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gart und andere Orte vollauf gedeckt werden kann. Weitere eingehende Untersuchungen werden jedoch vor einer endgültigen Entschließung über die Ausführung des Unternehmens als erforderlich bezeichnet. Was die geologische Beschaffenheit des WaffergewinnungSgebiets anbelangt, so haben die Bohrungen ergeben, daß unter einer etwa 3 Meter mächtigen, völlig undurchlässigen Lettenschichte, welche von einem Humusboden mit dünner, torfartiger Einlage überdeckt ist, ein aus alpinem Geröll mit vorzüglich filtrierendem feinem Quarzsand bestehender Wasserträger von 4—5 Meter Mächtigkeit vorhanden ist, und daß das Wasser von reiner Beschaffenheit und mäßiger Härte ist und durch Oberflächenwaffer in keiner Weise beeinträchtigt wird. Als besondere Vorzüge des Unternehmens werden noch hervorgehoben: der Wegfall jeglicher Entschädigung an Wasserwerksbesitzer, das Fehlen von Wohnplätzen im weiten Umkreis des Entnahmegebiets, die jederzeitige Ausdehnungsmöglichkeit für Zeiten größeren Bedarfs, die günstige Zuleitung nach dem Wasserversorgungsgebiet, endlich die Zuführung einer beträchtlichen Waffermenge aus dem Zuflußgebiet der Donau in dasjenige des Neckars, ein Umstand der für die Schiffbarmachung des Neckars und auch für die Abwafferbeseitigung der Stadt Stuttgart von Bedeutung ist. Das Ergebnis der Untersuchungen veranlaßte das Ministerium des Innern, das für die Wassergewinnung in Betracht kommende Gebiet, zirka 1600 Morgen, das zum größten Teil der Stadtgemeinde Langenau gehört, durch einen vorläufigen Kaufvertrag zu sichern, bei welchem auch die Interessen der Stadt Langenau eine angemessene Berücksichtigung finden werden. Es ist nunmehr noch die Frage zu entscheiden,- ob Ausführung und Betrieb des Unternehmens vom Staat selbst übernommen werden soll, der das Wasser an Stuttgart und die sonst beteiligten Orte zum Selbstkostenpreis abzugeben hätte, oder ob das Unternehmen als Gruppenwafferversorgung durch die betreffenden Gemeinden selbst ausgeführt werden soll. Das wird Gegenstand weiterer Verhandlungen sein. Die technische Abteilung des Stuttgarter Gemeinderats ist gestern unter Führung von Gemeinderat Dr. Mattes, Oberbaurat Zöbel, Bauinspektor Riegel nach Langenau gereist, um an Ort und Stelle eine Besichtigung des Wasserentnahmegebiets vorzunehmen.
Stuttgart 21. Mai. Der Verband Württ. Industrieller plant einen gemeinschaftlichen Besuch der Weltausstellung Brüssel. Der Besuch ist für die zweite Hälfte des Monats Juni in Aussicht genommen. Hiebei wird den Teilnehmern die Möglichkeit gegeben werden, unter sachkundiger Führung ein volles Bild der Ausstellung zu erhalten. Der Aufenthalt soll sich über drei Tage erstrecken; für den vierten Tag ist ein gemeinschaftlicher
Ausflug nach Ostende beabsichtigt. Anmeldungen sind an die Geschäftsstelle des Verbandes, Stuttgart, Büchsenstraße 53 zu richten.
Zuffenhausen 22. Mai. Auf dem sogenannten Schelmenwasen wurde der 55 Jahre alle, verwittwete und aus Friedland in Schlesien gebürtige Schlosser und Monteur Adolf Kno üblich mit einer Schußwunde in der rechten Schläse tot aufgefunden. Der Selbstmörder hatte von Mitte Februar bis Ende April hier gewohnt und war dann nach Stuttgart verzogen. In einem hinterlassenen Briefe beschuldigt er die hiesigen staatlichen und städtischen Beamten, ihn in den Tod getrieben zu haben, weil sie seine Mittellosigkeit dadurch verschuldet hätten, daß man ihm den für einen Hausierhandel nötigen Wandergewerbeschein vorenthielt, weil sich seine Staatsangehörigkeit nicht mehr feststellen lasse. Weil er ohne alle Mittel sei, habe er sich deswegen auf Zuffenhausener Gemarkung getötet, damit die Gemeinde, in der ihm soviel Unrecht geschehen sei, wenigstens die Beerdigungskosten bezahlen müsse. Er scheint nicht gewußt zu haben, daß er auf die Anatomie nach Tübingen kommt.
Steinheim OA. Marbach 21. Mai. Von unbekannter Hand wurde dem Schreinermeister Fröscher in der vergangenen Woche zwölf Stück junge Legehühner vergiftet. Der Täter benützte hiezu Chilisalpeter, den er über den Zaun in den Hühnergarten warf. Die Hühner verendeten nach wenigen Stunden.
Mergentheim 22. Mai. Die hier kürzlich zu Besuch weilenden Reichstagsabgeordneten hatten an denKönig folgendes Telegramm gerichtet: die zum Besuch des deutschen Karlsbades anwesenden Mitglieder des Reichstages entbieten Ew. Majestät ehrerbietigsten Gruß. Darauf ging nachstehendes Antworttelegramm ein: Seine Majestät freuten sich sehr über die Begrüßung der zum Besuch Mergentheims auf württembergischem Boden anwesenden Mitglieder des Reichstags und lassen für Ihre Aufmerksamkeit bestens danken. Gez. Gültingen.
Tübingen 21. Mai. Das Kgl. Schloß in Bebenhausen wird an das städtische Elektrizitätswerk Tübingen angeschloffen und auch die Gemeinde wird mit Elektrizität für Kraft und Lichtzwecke versorgt, nachdem die nötige Zahl von Anschlüssen gesichert ist. Die Verträge mit der Kgl. Forst- und Kameralverwaltung betr. Führung der Hochspannleitung sind abgeschlossen, und so wird mit den Arbeiten jetzt schon begonnen. Das Schloß hatte ja auch schon eine Hausanlage, diese soll entsprechend verbessert und erweitert werden. — Mit Bebenhausen soll auch eine Personenverbindung durch Automobile oder durch eine gleislose elektrische Bahn geplant sein, doch befinden sich die Verhandlungen noch im Anfangsstadium. Von einer Automobilver
bindung durch den Schönbuch im Anschluß an die zwischen Stuttgart-Degerloch-Echterdingen- Waldenbuch rc. ist zunächst abgesehen worden, doch wird man auch dies Projett im Auge behalten, ebenso wie die Fortsetzung einer Automobilverbindung von Bebenhausen nach Dettenhausen zum Anschluß an die Bahn nach Böblingen, die leider so vor den Toren Tübingens abbricht und für die eine Fortsetzung nicht zu erwarten ist. Der Verkehr auf der Straße durch den Schönbuch ist einer der stärksten im ganzen Lande.
Tübingen 21. Mai. Ueber die Pfingst- ferien trieb eine Münchner Kellnerin hier ihr Unwesen, die sich als Studentin ausgab, eine Ausweiskarte der Universität München vorzeigte und den Hotelier, Geschäftsleute und Studenten betrog, sie soll mit einem wertvollen Brillantring eines Ausländers abgereist sein.
Rottweil 22. Mai. In Wellendingen fand ein 2jähriges Büblein im Garten des Nachbars den Weg vor den Bienenstand und hantierte am Flugloch herum. Bis man auf sein Geschrei herbeieilte, hatten die ergrimmten Bienen dem kleinen Kinde bereits mehr als 20 Stiche beigebracht. Man hüllte es in nasse Tücher und gab ihm Milch zu trinken, worauf sich ein starkes Erbrechen einstellte. Zur allgemeinen Ueberraschung bekam das Kind dann gar keine Anschwellungen, sondern schlief ruhig ein und war bereits am anderen Tage munter, während man für sein Leben gefürchtet hatte.
Tuttlingen 21. Mai. Heute läuft die Kündigungsfrist ab, die der hiesige Schuhfabrikantenverein seinen Arbeitern gegeben hat. Bis gestern sind Verhandlungen zu einer Einigung nicht gepflogen worden. Und wenn nicht noch in letzter Stunde die Differenzen beigelegt werden, so erfolgt die Aussperrung. Wie verlautet, sollen die Fabrikanten große Warenvorräte auf Lager haben, die Arbeiter sollen hinter einer gefüllten Streikkaffe stehen und so kalkuliert man beiderseits, daß man die Aussperrung wagen könne. In den der Sache fernstehenden Kreisen hält man es nicht für ganz richtig, wegen einer solch geringen Forderung einen Streik mit seinen schwerwiegenden Folgen heraufzubeschwören. Jedenfalls gibt es auch noch einen Ausweg, der beiden Teilen gerecht wird. Auf die Dauer wird man die Einführung der 1*/- ständigen Mittagspause doch nicht sernhalten können, aus der anderen Seite könnte man sich vielleicht auch damit zufrieden geben, wenn ihre Einführung in den nächsten Jahren in sichere Aussicht gestellt wird. Gestern abend sprach in öffentlicher Schuhmacherversammlung Landtagsabgeordneter Simon aus Nürnberg über die bevorstehende Aussperrung. Für heute sind Versammlungen anderer Gewerkschaftsbranchen angekündigt, in denen die Erhebung
Aug' um einen Fünfernickel! Ueber 8 Marken soll so ein Lumpazi da verspielt haben in weniger als einer Stund'. Hast nichts davon reden hören, Mich!, d'runten im Dorf?"
Mich!, der Großknecht, hatte eben einen Löffel voll Suppe in den Mund geführt. Bei der Frage seines Dienstherrn wurde er sehr rot und verschluckte sich. D'rum konnte er nicht gleich antworten, und es wäre ihm auch lieber gewesen, ganz und gar schweigen zu dürfen. Da er aber nicht nur den forschenden Blick des Bauern, sondern auch die neugierigen und zum Teil schadenfrohen Augen sämtlicher Dienstboten auf sich gerichtet sah, bequemte er sich doch zu einer Art Erwiderung.
„Ich — wenn ich spiel'", knurrte er, „kart nur mit, wenn ein LauStiegel zusammeng'setzt wird; aus der freien Hand spiel' ich nicht."
Das war nun allerdings keine recht paffende Antwort auf des Bauern präzise Frage, und man konnte dem Burschen seine Verlegenheit im Gesicht ablesen. Zum Glück für ihn wurde in diesem Augenblick die Aufmerksamkeit der Tischgesellschaft auf etwas anderes abgelenkt. Denn die bisher in der Küche beschäftigt gewesene Bäuerin trat soeben in die Stube, nahm Platz an der Seite ihres Mannes, und indem sie nach dem Löffel griff, um ihren Teil an der Morgensuppe zu erhalten, sagte sie mit klarer sanfter Stimme:
„Vergeht auch nicht d'rauf, daß einer von Euch Mannsleuten heut' den Juda» brennen läßt."
„Richtig", bestätigte der Bauer, „heut' brennt man ja den Judas." Für jene meiner freundlichen Leser und Leserinnen, welchen der Ausdruck unverständlich sein sollte, füge ich nachfolgende Erklärung bei:
« In allen Pfarrkirchen der katholischen Christenheit finden während . der Charwoche Zeremonien statt, ebenso ergreifend durch ernste, lugubre Pracht, wie durch tiefe mystische Symbolik. So werden unter anderen
am CharsamStag vor dem heiligen Hochamt alle Kerzen, sogar das ewige Licht, das vor dem Tabernakel des Hochaltars brennt, ausgelöscht. Dann schlägt der Priester Feuer aus einem Stein, und von dem neuen Lichte werden alle Kerzen und Lampen in der Kirche wieder angezündet. Die diesem Vorgang zu Grunde liegende Symbolik läßt sich kurz dahin deuten, daß der hinter einem versiegelten Stein eingeschloffene gekreuzigte Christus au» eigener Gotteskrast und als Licht vom ewigen Lichte, vom Tode auferstanden und zum einzigen wahren Licht geworden ist, welches die ganze Welt erleuchtet. Das unter Weihegebeten aus dem Stein hervorgelockte neue Charsamstagsfeuer wird aber vom gläubigen Volke hoch verehrt, und um sich dasselbe für das Alpha und Omega jedes landwirtschaftlichen Betriebes, nämlich für den Ackerbau, gleichsam dienstbar zu machen, ist man in der Oberpfalz auf den seit unvordenklichen Zeiten geübten Brauch verfallen, vor dem Hauptportal der Kirche einen kleinen Scheiterhaufen mittelst eines Lichts anzuzünden, das selbst am neugeweihten Feuer angebrannt wurde. Das Holz zu diesem Scheiterhaufen besteht aus Prügeln, von denen jeder in der Pfarrei wohnende Landmann einen herbeibringt. Man läßt aber die Prügel nicht ganz in Rauch und Feuer aufgehen sondern nur oberflächlich verkohlen und heißt diese ganze Veranstaltung „den Judas brennen".
Der schwarz angesengte Judas wird aus dem Feuer gezogen, nach Hause getragen und zu Spänen zerschnitten. Dann bindet man je einen solchen Span mit einem Zweiglein der am Palmsonntag geweihten und zu diesem Zwecke aufbewahrten Palmen zusammen und steckt ihn ins Ackerfeld. Dort soll er nach der Meinung des Landvolkes infolge der durch die kirchliche Segnung auf ihn übertragenen Kräfte die Frucht vor schädlichem Frost und Hagelschlag, vor Dürre und übermäßiger Nässe bewahren.
(Fortsetzung folgt.)