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den Gedichtvorträgen) eine etwas dünnflüssige Klaviermusik den Abschluß des ganzen Pro­gramms bildete. Oder würde nicht ein kräftiger vaterländischer Volksgesang ein wirksameres Amen abgegeben haben? Alles in allem aber darf man dem Jünglingsverein Glück wünschen zu dieser wohlgelungenen Ergänzung der offi­ziellen königlichen Geburtstagsfeier.

N Hirsau 28. Febr. Das Geburtsfest Sr. Majestät des Königs wurde auch hier festlich begangen. Auf Einladung des Ortsvorstehers Echullh. Majer sammelten sich um 9°/- Uhr vor dem Rathaus die Herren Staatsbeamten, die bürgerlichen Kollegien und der Militärverein zrm gemeinsamen Kirchgang Mittags fand in dem mit Königsbüste und Pflanzen geschmückten Saal des Gasthofs z. Rößle ein Festmahl statt, an dem sich alle Kreise der Bürgerschaft beteiligten. Sägewerk- befitzer Wagner begrüßt im Namen des Ortsvor­stehers die Festteilnehmer mit dem Wunsche, daß diese Feier dazu beitragen möge, die Liebe und Treue, welche in unserem Schwabevland von Alters her Fürst und Volk so eng verbindet, neu zu stärken zum Wohle unseres geliebten Württemberger Landes. Oberförster Harsch hielt einen glänzenden Königs­toast und feierte den Schirmherrn unseres engeren Vaterlandes als kerndeutschen Fürsten, als den wahrhaftigen Vater seines Volkes, der mit scharfem Blick den Puls der Neuze t zu fühlen verstand und der, wo es gilt, berechtigten Forderungen seines Volkes entgegen zu kommen, sich nicht scheut, alte Traditionen zu verlassen und seinem Volke neue Wege zu Wohlfahrt, Bildung und freiheitlicher Entwicklung zu ebnen. Das begeistert oufgenommene Königshoch war ein beredtes Zeugnis, daß sich auch heute noch Schwabens Volk und Fürst als zu­sammengehörig betrachten. Finanzrat Völt er feierte die Königin in einem sinnigen Gtd cht, in welchem dieselbe mit Beziehung auf verschiedene von ihr gemachte Stiftungen als Beschützerin der Kranken und Notleidenden gepriesen wird. Die Reime klangen aus in ein freudig aufgenomwencs Hoch auf Ihre Majestät die Königin Charlotte. In schwungvollen Versen feierte Finanzamtmann Dreitz die Bedeutung desKönigstages." Pfarrer a. D. Botzert sprach über die, infolge seiner Forschungen über die weltgeschichtlich hrrvorragende Geschichte des Klosters Hirsau von ihm entdeckten irnigen Beziehungen der ältesten Ahnen unseres Königshauses zu Abt Wilhelm, aus die auch in dem an den König eingesandten Telegramm, das huld­volle Erwiederung fard, besonders hingewiesen wurde. Das auf besondere Einladung hin erfolgte zahlreiche Erscheinen der verehrten Damen zum Kaffee verlieh dem Feste einen schönen Glanz. Freudig begrüßt wurde gegen Abend das Erscheinen des Liederkranzes und des Singvereins, deren gut vorgetragene Gesänge noch wesentlich zur Unter­haltung beitrugen. Eine Abteilung der Kapelle des bad schen Leib-Dragoner-Regiments Nr. 20 Karlsruhe machte die Tafelmusik und erntete wegen seiner vorzüglichen Leistungen reichen Beifall. In schönster Harmonie verlief das patriotische Fest und

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erst in später Stunde gingen die Festteilnehmer auseinander.

Alth engst ett 28. Febr. Prachtvolle Stämme werden z. Zt. im hiesigen Gemeinde­wald zum Verkauf gerichtet. Heute wurde ein Baumriese (Rottanne) mit einem Meß von 13,88 Fm. gefällt. Die Tanne hatte eine Höhe von 46 Meter.

Herrenberg 28. Febr. Bei der Ein­fahrt in den hiesigen Bahnhof entgleisten zwei Wagen, wovon der eine auf einen Stein­haufen und der andere auf die Seite geworfen und ziemlich stark demoliert wurde. Glücklicher­weise waren die beiden Wagen unbesetzt, so daß niemand verletzt wurde. Die Ursache der Ent­gleisung ist bis jetzt unbekannt.

Stuttgart 28. Febr. Am Geburtsfeste des Königs wurden 722 Arme auf städtische Kosten im Bürgerhospital gespeist.

Cannstatt 28. Febr. In letzter Zeit ist es wiederholt vorgekommen, daß aus Stein- brüchen hier, aus den dortigen Sandmühlen, Transmissionen und Riemen gestohlen wer­den. So ist auch wieder in der Nacht vom Samstag auf Sonntag in einem Schotterwerk eines hiesigen Steinbruchs ein großer wertvoller Treibriemen von der Transmission herunter­gemacht und gestohlen worden. Bei verdächtigen Verkaussversuchen sollte deshalb die Polizei benachrichtigt werden.

Güglingen OA. Brackenheim 28. Febr. Der Frühling will Heuer dem Kalender Trotz bieten. Die lauwarme Witterung bringt alles zum Keimen. In den Obstgärten sind die reichlich angesetzten Fruchtknospen zum Aus­brecher: voll an getrieben. Ja man kann schon einen blühenden Dürrlitzenbaum sehen. Der Weingärtner macht sich sehr fleißig in dem Reb- gut zu schaffen mit Reuten und Schneiden. Auch auf den Wiesen wird gearbeitet und der Dünger vom Spätjahr mit dem Rechen durch­geschafft. An Blumen in den Gemüse- und Ziergärten ist ein für diese Zeit reicher Flor vorhanden. Ein Witterungsumscklag in Frost würde zweifellos den Obstbäumen schaden.

Schnaitheim o. Br. 28. Febr. Ein 78 Jahre alter hiesiger Einwohner, der schon viele Jahre das Bett hüten muß, wollte aus dem Bett steigen und warf dabei eine Lampe um. Das Hemd des Unglücklichen fing Feuer und da Hilfe nicht sofort zur Stelle war, erlitt der Mann so schwere Brandwunden, daß er nach wenigen Stunden starb.

Haubersbronn OA. Schorndorf 28. Febr. Gestern vormittag fiel das 8jährige Söhn- chen des Fr. Stöcker an einer liefen Stelle

in die WieSlauf und wurde vom Wasser fort­gerissen. Auf das Geschrei einiger Kinder, eilte Fr. Benz herbei und sah gerade noch eine Hand des Knaben aus dem Wasser hervorragen. Er sprang ins tiefe Wasser und rettete den Knaben vom sichern Tode des Ertrinkens. Die 70jährige Frau des Schreiners Kurz fiel so unglücklich die Bühnenstege herab, daß sie mehrere Rippen und einen Fuß brach. Sie ist heute Nacht den schweren Verletzungen erlegen.

Ulm 28. Febr. Die hiesige Schützen­gilde, die am 5.-8. Mai anläßlich des Jubiläums ihres 500jährigen Bestehens ein großes Schießen abhält, hat bereits eine große Zahl von Ehrengaben gestiftet erhalten. U. a. haben der König, verschiedene Fürstlichkeiten und die Stadt Ulm schöne Preise gegeben.

Schramberg 28. Febr. Bei der heutigen Stadtschultheitzenwahl wurde Amtmann Para­deis mit 859 Stimmen gegen Dr. Schund - Stuttgart, der 795 Stimmen auf sich vereinigte, gewählt. Von 1704 Wahlberechtigten wurden 1660 Stimmen, von denen 6 ungültig waren, abgegeben, sodaß die Wahlbeteiligung 97,41"/» betrug.

Pforzheim 28. Febr. Verhaftet wurden der Ciselcur Karl Eduard Kiefer aus Brötz­ingen und der Etuismacher Karl Laug aus Donaueschingenwegen Falschmünzerei. Sie fertigten im Spätjahr 1909 Zweimarkstücke an mit dem Bildnis des Königs Ludwig des II und des Königs Otto von Bayern, Jahreszahl 1876 und 1905, bestehend aus einer silberplattierten Kupferplatte, mangelhaft beim Stempel gepreßt. Die ganze Einrichtung, Kugelpreffe, Gesenke usw. wurde bei den Hausdurchsuchungen vor­gefunden und beschlagnahmt.

Aus Baden 28. Febr. Zu der bereits gemeldeten Kindsmordaffaire in St. Geor­gen bei Villingen wird noch folgendes bekannt: Kinder bemerkten schon am Frühnachmittag des Mittwochs am Klosterweiher einen Hut Leh­manns und warfen ihn, nichts ahnend, auf der Straße umher. Nachdem dies bekannt geworden war, wurde im Beisein des Amtsrichters Kieser- Villingen, der gelegentlich des eben hier statt- findcndcn Amts- und Gerichtstages anwesend war, der Weiher abgesucht und etwa 5 Meter von dem kleinen Tannenwäldchen fand man aufrechtstehend unter dem Wasser die Leiche des Unglücklichen. Bei der am Lande vorgenommenen Untersuchung gewahrte man am Halse deutlich Striemen, so daß die Annahme, Lehmann habe sich neben seinem Kinde aufgehängt gehabt, an Wahrscheinlichkeit gewinnt. In der Bürgerschaft ist die Meinung verbreitet, daß er schon vorher

Herzeleid hinweggeholfen. Ich will zuschauen, ob ich meinen Wendel nit in einer guten Stund erwisch, immerfort kann er doch nit so bockbeinig sein!"

Ich dank dir halt schön für deine Gutheit, Lindhammerin und sage dir einVergelts Gott" dafür!" erwiderte Vroni leise,Vater und Sohn sollen sich meinetwegen nit weiter erzürnen, das tut nit gut im Haus, denn der Unfrieden verzehrt. Wann es schon sein muß, dann such ich mich halt dreinzufinden und muß mich um ein anderes Platz! umschauen. Am besten wär es wohl für mich, ich läg zu tief in der Erde drinnen, da hätt man halt seine Ruh."

Sie suchte sich zu bezwingen, allein wider ihren Willen liefen ihr die großen Tränen über die frischen runden Wangen hinab.

Was nur der Tyras hat, der tut so wild, gerad als ob ein Fremder im Hof herinnen war", sagte Frau Therese aufhorchend,und der Lind­hammer kann heut auch nit zur Zeit heimfinden, der muß wahrscheinlich seine« Aerger noch vertrinken beim Wirtsmartl im Dorf drunten. Kann heut schon spät werden, bis er heimkommt. Das Veferl und der Toni sind heut ein biffl früh zur Ruh gegangen."

Der Toner! war heut gar nit gut beisammen, Lindhammerin, und das Veferl hat heut einen Schrecken übern andern gehabt", erzählte Vroni ihre nassen Augen trocknend.In aller Herrgottsfrüh sind ein paar richtige Landstreicher auf die Schneidmühl zugekommen und haben gebettelt. Das Veferl, wie es gut ist, bringt für die zwei einen Weidling frische Milch und ein großes Stück Brot unter die Bäume hinaus und sie essen'S auch, die Gottesgab. Doch einen Dank hats davon nit gehabt. Der eine, der alte Loder, hat nur böse, schändliche Reden geführt, und der andere, der noch dabei, war ein junges, braves Blut, der hat nachher noch die fallende Krankheit gekriegt und lang hats gedauert, bis er sich wieder zusammengeklaubt hat. Der andere Lump, der is auf und davon und dem Veferl ist nachher der Schreck in die Glieder und aufs Gemüt über­gegangen.

Frau Therese schaute zu dem Seitengebäude auf, in dem die Schlaf-

räümlichkeiten der Kinder lagen. Dort war alles friedsam still. Das gedämpfte Licht einer kleinen, roten Ampel, die vor dem Muttergottesbilde brannte, warf einen rosigen Schein durch die weißverhüllten Fenster.

Wiederum brach der Tyras in ein dumpfes Knurren aus, das sich allmählich bis zu einem wütenden Geheul steigerte.

Muß doch nachschauen, was los ist."

Vroni brachte eine Stallaterne herbei und Frau und Magd suchten nun zusammen den ganzen Hofraum, Stallung, Holzlager und zuletzt noch das angrenzende Feld ab, ohne jedoch irgendwo etwas Verdächtiges wahr­zunehmen.

»Ich geh zur Ruh, Lindhammerin, mir ist's gar nit gut." Vroni sagte es im bedrückten Ton und zog sich in ihre Kammer zurück.

Eine gute Ruh, Vroni! Tu nit auf dummes Zeug sinnieren, Dirndel. Unser Herrgott wird schon machen, was recht ist, und ich ich Hab doch auch noch ein Wörtl dreinzureden und steh zu Dir!" sagte die Lindhammerin mit großer Herzlichkeit und begab sich ins Haus. Im Wohn­zimmer entzündete sie die große Hängelampe, öffnete sämtliche Fenster und spähte noch eine Weile in die Dunkelheit hinaus. Ich glaub fast, mir fehlts selber im Geblüt und ich seh überall Gespenster", murmelte sie, selrsam beunruhigt.Ganz schwer ists mir ums Herz, und der Wendel muß heut auch noch einmal fort, der kann auch nit genug kriegen."

Langsam entkleidete sie sich, verwahrte das wertvolle Silbergeschnür mit den altertümlichen Goldspangen sorglich im Schmuckkasten, reinigte die kostbare Tracht vom Staube und suchte sodann ihre nach oben gelegenen Wohn- und Schlafräume auf. Auch hier umfing sie lautlose Stille, nur die alte, trauliche Kuckucksuhr öffnete ihr Schlagwerk und holte zur zehnten Abendstunde aus.

Ein leichter Windhauch führte die losen Ranken des Weinstockes spielend gegen das Fenster und trug ganze Wellen süßen Wohlgeruches herein.

(Fortsetzung folgt.)

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