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Lebens reicht mein Glanbe an die Kraft und die Zukunft des deutschen Reiches viel zu weit, als daß ich nicht davon überzeugt wäre, es wolle sich diesen Bau unverändert bewahren. Wer nicht versteht, was ich im Abgeordnetenhaus zur Verteidigung des preußischen Beamtentums gesagt habe, der hat keinen Sinn für die Wesensart des staatlichen Lebens. Und wer eS Bureau- kratismus nennt, wenn ich ausgeführt habe, daß es die unteren Verbände des Staates und Volkes seien, au denen die wertvollste Kulturarbeit gezeitigt werde und daß sich nur mit freiwilliger Mitarbeit des Volkes der Staatsorganismus glücklich weiter entwickeln kann, der weiß mit Fremdwörtern nicht Bescheid. Ich habe das Vertrauen auf die unverbrüchliche Kraft des deutschen Idealismus, daß unter allem Druck der realen Dinge der Friede behauptet wird. (Lebh. Beifall rechts und in der Mitte.) Gröber (Ztr.): Für uns ist die preußische Wahlrechtsfrage eine allgemeine deutsche. Auch bei uns haben die Worte des Reichskanzlers im Abgeordnetenhaus schwere Besorgnis erweckt. Allerdings hat er beute unsere Hauptsorge hivweggeräumt durch die Mitteilung, daß er nicht an dem Reichstagswohlrecht rütteln wolle. Der Kanzler ist zugleich preußischer Ministerpräsident und mag diese Doppelstcllung auch manche formelle Schwierigkeiten haben, so muß sie doch einheitlich aus geübt werden Auf die Dauer kann er im Reiche und in Preußen nicht eine geradezu konträre Politik treiben. In der Zeit der allgemeinen Wehr- und Steuerpflicht ist auch das allgemeine Wahlrecht geboten. Die Klagen über politische Unbildung und Jnteressenlofigkeit sind nicht berechtigt. Die Regierung ist daran durch ihr Verhalten selbst schuld. Wo war der Reichskanzler bei unseren gestrigen wichtigen Verhandlungen? Hat nicht Fürst Bülow die Politik der Grundsatzlosigkeit zum Grundsatz erhoben? Namens meiner Partei erkläre ich, wir werden jeder Verschlechterung des Reichstagswohlrechts mit aller Energie ent- gegentreten. Dietrich (kons.): Die Er klärung des Reichskanzlers, daß die Regierung nicht an dkm Reichstagswahlrecht rütteln wolle, war zu erwarten. Was unsere Stellung zum Wahlrecht anbetrifft, so find wir der Ansicht, daß es nicht angeht, aus der führenden Stellung Preußens, die Verpflichtung herzuleiten, Einrichtungen des Reiches zu übernehmen. In Süddeutschland verwahrt man sich gegen die Einmischung Preußens. Auch würden damit Unstimmigkeiten im Bundesrat geschaffen. Allerdings hat sich in letzter Zeit ein besseres Ver
ständnis für Preußens Eigenart gezeigt. In der Kritik des bestehenden Wahlrechts hat gerade die Sozialdemokratie dos denkbar stärkste geleistet. Niemand von uns denkt daran, im Wege der Gesetzgebung das Reichstags Wahlrecht zu ändern. (Zuruf: durch Staatsstreich!) Die ernstlichen sachlichen Ausführungen des Reichskanzlers verdienen unser volles Vertrauen. (Beifallrechts.) Bassermann (natl.): Es kann zweifelhaft sein, ob es richtig war, das heutige Thema zum Gegenstand einer Interpellation zu machen. Die Interpellanten entsprechen wohl dem Bedürfnis nach Agitationsstoff für die kommenden Wahlen. Dem Satz des Ministerpräsidenten, daß die politische Erziehung durch das allgemeine Wahlrecht leide, können wir nicht rustimmev. Mit der ganzen Art, in welcher der Ministerpräsident die Wahlrechtsfrage in ihren Beziehungen zum Interesse der N chtpreußen behandelt hat, find wir im allgemeinen einverstanden. Der Kanzler ist kein Feind des Reichstagswahlrechts. Der Versuch cs abzuändern, würde auch die wildesten politischen Kämpfe, ja geradezu eine revolutionäre Bewegung entsisseln. Man treibe volks- .tümliche Politik und beseitige die Mißstände; dann w rd man nur mit dem allgemeinen Wahlrecht zufrieden sein. Abg. Wiemer (Frs. Vpt.): Die Erklärungen des Reichskanzlers, die immerhin eine Abneigvng gegen das allgemeine Wahlrecht bekunden, bleiben bedauerlich. An der Verflachung des politischen Tones ist das dimokratische Wahlrecht nicht schuld. Der Reichskanzler ist ein konservativer Staatsmann, begrenzt durch das preußische Schwarz-Weiß Der stärkste Pfeiler der Verfassung ist das allgemeine Wahlrecht. Die preuß sche Wabl- reform ist daher eine nationale Aufgabe. Wir Freisinnigen find stets für eine Stärkung des Staars- gedankevs, gegen den PartikulariSuuS, drssen schlimmster der preußische ist, eingetreten. (Beifall links.) Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg: Der Abg. Wiemer hat gesagt, daß ich auf die Bundesstaaten mit liberal,« und demokratischen Institutionen herabsehe. Wie kommt der Abg. Wiemer dazu, wir Gesinnungen nachzusagen, über die ich allein Bescheid wissen kann, nicht er? Er hat sich dabei berufen auf allgemeine Betrachtungen, die ich in meiner Rede angestcllt habe. Er hätte so loyal sein sollen, den Wortlaut dessen zu zitieren, was ich über unser Verhältnis zu den Bundesstaaten speziell geäußert habe. Ick habe gesagt: „Wr können und wollen diese Eigenarten der bcyrischen, der sckwäbtichen, der sächfichen Stämme
und wie sie auch heißen, nicht missen. Diese Eigenarten, die sich nicht nur in Sitten und Gewohnheiten der Berölkerung, sondern auch in der politischen Form des Staates wtederspiegele, welche wir achten und lieben, das ist ein Teil unseres eigenen Deutschtums." Ich muß es mir verbitten, daß mir Gesinnungen nachgesagt werden, die sich für einen deutschen Reichskanzler nicht ziemen. (L,bhafteS Bravo rechts und in der Mitte.) Abg. Fürst Hatzfeld (Rchspt): Das Reichstagswahlrecht ist durch die preußischen Verhältnisse nicht gefährdet. Die heutige Debatte wird dem deutschen Volk die Augen darüber öffnen, daß die bürgerlichen Parteien einmütig zusammenstehen, um die Verfassung zu erhalten. Abg. Liebermann von Sonnenberg (Wschftl. Vgg.): Wir halten an dem Reichstagswahlrecht unverbrüchlich fest. Der Reichskanzler hat durch seine Rede im Abgeordnetenhaus das Wahlrecht nicht gefährdet. Die sozialdemokratische Interpellation weisen wir als unberechtigte Anmaßung zurück. Abg. Ledebour (Soz): Durch die öffentliche Wahl wird der Regierungsterrorismus gesetzlich festgelegt. Nachdem Preußen seine einzelnen Länder zusammengeraubt hat und nachdem der Westen sich fundamental anders historisch entwickelt hat, als der Osten, ist cs ein absoluter Unsinn, zu behaupten, es müsse durch seines Stcmmes Art eine andere Verfvssungsart heben, als das übrige Deutschland. Das allgemeine Wahlrecht muß die Macht der kleine Clique im Osten brechen und deshalb ver- teid'gen wir es mit aller Macht, auch mit Straßen- dkmonstrationen. V zepräsident Dr. Spahn ruft den Abg. Ledebour wegen des Ausdrucks „von der zusommengestohlenen und zusammengeraubten Macht Preußens" und wegen der Worte „das Blut, das in Ntumünster, Frankfurt a. M. und Halle vergossen sei, klebe auch an den Fingern des Reichskanzlers" zur Ordnung. Damit schließt die Debatte. Nach einigen persönlichen Bemerkungen, in deren Verlauf es zu einer bewegten Auseinandersetzung zwischen dem Abg. Ledebour und v. Oldenburg kommt, über die Bedeutung der kürzlich vom Abg. Oldenbu-g beim Militäretat getanen Aeußerung, geht das Haus zur Forlsctzung der Spezialberatung des Etats des Innern über.
Reklameteil.
e/-/»«,-« Mrer-Olto LL
Amtliche und prwatcmzeigen
Neuenbürg.
Vergebung von Slrohen-Ilnterhaltnngrniaterial.
Der Bedarf von blauem Muschelkalk zur Unterhaltung der Bezirksstraße von Liebenzell nach Schömberg pro 1910/11 wird am
Samstag, den 26. Februar 1910, nachmittags 4 Uhr, aus dem Rathaus in Liebenzell vergeben.
Den 17. Februar 1910. Oberamtspflege.
K ü b l e r.
Deufringen.
Der anf Montag, den 21. ds. Mts., vormittags 9 /- Uhr, ausgeschriebene Stammholz-Berkauf wird anf
Mittwoch, den 23. Februar,
verlegt.
Den 21. Februar 1910.
Schultheitzenamt.
Köhler.
Holzbroun.
Nutzholz-Verkant.
Die Gemeinde verkauft am Mittwoch, de« 23. Februar, nachmittags von 1 Uhr ab, im Wald:
40 Stück E chen und 10 Stück Buchen
für Küfer, Wagner und zum Bau geeignet. Zusammenkunft am Rathause.
Schultheiß Roth fuß.
Gemeinde Möttlingen, Oberamt Calw.
Bauarbeite«.
Zum Wiederaufbau meines abgebrannten Wohn- und Wirtschaftsgebäudes habe ich sämtliche vorkommenden Bauarbeiten zu vergeben.
Pläne, Kostenanschlag und Bedingungen liegen bei Unterzeichnetem zur Einsicht auf, woselbst auch die in Prozenten ausgedrückten Offerten bis spätestens Donnerstag, den 24. ds. Mts., nachmittags 2 Uhr, abzugeben sind. Möttlingen, den 21. Februar 1910.
HVL1I,. z. Krone
Bekanntmachung.
Die Besitzer von Schweinen, welche ihre Tiere der Heuer stattfindenden Schutzimpfung gegen Rotlauf unterstellen wollen, werden hiemit aufgefordert, die Anmeldungen alsbald hier bewerkstelligen zu wollen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Entschädigungsleistungen für eingegangene Tiere nur gewährt werden, wenn sie der öffentlichen Schutzimpfung > unterstellt waren.
Calw, den 19. Februar 1910.
Stadtschultheißenamt.
C o.nz.
vezilkwirtroereinLalw.
Unser geehrtes und tätiges Mitglied Otto Buchholzscheidetdurch Eingang der Wirtschaft (Weiß) als Kollege, sowie als Mitglied am 1. März aus unserer Mitte.
Die Kollegen werden hiedurch gebeten, sich am Dienstag Nachmittag von 5'/, Uhr an, im Abschieds-Lokal zusammenzufinden.
Der Ausschuß.
Nächste Woche backt
Laugenbrezeln
Chr. Lutz Wwe.
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zur Bekleidung armer Konfirmanden auf dem Lande bitten
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Zugleich werden die Herren Geistlichen ersucht, die Namen der Bedürftigsten bis 16. März uns mitzuteilen.
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