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worden und schwebt gefüllt und aufgetakelt in der großen drehbaren Ballonhalle der Firma bei Biesdorf zum Aufsteigen bereit. Er wurde heute nachmittag durch den Inspekteur der Verkehrstruppen, Generalleutnant Frhr. v. Lyncker, die Majore Groß und Sperling und mehrere Offiziere des Luftschifferbataillons besichtigt. Die Erläuterungen gaben die Konstrukteure de» Luftschiffes, Hauptmann a. D. Kroph und Oberingenieur Titius. Ein Aufstieg des etwa 125 Meter langen und unstarren, mit drei Gondeln versehenen Luftschiffes wird in einigen Tagen erfolgen. Der Antrieb erfolgt durch drei Motors und sechs Propeller.
Paris 5. April. Der Aeroklub von Frankreich weist in einer Zeitungsnotiz auf die Verstimmung hin, welche die deutschen Lustschiffern bei ihrem Landen auf französischem Boden zu teil gewordene unfreundliche Aufnahme in Deutschland hervorgerufen hat und betont, daß die französischen Luftschiffer in Deutschland niemals irgend welche Behelligung erfahren hätten. Um den unangenehmen Folgen vorzubeugen, welche derartige weitere Aufreizungen haben könnten, beschloß der Aeroklub, sich mit den Bürgermeistern der Departements an der Ostgrenze in Verbindung zu setzen.
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V. Lebhafte Klagen des Publikums über Belästigungen in den Eisenbahnzügen sind wieder über die Osterfeiertage laut geworden. Seit die Fahrkarten nicht mehr in den Eisenbahnzügen durchlocht werden und die Schaffner zu selten in die Personenwagen treten, glauben rüpelhafte und betrunkene Leute sich namentlich in den 4. Klasse-Wagen alles gegen die mit- sahrenden Passagiere erlauben zu dürfen; Anstand und Sitte werden da in der gröbsten Weise verletzt, wehrlose Leute werden in der rücksichtslosesten Art zusammengepreßt, auf das Verbot des Rauchens in Nichtraucherabteilungen wird gepfiffen. Alleinstehende Frauen, Mädchen und Kinder können nachgerade auf stark frequentierten Strecken an Sonntag- Abenden die 4. Klasse kaum mehr benützen, sind doch jene Rohlinge der Meinung, daß sie mit der Bezahlung des Fahrpreises sich nicht nur das Recht der Mitfahrt, sondern in der 4. Klasse auch das Privilegium erworben haben, sich so pöbelhaft und unanständig wie möglich zu benehmen. Es ist höchste Zeit, daß hie- gegen sowohl die Eisenbahnverwaltung als das Publikum entschiedener Front macht. Von der Verwaltung muß man verlangen, daß sie die Wagen namentlich an Sonntag- Abenden häufiger als gegenwärtig durch das Personal kontrollieren läßt und daß sie letzteres auffordert, gegen Belästigungen des Publikums und Verstöße gegen die Verkehrsordnung unaufgefordert strengstens nach den
Vorschriften vorzugehen. Auch ist nötig, daß in den Personenwagen wenigstens diejenigen Bestimmungen aus der Verkehrsordnung angeschlagen werden, welche den Ausschluß von Reisenden, die Benützung der Frauen- und Nichtraucherabteile, das Oeffnen der Fenster rc. betreffen. Das Publikum aber möge bedenken, daß es Mittel hat, sich gegen Belästigungen zu schützen und daß es hievon nur mehr Gebrauch machen muß. Man rufe einfach den Schaffner herbei, oder begebe sich auf der nächsten Station, wo der Zug anhält, zum diensttuenden Fahrdienst- beamten, um den Ausschluß lästiger Personen zu bewirken und event. ihre Bestrafung zu fordern; denn mit Zurechtweisungen riskiert man gegenüber solch' ungezogenen Elementen erfahrungsgemäß nur weitere Anpöbelungen. Wir lassen nachstehend die wichtigsten Bestimmungen zunächst aus der Verkehrsordnung folgen. 8 11 Abs. 1 bestimmt, daß Personen, welche die vorgeschriebene Ordnung nicht beachten, sich den Anordnungen der Bediensteten nicht fügen oder den Anstand verletzen, insbesondere betrunkene Personen, von der Beförderung ausgeschloffen werden können. In Nichtraucherabteilen darf selbst mit Zustimmung der Mitreisenden nicht geraucht, auch dürfen solche Abteile nicht mit brennenden Zigarren, Zigaretten oder Tabakspfeifen betreten werden. Nur mit Zustimmung aller in demselben Wagen oder Abteil reisenden Personen dürfen die Fenster auf beiden Seiten des Wagens gleichzeitig geöffnet sein. Bei vorsätzlichen Beschädigungen oder Verunreinigungen der Wagen tritt gerichtliche Verfolgung ein, in den anderen Fällen sind die Ersatzkosten zu leisten. Nur kleine Hunde und sonstige Tiere, die auf dem Schoße getragen werden, dürfen in die Personenwagen mitgenommen werden; andere Hunde nur dann, wenn ihren Besitzern ein besonderes Abteil zur Verfügung gestellt wird. Leicht entzündliche, ätzende, übelriechende Stoffe u. dergl. sind von der Mitnahme ausgeschlossen. Natürlich finden aber auch die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs auf Taten im Eisenbahnwagen Anwendung, die strafrechtlich verfolgt werden. Hier ist besonders wichtig 8 183 des Strafgesetzbuchs, wonach derjenige, derdurch eine unzüchtige Handlung öffentlich ein Aergernis gibt, mit Gefängnis bis zu 2 Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 500 ^ bestraft wird; nach einer Reichsgerichts-Entscheidung fallen hierunter auch mündliche unsittliche Aeußerungen einschl. dem Singen unsittlicher Lieder. Da gerade grobe, unsittliche Aeußerungen und Gesänge im Eisenbahnwagen häufig Vorkommen und Aergernis erregen (in schamlosester Weise benahmen sich z. B. 5 junge Burschen am Ostermontag abend auf einer Bahnstrecke bei Stuttgart, wogegen dann die mitfahrenden Passagiere schon in Rücksicht auf zahlreiche Kinder energisch
waren. Auch eine Prämierung wird, wie im vorigen Jahre stattfinden. Platzgeld wird nicht berechnet. Die Ausstellung hat am Samstag, den 16. April zu erfolgen. Der Hundemarkt wird auf dem Hegelplatz bei der Gewerbehalle abgehalten. Die Aufstellung der Tiere erfolgt raffenweise. Große Hunde haben 20 -Z, kleine 10 und ganze Hundefamilien 50 Abgabe zu bezahlen.
Feuerbjach 5. April. Auf dem hiesigen Güterbahnhof platzte dieser Tage beim Verladen auf ein Fuhrwerk des Güterbeförderes Scherrieble ein Sack, der scheinbar Mehl enthielt und dessen Inhalt sich zum Teil auf die Erde verschüttete. Ein Arbeiter glaubte sich nun den Vorfall zu nutze machen zu können, er faßte von dem auf dem Boden liegenden „Mehl" das noch Brauchbare auf, um sich Sonntags darauf zu Hause von seiner Frau billige „Spatzen" zubereiten zu lassen. Baß verwundert aber waren die beiden, als der Spatzenteig zu schäumen und zu zischen begann und trotz allen Wasserzusatzes sich nicht beruhigen wollte. Da kam denn endlich die Frau darauf, daß ihr profitlicher Ehemann bei dem Sackunfall gar kein Mehl, sondern — Seifenpulver erbeutet hatte.
Geislingen a. St. 5. April. Als rauflustige Italiener im Gasthaus zum Reichsadler vom Wirt ausgewiesen wurden, gab ein 18jähriger Italiener durch die Tür auf den Wirt zwei Schüsse ab, die aber ihr Ziel verfehlten. Dagegen wurde ein unbeteiligter Brauereivolontär durch einen Schuß ins Gesäß und einen Streifschuß am Kopf erheblich verletzt. Der Verwundete wurde durch die Polizei ins Bezirkskrankenhaus geschafft. Der Täter wurde gestern festgenommen und ins Amtsgericht eingeliefert.
Berlin 5. April. Die „Tribuna" erfährt aus Florenz: Die frühere Prinzessin Luise von Toscana hat bei Nacht und Nebel mit ihrem Kind und zwei Bediensteten Florenz verlassen und scheint nach der Schweiz geflohen zu sein, um sich vor ihrem Mann Toselli in Sicherheit zu bringen und die Eh escheidungs- klage zu erheben. — In einer weiteren Depesche aus Rom heißt es, daß Frau Toselli schon seit längerer Zeit auch aus finanziellen Gründen mit ihrem Manne in Unfrieden lebt. Sie sagte ihm vor der Abreise, sie wolle nach Rapallo zur Erholung fahren. Dann fuhr sie mit dem Sohn und den beiden Gouvernanten, nachdem sie sich mit einer Freundin beraten hatte, nach Montreux ins Palasthotel, von wo sie Scheidungsklage einbringen will. Sie hat den schweizerischen Gesandten in Rom ersucht, ihr den Schutz der schweizerischen Behörden gegen etwaige Angriffe ihres Mannes zu sichern
Biesdorf bei Berlin 5. April. Ein neuer lenkbarer Luftkreuzer ist von den Siemens-Schuckert-Werken fertig gestellt
War es der Einfluß des Weiters, war es etwas Anderes? Heute war die ungezwungene fröhliche Stimmung des gestrigen Abends verflogen. Wortkarg und frostig begegnete die junge Dame Bernhard. Bedauerte sie, sich frei und zwanglos gegeben zu haben, fürchtete sie, er könne es mißbrauchen, wünschte sie, die Schranke zwischen ihnen aufzurichten, die gestern, angesichts der großartigen Natur gefallen schien? Fast bedauerte es Eiche, wieder nach Lauterbrunnen hinabzusteigen, und seine Tour in entgegengesetzter Richtung aufgegeben zu haben.
Die Stimmen der Führer, die zur Vorsicht mahnten, klangen durch den dichten Nebel gedämpft herüber. Es war ein gefährlicher Abstieg, es ging über Eisfelder, wo der Fuß leicht ausgleitet, dann wieder über spitze Felsenschroffen und im nächsten Augenblick durch lockeren, fußhohen Schnee. Dazwischen rasteten die Reisenden. Bernhard näherte sich aber der Fremden nicht, er war ärgerlich, sein Stolz bäumte sich unter ihrem veränderten Wesen. Was ging sie ihn überhaupt an? Ihre Lebenswege trennten sich von heute, wahrscheinlich um nie mehr einander zu kreuzen.
Um die Mittagszeit brach die Sonne siegreich durch das Gewölk. Nach und nach traten die Berge deutlicher hervor und die wunderbar schöne Alpenlandschaft bot sich den Blicken dar. In der Tiefe brauten noch die Nebel. Es war ein eigentümliches Gefühl, so im Sonnenlicht gebadet dazustehen, als sei man losgelöst von der Erde, die mit ihrem Hasten und Treiben unsichtbar blieb.
„Kommen Sie doch her!" rief die Fremde, „von hier hat man einen herrlichen Rundblick auf die Berge."
Es klang Bernhard fast wie ein Befehl. Trotzdem trat er näher, sie dürste sich nicht einbilden, daß er empfindlich war. Gewiß, sie war launisch. Sie sprach jetzt ungezwungen und er ging auf die Worte ein.
Heute bemerkte er etwas, was ihm gestern entgangen war. Sie hatte den wildledernen Handschuh abgezogen, ein glatter, goldener Reif schimmerte an ihrem Finger. Er glaubte ihn gestern dort nicht gesehen zu haben, oder hatte sie ihn erst heute wieder angesteckt, wollte sie damit sagen: „Ich bin verheiratet, du sollst es wissen."
Ja, das war allerdings die beste Schranke zwischen ihm und ihr.
Bernhard war ziemlich stumm. Sie bemerkte es und fragte: „Sie scheinen nicht recht ausgeschlafen zu haben."
„Im Gegenteil", sagte er kurz, „ich überlege nur, ob es nicht besser wäre, wenn ich mich nicht noch erst bis Lauterbrunnen hinunter begebe, sondern den Weg einschlage, der mich direkt nach L. führt. Ich muß heute Abend mit der Bahn abreisen."
„So tun Sie es doch", versetzte sie trocken.
Wie er so dastand unter der steilen Felswand, sah sie sehr hochmütig von oben herab auf ihn nieder, der sich etwas tiefer auf seinem Bergstock lehnte.
In diesem Augenblicke polterte es gewaltig über ihnen. Mit Blitzesschnelle hatte Bernhard die Gefahr begriffen, der Ruf des einige Schritte weiter stehenden Führers war nicht mehr nötig.
„Der Steinschlag!" rief der Bursche, und er sprang auf die Fremd« zu, um sie von der gefährlichen Stelle fortzureißen. Bernhard war ihm zuvorgekommen. Mit kräftigen Armen hob er die schlanke Frauengestalt aus und eilte aus dem Bereich der Felswand. Es kam von dort herabgeschossen, es kollerte und hüpfte in wildem Sprung über die Schroffen. ES stürzte donnernd hernieder. Gerade da, wo die Fremde gestanden, sauste ein großer Stein herab und zersplitterte auf dem felsigen Grund in mehrere faustgroße Stücke. (Forts, folgt.)