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Landes bekomme. Immerhin legt das Blatt das Schwergewicht der Ernennung HieberS auf die Folgen für da» Parteileben und erklärt, die Sozialdemokratie erhebe immer bestimmter Anspruch auf den zweiten Reichslagswahlkreis, der im Januar 1907 Hieber mit 18 787 Stimmen zufiel gegen 15 546, die der sozialdemokratische Kandidat Keil erhielt. Diesmal dürfte das Bild ein wesentlich anderes werden.
Stuttgart 9. Mai. Ueber die Zahl der AuSgesperrten im Baugewerbe und den weiteren Verlauf der Aussperrung in Württemberg macht die „Schwäbische Tagwacht" nähere Angaben. Danach wurden ausgesperrt 1944 Maurer, 679 Zimmerer und 294 Hilfsarbeiter, zusammen also 2917. Die Aussperrung besieht nur noch in Stuttgart mit weiterer Umgebung, Göppingen, Heilbronn, Reutlingen und Tübingen.
Stuttgart 9. Mai. (Schwurgericht.) Wegen Totschlags hatte sich heute der verheiratete, 30 Jahre alte Goldarbeiter Daniel Ben tele von Gablenberg vor den Geschworenen zu verantworten. In der Nacht zum Karfreitag geriet der Angeklagte mit dem ledigen Schriftsetzer Karl Haug, mit dem er vorher in einer Wirtschaft gezecht hatte, in Streit. Haug bearbeitete Bentele mit den Fäusten und sprang ihm nach, worauf Bentele um sich des Angriffs zu erwehren mit einem Messer blindlings um sich stieß. Haug wurde in die linke Brustseite getroffen. Der Stich durchbohrte den linken Lungenflügel und da» Herz und hatte den sofortigen Tod des H. zur Folge. Haug befand sich in einer rauflustigen Stimmung, er war vorher in einer Wirtschaft von einem anderen Gaste beim Ringen an die Tür geschleudert und dadurch gereizt worden. Bentele gab an, er habe erst bei seiner Festnahme erfahren, daß er Haug getroffen habe. Er wurde als nicht händelsüchtig geschildert. Die Geschworenen sprachen ihn der Körperverletzung mit nach- gesolgtkm Tod schuldig unter Zubilligung mildernder Umstände. Das Urteil lautete hienach auf 6 Monate Gefängnis, abzüglich 1 Monat 15 Tage Untersuchungshaft.
Heilbronn 5. Mai. Drei hiesige Handwerker haben vor einem Jahre einen Aeroplan, Zweidecker, konstruiert. Nun ist e» ihnen gelungen, die Kosten für einen Motor aufzubringen und es sollen in der nächsten Zeit Flugversuche auf dem Exerzierplatz gemacht werden. Der Gemeinderat bewilligte heute 2000 ^ zur Er: bauung eine» ^ÄvP-en», in dem der Arropla» aus dem FlrrAW ME^g-ebracht werden w'L*-
Mer,entheim 4. DaS PMst-
sest wird d« Bad Mergenther»» einen Reichstag» besuch brr^m. Aus Me» y§n der Stccht- gemeinde ivd .de ergangene
Einladung au drvMeiäOLg hat eine größere Anzahl Herren zugesagt, am Pfingstsonntag in Mergeutheim emzutreffen. Nach Besichtigung der Stadt Md ihrer Altertumsdenkmäler findet um 11 Uhr ein von der Stadtverwaltung
gegebenes Frühstück mit Tauber fischen und Tauberweinen statt. Nachmittags werden die Reichstagsmitglieder die Bad- und Kureinrichtungen besichtigen. Abends findet ein Festessen mit Konzert und Beleuchtung im Kurhaus statt.
Göppingen 7. Mai. Bei der Firma Neuburger in Salach sind die Weber und Weberinnen in den Ausstand getreten. Sie halten wegen Nichtbewilligung ihrer Lohnforderungen mit vierzehntägiger Frist gekündigt. Diese Frist ist nunmehr abgelaufen.
Tübingens Mai. Heute früh 3.20 Uhr wurde der Halley'sche Komet mit bloßem Auge beobachtet. Etwa eine halbe Stunde waren Kern und Schweif gut sichtbar.
Ulm 9. Mai. Gestern abend fand die PreiSverteilung anläßlich des Jubiläums- schießens der Ulmer Schützengilde statt. Auf der Feldfestscheibe Württemberg gewann den Königspreis Apotheker Geiger von Dinkelscherben, den Preis de» Prinzregenten Luitpold G. L e h n e r - Nürnberg, den Preis des Großherzogs von Baden Schneider-Saulgau. Auf der Jubiläuwsscheibe Ulm erhielt Paul Frey- Ravensburg die Gabe der Stadt Ulm, Anton Jörg-Wittislingen den Preis der Königin, Wilhelm Straub den Preis des Prinzen Ludwig von Bayern. Die Meisterschaft gewann Eblen - Cannstatt. Ueber 400 silberne Schützen- taler und über 20 silbcrvergoldete Becher wurden von den 325 Schützen, die am Schießen teil- nahmen, herausgeschossen.
Ellwangen 9. Mai. Das Landgericht hat ein beim Postamt Aalen eingegangenes falsches Zweimarkstück und ferner ein Fünfmarkstück, das dem Postamt Winterbach zugegangen war, gerichtlich eingezogen.
Pforzheim 9. Mai. Der 35 Jahre alte verheiratete Kabinetmeister Emil Hub buch in der hiesigen Goldwarenfabrik von F. u. Co. hat im Laufe der letzten Jahre für etwa 6000 ^ Edelmetall veruntreut. Er flüchtete, ehe er verhaftet werden konnte unter Hinterlassung seiner Familie.
Haslach 5. Mai. Von einem grausigen Schicksalsschlag betroffen wurde die Familie des Bahnwärters Neu maier, der unterhalb Hausach stationiert ist. Als der gestern abend nach 7 Uhr fällige Personenzug den Uebergang bei Hausach passierte, wollten eben die beiden 3 bezw. 5 Jahre alten Kinder de» BahnwartS das Geleise überschreiten, wurden aber vom Räderwerk der Lokomotive erfaßt und sofort getötet. Dem einen der unglücklichen Kinder war der Kopf gespalten, während beim anderen momentan keine äußeren Verletzungen zu sehen waren. Den Schmerz der bedauernswerten Eltern kann man sich denken.
Colmar 9. Mai. Heute abend nach 6 Uhr versuchte sich der 45 Jahre alte frühere Kantinenwirt der Dragonerkaserne, Müller, auf dem
Bahnübergang der Bogelbacher Straße in einem der um diese Zeit belebtesten Viertel mit einem Taschenmesser den Hals zu durchschneiden. Er wurde dabei von einem Bahnbeamten beobachtet, der ihn an der Ausführung der Tat zu hindern versuchte. In diesem Moment fuhr ein Zug ein und bei dem Ringen zwischen de« Beamten und dem Selbstmordkandidaten geriet letzterer unter den Zug, so daß ihm ein Fuß abgefahren wurde. Schwer verletzt wurde er in da» Bürgerspital gebracht. Müller besitzt ein Kind, nach dem man bis jetzt noch sucht. Der Selbstmörder hatte sich mit dem Kinde im Laufe des Tages entfernt und man befürchtet, daß er, ehe er an sich selbst Hand anlegte, dem Kinde ein Leid angetan hat. Nach Mitteilungen der Angehörigen litt Müller seit längerer Zeit an Zwangsvorstellungen, so daß er die Tat in einem Anfall geistiger Störung verübt haben dürfte.
Berlin 9. Mai. (Reichstag.) Am BundeS- ratstisch v. Bethmann-Hollweg, Delbrück, v. Schön, Krätke, Wermuth, Dernburg, Wahnschaffe. In der Diplomatenloge wohnt der großbritannische Botschafter der Sitzung bei. Vizepräsident Spahn begibt sich in die Loge und drückt dem Botschafter die Anteilnahme des Reichstags an dem Ableben König Eduards aus. Vizepräsident Spahn eröffnet dann die Sitzung mit einer Ansprache, in der er sagte, das deutsche Volk nehme innigen, warmen Anteil an der herben Trauer, welche durch das unerwartete Ableben König Eduards den Kaiser und das Kaiserhaus betroffen habe. Mit der Teilnahme der ganzen Welt verbinde sich die aufrichtige Anteilnahme des deutschen Volkes an dem schweren Verlust, den mit seinem Königshaus das ganze britische Volk durch den jähen Tod des mitten in seinem Wirken für das Wohl und die Fortentwicklung seines Volkes aus dem Leben gerissenen Königs erlitten hat. Die Ansprache wurde von den Mitgliedern des Reichstags und Bundesrats stehend angehört. Eine Reihe von Petitionen wird ohne Debatte nach den Anträgen der Kommission erledigt. Ferner werden in 3. Lesung ohne Debatte angenommen das Diätengesetz für die Reichstagsmitglieder, soweit sie der Justizkommission angehören und im kommenden Sommer in Berlin anwesend sein müssen, mit dem damit verbundenen Nachtragsetat, der Nachtragsetat für die Schutzgebiete betr. Beamtengehälter, das Konsulargebührengesetz und das Kolonialbeamtengesetz. Der mündliche Bericht der Budgetkommifsion über die Petition des Handelsvereins und de» Pflanzervereins von Deutsch-Samoa um Einrichtung der Selbstverwaltung daselbst wird nach dem Vorschlag der Kommission durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt. Die Resolution Gräf-Weimar (wirtsch. Vgg.) betreffend Unterstützung des Deutschen Schillerbunde» wird dem Reichskanzler zur Erwägung überreicht. ES folgt der Schlußbericht der Petitionskommission über 26 Eingaben.
in der Seele der Frau, die von de» Schicksals wuchtiger Hand gedemütigt worden war, um zu der Erkenntnis zu kommen, daß sie einen Irrweg gegangen war.
„Ines", sagte Randen eines Tage», „ich möchte dich um etwa» bitten, aber ich wage es nicht recht."
„Sprich doch au«, Friedrich."
„Könntest du nicht zu un» nach Randenhugen übersiedeln? Herta bedarf noch der Pflege und ich bin oft in Geschäften abwesend. Bitte, komm mit un».
„Gewiß, ich will es, Friedrich."
„ES ist viel, wa» ich von dir verlange, Liebling."
Wie viel es war, wußte Ines am besten, aber sie zeigte es nicht. Ein Opfer mußte still gebracht werden, sonst verliert es an Wert.
Bernhard konnte nur einen halben Tag bei den Geschwistern bleiben; er sah frisch und gebräunt au».
„ES war sehr schön, aber ich freue mich doch, meine Hochöfen wieder zu sehen", sagte er, ohne Arbeit hielte ich e» auf die Dauer nicht au».
„HardyS, Randens bitten mich, mit Ihnen nach Randenhagen zu ziehen", teilte Ine» dem Bruder am Abend mit.
„Ich habe e« schon gedacht, Kleine». Du kannst dort viel Gute« stiften, ich freilich werde dich sehr vermissen."
ES übermannte JneS; die, Trennung siel ihr namenlos schwer. Sie schmiegte sich an Bernhards hohe Gestalt; stumm hielten sie sich umschlungen.
„Mein guter, after Hardy, wie wüst du e» einsam haben ohne mich", sagte Ine« mit schluchzender Stimme.
„Kleines, daran denke ich nicht, wir sind es Herta schuldig."
„Ich wäre ruhiger, wenn — wenn du heiraten würdest", kam es zögernd hervor. „Ich weiß auch, wer dich glücklich machen würde."
Sie nannte Luisens Namen nicht, aber Bernhard wußte, wen sie meinte. Mit dem Versprechen, fleißig zu schreiben, reiste der Hochofenchef nach Rößlinge« zurück. Er fand so viel Arbeit vor, daß er oft vierundzwanzig Stunden nicht aus den Kleidern kam. Ein aller Ofen war au»- gegangen, ein anderer hatte Reparaturen nötig, die Bernhard beaufsichtigen mußte. An den beiden neuen von ihm angelegten Oefen hatte der junge Chef seine Freude. Sie leisteten mehr als alle übrigen. Nach Md nach hatte Eiche sich auch da« Vertrauen der hartköpfigen Luxemburger Arbeiter gewonnen. Zwar gab es noch manche Widerspenstige unter ihnen, aber die Mehrzahl neigte auf seine Seite.
„Streng aber gerecht ist er, und hat ein Herz für seine Leute." So lautete da» allgemeine Urteil.
Wie sehr Bernhard Ines vermißte, fühlte er täglich. Oede und einsam war sein Leben außerhalb der Arbeit. Nun hatte er niemand, der ihn auf der Schwelle seines Hauses erwartete, mit dem er nach de» Tages Last und Mühe ein verständige« Wort reden konnte. In dieser Zeit war er oft bei Amtsrichters. Dort fühlte er sich heimisch. Was ihn hinzog, war nicht allein das biedere, freundschaftliche Wesen de» Hausherrn; Luisens gleiche Sanftmut, ihr Eingehen auf seine Interessen, fesselten den ernsten Mann, der sich mit ihr am liebsten unterhielt. Noch war ihm der Gedanke nicht klar, daß er sie gern als sein Weib und treuen Kameraden an seiner Seite sehen möchte, aber der Keim dazu lag in seinem Herzen; es bedurfte nur eines kleinen Anlasses, um ihn zur Blüte zu bringen. (Forts, folgt )