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Trotz der nicht ungefährlichen Situation wurde der Betrieb der Ausstellung nicht gestört, im Gegenteil lockte der intensive Brandgeruch, der sich im ganzen AuSstellungSgelände bemerkbar machte, weitere Besucher heran. Die umfangreichen Löscharbeiten hatten bereits nach 1'/-ständiger, energischer Tätigkeit zu dem Erfolg geführt, daß das Feuer lokalisiert blieb. Den unter außerordentlich schwierigen Umständen angestrengt arbeitenden Mannschaften mußte unausgesetzt durch die Sauerstoffapparate frische Lust zugeführt werden. Um 3 Uhr war jede Gefahr beseitigt. Leider mußten zwei Feuerwehrleute, die an Rauchvergiftung erkrankt waren, in das nahe Katharinenhospital überführt werden. Gegen 4 Uhr ließ Branddirektor Jacoby beide Löschzüge wieder abrücken. Eine Brandwache blieb am Platze. Der Schaden ist nicht unbeträchtlich.
Stuttgart 6. Juni. Zur Bewältigung de» Verkehrs anläßlich des Kriegerbundfest es in Ludwigsburg sind am 5. Juni von und nach verschiedenen Landesteilen 18 Sonderzüge und außerdem einige Vorzüge zu fahrplanmäßigen Zügen ausgeführt worden. Auf Grund der Anmeldungen waren etwa 15000 Mitglieder des Kriegerbunde» zu befördern; die Zahl der am genannten Tage mit den Sonderzügen und mit fahrplanmäßigen Zügen beförderten Personen je nach und von Ludwigsburg hat mehr als 20000 betragen. Der gesamte Verkehr hat sich ohne nennenswerte Zugverspätungen glatt abgewickelt.'
Altensteig 4. Juni. Heute mittag 1 Uhr ging ein Gewitter mit Hagelschlag über unsere Stadt und die Umgebung nieder. Hier verursachte der Hagel keinen Schaden, dagegen scheint das Gewitter anderwärts Schaden gebracht zu haben. Von Ettmannsweiler und Berneck wird „A. d. T." mitgeteilt, daß dort die Fruchtfelder und Obstbäume empfindlich unter Hagelschlag gelitten haben.
AlpirSbach OA. Oberndorf 6. Juni. In dem benachbarten badischen Orte Schenkenzell wurde gestern eine alte Frau von dort durch einen Radfahrer überfahren. Die Frau erlitt so schwere Verletzungen, daß sie nach einigen Stunden gestorben ist. Der Radfahrer, der durch unvorsichtiges Fahren den Unfall herbeigeführt hatte, hat einen falschen Namen angegeben, so daß seine Persönlichkeit bis jetzt nicht festgestellt werden konnte.
Göppingen 2. Juni. Ein ernster Unfall ereignete sich gestern anläßlich de» MaienfesteS auf dem Spielplatz des Maienwasen». Eine von mehreren Kindern besetzte Schaukel stürzte infolge Bruchs eines eisernen Haken» herunter. Durch das herabfallende Eisenstück er
litt ein Mädchen eine heftig blutende Kopfwunde, die von der SanitätSwache verbunden wurde. Das Kind mußte sich dann aber in ärztliche Behandlung begeben. Ein Knabe, der sich gleichfalls auf der Schaukel befand, trug eine Verrenkung der Achsel davon; zwei andere Kinder erlitten Beulen und Hautabschürfungen.
Gmünd 6. Juli. Dem Ehepaar Anton und Theresia Beck, das heute die diamantene Hochzeit feiert, ist ein Geldgeschenk von 60 ^ vom König und von 40 aus dem allgemeinen UnterflützungSfond verwilligt worden.
Aalen 6. Juni. Gestern fand hier eine Versammlung der Besitzer von Eigenjagden aus den Oberämtern Aalen, Ellwangen und Neretheim statt, in der Stellung genommen wurde gegen den von der Abgeordnetenkammer geplanten Versuch, das Jagdareal der Eigenjagden von 50 auf 100 Morgen zu erhöhen. ES soll eine Eingabe an die Kammer der Abgeordneten eingereicht und bei den Abgeordneten persönliche Vorstellung erhoben werden.
Neckarsulm 6. Juli. Gestern vormitt. 10'/» Uhr ist in einem abseits stehenden Materialschuppen der hiesigen Schiffswerft Feuer aus gebrochen. Der ziemlich große Schuppen brannte total nieder. Die darin lagernden Oel- und Teerfäfser gaben dem rasenden Element überreiche Nahrung und die alsbald erschienene Feuerwehr konnte nur noch die Nachbargebäude schützen, denn die Hitze war so stark, daß man sich auf 30—40 Meter nicht nähern konnte. Man vermutet Selbstentzündung.
Vom Unterland 5. Juni. Ein Gang durch die Weinberge ist jetzt durchweg sehr erfreulich. Holz und Blatt sind gesund. Die jungen Träubchen brechen schön hervor. Der Stand ist je nach den Sorten etwas verschieden. Am meisten Trauben zeigen die Portugieser. Oft findet man drei Träubchen an einem Geschein. Auch Lemberger und Weißrießling zeigen einen reichen Behang. Dagegen haben die Silvaner weniger, ebenso die Gutedelsorten. In vielen Weinbergen wird da» erstemal gespritzt. Das maste Wetter ist der Entwickelung der Perenospora sehr günstig, doch hat sich bis jetzt außer wenigen Spuren von Oidium keine Krankheit gezeigt. Dagegen fliegt die Motte de« Sauerwurm« mehr, als den Wingertern lieb ist.
Böhmenkirch OA. Geislingen a. St. 6. Juli. Eine außerordentlich lebhafte Bautätigkeit herrscht jetzt hier; von früh 5 Uhr bis nachts 1 Uhr wird an den Neubauten und an den Straßenanlagen gearbeitet, damit die neuen Gebäude bald unter Dach gebracht und die Scheuern bis zur Ernte, die auf dem Aalbuch gewöhnlich erst im August ist, benützt werden
können. Auch die Auffüllung und Anlegung der Straßen schreitet rasch voran. Die Firma Baresel beschäftigt in Böhmenkirch einige hundert fremde Arbeiter, so daß die schon vorher stark besetzten Häuser überfüllt sind.
Ulm 6. Juni. Am 2. Juni ist Mich von Ulm ein Gewitter niedergegangen, da» hinauf bi« ins Allgäu schweren Schaden an- gericht hat. In der Gegend von Mindelheim hat es stark gehagelt, ebenso in Pfaffenhausen.
Friedrichshafen 6. Juni. Die Einwirkung der Zeppelin-Luftschiffbaugesellschaft auf die hiesigen VerkehrSverhältnifse macht sich immer mehr und mehr zur steigenden Zufriedenheit der Bevölkerung bemerkbar. So ist es wohl nur auf die Bemühungen der Gesellschaft und insbesondere auf die bevorstehende Fernfahrt des 1-2 VI nach Oesterreich zurückzuführen, daß die hiesige Fernsprechanstalt nunmehr auch zum Verkehr mit Wien zugelassen wurde. Die Gebühr für das Gespräch von 3 Mnuten beträgt 3
Pforzheim 6. Juli. In vergangener Nacht wurde hier bei einer Rauferei vor der Wirtschaft zum „Rheinischen Hof" der 20 Jahre alte Dienstknecht Wilhelm Wacker von Stammheim erstochen.
Pforzheim 6. Juni. Der Inhaber der Goldwarenfabrik Karl Dillenius hatte gegen die Inhaber der Goldwarenfabrik Rodi und Rieg wegen unlauteren Wettbewerbs eine Klage angestrengt. Rodi und Rieg wurden beschuldigt, einen noch nicht 17 Jahre alten Kaufmannslehrling der Firma Dillenius zum Verrat von Geschäftsgeheimnissen der Firma verleitet zu haben. E» wurde nachgewiesen, daß der Lehrling verschiedenemale in der Privatwohnung der Firmenteilhaber gewesen ist. Das Schöffengericht verurteilte nun Rodi in einer siebenstündigen Verhandlung zu 1000 den Mitinhaber Rieg zu 500 ^ und den Buchhalter Ueberla zu 30 ^ Geldstrafe.
Straßburg 6. Juni. Gelegentlich eine» Wortwechsels zwischen zwei Studenten, in den sich auch Unbeteiligte mischten, kam es in der Nacht zum gestrigen Sonntag zu einer Messerstecherei, bei der der Student Sußmann aus Karlsruhe durch einen Stich in die Lunge schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzt wurde. Sein Streitgegner, ebenfalls ein Student, trug eine leichte Verletzung am Arm davon.
Berlin 6. Juni. In der Nähe de» Bahnhofes Sadowa bei Berlin wurde die Leiche eines Mannes aufgefunden, die aller Wahrscheinlichkeit nach ermordet und beraubt worden ist. Die Personalien des Ermordeten konnten
ihrer Fleischrationen in die Finger nahmen, um sie zu benagen, in jedem besseren Gasthof berechtigtes Aufsehen erregt hätte.
„Da Habens ein Bier!" Mit diesen Worten stellte die Kellnerin ein volles Glas des schäumenden Trankes vor Fritz hin, während sie ihm zugleich die offene Hand entgegenstreckte. Entweder übersah der junge Mann diese Geste, oder er verstand nicht ihre Bedeutung.
Ohne die Kellnerin weiter zu beachten, griff Fritz nach dem Glas, setzte es an den Mund und leerte es, durstig wie er war, auf einen Zug bi» zur Hälfte.
„Sie, — hören'» einmal!" rief da die Kellnerin, „zuerst zahlt man sein Bier, ehe man davon trinkt."
„Ich bleibe doch hier über Nacht," entgegnete Fritz Steiner, „da kann ich ja die ganze Zeche morgen berichtigen."
„Nein, nein," entgegnete das Mädchen, nachdem es mit einem schnellen Blick die unansehnlichen Kleider des neuen Gastes gestreift hatte; ich kenn' Ihnen nicht, und weil ich jedes Bier und alles Esten, da» ich austrag', selber zuerst am Faste! und in der Küchel zahlen muß dessentwegen muß ich auch trachten, daß ich wieder zu meinem Geld komm'. Einen Zehnernickel krieg' ich von Ihnen. Das Schlafgeld können's alsdann schon dem Wirt morgen zahlen, wenn'» dem recht ist."
Fritz zog die Börse und händigte dem Mädchen dar verlangte Zehnpfennigstück ein. Er sprach kein Wort dabei; denn das Mißtrauen, welches die Dirne so rücksichtslos laut vor allen Gästen zu erkennen gab, verdroß ihn mächtig. Die Kellnerin versenkte die Münze ohne „Dank schön" zu sagen in ihrer Ledertasche und ging zu einem andern Tisch, wo die Leute ihrer begehrten. Da hörte er hart hinter sich ein Helles Lachen, — ein Lachen so provozierend spöttisch, daß es ihm das Blut zu Kopfe trieb. Er glaubte nämlich nicht anders, als sein Zwiegespräch mit der Kellnerin habe die Lachlust der in seiner Nähe sitzenden erweckt und er bilde nun den Gegenstand wohlfeilen Witzes. Er hatte mit seiner Vermutung auch nicht daneben geschossen; denn als er den Blick nach der
Richtung wandte, woher das Gelächter erschallt war, sah er in vier Gesichter, die vor boshaftem Vergnügen strahlten, und in acht Augen, die starr auf ihn gerichtet waren.-
Neuntes Kapitel.
Fritz war bisher so gesessen, daß er den Personen am Nebentische, die ihn als Objekt ihrer Kurzweil erkoren hatten, den Rücken zukehrte. Als sie jetzt bemerkten, daß der junge Mann aufmerksam auf sie geworden war, versuchte« sie ihre Heiterkett herabzustimmen und ihr eine harmlosere Bedeutung als jene der Verhöhnung beizulegen. Die Gesellschaft bestand aus drei Mädchen und einem Mann und welchen Beruf sie ausübten, verrieten zwei in grünen Leinwandsäcken steckende Violinen, die vor ihnen auf dem Tische lagen. Die Leute waren Harfenisten.
„ES ist g'rad merkwürdig," richtete der Mann das Wort an Fritz Steiner im breitesten deutsch-böhmischen Dialekt, „was das Mädel grob ist. '« ist rein zum lachen und hat uns auch zum lachen 'bracht, wie wir g'hört haben, daß 'S mit Ihnen ebenfalls so umg'sprungen ist wie vorhin mit uns. Und doch sind Sie ein feiner Herr und wir dagegen nur arme Teufel, die sich mit Musikmachen durch die Welt schlagen müssen. Daß die Kellnerin von uns das Geld fürs Bier gleich verlangt hat, das begreif' ich; aber von Ihnen, von einem solchen Herrn-nein, da»
Madel ist doch wahrhaftig dümmer, als erlaubt ist."
Und wieder brach der Harfenist in laute» Lachen au». Seine Begleiterinnen schauten verlegen vor sich hin. Das Manöver des böhmischen Musikanten war so plump, daß jeder Unbefangene die Deutung, welche er dem vorausgegangenen höhnischen Gelächter geben wollte, al» fadenscheinige Ausrede erkennen mußte. Umsomehr werkte Fritz, daß er von den Leuten in der Tat verhöhnt worden war. So sehr ihn dies wurmte, gab er sich doch die Miene, als glaube er den Worten des Mannes und antwortete daher nur kurz: „Ich werde der Kellnerin beweisen, daß sie keinen Grund hatte, in meine Zahlungsfähigkeit Zweifel zu setzen. Hier-