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sprechung unterzogen wurde. Möge diese Veranstaltung dazu dienen, der edlen Turnsache weiter Bahn zu brechen. Gut Heil!
Stuttgart 30. März. Die Zweite Kammer nahm heute nachmittag nach mehr als fiebenmonatiger Pause ihre Beratungen wiederauf. Präsident v. Payer hieß die Kollegen herzlich willkommen und betonte, leider habe sich der Wunsch auf Wiedersehen, mit dem man im August vorigen Jahres auseinandergegangen sei, nicht für alle Kollegen erfüllt. Der Präsident gedachte dann des verstorbenen Abgeordneten für Freudenstadt, Schmid, eines ruhigen und klugen, mit den Verhältnissen der städtischen und ländlichen Bevölkerung wohlvertrauten Mannes, sowie des verstorbenen Abgeordneten für Ludwigsburg, Schnaidt, eines der ältesten, angesehensten und auch beliebtesten Mitglieder, das dem Hause mit großer Pflichttreue wesentliche dankenswerte Dienste geleistet habe. Das Haus ehrte das Andenken der Verstorbenen durch Erheben von den Sitzen. Der Abg. Schrempf (B.K.) berichtete namens der Legitimationskommission über die Gültigkeit der Wahl von Schultheiß Schmid zum Abgeordneten von Herrenberg, von Bauwerkmeister Kaiser zum Abgeordneten von Freudenstadt und von Gemeinderat Hoffmeister zum Abgeordneten von Ludwigsburg. Der Antrag der Kommission, die Abgeordneten für legitimiert zu erklären, wurde angenommen. Hierauf wurden sie vereidigt und an ihre Plätze geführt. Im Einlauf befanden sich u. a. Anfragen der Abg. Kraut und Genoffen, sowie der Volkspartei betr. die großen Unzulänglichkeiten, die durch die Zusammenlegung der Funktionen des Oberamtstierarztes für die Bezirke Backnang, Gaildorf und Hall nach der Zulassung des Zulassung des Sitzes in Hall in Ansehung der rechtzeitigen Bekämpfung der Viehseuchen, insbesondere der alsbaldigen Feststellung der Krankheitsfälle und der Beaufsichtigung der Vichmärkte entstanden seien. Das Haus tritt dann in die erste Beratung des Gesetzentwurfs betr. die Einwirkung von Armenunterstützung auf öffentliche Rechte ein. Dr. v. Kiene (Z.) erklärte sich im allgemeinen mit dem Entwurf einverstanden, der sich erfreulicherweise nicht streng an das reichsgesetzliche Vorbild anschließe, sondern die mildere württembergische Praxis beibehalte. Der Redner beantragte, den Entwurf an die staatsrechtliche Kommission zu verweisen. Die Abg. Häffner (D. P.) und Dr. Baur (Vp.) stimmten den Grundzügen des Entwurfs, sowie dem Antrag Kiene zu, ebenso der Abg. Schaible (B. K.). Mattutat (Soz.) lehnte jede politische Entrechtung, die sich aus dem Bezug von Armenunterstützung ergebe, ab und wünschte verschiedene Erweiterungen des Entwurfs durch die Kommis
sion, so eine positive Bestimmung darüber, was öffentliche Armenunterstützung ist. Unklar sei die Ausdrucksmeise des Entwurfs, die höchstens einem Juristen genüge. Minister v. Pischek trat einigen Ausführungen des Vorredners entgegen. Die Wohltaten des Reichsgesetzes sollten möglichst schnell auch für das Landesgesetz eingeführt werden. Dadurch verbot sich, auf Materien überzugreifen, die zu großen Meinungsverschiedenheiten geführt hätten. Der Antrag Kiene wurde angenommen. Bei der nun folgenden Beratung des Gesetzentwurfs betr- Aenderung des Sporteltarifs in Bergbausachen begrüßten die Abgg. Bantleon (D. P.), Käß (Vp.), Körner (B. K.), Rembold - Aalen (Z.), Keil (Soz.) die Erhöhung der Sportel für die Verleihung eines Bergrechts. Sache des Finanzausschusses sei es allerdings, zu erwägen, ob die Erhöhung genüge, um Mißbräuchen bei Mutungen und der spekulativen Ausnutzung der Naturkräfte des Landes durch Nichtwürttemberger entgegenzutreten. !Der Entwurf wurde entsprechend einem Antrag des Abg. Käß (Vp.) an den Finanzausschuß überwiesen. Der Gesetzentwurf betr. die Verlängerung der Befugnis der Württ. Notenbank zur Ausgabe von Banknoten bis zum Jahre 1831 fand uneingeschränkte Zustimmung und wurde in erster Lesung angenommen. Nach Bekanntgabe einer Anfrage des Abg. Haußmann betr. die Sammlung württ. Zeitungen nach den im Zentralblatt für Bibliothekwesen empfohlenen Grundsätzen wurde die Sitzung nach zweistündiger Dauer geschlossen. Morgen nachm. 3 Uhr: Anfrage Kraut u. Gen. betr. die Besetzung von Oberamtstierarztstellen, sowie verschiedene Nachtragsetats.
Stuttgart 24. März. Durch die Explosion einer Kohlensäureflasche wurde am 16. Februar 1909 in der Calwerstraße hier der 20jährige Handlungsgehilfe Baecktle aus Leonberg getötet. Das Unglück ereignete sich dadurch, daß das Pferd eines mit Kohlensäureflaschen beladenen Pritschenwagens scheu wurde und zwei der Flaschen Herabsielen. Einige Teile der explodierenden Flasche rissen den jungen Mann buchstäblich in Stücke. Sein Vater strengte gegen den Inhaber der Firma, der der Wagen gehörte, Klage an, zunächst auf Ersatz der Begräbniskosten, uut festzustellen, ob die Firma überhaupt ersatzpflichtig sei. Die Klage wurde im wesentlichen auf 8 9 der Straßenpolizeivorschriften gestützt, der vorschreibt, daß die Ladung eines Fuhrwerks so befestigt sein muß, daß sie nicht herabfallen kann. Der Wagen hatth nur einen 2—3 Zentimeter hohen Aufsatz, wie ihn bis zu diesem Unglücksfall alle zum Transport von Kohlensäureflaschen verwendeten Wagen hatten; seitdem ist für diese Wagen ein 20 bis
30 Zentimeter hoher Aussatz vorgeschrieben und sie müssen außer dem Kutscher noch einen Begleiter haben. Verschiedene Zeugen und Sachverständige erklärten, daß man mit der Gefahr einer Explosion beim Herabfallen aus so geringer Höhe nicht rechnen könne; die Flaschen würden beim Verladen meist viel stärker herumgeworfen, es sei aber nicht bekannt geworden, daß eine explodiert sei. Die Zivilkammer erkannte jedoch den Anspruch des Klägers als gerechtfertigt an und verurteilte heute den Beklagten, der beim Aufladen der Flaschen zugegen war, nach 88 823 Abs. 2 und 831 B.G.B. zur Zahlung der geforderten Summe. Der Un- glücksfall hatte auch zu einem Ermittelungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen den Fuhrmann wegen fahrlässiger Tötung geführt, das Verfahren wurde aber eingestellt.
Stuttgart 30. März. Hauptmann a. D. Graf Oskar von Zeppelin, der Onkel des Grafen Ferdinand von Zeppelin, ist heute im Alter von 85 Jahren gestorben.
Stuttgart 30. März. (Strafkammer.) Eine umfangreiche Anklagesache wegen Verbrechens gegen das keimende Leben beschäftigte heute die Strafkammer. Angeklagt waren 11 Personen. Der Hauptangcklagte, der Naturheilkundige August Oehrle erhielt 2 Jahre Gefängnis und 3 Jahre Ehrverlust. Die übrigen Angeklagten wurden zu Gefängnisstrafen von 5 Tagen bis zu 2 Monaten verurteilt. Die Verhandlung fand unter Ausschluß der Oeffent- lichkeit statt. "
Cannstatt. Die Krankenheilanstalt „Villa Seckendorfs" ist nach dem Tode des letzten Inhabers durch Erbschaft an die Pilgermission St. Chrischona übergegangen. Die Anstalt soll im gleichen Sinne wie bisher weiter- gesührt werden. Zum Inspektor von St. Chrischona ist nach dem Tove des weithin bekannten Herrn C. H. Rappard dessen Schwiegersohn Friedrich Veiel, ein geborener Calwer, ernannt worden.
Vom Zabergäu 29. März. Welch großen Nutzen es der im letzten Herbste vom Hagelschlag betroffenen landwirtschaftlichen Bevölkerung unseres Gäues brachte, daß sie Mitglieder einer Versicherung waren, beweisen folgende Entschädigungen der „Norddeutschen Hagelversicherungs- Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Berlin". Nach deren Statistik wurden im Oberamtsbezirk Brackenheim allein über 55 000 ^ Entschädigungen ausbezahlt; die Mitgliederbeiträge stehen in gar keinem Verhältnis zu den Entschädigungssummen. So zahlte Brackenheim 342 ^ und erhielt 12 284 Cleebronn 405 ^ und erhielt 6882 Dürrenzimmern 233 ^ und erhielt 6764 u. a. mehr.
Schwester ein warmes Empfinden unter der scheinbaren Kälte barg, der zündende Funke hatte bisher gefehlt.
In der so innigen Vereinigung zwischen Mann und Frau, gab es Gelegenheit dazu, das Feuer anzufachen, das zum beglückenden, wärmenden Segen des Hauses wird. In der Brautzeit war Landen um keinen Schritt seinem ersehnten Ziele näher gekommen. Gewöhnlich war die Tante bei ihnen; in den vier kleinen Zimmern war es fast unmöglich, unbeachtet zu bleiben.
Mit recht ernsten Gedanken stand Bernhard in der Kirche und folgte der heiligen Handlung. Er verstand Randen eigentlich nicht recht. Wie würde Bernhard von der Eiche ein Weib zum Altäre führen, das ihm nicht in Liebe ergeben war, das ihn nicht um seiner selbst willen wählte, ohne auf äußeren Glanz zu achten. Den würde er nie bieten können. Ja, wäre das eine nicht geschehen, was ihm der Vater damals in seinen letzten Tagen anvertraut hatte.
Nach der Trauung war Bernhard einige Augenblicke mit seiner älteren Schwester allein. Er ergriff die Gelegenheit, um ein ernstes Wort mit ihr zu sprechen.
„Liebe Herta", sagte er, „du bekommst einen edlen, guten Mann, der dich aufrichtig liebt. Ich hoffe, du wirst dich bestreben, eine Frau zu werden, die ihn glücklich macht. Suche darin allein deine Befriedigung und du wirst selbst glücklich werden. Nicht im eitlen Tand und rauschender Geselligkeit liegt das, was ein Frauenherz braucht, um ein schönes Erbenlos zu finden; in der Stille und dem Frieden der Häuslichkeit ruhen die Schätze, die auch dir zu Teil werden, wenn du sie zu heben verstehst. Nicht wahr, daran willst du denken, liebe Schwester."
Seine Stimme klang so weich und eindringlich, sie schien den Eindruck nicht zu verfehlen. Etwas wie Rührung schimmerte in ihren Augen. Sie reichte dem Bruder die Hand und sagte:
„Ich will daran denken, Hardy."
Schon dieses Zugeständnis war viel für eine so verschlossene Natur wie Herta sie besaß.
Das junge Paar war fortgefahren. Ines und Bernhard reisten am nächsten Tage nach Liebenau, wo sie des Vaters Grab besuchten. Dann brachte Eiche die Schwester in die Forstei und blieb dort einen Tag. Jetzt waren alle Elevinnen und die jüngeren Kinder bis auf den vierzehnjähren Kurt zu Hause. Er besuchte das Gymnasium in Braunscheig.
Am Abend wurde musiziert. JneS hatte gute Fortschritte im Klavierspiel gemacht und Luise sang mit einer recht hübschen Sopranstimme. Die gute Tante Emma sprach sich sehr zufrieden über die Leistungen ihres Lieblings Ines aus, die praktisch veranlagt war, und alles richtig angriff. Bernhard lobte die Schwester erfreut. Sie aber meinte:
„Ich bin ja sonst talentlos, Hardy." Bedenke, wie Herta bevorzugt ist; sie hat ihre Malerei."
„Nun und du hast ein viel schöneres Talent, Kleines."
„Da bin ich neugierig," rief Ines lachend
„Du hast Talent, deine Umgebung glücklich zu machen."
Sie umarmte ihn zärtlich.
„Lieber, alter Hardy, sagte sie und lehnte den Kopf an seine Schulter. „Ich wünschte, ich wäre schon bei dir. Es muß doch recht ödb in de« kleinen Nest sein, und wenn du abends nach Hause kehrst, ist niemand da, der dich willkommen heißt. Das wird anders werden, wenn ich bei dir bin."
„Ich hoffe, nach einem halben Jahr erster Assistent zu werden," vertraute Bernhard ihr an. „Dann nehme ich das kleine hübsche Häuschen an der Ecke des Dorfes, der Wald ist ganz nahe. Ich erwarte dich, sobald Du den Kursus der Krankenpflege beendet hast. Ein Gärtchen ist auch vor dem Hause. ES ist klein, aber wir haben genug Platz darin. Oben sind drei Mansardenzimmer, unten drei Räume und die Veranda ist von Glycinien und wildem Wein umrankt."
(Fortsetzung folgt.)