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ganzen zustimmend war, gab Herrn Fischer Ge­legenheit, auf einzelne Punkte in interessanten Ausführungen näher einzugehen. Schade, daß der Vertreter der Sozialdemokratie seine nichts­sagenden Bosheiten nur derSchwäb. Tagwacht" anzuvertrauen für gut befand! Mit einem Schlußwort des Vorsitzenden, in dem er u. a. mitteilte, daß der Liberale Verein mit dieser Versammlung seine Tätigkeit beschließe, weil er mit den übrigen Lib. Vereinen Württembergs den Anschluß an die neue Partei des geeinigten Linksliberalismus demnächst vollziehen werde, und mit der Aufforderung an die Anwesenden, dieser Partei beizutreten, ging die Versammlung zu Ende.

Stuttgart 14. Febr. Wie dasNeue Tagblatt" erfährt, handelt es sich bei dem GeisteSkranken, der in der vergangenen Nacht mit einem großen Messer in das Wilhelmpalais eindringen wollte, um den 1878 geborenen, in Cannstatt wohnhaften, ledigen Schlosser Karl Witwer. Er äußerte dem Militärposten gegen­über:Jetzt habe ich dem König den Hals ab- schnitten." Der Geisteskranke wurde durch den Posten festgenommen und dann durch Vermitt­lung der Schloßwache, durch die Schutzmannschaft in die Jrrenabteilung des Bürger-Hospitals eingeliefert.

Stuttgart 14. Febr. (Schwurgericht.) Unter der Anklage des betrügerischen und ein­fachen Bankerotts, Betrugs und der Unter­schlagung stand der Landesproduktenhändler Josef Schwarz von Cannstatt vor den Ge­schworenen. Er will nach der Anklage als Schuldner, der seine Zahlungen eingestellt und über dessen Vermögen der Konkurs eröffnet worden war, seinen Gläubigern den Erlös für vier Waggons Landesprodukten im Betrag von 13 000 entzogen und seine Bücher so un­ordentlich geführt haben, daß sie keine Uebersicht über seinen Vermögensstand geben. Außerdem soll er bei Leistung des Offenbarungseides ge­schworen haben, daß er das Geld nicht beiseite geschafft habe und bei der Bestellung von zwei Waggons Eier den Lieferanten über seine Zahlungsfähigkeit getäuscht haben. Der An­geklagte behauptete, das Geld sei ihm abhanden gekommen. Die Geschworenen sprachen ihn nur des betrügerischen und einfachen Bankerotts und des Betrugs schuldig unter Zubilligung mildernder Umständen. Das Gericht erkannte hiernach auf 1 Jahr 2 Monaten Gefängnis und 3 Jahre Ehrverlust. Zugleich beschloß das Gericht die sofortige Verhaftung des Angeklagten, trotz der geleisteten Sicherheit.

Wangen-Stuttgart 14. Febr. Der seit acht Tagen vermißte 45 Jahre alte ledige

Buchhalter Georg Sperber wurde am Mühl­kanal in Berg geländet. Wie es scheint, ist er durch einen Unglücksfall ums Leben gekommen. Er war am vorletzten Samstag gegen Abend aus seinem Geschäftsbureau in der Trikotfabrik von Mayer und Sohn, wo er die Stelle eines Oberbuchhalters bekleidete, weggegangen, um sich nach seiner Wohnung in Stuttgart zu be­geben, wo er mit seiner 73 Jahre alten Mutter zusammenwohnte. Gegen seine Gewohnheit kehrte er unterwegs in verschiedenen Wirtschaften ein und verweilte dort lange. Dann machte er sich dem Mühlkanal entlang auf den Heimweg nach der Urbanstraße. Dabei ist anscheinend der bei seinem Prinzipal ebenso wie beim ganzen Kontor- und Fabrikpersonal beliebte und ge­achtete Mann ausgerutscht, in den Kanal gefallen und ertrunken.

Göppingen 14. Febr. Ein Ein­bruchs versuch ist in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag im hiesigen Kameralamt ver­übt worden. Der Täter ist mit Hilfe einer längeren Leiter auf der Westseite durch ein Fenster, das er eindrückte, in das Innere des Kameralamts eingedrungen; er kam zunächst in den Kafsenraum und versuchte nun hier die Türe zum Kassenraum aufzubrechen. Augen­scheinlich hat er dazu ein kürzeres Brecheisen verwendet. Die Türe wiederstand aber den Ausbruchsversuchen, so daß sich der Einbrecher bald veranlaßt sah, das Kassenamt auf dem gleichen Wege, durch das Fenster, wieder zu verlassen. Von dem Täter fehlt vorerst noch jede Spur. Er hat am Tatort die zum Ein­steigen benützte Leiter zurückgelassen. Dem Täter ist nichts in die Hände gefallen. Zweifellos spekulierte er aus den Barinhalt der Kameral- amtskasse.

Geislingen a. St. 14. Febr. Zur Ausführung desAlb-Elektrizitätswerks Geislingen", Sitz in Altenstadt, wurde im Beisein des Sachverständigen der Zentralstelle für Gewerbe und Handel, Bauinspektor Klaiber, sowie des Direktors Jmhoff von den Lahmayer- werken in Frankfurt, des Oberamtsvorstands und sonstiger Herren unter dem Vorsitz des Schultheißen Schneider in Altenstadt eine Ge­noffenschaft m. b. H. definitiv gegründet. Die Genossenschaftsanteile sind auf 200 festgesetzt, es kann aber ein Genosse auch mehrere Anteile erwerben. Anschlußberechtigt ist jedermann, ins­besondere auch die Industrie, es erhalten aber die Genossen auf je einen Geschäftsanteil 4 °/° Rabatt am Strompreis, höchstens jedoch 20°/°- Für die landwirtschaftlichen Betriebe ist für Kraftstrom eine Pauschgebühr festgesetzt und zwar ist zu zahlen für die ersten 20 württemb.

Morgen je 1,60 ^ und für die folgenden je 1,30 Im übrigen beträgt der Strompreis für Licht 50 ^ und für Kraft 20 c) pro Kilo­wattstunde. Die Genoffenschaft übernimmt das Preßmar'sche Elektrizitätswerk in Altenstadt und baut dieses mit dem Kunstmüller Baur'schen Anwesen zu einer Anlage mit 70 PS. Wasser­kräfte und 1400 PS. Dampfturbinenkräfte aus. Die Anlagekosten belaufen sich auf 1200000 Die Industrie in Geislingen und Altenstädt wird aber allein jährlich für 100 000 ^ Strom beziehen. Welch reges Interesse dem Unter­nehmen entgegengebracht wird, zeigte die Be­teiligung von etwa 400 Personen an der Gründungsversammlung. Interessant waren auch die Erklärungen der Stadt Geislingen, die sich bisher ablehnend verhielt, da sie selbst ein Werk erbauen wollte, daß sie nach einem erst am Morgen der Gründungsversammlung erfolgten Beschluß der Gemeindekollegien, geleitet von dem Gesichtspunkt, daß Stadt und Land zusammen- gehen müsse, nicht nur die Konzession erteile, sondern selbst Genosse werde. Bis jetzt haben sich zum Anschluß 25 Orte bereit erklärt.

Ulm 12. Febr. (Schwurgericht.) Im Jahr 1908 erschienen in etwa 40 Zeitungen und Fachschriften Inserate in 10 verschiedenen Texten, worinOffene Vertrauensposten für leichte schriftliche Beschäftigung und durch Heim­arbeit" oderLebensexistenz", ferner200 Monatsgehalt nach kurzer Probezeit" oderBis 10 000 ^ jährliches Einkommen" u. a. auffallende Anpreisungen mehr ausgeschrieben waren. Eine große Zahl von Personen reichten Angebote ein und sie bekamen dann nach einer Mitteilung von dem Kaufmann Eugen Wieland in Ulm eine Arbeitsanleitung" zugesandt, wofür 1,75 ^ nachgenommen werden. Wohl die meisten hatten darauf gerechnet, Schreibarbeit oder Stellen direkt zugewiesen zu erhalten. Statt dessen waren in der Broschüre ausführliche Ratschläge erteilt, wie durch Adreffenschreiben, durch Ein­richtung von Versandgeschäften und Briefmarken­handlungen, durch Vertrieb von Wetzsteinen, Glühkörpern, Schuhsohlenkitt, Wunderpflanzen, Heil- und Geheimmitteln, automatischen Hosen­streckern, Automaten usw. oder durch Tätigkeit für eine Versicherungsanstalt Geld verdient oder eine Lebensstellung erlangt werden kann. Nach der Organisation des ganzen Betriebs sollten alle die genannten Waren aus Wielands Versand­geschäft bezogen werden, sodaß alle Abnehmer der Arbeitsanleitung nichts anderes als Wieder­verkäufer von Wielands Waren sein sollten. Die Staatsanwaltschaft sah in seinem Vorgehen einen durch die Presse verübten Betrug und in dem Vertrieb der Geheimmittel und verschie-

eS nicht zu sehen, wie schwer ihr das Fortgehen wird. Aber sie fühlt: anders geht es nicht. Zur Ehe muß eins weich und fügsam sein, und das hat sie verlernt in den langen Jahren.

Der Kleekamp steht noch eine Weile und blickt ihr nach. Dann geht er mit schweren Schritten ins Haus. Das ist nicht mehr die Lori von einst. Und was er schier für unmöglich gehalten hat, jetzt fühlt er das zwingende Erkenntnis: fremd ist sie ihm geworden, völlig fremd.

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In aller Stille ist der Hobein Ambros ausgegraben worden und man hat das Testament bei ihm gefunden. Die Hobeinin ist mit dem Legat, das ihr nach dem Testament ausgezahlt wurde, und mit Cenz nach Oberösterreich in ihre Heimat gezogen. Vorläufig führt der alte Andres! wieder die Wirtschaft.

Franz arbeitet mit voller Kraft auf dem Kleekamphof, und der Alte hat seine Helle Freude, wenn er heimlich zusieht, wie umsichtig und praktisch der Bursche sich anstellt. Eine Menge Neuerungen und Verbesserungen, die er drüben gelernt, hat Franz jetzt in dem heimatlichen Betrieb ein­geführt und es ist keine Frage, daß der Kleekamphof bald das Doppelte abwerfen wird an Reinerträgnis, wie ehedem.

Nur in einem Punkt ist der Alte nicht zufrieden mit dem Sohn. Vom Habererhof, der ihm doch rechtmäßig zugesprochen wurde, will Franz nichts wissen. So oft die Rede darauf kommt, wird er schweigsam, weicht aus oder geht gar aus der Stube.

Kommt Andres! mit irgend einer Frage, wie dieses oder jenes gemacht werden soll, so gibt er jedesmal kurzweg zur Antwort:

Mach'S wie Du willst, mich geht das nichts an."

So ist man bis in den Herbst hinein gekommen, die Winterfrucht ist abgebaut, der Hafer eingeführt und die Kartoffelernte vorüber, Jetzt konnte man sich ein wenig Zeit lasten und an andere Dinge denken.

Das tun denn auch die meisten. Felix beschäftigt sich mit der

Instandsetzung des neuenHuben" auf der Glawoken. Dort muß das Dach ausgebcffert und die Ställe vergrößert werden, denn in wenigen Wochen wird das Vieh von der Alm abgetrieben und soll sein Winter­quartier beziehen.

Der Kleekamp hat Felix darum für einige Zeit ganz hineingeschickt auf den neuen Besitz, und während er nun dort die Arbeitsleute Über­wacht, malt er sich die Zukunft immer rosiger aus.

Anfangs Oktober kommt sie herunter von der Alm, die Eva, und 14 Tage später wird Hochzeit gemacht, dann fängt das neue selige Leben an zu Zweien. Felix kann nicht anders: Alle Augenblicke schreit er eine« lauten Jauchzer hin über Berg und Tal, wenn er daran denkt."

Auch Franz denkt fleißig ans Hochzeitmachen. Jeden Samstag steigt er auf die Mtterbodenalm zur Hütte des Stini, wo Sanna ihn strahlend erwartet. Nur der Kleekamp denkt an Ernsteres. Mit dem Habererhof muß etwas geschehen. Es tut kein gut, wenn die Leute vom Herr« immer hören,das geht mich nichts an."

Einmal nach Feierabend ruft der Kleekamp seinen Aeltesten zu sich in die Stube.Franz", sagt er,ich möcht' Dich grad einmal fragen, was Du mit dem Habererhof vor hast?"

Ich?" Eine Wolke legt sich über des Burschen Gesicht.Nichts Hab' ich vor. Der Hof geht mich nichts an."

So mußt nicht reden, Bub! Es ist ein schönes Stück Land und gehört Dir von rechtSwegen. Du weißt, wie ichs in der Meinung habe mit dem, was mein ist: Der Fried! ist ausgezahlt und der Kleekamphof

fallt Dir zu. Bald Du heiratest, zieh' ich ins Stöckl und Du bist der

Herr hier . . . wär mir schon lieb, wenn Du hier verbleiben tätest und

Dein Weib tät ein bissel auf mich schauen . . ."

Darum braucht Ihr nicht sorgen, Vater; was wir Euch an dm Augen abschauen können, werden wir mit Freuden tun . . . und nichts Lieberes wüßt' ich mir, als mit Euch und der Sanna da am Kleekamp­hof leben." (Schluß folgt.)