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Samstag, den 19. Mär; 1910.
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Tagesnesigfeites.
^ Calw 19. März. Am Donnerstag abend sprach Stadtpfarrer Umfrid aus Stuttgart im Bad. Hof in einer von der Ortsgruppe Calw der Deutschen Friedensgesellschaft veranstalteten Versammlung über das Thema „Der Kampf ums Dasein und die Humanität im Kriege." Der Redner, welcher als 2. Vorsitzender der deutschen Friedensgesellschaft in Wort und Schrift für die Zwecke der Gesellschaft Propaganda macht, führte in einer mit Ueberzeugung und großer Begeisterung für die Friedensidee durchwehten Rede Folgendes aus. Die Erde sei kein Paradies, sie sei vielmehr ein Kampfplatz und der Krieg der Vater aller Dinge. Die Friedensfreunde, die den Kampf aus der Welt schaffen wollen, seien keine Utopisten, sie ständen im Gegenteil auf dem Boden der Wirklichkeit. In der Natur herrsche allenthalben ein Kampf und auf diesen Platz sei der.Mensch hineingestellt und er kämpfe auch mit allen möglichen Dingen. Der Mensch sei ein streitbares Wesen, er sollte sich aber selbst bekämpfen und nicht andere Wesen; er bilde sich ein, er könne nicht existieren, wenn er nicht ein Blutbad von Zeit zu Zeit anrichte. In der Natur treffe man keine Tiere, die ihre eigene Art bekämpfen (diese Ansicht ist übrigens vollständig unrichtig), nur der Mensch bekämpfe sich bis aufs Blut. Der letzte ostasiatische Krieg liefere Beispiele unmenschlicher Grausamkeit und dagegen müßten , die Friedensfreunde aus Menschlichkeit protestieren. Es müsse zugegeben werden, daß der Krieg dem Fortschritt sich angeschloffen habe und humaner geworden sei, dagegen sei nichts einzuwenden, daß man in der Kultur und Humanität weiter gekommen sei als zu den Zeiten der Semiramis, des Lerxes, Alexanders des Großen, des Königs David, des Römers Sulla und des 30jährigen
Krieges. Es sei zuzugestehen, daß der 70er Krieg sich auf einen höheren Standpunkt stelle. Dies sei aber kein Grund, sich zu rühmen, wie herrlich weit es wir gebrächt hätten. Einen Rückfall in die Barbarei stelle der ostasiatische Krieg dar; in diesem Krieg wären haarsträubende Grausamkeiten verübt worden. In früherer Zeit hätten sich die Völker zerfleischt, um Länder zu erobern und Sklaven zu machen, damals habe man die Besiegten ihres Eigentums beraubt und sei in ihre Höfe und Ländereien hineingesessen. Dies alles habe heut- zutagekeinen Sinn mehr, jedenfalls in Europa nicht. Wenn man sage, man führe Kriege, um fremde Märkte zu erobern, so sei dies ebenfalls falsch, denn mit einem Krieg werde die Politik des Handels nicht gestärkt. Die Erde sei nicht so enge, daß man um die Existenzmittel kämpfen muffe, in Wirklichkeit bringe die Erde genug hervor, um alle Menschen zu ernähren. Die Subsistenzmittel steigen mit dem Wachstum der Menschheit, Beweis dafür seien die viele nutzbaren Flächen in Brasilien, Australien usw. Die Ansicht, daß der Krieg notwendig wäre, weil die Rassen sich bis aufs Blut haßten, sei auch nicht stichhaltig und ganz verwerflich sei die Annahme, der Krieg sei ein Naturgesetz und ein Element der göttlichen Weltordnung. In Europa sei allerdings viel Zündstoff angefüllt, aber wenn es zu einem Krieg kommen sollte, so seien daran nicht die Völker, sondern nur einige Hetzer schuldig. Neben dem Gesetz des Kampfes liege das andere Gesetz, das der Assoziation, der gegenseitigen Hilfeleistung. Diese Hilfe sei in der Natur z« beobachten, warum sollte dies nicht auch bei den Menschen so sein? ES werde die Zeit kommen, vielleicht in 30—50 Jahren, wo es ein verbündetes Europa geben werde, dann werde man die Friedensfreunde als die Bahnbrecher einer neuen Zeit betrachten und feiern.
Gegen ein verbündetes Europa könne kein anderer Staatenbund aufkommen. Ein Ziel habe man sich vor Augen zu stellen: Den Völkerfrieden, dafür müsse man kämpfen und alle müßten einig sein in dem Wunsche nach Frieden. Die Friedensfreunde seien zu vergleichen mit Leuten, die auf einer Höhe wandeln und von den Strahlen der Sonne zuerst begrüßt werden; von diesen Strahlen werden aber auch manche in die Tiefe dringen und die Menschheit erleuchten. Die Zukunft werde die Hoffnungen erfüllen und deshalb sollten Alle zum Kampf für die Friedensidee gewonnen werden, wettn es auch langsam gehe, so werde doch das Wort gelten: Getrost, getrost ihr Brüder dort unten in dem Tal, es grüßt euch noch hernieder der Sonne goldner Strahl. — Die frische und lebendige Rede wurde mit großem Beifall ausgezeichnet. In der sich anschließenden Debatte ergriff zuerst Hr. Oberlehrer Michel von Liebenzell das Wort. Er wunderte sich, daß bei einer so wichtigen Sache das Oberamt nicht vertreten sei (dieser unmotivierte Angriff stand in gar keinem Zusammenhang mit der Versammlung), und daß in Deutschland die Friedensidee so wenig vorangehe. Er führte sodann aus, daß es eine Barbarei sei, wenn durch den Krieg unsere Soldaten in der Kaserne so mißhandelt werden, daß sie sogar früher gezwungen wurden, ihren Speichel und eigenen Kot (!) zu verzehren, es sei zwar jetzt manches besser geworden, aber es kommen immer noch Mißhandlungen vor. Unsere deutschen Soldaten hätten sich im 70er-Krieg und in dem chinesischen Aufstand die größten Scheußlichkeiten zu schulden kommen lassen. (Merkwürdigerweise waren die chinesischen Boxer und die Turkos und Zuaven die reinsten Engel.) Der Deutsche sehe nur die Fehler anderer Nationen, während er sich selbst
Wildwasser.
Gebirgsroman von Luise Cammerer.
(Schluß.)
„Um Gotteswillen, Wendel, halt dich!" sie schrie es in Todesangst laut hinaus, „o mein lieber Herrgott am Kreuz, laß es genug sein des Elends, laß mir meinen Wendel, wenn ich auch von Hof zu Hof betteln muß!"
Da geschah etwas Unerwartetes, etwas, was Frau Therese jetzt und in den späteren Tagen als eine Gnade Gottes pries. Von der Anhöhe, die die Schneidmühle von der Landstraße trennte, stürzte ein Mann herab, stürmte an ihr vorbei über den Hofraum fort und sprang in die Fluten. Die Lindhammerin sah ihn bald da bald dort zwischen Treibhölzern und Wnrzelwerk auftauchen, sie sah noch, wie er den Wendel an den dichten krausen Haaren zu fassen, und an die Oberfläche zu ziehen suchte, wie er mit seiner schweren Last dem Ufer zustrebte, dann nachtete es vor ihren Augen, sie lag besinnungslos am Boden.
^S^An einem kräftigen Weidenbaum, dessen Wurzelwerk der Waffer- gewalt getrotzt, und der noch fest im Erdreich hing, klammerte der Toni — denn dieser war es — sich an und zog den Körper seines Bruders »ach; allein die Ueberanstrengung mochte für den durch Entbehrung Md das unstete Wanderleben an Kraft Geschwächten zu groß gewesen oder eine Herzlähmung bei ihm eingetreten sein — schwer fiel er ins Wasser zurück, indes der Wendel von den Holzknechten auf sicherem Boden geborgen wurde. Noch einmal erschien der Toni oberhalb des Strudels, dann trieb er mit den Fluten der Partnach der Loisach zu.
Die wilde, feffellose Tochter der Bergwelt hatte dem feffellosen Sohn der Berge einen jähen Untergang bereitet, das „Wildwaffer" hatte seinem
zügellosen Leben ein Ende gesetzt, und mit einer edlen Tat, die ihn zum Teil entsühnte, war er aus der Welt gegangen. In Eschenlohe wurde seine Leiche ans Land gezogen, auf dem dortigen Friedhof aufgebahrt und vom Lindhammer, der sich von dem ausgestandenen Schrecken und dem unheimlichen Bade inzwischen erholt hatte, als dessen Bruder anerkannt. Damit wurde Toni in Lindhammers und eines Geistlichen Gegenwart in aller Stille beerdigt.
Auf düstere, stürmische Tage folgt blauer Himmel und Sonnenschein, und wie in der Natur ein steter Wechsel sich vollzieht, so wechseln auch im Menschendasein Freud und Leid, trübe und frohe Stunden. Mt Tonis Tod wich der düstere Schatten aus Lindhammers Leben und wenn man hie und da seiner im Gebete gedachte, geschah es mit christlicher Milde und Nachsicht. Dagegen trat ein Lebender, der im Groll und Bitterkeit vom Elternhaus geschieden, wieder in seine Rechte ein und er wurde mit offenen Armen ausgenommen. Der Sixt, der Komödienspieler, war in Kraft und Frische in die heimischen Verhältnisse zurückgekehrt und hatte zudem ein erspartes Kapital von nahezu 6000 Mark mitgebracht, welche Summe er sogleich im elterlichen Anwesen anlegte. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend regte er ohne Unterlaß die Hände und war im Sägewerk und bei der Feldarbeit der erste und der letzte.
Mit ihm zugleich regte sich die Arbeitslust, es hoben sich dM Wohlstand und die geschäftlichen Aufträge, die Einigkeit in der Familie erstarkte, die frohen heiteren Zeiten kehrten zurück. Erst nachdem er die Eltern gesichert wußte, dachte Sixt daran, sich sein eigenes Glück zu zimmern. Als ein neuer Frühling ins Land zog und die Erde sich in ihr schmucke« Brautgewand hüllte, da klopfte der Sixt im Raintalerhof an und warb um sein stilles, feines Bräutchen und in aller Kürze erfolgte der öffentliche Verspruch des jungen Paares und es wurde allsogleich dessen Hochzeitstag festgesetzt.