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auch hier. In der Gartenstraße wurden morgens '/<8 Uhr mehrere Stöße konstatiert, die die Möbel in Bewegung setzten. Leute, die im Bette lagen, hatten die Empfindung, als würden sie in die Höhe gehoben.
Oet iS he im OA. Maulbronn 37. Mai. Von schweren Schicksalsschlägen ist die Witwe Bau mann hier heimgesucht worden. Nachdem ihr vor etwa zwei Jahren der Mann im besten Alter nach kurzer Krankheit gestorben war, hat sie vor ^/« Jahren ihre 19 Jahre alte Tochter verloren. Gestern wurde ihr 20 Jahre alter und heute ihr IKjähriger Sohn beerdigt. Die Geschwister starben an Tuberkulose. Der schwergeprüften Mutter wendet sich allgemeine Teilnahme zu.
Eßlingen 27. Mai. Gestern vormittag zwischen '/-I und '/-2 Uhr zog ein sehr gefährliches Gewitter über unsere Markung, verbunden mit einem furchtbaren Hagelschlag. Die Schloßen, die ca. 12 Minuten lang bis zur Taubeneiergröße über die prächtig stehenden Fluren niedersausten, richteten einen schweren Schaden an. Namentlich die Gartengewächse und die teilweise noch in Blüte stehenden Obstbäume haben ungeheuer gelitten. Zwei Stunden nach dem Hagelwetter konnte man die an- geschwkwmtcn Hagelkörner noch fußtief beim neuen Schulhaus liegen sehen.
Deizisau OA. Eßlingen 27. Mai. Ein vielseitiger Mann scheint der Taglöhner Beck von Aichelberg zu sein, der unter dem Verdacht verhaftet wurde, die Diebstähle von Handwerkszeug in Deizisau ausgeführt zu haben. Nicht weniger als drei Wagen gestohlenen Zeuges wurden aus der DeiziSauer Kelter abgeführt.
' Da gab es nichts, für das er sich nicht interessiert hätte, Werkzeuge für Erdarbeiter, für Maurer, Gipser und Schreiner, Lötkolben fanden ebenso Gnade vor seinen Augen wie Bcckleitern, Waster- leitungSröhren, Dachpappe, leere Zementsäcke, Gießkannen, Eisenbahnschienen und dergleichen.
Fl ein heim OA. Heidenheim 27. Mai. Ueber den mit einer Brandstiftung verbundenen Mord ist noch nachzutragen: Die 27 Jahre alte Tochter des früheren Schultheißen Häuf ging abends auf Veranlassung ihres Liebhabers, eines 23 jährigen Schreiners von hier, in ihren Garten hinter dem Haus. Kurze Zeit nachher stand das Haus des Bauern Baier in Flammen. Einige Zeit später wurde das Mädchen ermordet und halb verkohlt in einer neben dem abgebrannten Haufe stehenden Hütte, mit Laub zugedeckt, aufgefunden. Ohne Zweifel wollte der Täter den Verdacht erwecken, es sei das Mädchen, das sich in gesegneten Umständen befindet, bei dem Brande von einem Unfall be
troffen worden und verbrannt, allein man fand bei der Leiche Spuren der Erdrosselung. Vielleicht hatte der Mörder auch im Sinne, die Hütte in Brand zu stecken, oder er rechnete damit, daß die Hütte mit dem Haus abbrenne. Der dringend verdächtige Liebhaber wurde verhaftet. Er leugnet aber entschieden.
Welzheim 27. Mai. Heute nacht wurde der Aushängekasten einer hiesigen Juwelierfirma erbrochen und seines Inhalts beraubt. Entwendet wurden etwa vierzig Uhren, mehrere Uhrketten und eine größere Anzahl goldener Damenringe. Das Geraubte hat einen Gesamtwert von etwa 1100 Als Täter hat man einen Italiener im Verdacht, der am hiesigen Bahnbau beschäftigt war.
Vom Unterland 27. Mai. Die Saaten stehen schön, besonders die Winterfrucht. Die Weizenfelder sind hervorstehend gut; der Roggen steht teilweise mannshoch da. Auch die Sommerfrucht kommt im Wachstum nach. Viel Flughaber schädigt aber hier den Ertrag. Die Klee- und Luzerneäcker liefern den ersten Schnitt in reichlichem Maße. Auch die Kartoffelfelder stehen schön in Kraut. Die Obstblüte ist bis auf die späten Luiken und den Taffetapfel vorbei. Der Fruchtansatz ist, bei Aepfel und Pflaumen gut bis sehr gut, dagegen sind Birnen, Kirschen und Zwetschgen dahin. Nur die Palmischbirnenbäume, die im Zabergäu häufig Vorkommen, tragen ordentlich. In manchen Zelgen schaden die Engerlinge, während man von einem Maikäferflugjahr nicht viel spürt. Die Setzware ist gut angewachsen. In den Gemüsegärten und unter den Angersen Hausen aber die Erdflöhe und ein unbekannter Schädling ziemlich. Gegen die Erdflöhe wird Tabakstaub ausgestreut.
Pforzheim 27. Mai. In dem benachbarten Dorfe Eutingen schlug der Blitz in die Scheune des Gasthauses zum Lamm, die vollständig abbrannte. Beim Niederreißen der Giebelmauer stürzte ein Teil der Mauer auf einen Feuerwehrmann, schlug ihm den rechten Fuß ab und verletzte ihn am Kopfe.
Berlin 27 Mai. (Die Wahlrechtsreform gescheitert.) Nachdem das Abgeordnetenhaus sämtliche Abänderungsanträge zu8 5 derWahlrechtsvorlage (Drittelungsbezirke) und sodann gegen die Nationalliberalen und Freikonservativen den §5 selbst abgelehnt hatte, erklärte Bethmann-Hollweg namens der Staatsregierung, daß diese auf die Weiterberatung des Gesetzentwurfs keinen Wert mehr lege. Darauf wurde die Sitzung geschloffen.
Berlin 27. Mai. In der Besprechung
des Schicksals der Wahlrechtsvorlage sagt die „Germania": Herr v. Bethmann- Hollweg hat keinen Anlaß, deshalb zurückzutreten, weil das Wahlrechtserbteil des Fürsten Bülow zum Bankerott gelangt ist. Er selbst wird aber daraus lernen, daß die Wahlrechtsbewegung nicht zur Ruhe kommen wird und daß die zukünftige Wahlrechtsreform nicht mehr dm plutokratischen Charakter zeigen wird. Die „Freisinnige Zeitung" schreibt: Dank der Energielosigkeit der Regierung ist es nicht einmal gelungen, die kleinste Novelle zu dem herrschenden Wahlgesetz durchzubringen. Allen Freunden einer ernsthaften Reform kann das nur erwünscht sein. Und wenn es vielleicht möglich gewesen wäre, durch die Gewährung einer Abschlagszahlung eine vorübergehende Beruhigung eintreten zu lasten, wird jetzt mit desto größerem Nachdruck das gefordert werden, was das alleinige Ziel der Wahlrechtsagitation sein kann: die Uebertragung des Reichstagswahlrechtes auf Preußen. Die „Deutsche Zeitung" meint, daß ein Kanzlerwechsel nicht zu besorgen sei. Nach den betrüblichen Entwicklungen sei der letzte Trost und der einzige Lichtblick, daß gar nichts zustande gekommen sei und daß folglich nicht auch in Preußen die Konservativen mit dem Zentrum Bügel an Bügel erscheinen in einem positiven Gesetzgebungswerk, an das sich eine dauernde Feindschaft und aufwühlende Agitation heften kann.
Innsbruck 27. Mai. In der Ortschaft Lans fuhr gestern abend ein Automobil an einer Kurve gegen ein Bauernhaus, wodurch der Eigentümer des Hauses, der vor dem Hause saß, getötet wurde. Die Insassen des Automobils wurden verletzt und zwar zwei schwer. Das Unglück geschah angeblich infolge Versagens der Bremse.
Calais 27. Mai. Ueber den Untergang des Unterseebootes „Pluviose" wird weiter gemeldet: Der Kapitän des Postdampfer« „Pas de Calais" hatte, ungefähr eine Seemeile entfernt, eine Art Wrack bemerkt und sofort den Befehl erteilt, rückwärts zu fahren. Die Geschwindigkeit, mit der das Schiff fuhr, verhinderte aber einen augenblicklichen Erfolg des Manövers und so ereignete sich der fürchterliche Zusammenstoß. Mehrere Torpedoboote, Baggerschiffe und Schwimmdocks mit Rettungswerkzeugen sind an der Unfallstelle, haben aber die Stelle, wo die „Pluviose" liegt, nicht gefunden. Außer der gewöhnlichen Besatzung hatte die „Pluviose" noch drei Offiziere der Unterseestation Calais an Bord. In Calais selbst herrscht ungeheure Erregung.
Calais 27. Mai. Die Strömung hat das Wrack des Tauchbootes „Pluviose" versetzt. Die Taucher, die das Boot in einer Tiefe
„Das ist alles nicht nötig; mir fehlt ja nichts mehr. Ich bin nur völlig verdattert'), weil mir der Pfannendeckel aus der Hand gefallen ist und so ein Gerumpel gemacht hat. Aber wie ist mir'S denn? Hast vorhin nicht gesagt, der Steinerfritz sei derselbige Soldat, den mein Mann zu Gast beten hat?"
„Freilich, dem alten Schullehrer sein Fritz ist's. Kreuzdividomine, aus dem ist g'schwind ein großer Herr geworden, aus dem Steinerfritz! Jawohl!"
„So, so", sagte die Bäuerin. „Da müssen wir alsdann schon noch einen Extrapfannkuchen backen; hol' mir Eier herein, LieSl!" Leise aber flüsterte sie: „O, mein Traum — mein Traum! Da kommt ja schon der Verdruß, und das Unglück ist auf dem Wege."
Drittes Kapitel.
Als der Bauer, vom Gottesdienst heimkehrend, über die Hofraithe schritt, leuchtete sein Gesicht vor inniger Freude, daß es trotz der strengen Züge fast einnehmend erschien. Ihm zur Rechten ging der als Gast angekündigte Unteroffizier; hinter den beiden drängte sich, in einen Haufen zusammengepreßt, das Gesinde, welche« nur hier und da halblaute Bemerkungen auStauschte, um kein Wort von dem Gespräch zu verlieren, welches zwischen dem Rodershofer und dem Militärsmann geführt wurde.
„Sie werden sehen, Herr Roder", sagte, gerade als sie den Hof betraten, der Unteroffizier, „Ihre Frau wird böse werden, daß Sie ihr so unverhofft einen Fremden über Mittag ins Haus führen. Wenn Festtage vor der Türe stehen, gibt es in einem großen Haushalt so viel zu tun, daß jeder überzählige Mensch nur stört."
Der Rodershofer bemühte sich, die hochdeutsche Sprechweise des Soldaten nachzuahmen.
_»Haben Sie nur keinen Kummer nicht, Herr. Unteroffizier", ant-
') Erschrocken.
wortete er, „meine Babett ist ein hauptgutes Weib, das sich zurechtgefunden hätte, auch wenn ich Sie nicht zuvor hätte anmelden lasten. Der Hüterbub, der Schlanke! wird das doch nicht vergessen haben? Und ein Fremder sind Sie nicht für mich, und g'wiß auch nicht für sie. Oder hat Ihnen mein Sohn, der Franz nicht verzählt, daß die Förstersbabett aus dem Dorf drunten meine zweite Frau g'worden ist? Die werden Sie doch kennen?"
„Natürlich — selbstverständlich", erwiderte der Soldat, „sind wir doch miteinander ausgewachsen! Und daß sie als Bäuerin auf den Rodershof kam, wußte ich schon längst, — Ihr Sohn brauchte mir'S also nicht erst zu sagen."
Die Antwort sollte leicht und unbefangen klingen; dennoch konnte der Unteroffizier nicht vermeiden, daß seine Stimme etwas zitterte und daß ein Schatten der Verlegenheit sein hübsches Gesicht verdüsterte. Dem Bauer entging das; denn er erblickte die Frau, die soeben aus der Haustüre auf die Gred hinaustrat, um die Herankommenden zu begrüßen, und rief ihr schon von weitem zu: „Freu' dich, Bäurin, ich Hab' einen lieben Besuch bei mir, unser« Franz seinen Herrn Unteroffizier. Er hat mir ein Briefe! mit'bracht von meinem Buben, und drinn steht g'schrieben, daß es ihm gut geht bei der Militär, daß er noch kein Heimweh g'habt und noch keine Stund Straf' kriegt hat. Gut können sie ihn leiden, der Herr Feldwebel und die Offizier' und das verdankt er alles dem Herrn Fritz Steiner, der sein Berittunteroffizier ist und nichts auf ihn kommen läßt. Und weil derjenige des Rodershofers persönlicher Freund ist, der seinem einzigen Sohn 'was Liebes tut, derenthalben Hab' ich den Herrn Steiner eingeladen, seinen dreitägigen Osterurlaub bei uns zuzubringen. Er hat auch sein Heimatdörfel einmal wieder sehen wollen; allein ich Hab halt gedacht in meinem Sinn, der Rodershof ist doch ein besseres Quartier, als das Schulhaus drunten. Du freust dich doch g'wiß, Babett, über unseren unverhofften Gast" (Forts, folgt.)