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wie hiefür Deckung zu schaffen ist. Die großen kapitalkräftigen Gesellschaften, die von unseren Ausgaben Nutzen gehabt haben, sollten mit 5 oder 10 °/o herangezogen werden. Diese Be­stimmung muß in das Gesetz hineingearbeitet werden. Görcke-Brandenburg (natl.): Die Kolonialgesellschastrn haben erheblichen Nutzen gehabt und sollten zur Zahlung herangezogen werden. Staatssekretär Dernburg: Mit 23,7 Will, werden wir auskommen. Eine Nach­forderung stand von vornherein zu erwarten. Das Ueberschußmaterial wird nach und nach bei Heer und Marine verwendet werden. Ueber die Heranziehung der Gesellschaften ist mir noch nichts bekannt. Ich werde der Frage nachgehen. Stolle (soz.): Mit Stichproben können wir uns nicht zufrieden geben und verlangen weitere Auf­klärung. Hier soll etwas verdeckt und verschleiert werden. Staatsekretär Dernburg: Dieser Vorwurf ist ungerechtfertigt. Der Vorredner hat die Vorlage überhaupt nicht verstanden. Gothein (sortschr. Vp.): Verdeckt oder verschleiert wird hier nichts. Eine Heranziehung der Gesellschaften ist zu prüfen. Erzberg er (Ztr.): Von Unter­schlagungen kann keine Rede sein, Stichproben genügen. Vorschläge für die Heranziehung der Gesellschaften werde ich in der Kommission machen. Stolle (soz.): Ein rechnungsmäßiger Nachweis ist wohl möglich. Nach weiterer Debatte geht die Vorlage an die Budgetkommission. Es folgt die eiste Lesung der Fernsprechgebühren­ordnung. Staatssekretär Krätke: Der Ent­wurf soll eine gerechtere Verteilung der Lasten bringen. Den Verkehr wollen wir nicht ein­schränken. Ungerecht ist der Vorwurf, unsere Taxen seien die höchsten. Mit der Vorlage soll dem übermäßigen Benützen der Anlagen vorgebeugt werden. Hievon werden 35 Prozent der An­schlüffe getroffen. Ich hoffe, daß eine allen ver­ständigen Wünschen gerecht werdende Lösung gefunden wird. Nächste Sitzung Montag 11 Uhr. Reichsvsrsicherungsordnung.

Berlin 16 . April. Die Zahl der gestern im Reiche ausgesperrten Bauarbeiter wird auf 150000 berechnet. Der Vorstand des Verbandes der Berliner Baugeschäfte trat gestern zu einer Sitzung zusammen. Beschlüsse wurden nicht gefaßt. Die Mehrzahl der Redner gab der Hoffnung Ausdruck, daß eine Einigung zustande kommen werde. Nach demLokalanzeiger" findet in den nächsten Tagen eine Sitzung industrieller Arbeitgeberverbände in Berlin statt. Es soll über eine umfangreiche Unterstützung des Bauarbeitgebertums verhandelt werden.

Berlin 17. April. Mit Rücksicht auf die letzten Ballonunfälle hat der Kaiser!. Aeroklub bereits vor einiger Zeit beschlossen,

Maßregeln zu treffen, um eine Wiederholung solcher Unfälle nach Möglichkeit auSzuschließen. Die diesbezüglichen Bestimmungen werden in allernächster Zeit veröffentlicht werden.

Bitterfeld 17. April. Das Luftschiff ? IV ist heute morgen 7 Uhr 26 Min. zur Fahrt nach Altenburg aufgestiegen. Die Führung haben Hauptmann Dinglinger und Oberingenieur Kiefer. Ferner befinden sich in der Gondel ein Steuermann und zwei Monteure.

Altenburg 17. April. Das Luftschiff klV ist gegen 11'/- Uhr mittags auf dem als Landungsplatz vorgesehenen Exerzierplatz in Gegen­wart des Herzogs und der Herzogin und einer vieltausendköpfigen Menschenmenge gelandet. Nach der Landung nahmen der Herzog und die Herzogin in der Gondel Platz, und das Luft­schiff führte einen Flug von etwa 20 Minuten Dauer über die Stadt aus, worauf eine aber­malige Landung erfolgte. Nachmittags soll die Rückfahrt nach Bitterfeld erfolgen.

Leipzig 17. April. Das Luftschiff? IV das 2.40 Uhr nachmittags in Altenburg zur Rückfahrt nach Bitterfeld aufgestiegen war und 3.30 Uhr Borns passiert hatte, mußte gegen 5 Uhr wegen eines Schadens an der Propeller­welle bei Sommerfeld östlich von Leipzig landen. Die Landung erfolgte glatt, ohne daß jemand verletzt wurde. Die Hülle wurde durch die Reiß­vorrichtung entleert und wird mit der Bahn nach Bitterfeld weiter befördert.

Hamburg 15. April. Wie nachträglich gemeldet wird, sind bei der Feuersbrunst auf dem Kehrwieder im Freihafen doch Menschen verunglückt. An der Brandstelle wurden die Leichen zweier Arbeiter aufgefunden.

wieder ein vallonmgliiä.

Eschwege, Reg.-Bez. Kassel 17. April. Bei Reicheusachsrn wurde die Hülle des gestern in Bitterfeld aufgestiegenen BallonsDelitzsch" aufgefunden. Der Ballon ist anscheinend während eines Gewitters vom Blitz getroffen worden. Alle vier Zusätzen find tot.

Bitterfeld 17. April. Die 4 Insassen des BallonsDelitzsch" sind der Kaufmann Karl Luft aus Bitterfeld als Führer, der seine 25. Fahrt unternahm, weiter Herr Leuchsen- ring von der Lustfahrzeuggesellschaft, der den Münchner Ballon der Gesellschaft führen sollte und Paul Hoecker aus Leipzig. Der Name des vierten Insassen ist bis jetzt nicht bekannt. Es ist anscheinend ebenfalls ein Herr aus Leipzig. Der Ballon ist gestern abend 6 Uhr 15 Min. am Werke Elektron II aufgestiegen. Er gehört dem Bitterfelder Luftschifferverein. Der Aufstieg

ging sehr glatt von statten bei beinahe wind­stillem Wetter. In langsamer Fahrt zog der Ballon in westlicher Richtung davon.

Leipzig 17. April. Zu dem Ballon­unglück wird noch weiter gemeldet, daß die Herren sämtlich erprobte Fahrer waren. Unter ihnen waren zwei Führeraspiranten. Der Name des vierten Herrn ist Graupner. Man kann sich nicht erklären, wie die Herren mit dem Ballon in das Gewitter hineingerieten.

Reichensachsen, 17. April. Die Polizei­behörde in Reichensachsen und das Bitterfelder Werk Elektron II melden-, daß der BallonDe­litzsch" aus beträchtlicher Höhe herabstürzte. Die Insassen waren sämtlich tot. Der Korb ist sehr schwer beschädigt. Die Hülle ist in zerfetztem Zustande aufgefunden worden. Ueber die Ur­sache läßt sich schwer etwas sagen. Man neigt der Ansicht zu, daß der Ballon in ein Gewitter geriet und von einem Blitzschlag getroffen wurde. Die Gondel ist wahrscheinlich mit furchtbarer Gewalt aufgestoßen, denn die Leichen weisen gräßliche Verletzungen auf. Zwei Leichen waren herausgeschleudert und zwei befanden sich in der Gondel.

Esch wege 17. April. Ueber die Kata­strophe, die den BallonDelitzsch" betroffen hat, wird noch gemeldet: Der Befund der Leichen läßt erkennen, daß die Luftschiffer einen schreck­lichen Tod gefunden haben. Auf dem Antlitz des einen ist die Todesangst deutlich ausgeprägt. Alle hielten die Hände krampfhaft geballt. Ein Ortsbewohner von Reichensachsen fand heute die Ballonhülle in den Zweigen eines Kirschbaumes hängend und die Gondel zerschmettert am Boden liegend. Die Leichen sind nach Feststellung des Todes durch den Kreisarzt nach Eschwege ge­bracht worden.

Bitter selb 17. April. Nach der hies. Luftschiffhalle ist von der Polizeibehörde in Reichensachsen die Mitteilung gekommen, daß die Insassen des verunglückten BallonsDelitzsch", wie die Leichenschau ergab, vom Blitz er­schlagen wurden.

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Ponywagen ab. Auch beim Generaldirektor kam man zusammen. Müllers liebten es, gemütliche Abende in ihrem gastfreien Hause zu veranstalten.

Zuweilen kam auch Bernhard dorthin, oder er holte die Schwester ab. Es gab heiße Arbeit auf dem Hochofenwerk; neue Assistenten mußten in den Betrieb eingeführt werden. Die Erze aus Frankreich bezogen, eigneten sich besser zum Schmelzen und die Produktion wuchs. Müller rieb sich vergnügt die Hände. Er sah, daß er in der Wahl des Hoch- ofenchess einen Griff in den GlückStopf getan hatte und Frau Gerard, die Hauptbeteiligte, merkte es an dem Steigen ihrer Aktien.

Wenn sie mit Bernhard bei Müllers zusammentraf, verkehrten sie als gesellschaftlich gebildete Menschen in sehr verbindlicher Art. Nur jemand, der scharf blickte, konnte erraten, daß eine gewisse Kühle beide beherrschte, wenn sie sich notgedrungen anredeten. Ines war viel zu harmlos, um etwas zu merken, und auch Müllers schienen nichts außer­gewöhnliches in dem Verkehr der beiden zu finden. Niemals sprachen sie über ihr kurzes Beisammensein in den Bergen; es war, als sei die Episode ausgelöscht.

Eines Abends war man wieder beim Generaldirektor Müller ver­sammelt. Auch der Amtsrichter und seine Frau, ein älteres Ehepaar und der Doktor mit seiner Mutter waren da. Ines hatte einige ihrer hübschen Volksliedchen gesungen, die Fräulein Elfriede begleitete. Jetzt bat die Tochter des Hauses Frau Gerard zu spielen. Sie tat es in so dringender Art, daß es unhöflich gewesen wäre, nein zu sagen.

Was soll ich spielen?" fragte Irmgard verlegen, denn Bernhard stand neben dem Flügel und sie wußte durch seine Schwester, daß er ein feinsinniges Verständnis für Musik hatte. Er spielte selbst das Klavier und blies sehr schön das Kornett. Oft waren die weichen Töne in der Stille der Nacht bis nach Mon Repos gedrungen.

Ach bitte spielen Sie etwas von Sibelius!" rief Frau Müller vom Sofa herüber.Dieser schwedische Komponist sollte auch in Deutsch­land mehr Beachtung finden."

Frau Gerard erfüllte den Wunsch ihrer Wirtin. Sie spielte erst Valse triste," jene eigenartige, schwermütige Tondichtung, in der grelle Disharmornien mit sehnsüchtigen Klagen abwechseln. In lautlosem Schweigen hörte die kleine Gesellschaft zu. Neben brillanter Technik besaß Irmgard einen sehr weichen Anschlag und vertiefte Auffassung. Es lag etwas Persönliches in ihrem Spiel; es packte und ergriff.

Bernhard saß im Schatten der großen Stehlampe; er war ganz von dem Genuß dieser schönen Musik hingerissen. Konnte diese scheinbar so kalte Frau so spielen? Lag nicht ein warmes pulsierendes Herz in der Sprache der Töne, öffnete sich ihre stolze, verschlossene Seele unter dem Zauber? Einmal blickte er zu ihr hinüber, nur einige Sekunden. Er sah, daß ihr schönes Gesicht wie von einem inneren Licht erstrahlte. Die schlanke Gestalt war leicht vornüber gebeugt, und die weißen Finger, an denen die kostbaren Ringe blitzten, eilten mit müheloser Geläufigkeit über die Taften.

Nach dieserValse triste", spielte Frau Gerard noch Sibilius' Elegie und Romanze, beides Stücke, die ihren Zuhörern bekannt waren und die denselben Charakter wieValse triste" haben. Und unvermittelt, kaum daß der letzte Akkord der melancholischen Romanze verklungen war, schwirrten die neckischen Töne desPavillon" von Grieg durch das Zimmer. Das perlte und flatterte unter den Fingern. Man glaubte, den bunten Falter von Blüte zu Blüte huschen zu sehen, man atmete den Dust der Rosen, bei denen der kleine Gast einkehrte, um gleich darauf sein loses Spiel weiter zu treiben, Irmgard erhob sich vom Klaviersessel. Alle dankten ihr begeistert. Fräulein Elfriede erging sich in überschwenglichen Ergüssen, Ines umarmte die Freundin.

Du spielst so, daß man nicht weiß, ob man weinen oder lachen soll!" rief sie, Irmgard das vertraute Du gebend, das sie seit einigen Tagen benutzten.

Nur Bernhard sagte nichts, er blätterte in einem Album. Fürchtete er zuviel oder zu wenig zu sagen? (Forts, folgt/!