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Bilanz ausgenommen und es bildet der jetzige höhere Kurswert eine stille Reserve von ca. 3000 Der Mitgliederstand, welcher um 79 Personen zugenommen hat, beträgt am I. Jan. 1910: 1058. Die Versammlung, welche ohne Debatten verlaufen ist, war von dem Ergebnis des Betriebs sehr befriedigt und bei der vor- genommenen Ergänzungswahl der Vorstands­und Aufsichtsratsmitglieder ergaben sich keinerlei Veränderungen in dem Personalbestände der GenoffenschastSorgane.

Calw 20. Febr. Wie wir vernehmen, wird der hiesige evang. Jünglingsverein am kommenden Sonntag, 27. Febr., abends im Saal des Vereinshauses zu Ehren des Ge- burisfestes des Königs einen Familienabend veranstalten.

Calw 21. Febr. Auf dem hies. Bahnhof ereignete sich in der Nacht vom Samstag auf Sonntag ein höchst bedauerlicher Unglücksfall. Beim Rangieren von Wagen des um '/-l Uhr von Pforzheim eintreffenden Güterzugs, fand durch irrtümliche Gleisangabe ein Zusammenstoß mit einem leerstehenden Güterzug statt, wodurch der Ankuppler Georg Schaible von dem Dach des durch den Anprall in Trümmer gehenden Kabriolhäuschcns erschlagen wurde. Der Verunglückte ist 25 Jahre alt, er hinterläßt eine Frau mit einem Kinde.

Stuttgart 19. Febr. Der Stuttgarter Patentingenieur Alfred Ganz ist, lt.Franks. Zeitung" nach Veruntreuungen und Fälschung von Wechseln und notariellen Urkunden flüchtig ge­gangen. Die Veruntreuungen beziffern sich auf etwa 60 000 -^7. Geschädigt sollen mehrere Stuttgarter Banken und einige Geschästs- firmen sein.

Sindelsingen 19. Febr. Als der Jagdaufseher das vor etwa vier Jahren neuerbaute Jagdhaus betrat, brach der Boden mitsamt dem Aufseher durch, da der Schwamm das Holz zersetzt hatte. Der Aussetzer stürzte in die Tiefe und zog sich eine Kopfwunde zu.

Freudemstadt 19. Febr. Bei der heutigen Laudtagsersatzwahl für den verstorbenen Abgeordneten Schmid (Vp.) wurden von 7571 Wahlberechtigten 6186 gütige Stimmen abgegeben, von denen entfallen auf

Schultheiß Walther (D. P.) 1814 St., Bauwerkmeister Gaiser (Vp.) 2211 St., Gauleiter Harder (Soz.) 2145 St., Landger.-Direktor Gröber (Ztr.) 16 St.

Somit ist Nachwahl erforderlich. Die Wahlbeteiligung betrug 81,7 Proz. Bei der Wahl im Jahr 1906 wurden von 7379 Wahl­berechtigten abgegeben für die Deutsche Partei 1289, für die Volkspartei (2 Kandidaten) 3176, für die Sozialdemokratie 1012 und für das

mit Gewalt! Geld ist im Haus, das weiß ich gewiß und den Platz, wo etwas zu finden ist, den kenn ich gut."

Ein beängstigendes Gefühl stieg in der Seele des jungen Mannes aus. Seinen Widerwillen unterdrückend, fragte er anscheinend ruhig:du bist wohl hier aus der Gegend gebürtig, weil du dich so gut auskennst und eine längere Raststation machen willst?"

Plagt dich die Neugier? von mir erfährst du doch nix!" lachte der Gefragte boshaft auf.Drunten in der Schneidmühl, dieselbige ehrbare Familie dort, die könnt' dirs sagen! Die werden einen Spaß haben,

wanns mich sehen,-einen Spaß sag ich dir!" Er kicherte

leise in sich hinein.Ich halt mich nicht lang auf hier und hol' dich vielleicht wieder ein Kamerad", fuhr er nach einer schwülen Pause mit veränderter Stimme fort,aber Geld muß ich haben und wenn's sein könnt recht viel, wärS mir am allerliebsten. Viel Geschrei darfs nit geben! Tu mit, Franz, nachher fällt auch für dich was ab!"

Ein Schauder lief über Franzens Körper. Er sagte sich, daß er hier ein ganz heruntergekommenes, sittlich und leiblich verwahrlostes Individuum vor sich habe, das sich mit einem wohlüberlegten Plan trägt und gegebenenfalls selbst vor einem Gewaltstreich nicht zurückschreckt. Er beschloß deshalb, Lindhammers zu warnen.

Als ich von meiner Heimat Abschied nahm, da gelobte ich meiner Mutter allzeit ehrenhaft zu sein und zu bleiben und ich habe dies Ge­löbnis treu gehalten bis zum heutigen Tag", entgegnete er kurz und kalt. Zu Handlungen, die das Tageslicht scheuen, gebe ich mich nicht her!"

So scheer dich zum Teufel du Tropf, du feiger!" schrie ihn der Alte wild an.Laß' dir nit einfallen, mir im Weg zu stehen! In der Mitt' tät ich dich abbrechen, du Zaunstecken, du miserabler!"

Grußlos, ohne ein Wort der Erwiderung, schritt Franz an ihm vorbei und dem Forste zu.

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Präsident Dr. Spahn: Ich bitte, auch bei Inter­pellationen den Kaiser aus dem Spiel zu lassen. Abg. Franck: Ich wollte nur... V.-Pr. Dr. Spahn: Ich bitte, sich danach zu richten. (Lärm bei den Soz.) Abg. Franck: Ich bitte, die Redefreiheit nicht einzuschränken. Damit wahre ich die Rechte des Reichstages. Ich wollte sagen, daß der Reichs­tag an dem gleichen Tage geboren ist, wie der Kaiser und den gleichen Respekt zu beanspruchen hat, daß er ferner verlangen kann, nicht despektierlich behandelt zu werden. (Bravo bet den Soz) Der Kanzler will ernst genommen werden, da frage ich: will er das Reichstagswahlrecht ändern? I» Oesterreich, Württemberg, Baden und Bayern hat sich das demokratische Wahlrecht durchaus bewährt, sogar im Mutterlande des Parlaments in England. Alle Länder haben sich demokratisieren müssen, selbst die Türkei und China. Nur der russische und der borusfische Fels ragen in ihrer alten Eigenart empor. E.'was Gemeineres vnd Gewissenloseres, etwas Er­bärmlicheres und Feigeres ist nicht zu denken als der Versuch, den wirtschaftlich Schwachen um seine Ueberzeuguug zu betrügen. (Sehr gut! bei den Soz.) Die Demonstrationen waren ruhig, würdig und ein­drucksvoll Die Arbeiter werden den WahlrechtS- kompf fortsetzen. (Lebh. Bravo bei den Soz. Pfeifen und Zischen rechts. Erneuter Beifall bei den Soz.) Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg führt in Beantwortung der Interpellation aus: Auf eine Diskussion über die preußische Wahlrechts­vorlage kann ich mich an dieser Stelle nicht einloffen. Ich mutz mich an das halten, was vor das Forum des Reichstages gehört. Wenn die Interpellation fragt, was mich veranlaßt hat, diese oder jene An­sicht für richtig zn halten, so kann ich nur antworten: Ich habe es getan, weil ich diese oder jene Anficht für richtig halte. Eine andere Frage ist es, ob ich das Reichstagt Wahlrecht zu ändern beabsichtige, weil ich im Abgeordnetenhause Ausführungen gemacht haben soll, die geeignet seien, das Reichstagswahl­recht herabzusetzen. Aber im Grunde find eS gerade die Interpellanten, die sich ihrerseits nicht scheuen, die verfassungsmäßigen Institutionen des Reichstages herobzuwürdigen und zu bedrohen. Ich habe das Sakrilegium begangen, die Uebertragnng des Reichs­tagswahlrechts auf Preußen als unerwünscht zu be­zeichnen. Nur wenn ich die Absicht ausgesprochen hätte, den verbündeten Regierungen vorzuschlageu, das Reichstags Wahlrecht zn ändern, dann würde ich die gegen mich gerichteten Angriffe begreifen. Mer ich habe nichts von alledem gesagt und nichts von alledem ist meine Meinung. In den Kreisen der Interpellanten jedoch bedroht man durch die For­derung der Herabsetzung des WablalterS und der Verleihung des Wahlrechts an die Frauen rc. gerade den Bestand des gellenden Reichstagswahlrechts. Es hat sich genau wiederholt, was im Januar 1908 geschehen ist, als mein Vorgänger, Fürst Bülow, erklärte, eS sei nicht seine Absicht das Reichstags- Wahlrecht auf Preußen zu übertragen. Der Reichs­tag kritisierte damals die Ankündigung des Pro­gramms, wie er heute die Ausführung kritisiert. Die verbündeten Regierungen denken nicht daran, an d em Reichstags Wahlrecht zu rütteln. Das deutsche Reich hat sich mit diesem Wahlrecht ein Haus ein­gerichtet. Und trotz aller Mßstände des öffentlichen

Beim Preisscheibenschießen in Weidbrunn ging es hoch her. Von nah und fern, aus allen 'umliegenden Dorfschaften weit in der Runde kamen die Gebirgler herbei, ihre Kunstfertigkeit im Schießen zu erproben. Vom Landl, von der tiroler Grenzscheid, aus Oberammergau und dem Partnach- und Loisachtale zogen die frischen markigen Gestalten, saubere Dirndeln und kraftvolle kernige Burschen in der schmucken Heimattracht der Berge herzu, zumal ein flotte Musikkapelle ihre munteren Weisen aufspielte. Von den Bergeshöhen hallte es im Echo wieder all das Jauchzen und Juhgeschrei.

Der Lindhammer war kein besonderer Freund von derlei Veran­staltungen. Lediglich geschäftliche Interessen, dazu der Wunsch nach einem Meinungsaustausch mit befreundeter Seite hatten ihn zu der Herfahrt bewogen. Wegen seiner Rechtlichkeit und seines reichen Besitzes hoch im Ansehen stehend, erhielt er auch heute einen Ehrenplatz an der Seite des derzeitigen Schützenmeisters und sehr begüterten Reintalerbauern ange­wiesen. Gar bald kam es denn auch zu einem lebhaften Gespräch über Viehpreise, Getreidezölle und sonstige ihnen naheliegenden Angelegenheiten. Indes die Männer sich immer mehr in landwirtschaftliche Gespräche vertieften, feierte der Sixt Triumphe am Scheibenstand und auf dem Tanzboden. In allen körperlichen Uebungen Meister, übertraf er alle anwesenden Burschen an Gewandtheit und Sicherheit und wenn die Musik eine Ruhepause eintreten ließ, so ließ er die Zither erklingen und sang mit seiner prächtigen volltönenden Stimme Gesangeln, wie sie der Augenblick und seine Lebensfreudigkeit ihm gerade eingaben. Immer bunter, wcchselreicher, farbenfroher gestaltete sich das Volks- und zugleich Trachtenfest und die Frühtouristen und jungen Kunstmaler, die der Zufall des Weges geführt, fanden vielfache Anregung und reiche Ausbeute für ihre Studienmappe.

Zentrum 31 Stimmen. Das Bemerkenswerte an der Wahl ist somit eine Zunahme der sozial­demokratischen Stimmen um 1133, ferner eine Zunahme der für die Deutsche Partei abgegebenen Stimmen um 525 und ein Zurückgehen der demo­kratischen Stimmen um 965 Stimmen.

Berlin 19. Febr. Der Präsident des Reichstages, Graf Stolbrrg-Wernigerode, ist heute Abend kurz nach 7 Uhr an einem Lungen­schlag verschieden.

Berlin 19. Febr. Zum Tode des Reichstagspräsidenten Grafen Stolberg- Wernigerode wird noch gemeldet: Im An­schluß an die Lungenentzündung hatte sich eine Rippenfellentzündung entwickelt. In der Körte'- schen Klinik in der Martin Luther-Straße, in die der Präsident heute Morgen gebracht worden war, wurde eine Punktation vorgenommen, um ein Exsudat zu entfernen. Gegen 7 Uhr abends trat eine Herzschwäche ein. Die unmittelbare Todesursache war ein Zungenschlag.

Berlin 19. Febr. (Reichstag.) Am BundeSratstischeder Reichskanzler v. Bethmannu- Hollweg, die Staatssekretäre Delbrück und Dernburg. Vizepräsident Spahn eröffnet die Sitzung um 1120 Uhr Auf der Tagesordnung steht die sozialdemokratische Interpellation über die Rede des Reichskanzlers im preußischen Abgeordneten­haus«, die geeignet sei, das Reichstagswahlrecht herabzusetzen und zu bedrohen. Der Reichskanzler erklärt sich zur sofortigen Beantwortung bereit. Zur Begründung führt Abg. Dr. Franck-Mann­heim (Soz.) aus: Es find erst wenige Wochen ver­gangen, seitdem von konservativer Seite die Würde des Hauses schwer verletzt worden ist, als ein Ab­geordneter, um ein Beispiel äußerster Disziplin zu geben, selbst ein Beispiel äußerster Disziplin­losigkeit gegeben hat. Richtig wäre es gi wesen, wenn dem gegenüber der Reichskanzler die erste Gelegenheit benützt hätte, öffentlich seinen Respekt vor dem Hause zu bekunden. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Statt dessen hat der Reichs­kanzler eine Rede gehalten, die man halten muß, wenn einmal der berühmte Leutnant mit seinen zehn Mann den Reichstag schließen sollte und die theo­retische Rechtfertigung für einen solchen Vorgang gefunden weiden soll. Für diese Rede des Reichs­kanzlers verlangen wir Rechenschaft. Der Reichs­kanzler ist verpflichtet, die Reichsverfoffung zu hüten und zu schützen. Dazu gehören auch die Bestimmungen über das Wahlrecht zum Reichstag. Der Reichs­kanzler muß auch für gute Beziehungen zn den anderen Bundesstaaten sorgen, und einige von diesen haben in letzter Zeit erst dos Reichstags Wahlrecht bei sich eingefüdrt. Der Reichskanzler sagte im Deutschen Lardwntschaftsrat, die politische Kultur leide unter dem dev okraiischen Wahlrecht vnd die Demokratisierung des Parlaments verflache und ver­rohe den pol tischen Sinn. (Hört, töri! bei den Sozialdemokraten.) Was würde geschehen, wenn man sagte, manche Reden und Geschmacksrichtungen des Kaiser? w rkien verflachend und verrohend! Vize-

(Fortsetzung folgt.)