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werden kann. Außerdem haben die beteiligten Gemeinden Neuenbürg und Herrenalb, sowie die Amtskorporation eine Garantiesumme von je 300 die Gemeinde Conweiler eine solche von 150 und die Gemeinde Schwann den Garantiebeitrag von 120°^ zugesichert. Der Gesellschaftsvertrag wurde genehmigt. Die Einzeichnung der Stammteilbesitzer ergab als Gesellschafter von Neuenbürg 48, Herrenalb 13, Schwann 4, Conweiler und Marxzell je 2, zusammen 69, mit einem Stammkapital von zusammen 34500 Die Versammlung wählte Geschäftsführer und Aufsichtsratsrat, denen der Ankauf der Automobilwagen usw. überlassen wird. Es soll alles geschehen, um den Betrieb am 15. Mai d. I. eröffnen zu können. Er soll nicht nur für den Sommer, sondern auch für den Winter in Aussicht genommen werden. Man hofft so, daß auch die Postverwaltung sich an dem Unternehmen beteiligen werde.
Stuttgart 19. April. Die Zweite Kammer beriet heute nachmittag die Anfrage des Abg. Herbster (Z.) betr. Maßnahmen zur Linderung des Notstands infolge des Brandunglücks in Böhmenkirch und nahm einstimmig einen Antrag dieses Abgeordneten an, worin das Haus seine Bereitwilligkeit erklärt, zur möglichsten Linderung der Not die erforderlichen Mittel zu bewilligen und die Regierung um tunlichst baldige Einbringung einer entsprechenden Vorlage zu bitten. Aus der der Anfrage zuteil gewordenen Antwort, in der Minister v. Pischek das weitestgehende Entgegenkommen der Regierung zusagte und auf das vom König, der Königin und dem K. Haus gegebene Beispiel privater Wohltätigkeit hinwies, sind die aus dem Brandunglück zu ziehenden allgemeinen Lehren hervorzuheben, nämlich: Beseitigung der Strohdächer, nicht zu enge Bauweise, Gründung von Kinderhorten zur Hütung der Kinder, solange die Eltern auf dem Felde sind, bessere Beobachtung der Vorschriften über die Verwahrung der Zündhölzer und keine falsche Sparsamkeit bei der Versicherung gegen Feuer. In der hierauf fortgesetzten Beratung der Bauordnung hatte der neue Abgeordnete für Ludwigsburg, Hoffmeister, kein Glück mit einem Antrag, die Mindestbreite bezw. -Höhe der Durchfahrten für die Zwecke der Feuerlösch- und Rettungsanstalten von 2,5 bezw. 2,9 auf 2,65 und 3,15 m zu erhöhen. Im Laufe der weiteren Beratung gelangte das Haus ohne erhebliche Debatte bis zu Artikel 38. Morgen Fortsetzung.
Stuttgart 18. April. Die Schlacht- und Mastviehausstellung hatte sich gestern und heute einer Frequenz zu erfreuen, die weit über alle Erwartungen hinausging. Am gestrigen
Tag wurden 13 000 Eintrittskarten gelöst und heute wurde diese Zahl noch weit überschritten. Eine besondere Anziehungskraft übten natürlich die Schlachtwettbewerbe auf das Publikum aus; aber auch die großartigen Einrichtungen des neuen Schlachthauses fanden allseitige Würdigung. Ein für heute vormittag in Aussicht genommener Vortrag von Dr. Rößger konnte wegen Uebersüllung des Börsensaales nicht stattfinden. Bis zum Nachmittag waren die zur Ausstellung gebrachten Tiere sämtlich entweder geschlachtet oder nach auswärts verkauft. Der Absatz hat einen sehr flotten, die Aussteller in hohem Grade befriedigenden Verlauf genommen. Folgende Preise wurden erteilt: Für Farren: Bauer K. Bodenmüller in Rieth, Gemeinde Christazhofen, 1 Preis (80 und I Ehrenpreis; Gebr. Krauß, Riedbach OA. Maulbronn 1. Preis. Ochsen: a) unter 3 Jahren: Domänepächter Schmidt-Platzhof 1. Preis (100 und Ehrenpreis, b) über 3 Jahre: Metzgerei Weigle und Zeihen Tübingen 1. Preis; Ehrenpreise: Zuckerfabrik Cannstatt-Stuttgart, Gutsbesitzer Köhn- Gaggstadt und Gräfl. v. Rechberg'sche Domäneninspektion Ramsberg; Kühe und Kalbinnen unter 3 Jahren: Müller Max Kull 1. Preis (100 ^) und Ehrenpreis, über 3 Jahre: Gutsbesitzer Enderle 1. Preis (100 und Ehrenpreis; Kälber bis zu 3 Monaten: Gebr. Wild, Viehhändler, Stuttgart-Ebersbach 1 Preis (50 °^) und Ehrenpreis; Schweine, einzeln: Gutspächter Aldinger-Weißenhof 1. Preis (50 -^k); in Losen: Oekonomierat Adlung-Sindlingen 1. Preis (100 ^); Schafe: Metzgermstr. Leist- Stuttgart, 1. Preis (50 ^), Zuckerfabrik Heilbronn 1. Preis (75 ^). Alle Tiere mit dem 1. Preis erhielten eine goldene, die übrigen ausgezeichneten eine silberne Denkmünze von der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft.
Stuttgart 19. April. (Stuttgarter Pf erde mar kt.) Die gleichzeitige Abhaltung der Mastvieh-Ausstellung ist dem Stuttgarter Pferdemarkt zu gute gekommen. Der Besuch war gestern schon von den Frühstunden an ein sehr lebhafter und es wurde flott gehandelt. Die Zahl der zu Markt gebrachten Pferde ist auch größer als in früheren Jahren und darf auf 1500 angegeben werden. Nach schweren Arbeitspferden war gute Nachfrage und die Preise, die hier gefordert wurden und bewilligt werden mußten, sollen verhältnismäßig hoch sein; namentlich für Belgier und Oldenburger. Weniger leicht vollzog sich das Geschäft in gewöhnlichen Landpferden, unsere Bauern sehen von Jahr zu Jahr mehr auf leistungsfähige Tiere mit tadellosen Knochen. Auch das Geschäft mit Luxuspferden in den Stallungen ließ gestern noch zu wünschen übrig. — Der Hunde mar kt hat Heuer ohne Zweifel
ein besseres Gesicht als sonst, eine Verbesserung der Rasse bei den zum Verkauf gebrachten Tieren ist ganz unverkennbar, dementsprechend haben die Preise auch angezogen. Es wurde ganz gut verkauft und nach guten Wachhunden mittlerer Größe, wie Wolfshunden und Dobermannpintschern war die Nachfrage sogar lebhaft. Die Vorliebe für die ganz großen Hunde scheint sehr abgenommen zu haben.
Freudenstadt 19. April. Auf einer Anhöhe zwischen Grüntal und Hallwangen ist gestern nachmittags 2 Uhr ein Ballon gelandet. Der Gondel entstiegen 4 Herren aus Straßburg, die um halb 12 Uhr mittags dort aufgestiegen waren.
Kniebis 19. April. Herzog Robert von Württemberg weilt zur Auerhahnjagd hier. Gestern früh hat er 2 Auerhahnen zur Strecke gebracht. Gestern abend traf Herzog Ulrich von Württemberg ein, heute abend wird Herzog Alb recht erwartet. Die Jagdgäste nehmen wie immer im Gasthaus z. „Lamm" Wohnung.
Schussenried19. April. Die Differenzen zwischen der im christlichen Textilarbeiterverband organisierten Arbeiterschaft und der Firma H. Moos, Trikotwarenfabriken in Buchau- Schussenried, sind auf Grund der Verhandlungen der Verbandssekretäre Krug-Stuttgart und Wimmer-Göppingen mit der Firma friedlich beigelegt worden. Die Firma wird mit Beginn neuer Geschäftsabschlüsse bis zum 1. Oktober d. I. die Löhne der Spulerinnen und Taglöhner aufbcssern, sowie die Maßregelung des Vertrauensmannes der Organisation zurücknehmen. Die Arbeiter der Weberei werden die von der Firma verlangte zweiwöchige Ueberzeitarbeit von einer Stunde pro Tag leisten, um damit eine Einschränkung anderer Betriebsabteile zu verhindern.
Friedrichshafen 19. April. Als einige Arbeiter auf dem Luftschiffbauareal mit Erdarbeiten beschäftigt waren, da es sich herausgestellt hatte, daß ein Ventil der Gasleitung vom Gasometer nach dem Fabrikgebäude nicht genügend dicht war, gab das Aufschlagen eines Pickels auf einen Stein Feuer. Infolgedessen entzündeten sich die angesammelten Gase. Der Boden wurde aufgerissen, doch wurde niemand verletzt.
Vom Bodensee 19. April. Heute früh 6.35 Uhr ist von Rorschach der Lourdes- Pilgerzug, der vom 19. bis 28. April dauert, mit 2000 Pilgern in drei Abteilungen nach Toulouse abgegangen. Von dort werden die Wallfahrer in 6 Extrazügen an ihr Ziel gebracht. An der Pilgerfahrt nehmen über 300 Württem- berger teil. Der Zug wird von dem Wallfahrtspriester I. K. Nächtiger auf St. Jddaburg bei Gähwil (Schweiz) geführt. Die Ankunft in
Er versuchte zu lächeln, es sah aber nicht heiter aus. „Wie Sie sehen, geht sie mit einem andern Herrn zu Tisch." Etwas wie schlecht verwundener Aerger klang hindurch.
Ines sah zwei hohe Gestalten Arm in Arm an sich vorübergehen, ihren Bruder und Irmgard. Da sagte sie in ihrer Natürlichkeit: „Es tut mir so leid, daß Sie nicht Ihre Kusine führen, Herr Graf; ich bin ein schlechter Ersatz für sie."
„So bewundern Sie Irmgard?" fragte Frauenfeld lebhaft.
„Nicht das allein, ich habe sie sehr, sehr lieb!" rief JneS impulsiv mit der Wärme ihres Herzens.
Er sah zum ersten Male genau auf das junge Wesen an seiner Seite. „Sie ist allerliebst", dachte der Graf, „eigentlich müßte ich mit meiner Tischdame zufrieden sein — da es nicht Irmgard ist", fügte er mit einem leisen Seufzer hinzu.
Das elektrische Licht strahlte von der reich mit Stuck verzierten Decke aus roten und goldgelben Glaskelchen gedämpft hernieder; es ließ die Kristall- und Silbergeräte der Festtafel magisch schimmern und entlockte dem hohen Tafelaufsatz aus geschliffenem Kristall und reich vergoldetem Silber bunte Reflexe.
Ungefähr vierundzwanzig Personen saßen um den reizend mit Blumen gedeckten Tisch. Manch hübsches, junges Gesicht, manch stattlicher Mann war zugegen, frohes Lachen und Sprechen erfüllte den Raum. Nur die zwei in der Mitte der Tafel sprachen wenig; es war, als ob sie isoliert von den übrigen dasaßen. Unterhaltung wollte ihnen nicht glücken und an tiefer Gehendes rührten sie, wie in stummer Uebereinstimmung, nicht. Endlich belebte sich die Unterhaltung.
„Sehen Sie, wie reizend Ihre Schwester ist", sagte Irmgard zu Bernhard, „ich gewinne Ines alle Tage lieber."
Ein warmer Strahl trat in seine ernsten Augen. „Ich danke Ihnen, gnädige Frau."
„Wenn es nicht grausam wäre, Sie Ihnen zu nehmen, Herr Baron,
behielte ich Ines am liebsten ganz bei mir, doch das mute ich Ihnen nicht zu. ES muß etwas Schönes um Geschwisterliebe sein."
„Sie sagen es, als ob Sie sie nicht kennen?"
„Nein, ich kenne sie nicht", entgegnete Irmgard leise, „ich habe weder Schwester noch Bruder gehabt, ich war immer allein."
„Und bist du e« jetzt nicht?" dachte Bernhard. „Warst du es nicht in deiner freudlosen Ehe, bist du es nicht mitten in deinem Reichtum, den du mit niemanden teilen darfst?"
„Sie haben jetzt viel dringende Arbeit auf dem Werk", sagte Frau Gerard, das persönliche Thema abbrechend. „JneS erzählte mir von einer Störung im Betrieb."
„Ja, und das bringt uns gleich zurück; es ist auch nicht ohne Gefahr für die Arbeiter. Eigentlich hätte ich heute bei den Hochöfen bleibe« sollen. Ich bin unruhig, wie es gehen mag, und habe angeordnet, daß ich sofort telefonisch benachrichtigt werde, wenn meine Anwesenheit erforderlich sein sollte. Ich bitte deshalb um Ihre gütige Vergebung, wenn ich plötzlich die Gesellschaft verlasse."
„Wie genau Sie das nehmen," sagte Frau Gerard. „Hängt denn so viel davon ab?"
„Es handelt sich um das Leben der Menschen, die durch ihre Arbeit Ihnen dienen, gnädige Frau."
Es kam schroff, fast unhöflich von Bernhards Lippen. Frau Gerard blitzte ihn hochmütig aus ihren großen Augen an. Wollte dieser Mann sie zurechtweisen, er, der Hochofenchef, der gewissermaßen ihr diente?
„Ich danke Ihnen für Ihre Worte, — sie hätten ungesprochen bleiben können", versetzte sie gekränkt. „Ich habe oft bedauert, daß mein Mann sein Kapital in Rößlinger Aktien gebunden hat. Sobald es geht, gedenke ich sie zu verkaufen."
Bernhard unterdrückte ein spöttisches Lächeln. „Das könnte nur mit großen Verlusten geschehen, gnädige Frau," sagte er, jedes seiner Worte betonend, „ich würde Ihnen nicht dazu raten." (Forts, folgt.)