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zu großen Aufwand der Familie, im Aufkäufen zu vieler und zu teurer Güter, in seinen sonstigen Familien-Angelegcnheiten und in seiner großen Freigebigkeit zu suchen. Wer in Stockheim in kleiner Geldverlegenheit war, hatte meistens seinen Mann gefunden. Neben seinem Amt trieb der Verhaftete noch einen bedeutenden Wein­handel und hatte eine Rebpfahlsägerei und -Handel eingerichtet. Die Aufregung .über die Unter­schlagungen sind naturgemäß s'eHr groß, da man und wohl mit Reckteine ungünstige Ein­wirkung auf den Kredit nicht nur Stockheims, sondern des ganzen Bezirks, ^.besonders der kleinen Gemeinden fürchtet. Es wäre diese Wirkung, im Hinblick auf die außerordentlich rührige Bevölkerung sehr zu bedauern.

Pforzheim. (Der Astloch-Prozeß.) Der Zentrumsabgcordnete Seubert hat gegen das Urteil des Landgerichts Offenburg, durch das zum zweiten Male festgestellt wurde, daß er aus einer gewissen Lüsternheit durch Astlöcher in das Gegenbacher Frauenbad hineingesehen hat, Revision beim Oberlandcsgericht Karlsruhe eingelegt.

Berlin 20. April. (Reichstag.) Die Be­ratung der Reichsverscherungsordnung wird fortgesetzt. Abg. Enders (fortschr.Vp.): Die Vorlage bedarf noch mancher Erweiterungen z. B. hinsichtlich der Heimindustrie. Es ist bedauerlich, doß diese Verhältnisse nicht schon in dieser Session grundsätzlich geklärt werden können. Auszusetzen ist, daß der Jahresdurchschnittsver­dienst der Hausarbeiter so niedrig angesetzt wurde und daß sie nicht an die Ortskrankenkaffev an­geschloffen werden. Schmidt-Berlin (Soz.): Die Wünsche der Arbeiter sind unberücksichtigt geblieben. Erforderlich ist, daß für alle Arten der Versicherung eine einheitliche Grundlage geschaffen wird. Das geschieht in der Vorlage aber nicht, so beschränkt die Vorlage die Selbst­verwaltung durch die Arbeiter ganz unzulässig; die Schaffung von Einigungsämtern ist dagegen ein Verdienst der Vorlage. Linz (Rp.): Man kann schon jetzt mit Bestimmtheit behaupten, daß die Vorlage in der gegenwärtigen Gestalt keine Gesetzeskraft erlangen wird. Die sachlichen Mängel sind ganz erheblich. Wenn es auch richtig ist, die Errichtung und den Bestand kleiner und leistungsunfähiger Kassen unmöglich zu machen, so darf doch eine Mindestzahl von 500 Mit­gliedern nicht gefordert werden. Bedauerlich ist bei der Witwen- und Waisenversicherung, daß der Kreis der Bezugsberechtigten nicht erweitert und die Renten nicht höher berechnet werden können. Burckhardt (wirtsch. Vgg.) bringt nochmals die Wünsche der Apotheker zum Aus­druck. Hierauf wird die Debatte geschloffen. Der Entwurf geht an eine Kommission von 28 Mitgliedern. Das Haus setzt daraus die erste Beratung des Entwurfes der Fernsprech- gebührenordnung fort. Nacken (Ztr.): Die bei Beratung des Entwurfs im vorigen Jahre erhobenen Beschwerden sind in der letzten

Vorlage unberücksichtigt. Sie bedeutet eine schwere Schädigung von Handel und Verkehr, ohne daß dadurch Mehreinnahmen erzielt würden. Graf Westarp (kons.): Die Behauptung, daß die Vor­lage Handel und Industrie zu Gunsten des flachen Landes benachteilige, ist ungerechtfertigt, da die Mehrbelastung eine gleichmäßige ist. Das flache Land würde nur durch Ausdehnung der kleinen Telephonnetze Vorteil haben. Kämpf (frtschr.Vp.): Es ist bedauerlich, daß die frühere Vorlage trotz des Widerspruchs der öffentlichen Meinung un­verändert wieder eingebracht worden ist. In dieser Form ist der Entwurf unannehmbar, nicht wegen der erhöhten Kosten, sondern wegen der Belastung des Verkehrs. Staatssekretär Krätke: Wir sind alle völlig einig in dem Wunsch, ohne Einbuß an den Einnahmen die Lasten aus die Teilnehmer richtig zu verteilen. Wir haben jetzt neben dem Pauschalsystem auch das Einzelgespräch­system. Es hat sich herausgestellt, daß das Publikum dem Einzelgesprächsystem mehr zuneigt und eine Staffelung des Pauschalsystems könnte diese Entwicklung nur weiter stärken und dabei unsere Ausgaben nur vermehren. Bei Auf­stellung der neuen Gebührenordnung waren wir gerade bestrebt, den kleinen Teilnehmern den Anschluß zu erleichtern. Beck (ntl.): Die Ab­grenzung der Zonen ist nicht richtig getroffen. Man sollte vor allem die Interessenten hören. Südekum (Soz.): Das Haus sollte den Ent­wurf ohne Kommissionsberatung ablehnen. Die Verwaltung kann eine Reform im Sinne des Reichstags nicht schaffen. Er sollte daher die Sache selbst in die Hand nehmen. Linz(Rp.): Nur die vorgeschlagene Staffelung der Pausch- gebühren ist eine brauchbare und gerechte Lösung. Herzog (wirtsch. Vgg.) : Dem Grundgedanken der Vorlage stimmen wir zu nach wie vor. Allerdings wird das platte Land mehr zu berück­sichtigen sein. Die Vorlage wird darauf der Budgetkommission überwiesen. Nächste Sitzung morgen 1 Uhr: Gesetzentwurf betr. Reichsschuld buch, Rechnungssachen, Gesetzentwurf betr. Haftung des Reiches für seine Beamten.

Berlin 19. April. Der bei dem Saß- nitzer Ballonunglück verunglückte Reichstagsabg. Dr. Delbrück hatte zu seinen Lebzeiten mehrfach den Wunsch geäußert, daß, falls er auf einer seiner Fahrten verunglücken sollte, dort, wo seine Leiche aufgefunden würde, diese auch bestattet werden möchte. Nachdem nun am Samstag die Leiche ans Land gespült worden ist, wurde sie am Sonntag vormittag an Bord des Dampfers Moltke" nach Saßnitz übergesührt. Hier fanden sich die Gemahlin und die Tochter des Verun­glückten ein, außerdem erschien eine Abordnung des Stettiner Lustschiffervereins. Der Dampfer machte sofort los und fuhr 4 Seemeilen süd­östlich von Saßnitz in See. Die Angehörigen und die Mannschaften des Schiffes verrichteten ein stilles Gebet, dann wurde der Sarg auf Bretter gestellt, diese in die Höhe gehoben und dann glitt der Sarg von den Brettern durch die Oeffnung der Reeling ins Meer.

Vermischtes.

Ein Prozeß um 5 Pfennig. Um welch geringfügiger Beträge willen manchmal Gerichtsverfahren eingeleitet und durchgeführt werden, zeigt ein Fall der vor dem Ober­landesgericht in Stuttgart in 2. Instanz zur Verhandlung stand. Ein Ulan des Ulmer Regiments ist vor einiger Zeit in einen Ulmer Straßenbahnwagen gestiegen und war eine Strecke weit gefahren, ohne sich in dem Automaten eine Karte zu lösen. Die Ulmer Straßenbahngesell­schaft wurde dadurch um 5 Pfennig geschädigt. Gegen den Ulanen wurde Anzeige erstattet und es fand vor dem Kriegsgericht Ulm eine lange Verhandlung mit großem Zeugenaufgebot statt. Das Kriegsgericht verurteilte den Ulanen wegen eines Vergehens des versuchten Betrugs zu der Geldstrafe von 4 Dem Anklagevertreter erschien damit die Missetat nicht genügend ge­sühnt und er legte Berufung ein an das Ober­kriegs gericht. Die Verhandlung endigte mit der Verwerfung dieser Berufung. Die Mitglieder des Kriegsgerichts konnten sich selbst eines Lächelns nicht erwehren, als der Vorsitzende den Ange­klagten im Anschluß an die Urteilsverkündigung darauf aufmerksam machte, daß ihm jetzt noch das Rechtsmittel der Revision beim Reichsmilitär­gericht in Berlin zur Verfügung stehe. Und das alles wegen 5 Pfennige! Die Verlesung des kriegsgerichtlichen Urteils nebst Begründung nahm bei der heutigen Verhandlung allein fast eine halbe Stunde in Anspruch.

(Esperanto als Kongreßsprache.) In der letzten Osterwoche fand in Paris der erste internationale Katholiken-Kongreß statt, auf dem als alleinige Kongreß- und Verhandlungssprache Esperanto gesprochen wurde und sogar Gottes­dienste in dieser Weltsprache abgehalten wurden. Von den vielen Teilnehmern aus fast allen Staaten Europas wurde einmütig festgestellt, daß die Anwendung und Erlernung des Esperanto keine nennenswerte Schwierigkeit bereitet habe. (Mitgeteilt von der Esperanto-Auskunftsstelle des V. D. E. in Leipzig, Moltkestr. 28 8, von der auch gegen Einsendung von 15 Pfg. in Brief­marken ein Esperanto-Lehrbuch mit aufklärenden Schriften erhältlich ist.)

OslSAsritisitzsIcsiik.

Lins ?3rdis UslbwoHsn Lnskskln, 140 vm drsltz. vorxüAllQks tznsllist. psr Nsdsr Ulr. 3.. 2n^n2üxsn. Lossn und OosdümröQlcsn Zs- slsnsd, smxklskld ln sQkö- nsm Lordlmsnd

SOkilLLkl.

Amtliche und prwatanzeigen,

NkMdllH voll Kamdkitkil.

Für die Instandsetzung der Gebäude der Statioi Brötzingen, für die Herstellung zweier Magazinsgebäudc einer Wärterbude und einer Abortgrube werden folgend Arbeiten vergeben:

Grab-, Betonier-, Maurer--!«nd Steinhauerarbeit 1247 ^ Zimmerarbeit ..... 1649

-chreinerarbeit und Riemenböden Schlosserarbeit . . .

Flaschnerarbeit Dachdeckerarbeit Anstricharbeit

Die Unterlagen sind im Zimmer Nr. Luisenstraße 2, zur Einsichtnahme aufgelegt

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7 der K. Bauinspektion Pforzheiu Etwaigen Anfragen ist Rückport

beizufügem Angebote sind, mit entsprechender Aufschrift versehen, spätestens b Donnerstag, den 28. April ds. Js., vormittags 11 Uhr, einzureichen, um welche Zeit die Oeffnung der Angebote in Gegenwart d Unternehmer stattfindet. Zuschlagsfrist 3 Wochen.

Pforzheim, den 19. April 1910.

K. Württ. Eiseubahubamuspettiou.

NkMbulig vo« KliMtikitkll.

Zur Erneuerung der Wasserleitung auf Station Schaf­hausen und Anschluß des Bahnhofs Althengstett an die bestehende Ortswasserleitung werden auf Grund des Gewerbe­blattes Nr. 8 und 9 vom Jahr 1903 folgende Arbeiten zur Bewerbung ausgeschrieben:

Grabarbeit ...... 1650 > zusammen an

Betonier-, Maurer- und Steinhauerarbeit . 1600 ! einen

Rohr- und Hauswasserleitungen s. Zubehör . 4000 1 Unternehmer. >

Als Rohre für die Haupt- und Zweigleitungen sind nur gußeiserne Muffenröhren zulässig.

Kostenvoranschlag, Pläne und Bedingungen können bei der Unterzeichneten Stelle während der Dienststunden eingesehen werden. Abschriften werden nicht abgegeben.

Angebote auf diese Arbeiten in Prozenten der Voranschlagspreise ausgedrückt sind schriftlich, verschlossen und portofrei, mit entsprechender Aufschrift versehen, längstens bis

Montag, den 2. Mai 1910, vormittags 10 Uhr, hieher einzureichcn, zu welcher Zeit die Eröffnung der Angebote stattfindet, welcher die Bewerber anwohnen können.

Bewerber, welche der Bauinspektion unbekannt sind, haben ihren Ange­boten Fähigkeits- und Vermögenszeugnisse neuesten Datums beizufügen. Zuschlagsfrist 3 Wochen.

Calw, den 20. April 1910.

A. Eiseubahubauiuspektiou.

MAN