410
breiteten sich vier badische Landtags abgeordnete für Pforzheim-Durlach über die große volkswirtschaftliche Bedeutung dieser süddeutschen Ostwestverbindung durchs Würmtal mit dem Rhein. Sie versprachen, in den Kammerverhandlungen im Sommer ihrerseits dafür zu sorgen, daß nicht länger die kleinliche Grenzpfahlpolitik der freundnachbarlichen Bundesstaaten zum Schaden des Volkes und Landes getrieben werden dürfe und gaben der Hoffnung Ausdruck, daß auch die württembergischen Interessenten zusammen mit den berufenen Volksvertretern eine rege Tätigkeit und Anteilnahme Hand in Hand zum Gelingen des guten Ganzen zeigen werden.
Stuttgart 20. April. Zu der heute vormittag im Leibstallreithaus vorgenommenen Versteigerung der zum Verkauf bestimmten Pferde aus dem Kgl. Marstall und dem Kgl. Privatgestüt halten sich zahlreiche Käufer und Pferdeliebhaber eingefunden. Zur Versteigerung kamen 14 Pferde, von denen 4 wegen zu niederen Angebots nicht abgegeben wurden. Für einen 4jährigen Dunkelfuchs wurden 1020 für 3 Rappen 515 600 und 720 ^
erzielt. Das Königspaar sah der Versteigerung von der Galerie des Reithauses aus zu.
Stuttgart 20. April. Die Anmeldungen für die 7. Veteranenreise nach Frankreich sind so zahlreich, daß sie schon als definitiv gesichert ist. Die Reise führt zunächst nach Paris, wo ein Aufenthalt von Tagen genommen werden wird, um St. Cloud-Versailles-SevreS, sowie die Schlachtfelder um Paris zu besuchen. Dann geht es nach Orleans, wo sämtliche Schlachtfelder aus dem Loire-Feldzug besichtigt werden. Nach Sedan führt der weitere Weg und auch die hier liegenden Schlachtfelder mit dem berühmten Bellevue, Donchery, Bazeilles u.s.w. werden besucht werden. Ueber Luxemburg und Namur geht es weiter nach Brüssel zur Weltausstellung, ein Ausflug nach dem Weltseebad Ostende, sowie nach Blankenberg und Brügge wird unternommen werden. Endlich wird die 7. Veteranenreise durch einen Besuch des Schlachtfeldes von Belle-Alliance (Waterloo) abgeschloffen werden. Da der Kaiser bestimmt hat, daß für Kriegsveteranen, die die Schlachtfelder besuchen wollen, auf den Strecken der preußisch-hessischen Staats- und Reichseisenbahnen der Militärsahrpreis in Anrechnung kommt, dürfte noch so mancher von der günstigen Gelegenheit Gebrauch macken und sich der 7. Veteranenreise nach Frankreich anschließen. Alles Nähere, sowie ein genauer Prospekt für die Reise ist gegen Einsendung einer 10 Pfennig-Marke zu beziehen durch die Zentralstelle für Veteranenreisen nach Frankreich, München, Dachauerstr. 11.
Altensteig 20. April. Der Brandfall,
durch den 6 Familien obdachlos und mehr oder weniger unterstützungsbedürftig geworden find, ist, wie nun feststeht, durch ein 11 jähriges Mädchen eines der Abgebrannten verursacht worden. Es ist traurig, wie sich die Fälle häufen, in denen Kinder die Ursache von Brandfällen sind. So ist bekanntlich auch die große Brandkatastrophe in Böhmenkirch und der Brand in Dornstetten durch Kinder entstanden. Es ist das eine ernste Mahnung für die Eltern, den Kindern das „Zündeln" streng zu untersagen, die Zündhölzer von ihnen fernzuhalten und ihnen besonders die schweren Folgen eines Brandunglücks vor Augen zu führen.
Gomaringen OA. Tübingen 20. April. Auf der Heimreise von Tübingen ist das Einspännergefährt der Witwe Rilling beim Wald- hörnle mit einem Automobil zusammengestoßen. Die Chaise wurde zertrümmert, das Pferd verletzt. Die schon zuvor kranke Frau liegt nun im Sterben.
Rot a. S. OA. Gerabronn 20. April. Heute früh wurde die schrecklich verstümmelte Leiche des 40jährigen ledigen Fabrikbeamten Hahn von Gerabronn auf dem Gleis der hiesigen Station gefunden. Es scheint, daß Hahn gestern nacht irrtümlicherweise hier den Zug verlassen hat und als er seinen Irrtum bemerkte, wieder in den schon in der Fahrt befindlichen Zug springen wollte und überfahren wurde.
Erbstetten OA. Marbach 20. April. Ueber die Bluttat, die die Witwe Bai er am Samstag an ihrem dreijährigen Kinde beging, wird weiter folgendes berichtet: Die 29jährige Witwe Baier, die in geistiger Umnachtung den Mord an ihrem dreijährigen Kinde aussührte, war in Bückingen verheiratet und verlor dort ihren Mann durch einen Unglücksfall. Nach diesem schweren Verlust zog die Witwe ins Elternhaus nach Erbstetten zurück, wo sie mit ihrem Kinde, dos der Liebling des Hauses wurde, freundlichst ausgenommen wurde; es zeigten sich jedoch bei ihr liefere Spuren geistiger Trübung mit dem Wahn, daß sie bald sterben müsse und daß es ihr zu schwer sei, ihr Kind allein zurückzulaffen. Ohne daß weiteres an der Mutter zu bemerken war, schritt sie in dem Augenblick, als die Großmutter auf der Bühne etwas holte, zu der blutigen Tat, brachte dem Kind in der Schlafkammer mit einem schweren Metzgerhackbeil tötliche Verletzungen bei und versetzte sich selbst schwere Hiebe auf den Kopf. Auf einen Schrei des Kindes stürzten die Großmutter und ein Bruder herbei, mußten sich aber, da sie die Türe verschlossen fanden, auf einem anderen Wege den Zugang verschaffen und fanden die gräßliche Lage vor. Die verletzte Mutter bat, sie dem Kind in den Tod nach- i
folgen zu lasten. Ein herbeigerufener Arzt konnte nur den Tod des Kindes konstatieren. Das Amtsgericht war bereits zur Feststellung des Sachverhaltes an Ort und Stelle. Die beklagenswerte Frau, die über die Tötung des Kindes große Reue zeigt, wurde zur Heilung ihrer schweren Verletzungen und zu ihrer Beobachtung in das Bezirkskrankenhaus nach Marbach verbracht.
Ulm 20. April. Der Schreiner Wilhelm Schwengel von Laupheim, dem in zwei Fällen Einbrüche in Kapellen und Entwendung wertvoller Statuen nachgewiesen wurden, ist vom Landgericht Augsburg zu 1'/- Jahren Zuchthaus verurteilt worden.
Friedrichshofen 20. April. Die Luftschiffbaugesellschaft hat sich entschlossen, um Verwechslungen mit der militärischen Benennung der Zeppelin'schcn Luftschiffe vorzubcugen, für diese eine neue Benennung einzuführen. Danach br finden sich 2 1 und 211 im Besitze der Militärverwaltung. Die fortab etwa vom Reiche zu erwerbenden Luftschiffe werden 2III und 2 IV usw. heißen. Die Luftschiffbaugesellschaft selbst aber zählt alle bisher gebauten Zeppelin'schen Luftschiffe und wird diese außerdem zur Unterscheidung von den militärischen mit den Buchstaben I- 2 versehen. Der bisher 2 III genannte, in Friedrichshofen umgebaute Luftkreuzer heißt fortab V 2 VI und der im Bau befindliche, bisher 2 IV genannte, V 2 VII.
Zu den Unterschlagungen des Schultheißen Bosch in Stockheim OA. Brackenheim schreibt die „Neckarztg.": Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren, sind an den von Bosch vergenommenen Veruntreuungen nicht nur die Sparkaffe und der Vorschußverein in Breiten beteiligt, sondern auch die Städtische Sparkoste in Sinsheim a. d. Elsenz und der Privatsparverein Künzelsau. Bei der Sparkaffe Bretten handelt es sich um ca. 38000 ^ und beim Vorschußverein Breiten um ca. 22 000 Für unterschlagene Beträge, welche nach dem Jahre 1900 entstanden sind und soweit diese nicht aus der Konkursmasse bestritten werden können, bat, da Bosch K. Grundbuchbeamter war, die wüittembergische Staatskasse Ersatz zu leisten. Der Darlehenskassenverein Stockheim ist, entgegen anderen Meldungen, nicht in Mitleidenschaft gezogen. Ueber das Vermögen des Schultheißen wurde der Konkurs verhängt. Daß er selbst den Zusammensturz voraussah, geht daraus hervor, daß er vor einigen Jahren seine unbelasteten Güter seiner Frau zuschreiben ließ. Ueber die Gründe, die den Schultheißen zu diesen Unterschlagungen veranlaßten, sind — außer i den schon mitgeteilten Momenten — in einem
„Wo habe ich dieses Gesicht doch schon früher gesehen," dachte Eiche, so wie am Vormittag und er grübelte vergeblich nach. Von dem Fenster, an welchem der Hochofenchef stand, konnte man die Feuer von Deutsch-Oth und Villerupt sehen. Jetzt fuhr der Wagen mit der rotglühenden Schlacke in Rößlingen über die Schienen. Dort stürzten die Arbeiter die Behälter mit der flüssigen Maste aus; in breitem Strom floß sie hinab, den Nachthimmel mit feuriger Glut färbend. Und der junge Hochofenchef blickte hinüber nach seinem großen, verantwortungsreichen Arbeitsfelde. Was steht er hier im Frack und in den feinen Lackschuhen? Er sehnt sich dorthin plötzlich, wo er eben jetzt vielleicht nötig ist; es war ihm, als riefe das Hochofenwerk nach seinem Meister. Er reckte sich höher, ja er ist dort an seinem Platz, dort kann er rastlos bis zur Ermüdung arbeiten, arbeiten um nicht zu denken.
Ein leises Rauschen ertönte neben ihm. Er war nicht mehr allein, jemand war in die Fensternische getreten — Irmgard. Die Sammetportiere fiel hinter ihr zu; sie waren wie abgeschlossen von den übrigen.
„Was willst du hier? Kannst du mich nicht allein lassen?" dachte Eiche trotzig.
Sie schien mit sich zu kämpfen; sie atmete schneller. Endlich sagte sie, als wünschte sie, es hinter sich zu haben: „Ich glaube, ich war bei Tisch unfreundlich gegen Sie, Herr Baron, ich hätte nicht vergessen sollen, daß Sie mein Gast waren.
Ihre Hände krampften sich zusammen und sie sah sehr bleich aus.
„O bitte, gnädige Frau," versetzte Eiche ruhig, „ich erwarte wirklich nicht von Ihnen, er betonte das Wort, „ich erwarte nicht, daß Sie mich, den armen Hochosenchef von Rößlingen, daran erinnern, daß eine so hoch über ihm stehende Dame, sich eine gesellschaftliche Blöße gegeben hat." Schärfer als er beabsichtigte, fielen die Worte aus.
Sie zuckte die Schultern.
„Es ist gut, daß Sie mich an meine Pflicht als Wirtin erinnern," versetzte sie kühl.
Sie wollte ihn verlassen, da hielt ein halb unterdrückter Ausruf Eiches Irmgard zurück. Auf dem Werk mußte etwas passiert sein. Blutrot flammte es auf und stieg in feuriger Lohe empor. Ein dumpfes Krachen tönte bis zu dem im Glanz zahlloser bunter Lampen strahlenden Monrepos. Im selben Augenblick klingelte das Telephon im Nebenzimmer. Ohne ein Wort der Entschuldigung an Frau Gerard eilte der Hochofenchef hin und horchte gespannt.
„Kessel geplatzt, sofort kommen."
Ines stand neben dem Bruder.
„Nimm mich mit, Hardy," sagte sie. Dann sich an Irmgard wendend, erklärte sie ihr mit kurzen Worten, daß sie und ihr Bruder nötig seien. Das Hochofenwerk rief seinen Chef und seine Schwester wußte, daß dort Menschen waren, denen sie helfend beispringen konnte. Der ganze Vorgang hatte sich so schnell abgespielt, daß er von der lachenden und plaudernden Gesellschaft nicht bemerkt worden war.
Als Bernhard mit Ines verschwand, folgte ihnen Frau Gerard. „Ich begleite Sie!" sagte sie entschlossen, einen dunkten Mantel umwerfend.
„Aber Kousine, das ist Torheit!" rief Graf Frauenfeld, der ihr nachgekommen war.
Er wollte sie zurückhalten, aber sie schüttelte ihn wie ein lästiges Hindernis ab. „Laß mich, Artur, du kannst ja bleiben," rief sie heftig.
Bernhard war nach dem Stall gelaufen, aber Irmgard war auch do. Sie befahl ihrem Kutscher, die Rappen anzuspannen. Zum Glück standen sie angeschirrt da, um die Gäste von Monrepos heimzubringen. Nun flog ihr flüchtiger Huf auf einen anderen Weg, es ging in rasender Eile zum Hochofenwerk. Die Vier, die im Landauer saßen, denn Frauenfeld war mit eingestiegen, sprachen kein Wort auf der seltsamen Fahrt. Der scharfe Blick des Hochofenchefs flog zum Felde seiner Tätigkeit. Er dachte jetzt nur noch an den Schaden, den das Werk erlitt und er machte sich Vorwürfe, es gerade heute verlassen zu haben.
(Fortsetzung folgt.)