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»och nicht festgestellt werde», ebenso fehlt von dem Täter noch jede Spur.
Berlin 6. Juni. Infolge der Hitze, die gestern nachmittag in Berlin herrschte und 44 Grad Celsius erreichte, erlitten mehrere Personen Hitzschläge.
Berlin 6. Juni. In der Reichshauptstadt herrschte gestern eine wahre Tropenhitze. Mit dem Thermometerstand von 44 Grad Celsius im Schatten erreichte die Temperatur eine Höhe, wie sie in diesem Jahr und um diese Jahreszeit wohl überhaupt noch nicht beobachtet worden ist. Die Hitze hatte eine große Anzahl von Unfällen; so namentlich von Hitzschlägen zur Folge. Leider wurde die Glut, die über Berlin lag, nur durch ein kurzes, wenn auch schweres Gewitter unterbrochen. Dabei wurde die katholische Se- bastianskirche auf dem Gartenplatz von einem Blitzstrahl getroffen. Der Blitz fuhr mit gewaltigem Getöse zunächst am Blitzableiter des Turms herab, riß den Blitzableiter etwa in Höhe des Dachs aus seiner Verankerung und verschwand dann im Erdboden. Eine Trauung, die in der Kirche stattfand, wurde durch den Vorfall unliebsam gestört. Die Teilnehmer stürzten im ersten Schrecken auf die Straße und alarmierten sofort die Feuerwehr. Materieller Schaden war indessen nicht entstanden. Immerhin hat die Gewalt des Blitzschlags innerhalb des Dachs der im gotischen Stil erbauten Kirche mehrere zentnerschwere Sandseinslücke herausgerifsen, die in den die Kirche umgebenden Rasen fielen.
Prinz Heinrich-Sahrt.
Stuttgart 6. Juni. Die Prinz- Heinrich-Fahrt führte die Teilnehmer auf ihrer vierten Etappe Nürnberg-Straßburg durch Württemberg. Nach einem Ruhetag in Nürnberg fand dort am heutigen Morgen 7 Uhr der Start statt. Die Sonne brannte heute heiß auf die Landschaft und die Köpfe der kühnen und unermüdlichen Fahrer. In Stuttgart gab es Leute, die bereits um 10 Uhr mit Ungeduld die Wagen erwarteten. Insbesondere herrschte in den Anlagen ein bewegtes Treiben. Am Ausgang des Schloßgartens hatte sich der Vorstand des Württembergischen Automobilklubs zur Begrüßung eingefunden. Dort hatten auch ein herziges kleines Schwabenmädel und ein wackerer kleiner Bub, beide in der Landestracht Aufstellung genommen, um dem Bruder des Kaisers, den Prinzen Heinrich von Preußen in der Residenz willkommen zu heißen. Außerdem harrte eine große Menschenmenge auf beiden Seiten der Strecke, um sich das interessante Schauspiel der Durchfahrt anzusehen. Ganz unerwartet sauste bereits um V»11 Uhr ein östereichischer Daimler-
Wagen durch die Anlagen. Fahrer war ein Herr von Baruch aus Budapest. Dieser Wagen fuhr außer Konkurrenz mit, der Führer war von der offiziellen Teilnehmerliste bereits gestrichen. Als um 12 Uhr noch kein anderer Wagen erschienen war, tauchten bereits Gerüchte von verschiedene» Unglücksfällen auf. Gegen '/-I Uhr ertönten laute, langgezogene Signale, dann wieder kurze Warnungszeichen. Da bog auch schon der erste Wagen um die Ecke. Es war die Spitze des langen Zuges, ein schwerer Benzwagen. Weithin war der Lenker zu erkennen, es war Prinz Heinrich. Stürmische Hochrufe brausten dem unerschrockenen SportSmann entgegen, als er bei dem Stand des Württ. Automobilklubs hielt. Im Nu war das Fahrzeug von einer großen Menschenmenge umdrängt, die Zeuge der Begrüßungsszene sein wollte. Freudig überrascht nahm er aus den Händen des kleinen Schwabenmädels einen herrlichen Blumenstrauß entgegen, der zu den übrigen den Wagen füllenden duftigen Spenden gelegt wurde. Prinz Heinrich, im blauen Sportanzug, war tief gebräunt und machte einen äußerst frischen Eindruck. Nach einigen Dankesworten setzte er nach wenigen Minuten an der Spitze des langen Zuges den Weg fort. Ueberall wurde er sofort erkannt und mit lauten Zurufen begrüßt. Bis 1 Uhr hatten ungefäbr 50 Wagen die Anlagen passiert und um 1 Uhr 23 Min. bog der auf der Startliste zuletzt mit Nr. 127 bezeichnete Duxwagen des Herrn Schürmann-Leipzig-Gohlis scharf um die Ecke am Anlagensee. Damit hatten mehr als 100 Wagen die Stadt passiert. Manche von ihnen mußten zur Erledigung kleiner Reparaturen hier einen längeren Aufenthalt nehmen. Soviel bekannt, hat sich auf der württembergischen Strecke kein Unglücksfall ereignet.
Straßburg 6. Juni. (Prinz Heinrich f a h r t.) Ueber die auf der heutigen Fahrtstrecke vorgekommenen Unfälle sind beim fliegenden Bureau bis abends 8 Uhr folgende Meldungen eingelaufen: Nr. 19 Buchloe-Berlin: Mit den Fahrrädern in einen Steinhaufen geraten, Eintreffen zweifelhaft. Nr. 53 Robert Voigt-Düffel- dorf: Weiterfahrt aufgegeben, Federbruch bei Nußbach. Nr. 97 Natzmer-Gahrp: BeiSimmerS- dorf Wechsel der Zündkerzen. Nr. 99 Reichstein- Brandenburg (Havel): Wagen abgebrannt. Nr. 117 Bernhard Stoewer-Stettin: Ventile ausgewechselt, Ankunft vor Zielschluß zweifelhaft. Außerdem fehlen z. Zt. noch 116 und 118.
Vermischtes.
Sparautomaten in Schulen. Die Stadt München hat in 12 ihrer Schulhäuser Sparautomaten aufgestellt. Der Zweck soll sein, den Kindern den Wert des Sparens klar zu
machen und in ihnen den Sinn für Sparsamkeit zu regen. Dieser Gedanke scheint sich vorzüglich in der Praxis zu bewähren. In den ersten 4 Wochen seit der Aufstellung, die im Februar erfolgte, find Sparmarken im Wert von 7645 ^ abgegeben worden. Für 344 Kinder wurden Sparbücher angelegt. Auch im April haben sich weitere äußerst günstige Erfahrungen gezeigt. Trotzdem in diesen Monat die Osterferien fielen, wurden um 5580 ^ Sparmarken verkauft. Trotzdem ein Sparautomat 850 ^ kostet, will man in sämtlichen Münchener Schulhäusern solche Apparate zur Aufstellung bringen.
Badezeit. Ein kühles Bad wird jetzt wieder zu einer ganz besonderen Wohltat für den Menschen. Damit mehren sich aber auch die Fälle, die von dem Tode Ertrunkener handeln. Viele Menschen sind beim Baden oft zu mutwillig! Besonders die Jugend liebt es, vor badenden Kameraden allerhand „Scherze" und „Bravourstückchen" auszuführen, die hin und wieder mit dem Leben bezahlt werden mußten. Hier wagt sich ein Knabe, der noch nicht recht schwimmen kann, einen Fluß zu durchqueren, da gerät ein Kind auf unbekannten Grund, verliert den Boden unter den Füßen und weiß sich in seiner Verwirrung nicht mehr zu helfen. Also Vorsicht! — Hier einige Verhaltungsmaßregeln gegenüber Ertrunkenen. Man wird gut tun, jeden Ertrunkenen als scheintot zu betrachten. Fürs erste ist der Mund des Ertrunkenen zu öffnen und (wie dessen Nase) von Schlamm und Schmutz zu säubern, was aber natürlich möglichst rasch geschehen muß. Dann wird der Verunglückte auf den Bauch gelegt und zwar in der Weise, daß Kopf und Brust tiefer zu liegen kommen als die Beine. Dies geschieht zu dem Zwecke, damit das Wasser herausfließen kann. Unterdessen hat schleunigst jemand etwas Schnupftabak herbeizuholen. Der Ertrunkene wird nun flach auf den Rücken gelegt, der Kopf etwas erhöht. Eine Prise Schnupftabak wird ihm in die Nase geblasen, der Schlund mit einer Feder gekitzelt, Brust und Gesicht gerieben und bespritzt. Man lasse ihn an Salmiakgeist oder Essigäther riechen. Bleiben diese Hilfsmittel wirkungslos, so macht sich die „künstliche Atmung" notwendig, indem dem Verunglückten beide Arme langsam, (jedoch mindestens 15 mal in der Minute) auf und nieder gezogen werden (auf der Erde hin bi» über den Kopf). Das Aufziehen der Arme geschehe erst langsam dann schneller, doch nicht allzu hastig, immer der Atmung entsprechend; bis zwei Stunden lang wenn der Ertrunkene nicht atmen sollte. Die Zunge ist dabei dem Betreffenden herauszuziehen und sein Mund geöffnet zu halten.
auf langte er wieder nach seinem Glase und trank den ganzen Rest des Bieres auf einen zweiten langen Zug. „Fräulein!" rief er dann der Kellnerin zu; bringen Sie mir Bier; ich habe leer!" Als die Kellnerin das wieder gefüllte Glas vor ihn hinsetzte, öffnete er die Börse entnahm ihr ein Goldstück und sagte mit fingierter Gleichgültigkeit: „Geben Sie mir heraus! Es sind zwanzig Mark."
„O mein!" rief die ländliche Hebe, in deren derben Zügen deutlich die Verwunderung zu lesen stand, daß der hübsche, aber schäbig gekleidete Mensch mit Gold bezahlte, soviel habe ich ja noch garnicht eing'nommen. Aber Wartens nur ein bißl! Ich laß beim Wirt wechseln und bring' Ihnen dar Geld gleich z'rück."
„Das haben's aber brav g'macht," lobte der Musikant, nachdem die Kellnerin weggetreten war, um sich zum Wirt zu begeben. „So muß man denen Leuten zeigen, wo Bartel den Most holt, damit sie auch wissen, wen sie vor sich haben. Setzen'S Ihnen doch rüber an unfern Tisch, junger Herr! Mit den Italienern, die am Ihrigen sind, können's Ihnen ja doch nicht unterhalten." Obwohl es Fritz widerstrebte, der Einladung Folge zu leisten, da ihn das Gelächter der Harfenisten mehr verdrossen hatte, als er zeigen wollte, gab doch die Erwägung den Ausschlag, auch diesen imponieren zu wollen und zwar noch mehr, als ihm das bei der Kellnerin geglückt war. So drehte er denn seinen Stuhl herum, daß er an den Tisch der Schnurranten zu sitzen kam, und pflanzte das Bierglas vor sich auf. „Prosit, junger Herr!" rief der Musikant. „Ihr Madeln, stoßt mit ihm an!" setzte er, zu seinen Begleiterinnen sich wendend, hinzu.
Es blieb Fritz nicht« übrig, als seinen neuen Tischgenoffen Bescheid zu tun. Dabei bemerkte er, daß die drei Böhminnen noch junge Mädchen von freundlichem und ansprechendem Aussehen waren. Die eine von ihnen, eine Blondine, zu deren ährengelben Haaren tiefdunkle Augen einen seltsamen Kontrast bildeten, hätte geradezu al» schön bezeichnet werden dürfen, wenn ihre Blicke weniger herausfordernd, ihr Benehmen weniger frei und ihre Gebärden sittsamer gewesen wären. Es fehlte ihr
die jungfräuliche Anmut, und anstatt dieser lag auf ihrem feingeschnittenen Gesicht ein Zug von Sinnlichkeit, der wohl imstande war, einem Mann den Kopf zu verdrehen, wenn er etwa die sechste Bitte im Vaterunser „Führe uns nicht in Versuchnng", zu beten vergessen hatte. Als Fritz Steiner, mit dem Mädchen anstoßend, sein Glas jenem dieses schönen Geschöpfes näherte, traf ihn aus den schwarzen Augen ein so sprechender Blick, ein so zündender Strahl, daß er einen ähnlichen Schauer fühlte, wie am Morgen, wo er in der Weidener Sparkasse das Gold einstrich. Es wurde ihm so sonderbar ums Herz, und als die Harfenistin ihre Augen tief in die seinen versenkte, und ihm zutrank, da wußte er nicht, wie ihm geschah; auch er trank — trank in so ausgiebigen Zügen, als müßte er eine ihn verzehrende innere Glut löschen, er leerte sein Glas bi« auf die Neige — bi« auf den letzten Tropfen. Mt dieser Leistung, die er in unglaublich kurzer Zeit zuwege gebracht, — denn seit seinem Eintritt in die Wirtsstube war noch kaum eine Viertelstunde verstrichen, — schien aber ein böser Geist in ihn gefahren zu sein. Sein Antlitz rötete sich, die Adern an den Schläfen traten hervor, und die Blicke wurden unstät. Er stand im Stadium des beginnenden Rausche«, hervorgerufen durch die mannigfachsten seelischen Erregungen des verflossene» Tages, durch de» ermüdenden Marsch und den ungewohnten, überdies allzu hastigen Bier- genuß bei fast leerem Magen.
„Kellnerin, einschenken!" rief der junge Mann wieder.
Der Musikant lächelte seinen Begleiterinnen verstohlen zu. Augenscheinlich nahm Fritz Steiners Zustand sein volles Interesse in Anspruch. Die schöne Harfenistin blinzelte und nickte. Die Gesellschaft schien sich mittelst Geberden verständigen zu können. Als die Kellnerin da« Glas brachte, nahm Fritz ein zweites Goldstück aus dem Geldbeutel.
„Lassen Sie es wechseln!" sagte er prahlerisch. „Ich habe ohnehin kleine Münze nötig."
(Fortsetzung folgt.)