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in dienstliche Führungsberichte zu Ungunsten des Beamten Vorkommnisse ausgenommen werden sollen, so ist dem Beamten zuvor Gelegenheit zur Aeußerung zu geben. Diese Aenderung ist den Personalakten beizufügen. Eine Resolution des Abg. Graf (Ztr.) betr. Aenderung der Bestimmungen über die Disziplinarstrafen und das Disziplinarverfahren wurde abgelehnt. Dienstag nachmittag Fortsetzung und kleinere Vorlagen.
Tübingen 8. Mai. Jedenfalls, um ihrem Bräutigam begehrenswerter zu erscheinen, machte sich die 35 Jahre alte Dienstmagd Katharine Hutter von GerbertShofen 10 Jahre jünger, indem sie auf ihrer Bürgerrechtsurkunde und ihrem Taufschein ihr wirkliches Geburtsjahr 1875 in 1885 verwandelte. Sie mußte ihre Eitelkeit mit drei Tagen Gefängnis büßen, und der Bräutigam löste noch kurz vor der Trauung die Verlobung auf. >
Eßlingen 7. Mai. Die Einweihung des neuen Gymnasiums ist auf 29. Juli festgesetzt und bittet das Stadtschultheißenamt Eßlingen alle früheren Schüler des Pädagogiums, Lyceums und Gymnasiums um Angabe ihrer Adressen, um ihnen nähere Mitteilungen über die geplante Feier machen zu können.
Heilbronn 7. Mai. Aus Furcht vor Strafe hat sich ein 12jähriges Mädchen im Neckar ertränkt. Das Kind hat einen Schein verloren, und es wurde ihm von seinem Vater gedroht, daß es ohne den Schein nicht nach Hause kommen dürfe, sonst schlage er es tot. Ein Schiffer sah das Kind und wollte es retten, aber es war nicht mehr zu finden.
Vom Zabergäu 7. Mai. Das windige kalte mit Regen vermischte Wetter hat die Steinobstblüte bereits geschädigt. Die Kirschen haben Not gelitten. Die Birnen haben verblüht und stehen fest auf dem Stiel. Auch die Frühäpfelsorten sind noch gesund und bis jetzt vom Apfelblütenstecher oder Kaiwurm verschont geblieben. Die späteren Acpfel sind am Brechen der Blüte, sehr voll und gesund. Das frostige Wetter läßt allerdings Saftstockung befürchten. Die Sommersaat geht nicht vorwärts, ist auch stark verunkrautet, besonders von Flughaber.
Backnang 7. Mai. Am Pfingstsonntag und Montag findet hier die jährliche Landesversammlung der evangelischen Arbeitervereine Württembergs statt. Diese Bewegung verdient sowohl durch ihren zahlenmäßigen Bestand, noch mehr aber, durch ihre intensive Arbeit, die durch durch die 75 Vereine geleistet wird, Beachtung und Unterstützung. In Backnang sollen ebenfalls zwei wichtige Referate den geschäftlichen Verhandlungen einen größeren
Hintergrund geben. Es wird Privatdozent Dr. Ernst Kahn aus Frankfurt sprechen über Sittlichkeit und Wirtschaftsleben. Kahn steht als Sekretär des sozialen Museums mitten drin in der praktisch-sozialen Arbeit, die in Frankfurt a. M. in für ganz Deutschland vorbildlicherweise geleistet wird und ist wie kein zweiter berufen, die Wege zu zeigen, wie unsere Wirtschaft Kulturträgerin werden kann. Dann steht noch ein Referat von Lehrer Bäuerle- Karlsvorstadt- Stuttgart auf dem Programm über: „Die Bildungsaufgabe der evangelischen Arbeitervereine". So gewinnt diese Pfingsttagung Interesse weit über die evangelischen Arbeitervereine hinaus.
Schorndorf 7. Mai. Nachdem am Himmelfahrtsfest ein 7jähriges Mädchen des Weingärtners Stilz in der Urbanstraße durch ein Automobil zu Tode gefahren worden war, verunglückte heute nacht in Großheppach der Inhaber einer Bierniederlage namens Hack von Schorndorf durch Herabstürzen vom Bierwagen und fand dabei den Tod.
Tuttlingen 7. Mai. Die Schuharbeiter bei Gustav Henke und Storz u. Henke haben die Kündigung nicht zurückgenommen. In allen Betrieben der Schuhwarenbranche, die dem Fabrikantenverein angehören, ist deshalb der gesamten Arbeiterschaft gekündigt worden. Betroffen werden einige tausend Arbeiter und über 20 Betriebe. Heute vormittag wurden in den Fabriken Bekanntmachungen folgenden Wortlauts angeschlagen: „Der Zentralverband der Schuhmacher Deutschlands hat durch die hiesige Zahlstelle Herrn I. Schwald für den größten Teil der Arbeiterschaft von der Firma Storz u. Henke und Gustav Henke am Samstag den 30. April die Kündigung eingereicht und trotz unserer Aufforderung bis zur Stunde nicht zurückgenommen. Wir sehen uns deshalb gezwungen, unserem gesamten Arbeiterpersonal mit Wirkung von heute ab auf 14 Tage, bezw. diejenige Zeit, die den etwaigen Arbeitsverträgen zu Grunde liegt, zu kündigen. Unsere Mitglieder haben sich zur unwiderruflichen Durchführung der allgemeinen Entlassung gegenseitig kontraktlich verpflichtet, wir werden aber schon mit Rücksicht auf die tiefeinschneidenden Folgen eines Streiks die Zurücknahme des Vorstehenden in Erwägung ziehen, sofern seitens der hiesigen Zahlstelle die eingereichten Kündigungen bei obigen zwei Firmen noch schriftlich und bedingungslos zurückgezogen werden sollten. Tuttlingen, den 7. Mai 1910. Verein Tuttlinger Schuhfabrikanten e. V."
Berlin 7. Mai. In der Gesellschaft für Erdkunde hielt heute Peary einen Lichtbildervortrag über seine Nordpolreise. Die
Großherzogin von Mecklenburg, Staatssekretär Dernburg und Graf Zeppelin waren erschienen. Ter Vorsitzende der Gesellschaft, Geheimrat Penck, begrüßte die Versammlung. Als er den Namen Zeppelin nannte, brach die Versammlung in nicht enden wollenden Beifall aus. Nach dem Vortrag überreichte Geheimrat Penck Peary mit einer Ansprache die ihm von der Gesellschaft verliehene Nachtigallmedaille.
San Jose (Costarika) 8. Mai. Man schätzt, daß durch das Erdbeben in Carthago 1000 Menschen umgekommen und ebensoviel verletzt worden sind. Zwei Holzhäuser sind die einzigen Gebäude, die noch stehen.
Sum Tode iiönig Lduardr.
London 7.Mai. DerTod desKönigS macht den alsbaldigen Zusammentritt des Parlaments nötig, das bis zum 26. Mai vertagt worden ist, aber jetzt automatisch ohne besondere Einberufung zusammentreten wird.
London 7. Mai. Der König hat die Nachricht vom Tode seines Vaters allen Herrschern und Staatsoberhäuptern persönlich mitgeteilt. Er erledigte im MarlboroughauS Regierungsgeschäfte und war bis zum frühen Nachmittag nicht im Buckinghampalast erschienen, um nach seiner Mutter und Schwester zu sehen, hatte jedoch oftmals Erkundigungen einziehen lassen, wie sie den schweren Verlust tragen. Die Börsen sind geschloffen. Die Gerichtshöfe haben sich vertagt. Das Parlament tritt heute nachmittag, wie üblich, ohne amtliche Aufforderung zusammen, um den Eid zu leisten, die Botschaft des Königs zu hören und eine Ergebenheits- adreffe an den König zu votieren. Trotz Gewittersturm und Hagelschauer sammeln sich an verschiedenen Punkten der Stadt große Menschenmengen, um Zeuge der Proklamation des Königs zu sein.
London 7. Mai. Zum Tode des König» schreibt die „Times": Er war nicht nur in hohem Maße König, sondern jeder Zoll ein englischer König und ein englischer Gentleman. Der Verlust eines so erfahrenen, so scharfsinnigen, bei den Staatsmännern beider Parteien, wie bei der Nation so beliebten, so vorsichtigen, so mutigen und in den schwierigsten heimischen Krisen so taktvollen Königs bedeutet ein öffentliches Unglück.
Berlin 7. Mai. Die „Nordd. Allg. Ztg." schließt ihren Nachruf für König Eduard mit folgenden Worten: „In Deutschland gedenken wir des Heimgegangenen mit aufrichtiger An-
Es zuckte etwas wie Bedauern um den rosigen Mädchenmund. „Die gebe ich natürlich auf, Hardy!"
„Du liebes, gutes Kind!" Gerührt schloß der Bruder die kleine Opferwillige in die Arme.
Herta redete allerlei wirres Zeug durcheinander, bald sprach sie mit Tea Schönhausen, bald beschwor sie den Professor, ihr nicht die Hoffnung zu nehmen, daß sie es doch noch zu etwas großem bringen werde. Dann wieder traten Bilder aus früheren Zeiten in den Vordergrund. Sie wähnte sich in Randenhagen und bat ihren Mann, zu ihr zu kommen, ihr nicht böse zu sein. Wie ein roter Faden zog es sich durch alle ihre Fieberreden.
„Ines, ich telegraphiere Randen, er muß Herkommen."
„Tue es, Hardy, es ist das Richtige. Ich bleibe die Nacht gleich hier, schicke mir meinen Reisekorb."
Und Ines blieb. Sie wachte bei der Schwester, es wurde immer schlimmer, des Arztes Gesicht verriet es. Die junge Krankenpflegerin betete zum Herrn über Tod und Leben, daß er Genesung sende, nicht allein für den Körper, auch für die kämpfende Seele Hertas. —
Randen war von seiner weiten Reise heimgekehrt, als er Bernhards Drahtnachricht bekam. Er eilte an das Krankenbett der noch immer treu geliebten Frau.
„Gott wende alles zum Guten," dachte er bewegt.
Als er in München ankam, stand es gerade sehr ernst mit Herta. Die Krisis wurde erwartet und der Arzt gab wenig Hoffnung.
Tief ergriffen stand Friedrich von Randen am Bett seiner Frau. Er blickte auf die abgezehrte Gestalt, auf das kurz geschorene Haar und die scharf gewordenen Züge nieder. Kaum erkannte er die, die so blühend und fiegesgewiß Randenhagen verlassen hatte. Aus den Fieberreden der Kranken erfuhr er, was sie gelitten. Sein Name zog sich hindurch. Flehentlich beschwor Herta ihn, sie wieder als sein Weib zurückzunehmen, sie aus dem Elend ihre» Lebens zu erlösen. Schon durch Thümer hatte
der Gatte Herlas erfahren, daß es ihr nicht geglückt war, die heißersehnte Palme des Ruhmes zu pflücken; Beyerstein hatte seine Bedenken darüber geäußert. „Ich will warten," bis sie mich braucht, dachte der edle Mann, dessen Lebensglück so leichtsinnig durch die Hand der Frau gebrochen war, die jetzt elend, fast sterbend war.
Bernhard und Ines wachten in der Nacht, in der die Krisis ein- treten sollte, in einem Nebenzimmer. Randen saß am Schmerzenslager Hertas. Er hatte den Arm um sie gelegt, stützte ihren Körper und hielt die heiße Hand, die unruhig in der seinen zuckte. Seine Nähe, seine Berührung schienen beruhigend auf sie zu wirken, und die heißen Gebete, die für ihr bedrohtes Leben emporstiegen, mußten wohl Erhörung gefunden haben. Gegen Morgen wurde sie ruhiger, ein tiefer Schlaf senke sich auf sie nieder.
„Gerettet," sagte der Arzt am Morgen.
Die drei Menschen, die um das Leben der jungen Frau gebangt, atmeten auf. Eine große Freude lag auf ihren Gesichtern.
„Sie muß noch sehr geschont werden," bat der Arzt. „Jede Gemütsbewegung ist zu vermeiden."
„Friedrich, überlaffe es mir, Herta auf dein Hiersein vorzubereiten," sagte Ines, „jetzt fängt mein Amt an. Ich bleibe natürlich hier, du und Bernhard könnt Ausflüge an die Seen bei München machen."
Nach und nach erwachte Herta zum Leben. Sie lag meist still da. Ein erwartungsvoller Blick suchte die Tür. Jedes Mal, wenn jemand eintrat, leuchtete es in den großen Augen auf, und enttäuscht seufzte sie.
„Ines," sagte Herta eines Tages, „weiß Friedrich, daß ich so krank war, habt ihr ihm Nachricht gegeben?"
„Ja, Schwesterchen," versetzte Ines, „soll er kommen?
„Ich möchte es wohl," flüsterte die schwache Stimme.
„Und wenn er nun schon da wäre, wenn er mit uns um dein Leben gezittert, wenn er bei dir gewacht, als du bewußtlos warst, wenn er dich noch immer liebt und dich nicht vergessen kann?" (Forts, folgt )