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richtet wird. Ströbel (B.K.) befürwortete den Ausschußantrag auf Zustimmung zu dem Entwurf. Die Unterschiede innerhalb eines Kreises seien so groß wie innerhalb des ganzen Landes. Der kleine Mann werde in ein großes Parlament ebenso gewählt wie in ein kleines. Aus einer großen Kammer lassen sich leichter die nötigen Kommissionen bilden als aus 4 kleinen Kammern. Vier Kammern könnten 4 verschiedene Aeußerungen abgeben, mit denen die Regierung dann nichts anzufangen wisse. Eine Kammer würde mehr Ansehen genießen und billiger sein als vier, die dann noch eine Zentralkammer nötig machten. Sommer (Ztr.) begründete einen Antrag seiner Partei, daß vier Kammern im Anschluß an die Kreiseinteilung errichtet werden sollen. Jede Kammer hätte dann ihren Sitz selbst zu bestimmen. Eine einzige Kammer würde zu einer Art Neben­parlament werden. Verhältnisse und Bedürfnisse seien in den einzelnen Landesteilen sehr verschieden. Dasweinbauende Unterland habe andere Interessen als das ackerbautreibende Oberland. In einer Kammer könnten durch die Verhältnisse gegebene Sonderinterefsen leicht zu kurz kommen. Der beab­sichtigte Zweck der Beratung und Begutachtung werde durch vier Kammern bester erreicht. Hauß- mann habe früher selbst gesagt, in einer Kammer kämen nur die lateinischen Bauern, die Oekonomie- räte, aber nicht die kleinen Landwirte zum Wort, (v. Kiene: Das ist der Kern der Sache!) Minister v. Pischek hielt im Einklang mit der Mehrheit des Hauses, der Ersten Kammer und der Ansicht, wie sie sich allmählich herausgebildet hat, eine Kammer für das beste. Sie vermeide eine Zersplitterung der Kräfte und verursache viel weniger Kosten, auch biete sie eine größere Garantie für eine entsprechende Vertretung der verschiedenen Zweige der Landwirtschaft. Bei vier Kammern müßte das Beiratskolleginm der Zentralstelle beibehalten werden. Die jetzige Kreiseinteilung gäbe auch keine richtige Grund­lage für die vier Kammern. Dr. Rübling (B.K.) vertrat diebescheidene" Minderheit seiner Fraktion, die einer Kammer den Vorzug gebe und zwar nicht aus prinzipiellen, sondern aus Zweckmäßigkeitsgründen. Man habe an kleine Kammern von 20 Mitgliedern ohne bezahlte Sekretäre gedacht. Schaffe man eine Kammer, so trete an ihre Spitze ein Mandarin mit großer Pfauenfeder (Heiterkeit), der unter Umständen zu einem Gegengewicht gegen den Präsidenten der Zentralstelle werde- Hier heiße es dann auch: wenn Ritterschaft, Vogt und Schultheißen miteinander trinken, so zahlen die Bauern die Zeche. (Heiterkeit.) Dr. Eisele (Vp.) erklärte, seine Partei sei jetzt einstimmig für eine Kammer, nachdem sie die Unrichtigkeit ihrer früheren Haltung eingesehen habe. Ein solcher Umfall sei keine Schande, wohl aber liege ein Wider­spruch darin, wenn Keilbach gestern gesagt habe, vier Kammern oder keine, und Kiene heute die Schaffung einer berufständischen Vertretung der Landwirtschaft eine prinzipielle Forderung nenne.

! Seine Partei lehne beide Zentrumsanträge ab. Krug (Ztr.) befürwortete den Antrag Sommer. Frhr. Pergler v. Perglas (B.K.) unterstützte den Ausschußantrag und trat verschiedenen gegen ihn vor gebrachten Argumenten entgegen. Schock (Vp.) stimmte einer Kammer zu, damit das Gesetz nicht scheitere. Keßler (Z.) warf der Regierung vor, sie habe früher selbst den Standpunkt ver­treten, daß eine Kammer teurer zu stehen komme als vier. Der Bund der Landwirte sei früher auch für vier Kammern gewesen. Minister v. Pischek erwiderte, daß in dem früheren Ent­wurf der Regierung kein Wort von dem stehe, was Keßler behauptet habe. Ströbel (B.K.) sprach das Schlußwort, worauf der Antrag Sommer mit 53 gegen 24 Stimmen des Zentrums, sowie der Abgg. Körner und Rübling (B.K) und der Eveutualantrag v. Kiene mit 55 gegen 22 Stimmen des Zentrums abgelehnt und der Ansschußantrag angenommen wurde. Ströbel (B.K.) berichtete dann noch über Art. 2 betr. die Aufgaben der Landwirtschaftskammer. Fortsetzung Dienstag Nachmittag.

Itever die historische« ««d allgemeine« Verhältnisse von dem durch Grotz- ferrer heimgesrrchte« Orte BöhmerMrch.

Der Ort erscheint 1147 erstmals in der Ge­schichte; er wandelte in verschiedene Hände; er war bald Kloster- bald Reichsgut, bald Grafenbesitz, bald Staatsgerechtigkeit, kurzum der Spielball ver­schiedener Heuschaften und mußte sich mehrere Ver­pfändungen gefallen lassen. Kein Wunder, wenn sich die Einwohner im Jahre 1580 gegen ihre Herrschaft empörten, was sie allerdings schwer büßen mußten. Der Ort rerlor an Eigentum und noch drückendere Lasten wurden ihm aufeilegt. Dazu kamen noch sonstige große Schicksalsschläge. Im Jahre 1619 wurde der halbe Ort durch Feuer zerstört. Im 30iährigen Kriege bekam er ungeheure Kriegslasten, die meisten Einwohner wurden ver­trieben und durch die Pest aufgerteben. 1796 be­setzten 30000 Oesterreicher Böhmenkirch und nach dem Abzug derselben plünderten es die nachrückenden Franzosen. Zur Bezahlung von Kriegsschulden und zur Ablösung von Lasten hatten die Bötmenkircher den m ößtcn Teil ihrer ausgedehnten Waldungen an die Rechberg'sche Herrschaft verpfändet. Nachdem sie ihre Termine und Ziele nicht einhalten konnten, wurde ihnen viel Waldkomplex weggenomwen. Dieser repräsentiert jetzt einen ungeheuren Wert. Wäre Böhmenkirch nicht durch die Ungunst der Verhältnisse aus dessen Besitz gesetzt worden, es wäre heute einBaiersbronn".

Im Loufe des letzten Jahrhunderts folgten verschiedene kleinere Verheerungen durch Feuer und Krankheit. Die überschüssigen Arbeitskräfte schied Böhmenkirch stets aus. So wauderten in den 70 und 80er Jahren über 100 Familien nach Amerika aus; die Einwohnerzahl betrug vorher also 1850 und 1860 über 2000 Seelen. Heute zählt Böhmenkirch nur noch 1578 Einwohner; die Zahl der Hauptgebäude beträgt 346. Die Markung um­faßt etwas über 8000 Morgen. Die Bevölkerung treibt meist Landwirtschaft.

Wenn die Gegend auch rauh ist, so weiß doch der kräftige und zähe Albbauer sogar die weiter entlegenen recht mageren und steinigen Felder zu mittelertragreichen Flächen umzuschaffen.

Die sog.rauhe Wiese", größtenteils Eigen­tum der Gemeinde war früher durchweg Schafweide und als Schießplatz für das württ. Armeekorps geplant, ist aber jetzt größtenteils an die Gemeinde­bürger verpachtet und bebaut; sie wirst ansehnliche Erträge, namentlich an Haber, ab.

Seit ungefähr 30 Jahren suchen die in der Landwirtschaft nicht notwendigen Kräfte nament­lich die männliche Bevölkerung in den umliegenden Fabriken speziell in der Württ. Metallwaren­fabrik Geislingen Verdienst. In vielen Familien besorgen die landwirtschaftlichen Arbeiten nur die Frau und Kinder.

Die Bevölkerung sieht stets nur ein heißes Ringen um die Existenz; sie will sich erholen aus ihren ungünstigen Verhältnissen.

Die meisten Gehöfte namentlich die kleineren sind nämlich stark verschuldet; nach einer Statistik beträgt die aus den öffentlichen Büchern ersichtliche Schuldenlast der Einwohner­schaft ca. 600000 Dazu kommen noch die unversicherten Schulden mit ca. 1200 000 die

auf den abgebrannten Gebäuden versicherten Hypo- thekensckulden betragen allein schon 123 000

Die öffentlichen Lasten sind sehr hoch. Neben 50> Gemeindeeinkommensteuer erhebt der Ort eine Umlage auf Grund, Gebäude und Gewerbe von 18> marschiert hiemit unter den höchsten Um­lagen des Landes.

Die Gemeindeschuldenlast beträgt infolge Ablösung der fr. Grund- und Zehntlasten, der Dienstgelder und Frohnen, sowie durch die Erstellung der Wasserleitung und anderer kleinerer Bauten nicht weniger als 222000

Wenn die Ernte auf der Alb gut ausfällt, dann hat dieses fleißige Albdorf sein Auskommen; wehe aber wenn das Gegenteil der Fall ist. Und dies kann Heuer zutreffen! Die Mäuseplage tritt sehr befürchtend auf und mit Bangen sieht der Alb­bauer dem Sommer entgegen. Hoffen wir das beste l Es wird nicht weitere Worte brauchen, um darzutun, daß der hallbetroffene Ort eine kräftige Unterstützung verdient!

Köln 24. April. Dos Luftschiff ? II ist heute nocht um 12.55 Uhr vor der Luftschiffhalle in Bickendorf glatt gelandet.s

Homburg v. d. H. 24. April. Die Ge- samtübung der 3 Luftschiffe, die noch längere Zeit dauert, steht unter der Leitung des Kapitäns Neumann, der Luftschiff 2II nach Homburg begleitet hatte. Die ursprünglich gestern abend geplante Abfahrt des ^ II war deshalb ver­schoben worden, weil man Schwierigkeiten beim Landen befürchtete. Daß diese Bedenken be­rechtigt waren, zeigte die Landung des ? II, die wie aus Köln gemeldet wird, allerdings glatt, jedoch mit großen Schwierigkeiten vor sich ging.

Homburg v. d. H. 24. April. 2II ist heute früh um 8 Uhr aufgestiegen. Er fuhr eine Schleife über Homburg und nahm die Richtung nach dem Rhein.

Mainz 24. April. 2 II war von der

Worten das Unziemliche seines Betragens deutlich machte. Sie war dann bebend vor Entrüstung in ihre elende Mansarde geeilt und war in Tränen ausgebrochen. Sie kam sich ganz und gar schuldlos vor. Und plötzlich dachte sie an ihren Mann, sie sehnte sich nach seinem Schutz, nach dem starken treuen Arm, den sie von sich gestoßen hatte. Wie freundlich und nachsichtig war er gewesen, immer bemüht, sie zu erfreuen, ihre Launen ertragend, für jede noch so kleine Aufmerksamkeit dankbar. Einmal hatte sie ihm Blumen auf den Schreibtisch gestellt. Er hatte es wie etwas Großes aufgefaßt, ihr wie für ein wertvolles Geschenk gedankt. Und sie hatte seine zahllosen Rücksichten wie etwas selbstverständliches mit der Herablassung einer Fürstin hingenommen.

Nein, fort mit diesen Erinnerungen. Sie durfte nicht an sie denken, sie wollte es nicht! Und sie schloß die Augen. Heiße Tränen quollen unter ihren Wimpern hervor. Wie auf Hellem Goldgründe tauchte Schloß Randenhagen in ihrer Erinnerung auf. Durch die Allee, die dorthin führte, trabte ein Reiter auf feurigen Pferde. Es war Randen. Er sah im Sattel sehr gut aus, als früherer Kavallerieosfizier ritt er schneidig. Warum war Herta ihm nicht entgegengeeilt, als sein Auge suchend, wie erwartungsvoll zu ihrem Fenster emporschweifte. Sie bedauerte es jetzt zuweilen. Ganz leise sprach die ehrliche Stimme in ihr, die nicht zu betäuben war:Du hast nicht recht an dem Manne gehandelt, der Dir seine goldtreue Liebe schenkte, der vergeblich um deine Gegenliebe warb."

Herta hatte in der Nähe der Akademie ein Zimmer gemietet. Es war viel größer und bester möbliert, allerdings war es auch doppelt so teuer. Aber dafür war sie jetzt frei und konnte an dem einen der großen Fenster ihre Staffelet aufstellen. ES war HertaS Absicht gewesen, sich der

Landschaftsmalerei zu widmen, aber der Baumschlag bereitete ihr große Schwierigkeiten, und oft ließ sie den Pinsel mutlos sinken. Nach einer etwas erregten Auseinandersetzung mit Tea Schönhausen verließ Frau von Randen das hohe, düstere Haus, in dem sie so viele Monate gewohnt hatte. Sie atmete auf, als sie die schwere Tür hinter sich zufallen hörte, und doch überkam sie es wie eine große Verlassenheit. Nun hatte sie niemand in der großen Stadt, der ihr näher stand, der ein Interesse an ihr nahm.Ich muß meinen Weg allein gehen, ich habe es selbst gewollt," das dachte Herta, als sie in der Droschke mit ihrem Reisekorb ihrer neuen Wohnung in der Herrenstraße zufuhr.

Die Zeit verging. Immer mutloser sank die Hand der jungen Malerin herab, es kamen Tage, an denen sie nicht arbeiten konnte. Dann suchte sie der Stadt zu entfliehen, sie eilte ins Freie hinaus.

Der Lenz war gekommen. Es sproßte und trieb an allen Enden. Bunte, zarte Blumen schlugen die Augen auf, und die grünen Schleier der Birken wehten. Herta hatte ihr Skizzenbuch mitgenommen; sie saß auf einem Baumstumpf und zeichnete. Heute war es eine Landschaft, sie entwarf ein Blumenmärchen. Schlanke zartbelaubte Weidenzweige, mit den wolligen Kätzchen daran, darunter die Maßliebchen und sinnigen Glockenblumen. Ein Falter wiegte sich darüber. Wie wohlgelungen das harmlose Bildchen war. Herta führte es zu Hause in Aquarellfarben aus; diese neue Art zu malen, machte ihr Freude. Sie legte das Bildchen in ihre Mappe, um es zur Akademie mitzunehmen, aber sie vergaß es über den Sorgen, dem fieberhaften Ringen, nach dem hohen Ziel, dem sie nachjagt, ohne es zu Haschen.

(Fortsetzung folgt.)