicht so stark besucht, wie man erwartet hatte. Dafür war die Be­teiligung der hiesigen Einwohnerschaft um so lebhafter. Der Tag wurde eingeleitet durch

feierliches Glockengeläuts und durch das Blasen des Liedes:Eine feste Burg". Um halb 8 Uhr war ein Jugendgottesdienst (Festprediger Stadt­pfarrer Lauxmann-Zuffenhausen.) Um 9 Uhr bewegte sich der Festzug, bei dem die obere» Klaffen der Schulen Spalier bildeten, in die St. Martinskirche. Professor Dr. Wurster- Tübingen hielt die Festpredigt. Als Redner au» der Diaspora sprach Pfarrer Pommer- Morchen- stern (Nordböhmen). Der Vereinsvorstand, Hof­prediger Dr. Hoffman»-Stuttgart, erstattete den Jahresbericht. Umrahmt war die Feier durch Gesänge des Kirchengesangvereins (Leiter: Musik­direktor Strecker, auf der Orgel: Hauptlehrer Reichert) und der Gemeinde. Bei dem Parallel­gottesdienst in der Kapellkirche sprachen Pfarrer Scheurlen-Tailfingen, Pfarrer Baylen-Feldkirch und Katechet Fischer-Aussig. Der Männerchor des christlichen Verein» junger Männer hatte hier die Gesänge übernommen. Nachmittags 4 Uhr fand in der St. Martiuskirche ein Kirchenkonzert statt, das 10 Nummern umfaßte. Dabei wechselten gemischte Chöre, Männerchöre, Soli, Violin- und Orgelvorträge miteinander ab.

Hall 16. Juni. Der Verbandstag der württembergischen Bäckerinnungen, der am Montag hier abgehalten wurde, war aus allen Teilen des Lande» zahlreich besucht. Das meiste Interesse erregte naturgemäß die Bäckerei- aussteltung in derEisenbahn". Alle aus­gestellten Maschinen zeigten sich in Tätigkeit. Der Verbandsvorsitzende Kälber er-Stuttgart eröffnete 11'/- Uhr die Verhandlungen, die im Eisenbahnsaal abgehalten wurden. Dann begrüßte im Namen der Stadt. Stadtschultheiß Hauber die Versammelten. Für die festgebende Innung sprach ihr Obermeister Ehr. Gutmann. Dann folgten eine Reihe weiterer Begrüßungen: durch Müller-Berlin namens de» Zentralverbandes, Jäger und Arnold namens der Karlsruher Innung und des badischen Landesverbandes. Aus den Wahlen gingen sämtliche seitherige Vorstandsmitglieder als wiedergewählt hervor. Referate behandelten die Themen: die neue Bäckereiverordnung, die Hefenfrage bezw. da» neue Hefensyndikat und die Frage der Etikettierung des Mehls und Zurücknahme der leeren Säcke. Der nächste Verbandstag wird in zwei Jahren in Böblingen abgehalten werden. Da» Festesten fand imSolbad" und imAdler"-statt.

Ellwangen 16.Juni. Am letzten Woll- markt stellten sich die Preise zwischen 130 bis 132 was einen Rückgang gegen das Vorjahr von 911 pro Zentner bedeutet. Käufer

waren nicht soviel anwesend, wie im vorigen Jahre.

Friedrichshafen 16. Juni. Infolge des seit einigen Tagen herrschenden Rkgenwetters

führen sämtliche Zuflüsse des BodenseeS große Wassermengen mitsich. DerBoden- see steigt rapid, seit vorgestern um mehr als einen halben Meter. In der Frühe de» gestrigen Tages überschwemmte er im hiesigen Hafen die sog. Konstanzer Brücke. Es mußte eine Notbrücke errichtet werden. Während vor 14 Tagen die Pegelhöhe etwas über 4 Meter betrug, beträgt diese heute 5,20 Meter.

Augsburg 16. Juni. Die östlichen Stadtteile stehen bereits unter Wasser. Der Verkehr ist vielfach unterbrochen. Da» Master flutet durch die Straßen und stürzt in die Verkauftläden. Manche Straßen find voll­ständig abgeschnitten. Der Schaden ist enorm. Die Aufregung ist groß. Viele Fabriken sind geschloffen. Der Bahnverkehr nach München und Nürnberg ist eingestellt. Für einige Brücken besteht die größte Gefahr.

München 16. Juni. Das Staatsmini­sterium hat eine Hilfsaktion zu Gunsten der Hochwasser-Betroffenen eingeleitet. Der Prinzregent hat eine Sammlung von Haus zu Haus genehmigt und 20000 ^ gespendet.

Ahrweiler 16. Juni. Gestern wurden bei Dümpelfeld zwei weitere Leichen aus den Schlammaffen herausgezogen. Der Bahn­verkehr für Personen ist heute bis Mayen Ost wieder durchgeführt worden, doch mästen die Züge sehr vorsichtig fahren. Die Pioniere sind zum großen Teil aus dem Ueberschwemmungs- gebiet wieder abgesandt worden.

Köln 16. Juni. Wie der Korresp. der Köln. Ztg." in Altenahr vom Landrat-Amt Ahrweiler erfährt, hat die Abschätzung der Wasserschäden bisher ergeben an Gemeinde­anlagen in Altenahr 125000 °^, an Privat­anlagen 740000 in Ahrweier beträgt der Gemeindeschaden 100 000 der Schaden an Privatbesitz ist noch nicht festgestellt. Er beträgt etwa 140 000 Der Schaden der Gemeinde Neuenahr wird auf etwa 200000 und der in Bodendorf auf 50 000 beziffert.

Köln 16. Juni. Der Vorstand de» Syrischen Waisenhauses in Jerusalem, der zur Zeit hier weilt, erhielt ein Telegramm aus Jerusalem mit der Nachricht, daß am Sonn­tag den 12. Juni eine große Feuersbrunst einen großen Teil des Syrischen Waisenhauses vernichtet hat. Der Turm ist abgebrannt, die Anstaltskirche zerstört; zahlreiche Wohnungen und Räume sind total ausgebrannt. Die Be­wohner sind zum Teil obdachlos, aber kein Verlust an Menschenleben zu beklage». Feuer­versicherung ist in Palästina unmöglich und

Unteroffiziers Verlobte gewesen, bekam besten stumme» und dennoch höchst auffallendes LiebeSwerben in den Augen Dritter eine sehr fatale Bedeutung. Das konnte sie schon au» dem Gebühren der Dienstleute entnehmen, denn es war ihr nicht verborgen geblieben, daß man sie auf Schritt und Tritt ausspähte.

Durch des Steinerfritz stet» wachsende Kühnheit in ihrer weiblichen Würde gekränkt und vor sich selbst gedemütigt, trat jetzt oft die Erinne­rung an jenen Traum in der CharsamStagnacht vor ihre geängstigte Seele. Wie war doch das alles eingetroffen, was die böhmische Magd ihr prophezeit hatte! Eine finstere Wolke hing über dem Rodershof und ihrem Haupte, eine Wolke voll Unruhe, Sorge und Herzeleid. Sie wußte am besten, wie viel sie davon schon gekostet hatte und zitterte vor Furcht, es möchte ihr noch schwereres Unheil beschicken sein. Ach, daß doch der gütige Gott sich ihrer erbarmte! Daß doch bald sein Machtspruch erklänge und wieder Frieden einkehre unter dem Dach ihre» guten Mannes! Daß sie diesen wirklich so recht von Herzen liebte, kam ihr erst jetzt, wo ihr die Gegenwart des Steinerfritz ein unheimliches Grauen verursachte, zum vollen Verständnis.

Doch der RoderShofer war noch immer mit Blindheit geschlagen. Er allein sah nicht, was alle seine Leute sahen und was schließlich sogar den Sohn des Hauses mit Mißtrauen gegen den Unteroffizier erfüllte. E» bedurfte wahrhaftig einer höheren Fügung, um dem Bauer die Augen zu öffnen.

Sechzehntes Kapitel.

Die erste Woche de» den zwei Soldaten gewährten Urlaub« neigte sich ihrem Ende zu. Fritz Steiner ging auf dem Hof und den Feldern herum wie im Traume; seine Augen glühten gleich denen eines Trunkenen und manchmal ballte er die Fäuste und fuchtelte in der Lust umher, als hätte er den Verstand verloren. Die fortgesetzte Abweisung aller seiner auch noch so deutlichen Annäherungsversuche seiten» der Bäuerin hatte die in ihm schlummernden wilden Triebe auf einen Grad erhitzt, daß er jede

Gewalt verlor, sie zu bändigen. In seiner Exaltation betrachtete er den Bauer als da» Haupthindernis, das der Befriedigung seiner Wünsche entgegenstand. Es konnte ja nicht anders sein, als daß Babette nur aus Furcht vor ihrem Mann sein Liebet flehen nicht erhören wollte. Drum hätte er den verd Alten am liebsten niedergeschlagen, die Frau an sich gerissen und wäre mit ihr geflohen, fort vom Rodershof und von der Heimat, hinaus in die weite Welt! Wen die Leidenschaft zu solchen phantastischen Gedankensprüngen anpeitscht, der steht wirklich an der Grenze, wo die überlegende Vernunft aufhört und der Wahnwitz beginnt.

Fritz hegte nur noch einen Wunsch in der Brust, die eine inbrünstige Sehnsucht, die verbotene Frucht zu pflücken, die in so verheißungsvoller Nähe winkte und dennoch in desto unerreichbarere Fernen entschwand, je öfter er die verlangenden Hände danach ausstreckte. Hingerissen von der Begierde, die ihn wie einen willenlose« Sklaven in Fesseln hielt, ließ er sich zu einem neuen Streich gegen die junge Frau verleiten.

Der Samstag der ersten Urlaubswoche war herangekommen; morgen ging der Bauer mit der Bäuerin und dem ganzen Gesinde ins Dorf zum sonntäglichen Hochamt. Nur die böhmische Magd blieb als Köchin zu Hause. So hatte es der Rodershofer angeordnet, und darauf baute Fritz seinen verwegenen Plan. Wollte die Bäuerin ihn nicht anhören, so sollte sie doch auf schriftlichem Wege erfahren, was er ihr zu sagen hatte.

Am Samstag Abend begab er sich in seine Kammer, riß ein Blatt aus seiner Brieftasche und beschrieb es eilig mit dem gleichfalls der Tasche entnommenen Bleistift. Dann faltete er das Papier zusammen und ging in die Wohnstube. Sie war gerade leer, kein Mensch befand sich darin. Das entsprach genau seiner Erwartung und paßte vortrefflich zur Aus­führung seines Vorhaben». In der Wand neben dem großen Kachelofen war ein Kästchen angebracht, in welchem der Bauer seinen Kalender und andere minder wichtige Drucksachen und Schreibereien aufbewahrte; auch die Gebetbücher de» RoderShofer« und seines Weibes lagen in dem Wandschrank. (Forts, folgt.)