Brückengeländer kollidierte. Das Geländer wurde stark beschädigt, hat aber glücklicherweise so viel Widerstand geleistet, daß das Auto auf der Brücke stehen geblieben ist. Der Kraftwagen erlitt nur geringe Defekte. Dagegen hatte das Bierfuhrwerk einen Verlust von ca. 100 gefüllten Bierflaschen zu verzeichnen.
Schwenningen 2. Juni. Gestern nachmittag kam es in der Dauchingerstraße zwischen einem hiesigen Geschäftsmann und seiner besseren Ehehälfte zu einem für die letztere recht unangenehmen Zwischenfall. Da der Ehemanm anscheinend einen größeren Betrag, welchen er zu einem Hauskauf verwenden sollte, mit sich führte, traute ihm seine Frau nicht recht, und, um ihrer Sache sicher zu sein, schlich sie ihm nach. Dadurch wurde der gute Mann aber so aufgebracht, daß er seiner allzubesorgten Frau eine Tracht Prügel verabreichte; diese flüchtete in einen Bäckerladen. Der Vorgang zog natürlich eine große Menschenmenge an. — So zu lesen im „Schwarzwälder Volkssreund", der für die Richtigkeit aufzukommen hat.
Friedrichshafen 2 Juni. Das Luftschiff wird seit heute nachmittag gefüllt. Die Füllung soll noch abends beendet werden. Die Motoren haben die Probe bestanden und auch alle anderen Teile funktionieren tadellos, so daß, falls unvorhergesehene Hindernisse nicht eintreten, für morgen ein Aufstieg zu erwarten ist. Viele Schaulustige sind hier schon eingetroffen. Das Wetter ist günstig. — Der Freiballon „Friedrichshafen" stieg gestern abend 8 Uhr zu einer Nachtfahrt auf. Führer war Oberingenieur Kober. Nach zehnstündiger Fahrt landete der Ballon heute früh 6 Uhr bei Babenhausen.
München 1. Juni. In der gestrigen Magistratssitzung ist das Projekt eines Münchener Zoologischen Gartens in den Grundzügen genehmigt und damit der baldigen Verwirklichung nahe gerückt worden. Die Stadt überläßt dem Verein Zoologischer Garten ein geeignetes Gelände, das zwischen der Thalkirchener Brücke und der Marienklause gelegen ist. Teile des Terrains sollen bereits für das kommende Frühjahr fertiggestellt werden.
Wiesbaden 1. Juni. In der vergangenen Nacht gegen 11 Uhr explodierte in der Binger- straße eine Petroleumlampe und setzte die Kleider des 20 Jahre alten Dienstmädchens Alma Hektar in Brand. Das Mädchen rannte, vor Schmerzen wahnsinnig, die Treppe auf und ab und stürzte sich schließlich aus dem Flurfenster des zweiten Stockes in den Hof. Sterbend wurde es in» Krankenhaus gebracht, wo es noch nachts seinen Verletzungen erlag.
Zweibrücken 29. Mai. Eine eigen- artigeKrankheit bildet hier zur Zeit das Tagesgespräch. Frl. Johanna Knoll von hier, welche verlobt ist, wurde seinerzeit zu ihrem sterbenden Großvater gerufen. Als sie an das Sterbebett kam, war dieser schon gestorben. Frl. Knoll wurde nun von einem Weinkrampf befallen, indem sie 7 Stunden lang weinte und alsdann in einen todesähnlichen Schlaf verfiel, der nun schon 14 Wochen anhält, so daß sie künstlich ernährt werden muß. Nach dem Gutachten der Aerzte besteht wenig Hoffnung, der Schlafenden ihre Gesundheit wieder zu geben.
Berlin 2. Juni. Der „Russe" Abraham Eierweich, der gestern den Kronprinzen belästigt hat, erzählte nach der „Voss. Ztg." in Freundeskreisen oft, daß er demnächst eine große Tat werde vollbringen, die die Aufmerksamkeit der Welt auf ihn lenken werde. Schon vor einem Jahre ging er und zwar in einer Versammlung der freireligiösen Gemeinde mit einem alten verrosteten Revolver gegen Dr. Bruno Wille loS. Seine Absicht war, Aufsehen zu erregen. Er wurde gestern in einer Anstalt untergebracht.
Berlin 2. Juni. Der erfolgreichste ungarische Aviatiker Zsely ist nach einem Pester Telegramm der „Berliner Morgenpost" tödlich verunglückt. Zsely stieg gestern abend auf und gewann den von dem Grafen Caroly gestifteten Preis von 5000 Kronen für ungarische Aviatiker. Nach diesem Erfolg stieg er nochmals hoch und stürzte aus beträchtlicher Höhe ab. Er war sofort tot.
Dresden 1. Juni. Die Ankunft des Lenkballons „? IV" in Dresden, die für den 8., 9. oder 10. Juni in Aussicht genommen war, wird sich um einige Tage verschieben, da der Ballon bis zu der festgesetzten Zeit in Bitterfeld nicht genügend ausgeprobt werden kann. Diese Dresdener Fahrt des „Parseval", der bereits in den Besitz der Münchener Luftschiffahrtsgesellschaft übergegangen ist, ist als letzte Probefahrt gedacht. Der Lenkballon sollte bereits Anfang Juni in München stationiert sein, um seine Fahrten nach Oberammergau aufzunehmen; doch wird die Ankunft in München infolge des Einsturzes der Parsevalhalle erst einige Wochen später statt- finden. Der Transport nach München wird nicht auf dem Luftweg, sondern mit der Bahn erfolgen.
Hamburg 2. Juni. Während eines heftigen Gewitters, das heute nachmittag hier niederging und großen Schaden anrichtete, traf der Blitz ein auf der Innen-Alster fahrendes Boot und tötete 2 Insassen.
Calais 1. Juni. Da der Sturm nachgelassen hatte, wurde die Arbeit an der Hebung
der „Pluviose" heute nachmittag wieder ausgenommen. Taucher fanden in einem Loch des Schiffskörpers einen Mann in halb aufgerichteter Stellung, wie wenn der Matrose im Augenblick der Katastrophe versucht hätte, zu entrinnen. Durch Spezialerlaß hat der Marineminister der ertrunkenen Mannschaft der „Pluviose" den nächst höheren Dienstgrad verliehen. Ihr Sold ist den Hinterbliebenen ausbezahlt worden.
London 2. Juni. Der englische Aviatiker Rolls flog heute mit seinem Aeroplan von Dover über den Kanal und wendete bei Sangatte westlich von Calais. Er kehrte, ohne zu landen, von dort nach Dover zurück, wo er kurz nach 8 Uhr abends eintraf.
Verwischtes.
8 Verurteilung eines Schreinermeisters wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Außerachtlassung einer Gewerbepflicht. (Z 120a der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich und § 230 des Deutschen Strafgesetzbuches.) Vor dem Kgl. Schöffengericht in Stuttgart wurde am 25. Mai gegen den Schreinermeister Aug. Jäger aus Gaisburg wegen des obigen Vergehens verhandelt, das er nach der Anklage dadurch begangen hat, daß er trotz gebotener Gelegenheit und Zeit, sich von der Notwendigkeit einerVerbesserung an seiner kombinierten Abrichthobelmaschine zu überzeugen und sie auszuführen, dies unterließ und durch dieses Versäumnis zu der am 26. Januar 1910 erfolgten schweren Handverstümmelung seine« Maschinenarbeiters Abele von Mundelsheim wesentlich und schuldhafterweise beitrug. Der beschuldigte Schreinermeister wandte ein, die Südwestdeutsche Holz-BerufSgenofsenschaft bei der er inkorporiert ist, habe ihm die bei dem Unfallereignis fehlende Sicherheitsvorkehrung nur em- pfehlensweise zur Anschaffung aufgegeben, weshalb er dieser Anregung eine Beachtung nicht schenkte, um die für die „Vierkantwelle" erst angeschafften Hobelmesser (Wert 40^) vollständig aufzubrauchen. Die Verhandlung, zu welcher der Kgl. Gewerbeinspektor Decker und der Werkführer und Gemeinderat Grokenberger als Sachverständige, wie der techn. Aufsichtsbeamte Hofmann der Südwestdeutschen Holz-Berussgenossenschaft und zwei Schreinermeister als Zeugen beigezogen waren, ergab als Grundlage für die Schuld des Beklagten folgendes: Als Besitzer einer Abrichthobelmaschine mit Virkantwelle war ihm die große Unfallgefährlichkeit dieser Maschine bekannt und wußte auch, daß es ein Mittel — die runde Sicherheitswelle — zur Verhütung oder erheblichen Abschwächung des eingetretenen Unfalles gibt, das in den meisten gleichartigen Betriebe»
seiner Liebe lasse. Der Lehrer, welcher wohl einsah, daß längerer Widerstand nur geeignet wäre, die Leidenschaft de« jungen Mannes zu schüren, beugte sich vor den feurigen Bestürmungen seines Sohnes, und erklärte ihm, er solle seinen Willen haben. Jedermann sei seines eigenen Glücke» Schmied, und wie er sich bette, so werde er liegen. Doch nahm er Fritz das Versprechen ab, sich der Leute wegen so viel wie möglich von der Förstersiochter fernzuhalten, unter keinen Umständen heimliche Zusammenkünfte mit ihr zu verabreden und sie überhaupt nur zu sehen, wenn einer von den beiden Vätern zugegen sei.
Siebentes Kapitel.
So durste sich denn Schön-Babettchen als Braut des Steinerfritz betrachten. Es war freilich ein sonderbares Verhältnis: er besaß nicht«, sondern lag seinem ohnehin schwer bedrückten Vater noch auf der Tasche; sie hatte gleichfalls kein Vermögen, und doch bauten die jungen Leute schon Schlösser in die Luft und träumten von einer glänzenden Zukunft. Sie fühlten sich glücklich; nur das Gefühl, daß ihr Verkehr streng überwacht wurde, und daß sie die Versicherungen ewiger Liebe und Treue nicht so oft auStauschen konnten, als ihre Herzen sich danach sehnten, bildete den Wermutstropfen im Becher ihrer stillen Seligkeit.
Das ging nun so eine geraume Weile, wohl über ein Jahr fort. Da kehrte im Schulhaus plötzlich die Freude ein. Der Postbote brachte ein Schreiben der königlichen Regierung in Regeniburg des Inhalts, daß der Schuldienst-Exspektant Fritz Steiner zum Hilfslehrer in Vohenstrauß ernannt worden sei und seine Stelle innerhalb vierzehn Tagen dort anzutreten habe. Welchen Jubel diese« Dekret bei allen Beteiligten erweckte, läßt sich nicht beschreiben. — Endlich — endlich nach langen Jahren vorbereitender Studien, empfindlicher Entbehrung und banger Erwartung bot sich die eiste süße Frucht des unter bitterer Mühsal ausgestreuten Samens.
Fritz hatte die unterste Stufe auf der Leiter der Schulhierarchie betreten; es lag nur an ihm, ob er schnell oder langsam weiter empor
steigen würde. Seine Brust hob und dehnte sich unter all den guten Vorsätzen, welche sie schwellten. O, wie vorzüglich wollte er sich führen, mit welchem Fleiß seinem Beruf obliegen, wie eifrig an seiner Fortbildung arbeiten! Winkte ihm doch ein herrlicher Preis, die Hand Babettes, an deren zierlichen Finger er vor Gottes Altar den bindenen Ring stecken durfte, sobald er vom Hilfslehrer zum Schulverweser vorgerückt war!
Nach und nach machte aber der Freudentaumel Erwägungen Platz, die nicht so angenehmer Natur waren. Fritz besaß zwar endlich sein Anstellungsdekret, doch mit diesem allein konnte er nicht in Vohenstrauß einwandern. Vohenstrauß ist ein sehr regsamer Marktflecken und Sitz mehrerer königlichen Behörden.
Man schaut dort mehr auf Aeußeres und auf Kleider, als dies in einem weltverlorenen Dorf des oberpfälzischen Waldes der Fall ist. Namentlich ein Lehrer soll nicht Anlaß geben zu Nasenrümpfen und boshaften Spötteleien. Nun sah es aber mit Fritz Steiners Ausstattung schlecht aus. Er war aus den Kleidern, die er vom Seminar mitgebracht und die ihm damals gut gepaßt hatten, herausgewachsen; sie waren ihm auf allen Seiten zu eng und zu kurz; wenn er die Arme wagrecht ausstreckte, reichten ihm die Rockärmel nur etwas über die Ellenbogen. Auch die Wäsche war sehr defekt, und die Stiefel zeigten auf dem Oberleder große Flicken.
Die Erkenntnis, daß Fritz Steiner in einer solchen Ausrüstung den ihm übertragenen Posten nicht annehmen könne, wirkte wie ein Dämpfer auf den ersten lauten Freudenausbruch. Da war guter Rat teuer.
Am Abend dieses wichtigen Tages saß der alte Lehrer mit seinem Sohne in der Wohnstube de« Försters besprach mit diesem und Babette die fatale Lage. Daß neue Kleider und ein Vorrat Wäsche für Fritz unumgänglich notwendig seien, führte der alte Steiner aus, darüber bestehe kein Zweifel. Es frage sich nur, woher man alle diese schönen Dinge nehmen solle, ohne sie zu stehlen.
(Fortsetzung folgt.)