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Zimmerleute beträgt 334, 180 stehen noch in Arbeit. Ueber den Umfang der Aussperrung der Maurer liegen genaue Angaben immer noch nicht vor, da .diese erst heute ihren Appell abhalten. So viel steht aber fest, daß nicht alle organisierten Maurer ausgesperrt wurden, da selbst solche Arbeitgeber, die dem Bunde angehören, die Weisung zur Aussperrung nicht befolgt haben. Der Stuttgarter Baugewerkverein hat, lt. „Schw. Tagwacht", mit den Ziegelwerken in Stuttgart und Fellbach einen Vertrag abgeschlossen, wonach diese sich verpflichten, während eines Streikes oder einer Aussperrung an niemand Ziegelsteine zu liefern, der nicht Mitglied des Landesverbandes Württemberg ist.
Stuttgart 16. April. Vermißt wird ein Stuttgarter namens Adolf Schneider, 37 Jahre alt, von Beruf Gärtner. Der Mann ist von schmächtiger Figur, hat schwarze Kopf- und Schnurrbarlhaare und ist dunkel gekleidet. Er ist geistig nicht ganz normal und es wird vermutet, daß er in der Gegend von Heilbronn herumwandert.
Stuttgart 16. April. Einige Mitglieder der sozialdemokratischen Partei sind i wegen ihrer Teilnahme an dem Zug zur preu- ! ßischen Gesandtschaft nach den Protestversamm- ! lungen gegen das preußische Wahlrecht von der ! hiesigen Polizei mit Strafmandaten wegen Störung der öffentlichen Ordnung bedacht worden.
Cannstatt 16. April. Gestern Abend nach 7 Uhr bei dem starken Gewitter schlug der Blitz in die Leitung der elektrischen Straßenbahn, so daß mit einem Schlag der Wagen auf der Linie Marktstraße stillstand. — Zu gleicher Zeit brach in dem Kinematographen National in der Marktstraße, in dem eben Vorstellung gegeben wurde, Feuer aus. Zum Glück war der Besuch der Vorstellung gerade sehr schwach, sodaß sämtliche Zuschauer unverletzt die Straße erreichen konnten. Die Feuerwache 3 löschte den Brand in kürzester Zeit.
Cannstatt 16. April. Letzter Tage bekam eine hiesige Familie einen Drohbrief, mit dem Inhalt, die Frau möge abends 60 in die Kursaalanlagen an einen bestimmten Platz bringen, widrigenfalls eines der Kinder oder der Mann ermordet würde. Die Kriminalpolizei hat sich nun an geeigneten Plätzen in den Anlagen aufgestellt, und den Erpresser, als er sich der Frau, in der Annahme, er bekomme die 60 näherte, in der Person eines hiesigen Malerlehrlings, sestgenommen. Der Lehrling hat auch zugestanden, den Drohbrief geschrieben zu haben.
Sindelfingen OA. Böblingen 16. April. Am Donnerstag tagte hier eine Kommission, bestehend aus Landeszuchtinspektor Fecht-Stutt
gart, Verbandszuchtinspektor Storz-Heilbronn, Oberamtstierarzt Mögele-Vaihingen,Gemeinderat W a n n e r - Leonberg, die in Vollmacht des Verbandes der Fleckviehzuchtgenoffenschaft des Neckar- und Jagstkreises mit dem landwirtschaftlichen Verein Böblingen einen Vertrag über die Errichtung einer Farrenaufzuchtstation auf der Jungviehweide Sindelfingen abgeschloffen. Es sollen 8—10 Simmenthaler Kühe aufgestellt und jährlich 30—40 junge Farren und Farren- kälber, die von im Zuchtregister eingetragenen guten Vater- und Muttertieren abstammen, aufgekauft, großgezogen und wenn sie sprungfähig sind, an Gemeinden und Farrenhalter verkauft werden. Durch dieses staatlich unterstützte Unternehmen sollen nickt nur schöne, von den seit Jahren eingeführten Originalsimmenthalern abstammende Farrenkälber der Zucht erhalten, sondern auch der Ankauf in der Schweiz eingeschränkt werden und ein Teil des dorthin gewanderten Geldes im Lande bleiben.
Waiblingen 17. April. Zwischen Geradstetten und Grunbach wurde der ledige 46 Jahre alte Taubstumme August Seybold aus Geradstetten von einem Cannstatter Automobil überfahren. Der Besitzer des Automobils brachte den Verunglückten nach Schorndorf ins Bezirkskrankcnhaus, wo er seinen Verletzungen erlag. Eine Untersuchung ist eingeleitet. Wie es heißt, soll den Besitzer des Automobils keine Schuld treffen.
Neipperg OA. Brackenheim 16- April. Gestern nachmittag erstach der Knecht des Schultheißen Alt auf freiem Felde dessen Sohn, einen 28jährigen, jungverheirate^en Bauern. Der Knecht, der ein Verwandter des Schultheißen ist, war früher in einer Nervenheilanstalt untergebracht. Er soll von seinem Herrn wegen Vernachlässigung der Geschäfte getadelt worden sein.
Eßlingen 16. April. Dem gestrigen starken Gewitter jagte ein heftiger Sturm voraus, der das ganze Tal bis Plochingen in eine ungeheuere Staubwolke hüllte. Es ging hier wenig Regen nieder, aber auch dieser kommt der gegenüber sonstigen Jahren um mehr als 14 Tage früher entwickelten Vegetation sehr zu statten. Die Birnen, Kirschen und Pflaumen stehen in vollstem selten schönen Blütenschmuck. Auch die Apfelbäume entwickeln sich sehr rasch. Die Fruchtansätze sind durchweg gut und berechtigen zu den schönsten Hoffnungen. Die Weinberge sind behackt und die Antriebe schön in der Wolle. Die Gras- und Kleefelder stehen üppig und schön, was den Landwirten um so willkommener ist, als sich da und dort schon Futtermangel geltend macht.
Geislingen 16. April. Der König hat aus Anlaß des Brandunglücks in
vorigen Sommer mit Mandel einige Wochen in einem reizenden Dörfchen."
„So sind Sie auch Landschaftsmaler?" fragte Herta, aus Höflichkeit sich an Alfredo wendend, der die Katze neckte und dabei eine kurze Pfeife mit einem nicht eben wohlriechenden Tabak rauchte. Sie hatte den kleinen Maler bisher ignoriert, was Tea Schönhausen übelzunehmen schien, denn sie wurde immer kühler und die Unterhaltung stockte.
„Nein, ich bin Porträtmaler," entgegnete Mandel, „ich male besonders gerne schöne Frauen."
Ein schräger Blick traf Frau von Randen bei diesen Worten. Tea fing ihn auf.
„Und dralle Bauernmädel im Dorf," sagte sie spöttisch, „so a la Defregger; das heißt er möchte und kann nicht."
Alfredo war empfindlich, und es entspann sich zwischen ihm und Tea ein Wortgefecht, in dem sie sich gegenseitig Schnödigkeiten sagten. Die Katze strich schnurrend um Hertas Knie. Sie hatte von jeher einen Widerwillen gegen diese Sorte von Tieren gehabt und der getigerte Kater Prinz war ihr grauenhaft.
„Ich bin heute todmüde, Tea, gute Nacht," sagte Frau v. Randen, sich erhebend. Sie übersah Mandels ausgestreckte Hand und neigte kaum merklich den Kopf gegen ihn.
Tea begleitete sie die Stiege zur Mansarde hinauf. Als sie Herta so blaß sah, mit den dunklen Ringen unter den Augen, kam die angeborene Gutmütigkeit der Malerin zum Vorschein. Sie umarmte die junge Frau und küßte sie herzlich.
„Schlafe dich gut aus," sagte sie freundlich. „Morgen bist du wieder frisch und hast neuen Lebensmut."
Nun war Herta endlich allein.
Sie setzte sich auf den Stuhl am Fenster und stützte den Kopf in die Hand.
ES hatte aufgehört zu regnen. Der Mond schien hell auf die nassen
Böhmenkirch dem Oberamtsvorstand Reg.Rat Hasel seine bereits gemeldete Spende in folgendem teilnahmsvollen Telegramm mitgeteilt: Ich habe mit tiefer Betrübnis von dem Brandunglück in Böhmenkirch Kenntnis genommen und die Hofkammer angewiesen, Ihnen sofort 1000 für Linderung der ersten Not zugehen zu lassen. Den Abgebrannten bitte ich, meine wärmste und herzlichste Teilnahme inzwischen auszusprechen. Wilhelm.
Berlin 16. April. (Reichstag.) Am Bundesratstisch: Staatssekretär Wermuth. Auf der Tagesordnung steht die erste Lesung des Reichsbesteuerungsgesetzes. Brunst er - mann (Rp.): Wir erblicken in der Vorlage eine angemessene Kompensation für den Fortfall der Oktroieinnahmen. Besonders zu begrüßen ist die Festlegung des Rechtsanspruchs für die Kommunen auf Besteuerung der Reichsbetriebe. Gröber (Ztr.): Auch wir sind mit den Grundzügen der Vorlage einverstanden. Staatssekretär Wermuth: Der erste Zweck des Gesetzes ist, den Gemeinden, in denen fabrikähnliche Reichsbetriebe sich befinden — so Betriebe von Heer und Marine — einen gesetzlichen Anspruch auf die Zuschüsse des Reiches zu verschaffen. Bisher erhielten derartige Gemeinden sozusagen nur gnadenweise Zuschüsse. Auch für Elsaß-Lothringen ist eine gesetzliche Regelung dieser Zuschüsse vorgesehen. Es ist nicht beabsichtigt, Kasinos und Kantinen, die nicht zu Lasten der Reichskassen betrieben werden, unter die Steuerfreiheit zu bringen. Ahlhorn (forrschr. Vp.): Wir erkennen an, daß der Entwurf im Großen und Ganzen geeignet ist, die bestehenden Mißstände zu beseitigen. Dr. Heinze (natl.): Wir begrüßen die Vorlage, wenn wir auch im einzelnen Bedenken haben. Emmel (Soz.): Mit dem Gedanken einer Regelnng der Reichssteuerpflicht sind wir einverstanden. Wir bezweifeln aber, daß der vorgeschlagene Entwurf zutreffend ist. Es wäre zweckmäßig, eine besondere Kommission mit dieser Materie zu betrauen, v. Richthofen (kons.) kann sich letzterem Vorschlag nicht anschließen. Mt den Grundzügen sei seine Partei einverstanden. Vonderscheer (Ztr.): Es wäre zu erwägen, ob die Frage für Elsaß- Lothringen nicht eine besondere Regelung zu erfahren hat. Nach weiterer Debatte wird die Vorlage an die Äudgetkommission verwiesen. Es folgt die erste Lesung eines Gesetzentwurfes betreffend die Abrechnung über den Aufstand inSüdwestafrika. Erzberger (Ztr.): Nach der Vorlage sollen zu den bisherigen Ausgaben für den Aufstand noch 23 700000 ^ zu zahlen sein. Wir werden in der Budetkommission prüfen müssen, wer diese Summe zu bezahlen hat und
Dächer und die Sternlein standen an dem dunklen Himmelszelt. Der laute Wortwechsel in Teas „Salon" drang herauf. Man unterschied deutlich ihre sonore Stimme und das Organ Alfredos, das dazwischen in hohen Diskant überschlug; sie schienen sich über etwas zu zanken. Aber Herta war zu müde, um darauf zu achten; sie schloß das Fenster und entkleidete sich. Bleierne Müdigkeit warf sie auf das dürftige Bett und sie schlief alsbald ein.-
Zu derselben Stunde stand ein einsamer Mann fern von der Jsar- stadt am Fenster eines Zimmers in Schloß Randenhagen. Auch hier schien der Mond und warf die Silberschleier über die schlafende Welt.
Friedrich von Randen hatte eine schwere Arbeit getan. Er hatte eben das Boudoir seiner Frau betreten, hatte eigenhändig die weißen Bezüge über die pfirsichfarbenen Seidenmöbel gezogen, die Bilder verhängt und die kostbaren Nippsachen, Prachtalbums und Marmorstatuetten weggeräumt. Eine feine Stickerei von Herta angefangen, lag auf dem Tisch. Randen hob sie auf. Ein feiner Veilchenduft haftete ihr an; die junge Frau bevorzugte dieses indiskrete Parfüm. Wie er sie vermißte! Sie hatte ihm so wenig gegeben. Randen barg die Stickerei in seiner Brust- tasihe; seine Lippen bewegten sich leise.
„Solltest du je enttäuscht und flügellahm werden, so erwarteich dich."
So schrieb er ihr, als sie von ihm ging. So sprach er auch heute in Gedanken mit der großen, tiefen Liebe, die nichts töten kann.
Er ging hinaus. Seine Hand schloß die Tür zu ihrem Zimmer. Niemand sollte es betreten; es war ihm, als sei es ein Grab, in dem sein Liebstes ruhte.
Zwischen Frau Gerard und Ines war eine große Freundschaft entstanden. Fast täglich sahen sie sich, bald auf einem Spaziergange, bald in Monrepos, oder Irmgard holte das junge Mädchen in ihrem