3tz. Amt»- und Anzeiseblatt für deu Vberamtsbezitt Calw. 8S. Ich,»,,.
lVSMSKlM
i^LL
MM
*>»> n ^ . - -
.V -M
TM
Brsch«tmm» 1 ta»«: Monta», Dtenlta». MittwoL, »ona«r«taa, Freita» und TamStag. Fnsirtion»pr«l« tS Ws,, pro Z«U« sür Stadt u. B«,ki»orte; außer »e,trk ld Bf».
Dienstag, den 15. Kebruar 1910
v«tz«a 1 pr.i.d.Stadt>/ttährl.m.rrLaerl.Mk. I. 2 S. Posti«zil» 1 pr. s.d. Ort«, u. NachbarortSverk. >/^LHrI. Mk. l.L 0 , im Fernverkehr Mk. t.so. Bestell», in Württ. so Pf»., tn Bayern u. Reich 42 Pf».
Amtliche Bekanntmachungen.
Bekanntmachung.
Die neue Straße von Grchingen nach Deufringen ist wegen Gcabarbeiten auf ca. 8 Tage gesperrt
Calw, 14 Februar 1910.
K. Oberamt.
I. B.: Amtmann Rippmann.
Tagesnenigkeite«.
L Calw. Die am Samstag abend vom Liberalen Verein gemeinsam mit dem Volksverein veranstaltete öffentliche Versammlung, in der Parteisekretär Fischer von Heilbronn über Liberalismus und Arbeiterschaft sprach, war von Angehörigen aller Parteien und, was besonders hervorgehoben zu werden verdient, erfreulicherweise aus den Kreisen der Arbeiter sehr zahlreich besucht und nahm einen durchaus befriedigenden Verlauf. Die Zuhörer lernten in dem Redner eine von hohem sittlichen Idealismus getragene Persönlichkeit kennen, die es mit großer Beredsamkeit und Sachkenntnis ausgestattet verstand, in das weite Gebiet, des im Thema liegenden Fragenkomplexes einzuführen. Nach einleitenden Begrüßungsworten des Vorsitzenden des Liberalen Vereins führte Fischer in ^«ständiger Rede etwa folgende Gedanken aus: Der zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft klaffende Riß muß beseitigt werden. Es geht nicht an, daß auf die Dauer 13 Mill. Arbeiter abseits stehen und es ablehnen, sich als deutsche Bürger zu fühlen und dem Volksganzen einzuordnen. Wie kam es soweit? Die rapide industrielle Entwicklung, die vor Jahrzehnten in Deutschland einsetzte, hat große Massen des arbeitenden
Volkes aus ihrem persönlichen Verhältnis zur Arbeit herauSgerifsen und in den von Arbeitsteilung und abstumpfender Mechanisierung beherrschten Prozeß der Fabrikarbeit verflochten. Dazu kamen unter dem Konkurrenzdruck von außen (Frankreich und England) niedrige Löhne und eine von der sogenannten Manchesterlehre, der besonders der Liberalismus der damaligen Zeit huldigte, beeinflußte sozialpolitische Rückständigkeit. Dadurch wurden der antinationalen Sozialdemokratie die Wege geebnet und die Arbeiter gingen dem Liberalismus nicht ohne seine Schuld verloren. Es kam dann die Aera der sozialen Gesetzgebung an der der Liberalismus, wenn auch nicht immer freudig mitarbeitete, ohne jedoch die Fortschritte der Sozialdemokratie hemmen zu können. Immerhin hat der Liberalismus neben manchen Versäumnissen der Vergangenheit das Verdienst für sich, daß er durch Schaffung des Koalitionsrechtes und anderer Freiheiten dem Arbeiter die Grundlage im Kampf um seine wirtschaftliche Besserstellung gab. Der Redner kam dann auf den innerhalb der Sozialdemokratie sich vollziehenden Umwandlungsprozeß zu sprechen, in dem sich dank dem Uebergewicht der Gewerkschaftsbewegung die Fragestellung dahin verändert hat, daß es nicht mehr heißt: Sozialreform oder Endziel, sondern: durch Sozialreform zu befriedigender Lebensmöglichkeit der Masse der deutschen Arbeiter. Interessant und nicht ohne Eindruck war der Hinweis auf die Herrschsucht der rheinischen Kohlen- und Eisenmagnaten und das preußische Wahlrecht in ihrer Einwirkung auf die staatsbürgerliche und vaterländische Gesinnungsbildung der Masse. Fischer, der selbst 12 Jahre Arbeiter war, hat sich bei der Wahl zwischen Sozialdemokratie und Liberalismus für letzteren entschieden, weil er überzeugt ist, daß
der Liberalismus auf nationaler Grundlage willens und in der Lage ist, dem Arbeiter in seinem Kampf um politische, geistige und sittliche Werte und seine soziale und gesellschaftliche Gleichberechtigung zu unterstützen. Im weiteren Verlauf der Rede wurden nun die Wege gezeichnet, die der Liberalismus dabei einzuschlagen hat: Keine einseitige Jnterefsenpolitik; Schaffung von günstigen Lebensmöglichkeiten für die wachsende Bevölkerung unter Vermehrung der geistigen Ausrüstung des Einzelnen; Unterstützung des Koalitionsrechts und des Genoffenschaftswesens. Die tatsächlichen Schwierigkeiten im Verhältnis zwischen Arbeiter und Arbeitgeber müssen auf der Basis gegenseitigen Vertrauens und gegenseitiger Fühlungnahme und Aussprache zu lösen versucht werden. Die sozialen Lasten seien für die Industrie nicht so drückend, wie sie immer hingestellt werden, sondern sie bilden eine nicht mehr als billige Sicherstellung des Arbeiters gegen alle Wechselfälle und die Verantwortlichkeit in seinem oft gefährlichen Beruf. Die Hebung des gesundheitlichen und sittlichen Standards sei nötig schon im Hinblick auf die unaufhaltsame Industrialisierung. Die auftauchende Frauenfrage und die Großstadtbildung bergen Probleme in sich, die nicht umgangen werden können. Die Arbeiterfrage wird zur Volksfrage. Alle Stände müßten den Problemen ihren ganzen Ernst zuwenden und Mitarbeiten an der Entwicklung Deutschlands zu einem Kulturvolk. Unter großem Beifall schloß der Redner seine Ausführungen, die in ihrer Reichhaltigkeit hier nur strichweise angedeutet werden konnten. Eine vom Vorsitzenden mit vieler Mühe angeregte Diskussion, an der sich die Herren Brey er, Jrion und E. Dreiß beteiligten und die im
vir Leute vom Lleekamphos.
Roman von Erich Ebenstein.
(Fortsetzung.)
„Geht's Dir dort denn gar so gut, Lori?"
„Gut? Du mein Gott ... da oder dort." Sie zuckt die Achseln und lacht gezwungen auf: „Mein Lebtag ist's überall das Gleiche gewesen, nicht gut, nicht schlecht . . ."
„Und daheim bist nirgends gewesen, Lori! Gelebt hast da und dort — aber Heimat hast nie eine gehabt."
Lori schweigt und schreitet rascher aus. Die Sterne find schon ganz verblaßt, rosig schimmert im Osten das Frührot auf und jetzt wird vor den Heimkehrenden der Kleekamphof sichtbar. Stolz lugt er ins Tal hinab, aufrecht, solide und ein wenig behäbig wie sein Besitzer. In langem Nachdenken blickt der Bauer auf seinen Hof.
„Schau", fängt er endlich leicht an, „es ist ein eigenes Ding mit dem „Daheim sein", Lori. Da Hab' ich jetzt den schönen Hof, schuldenfrei mit Grund und Vieh und allem, was man braucht dazu. Für mich selber aber Hab' ich nichts. Keine richtige Heimat ist's mir gewesen, seit die Mutter die Augen zugemacht hat. Wenn ich jetzt dem Franz und der Sauna den Hof übergebe und mich ins Austragstöckl hinüberzieh', dann wird das Fremdsein noch ärger werden. Denn siehst: richtig daheim ist eins nur da, wo eS ein zweites neben sich hat in Lieb' und Frieden. Selb Hab ich nie gehabt . . .!"
Lori weiß nicht» zu antworten. Stumm geht sie ihren Weg, aber da» Herz klopft ihr in der Brust und ihre sonnverbrannten Wangen färben sich dunkler.
„Bist ja allweil einer gewesen, der sich mit Fleiß fremd gemacht hat in seinem Hau»", sagt fie endlich, als sie die Höhe erreichten. „Ein
Frauenzimmer — und wär's gleich nur eine rechtschaffene Magd gewesen, hätt' Dir's schon heimelig gemacht. Aber das Hausen mit lauter Mannsbilder war Dein Wille."
„Ich habe nur Eine gern gehabt. Weil ich die nicht Hab' kriegen können ... und nach dem Unglück mit der Kathrin sind mir die anderen alle verleidet gewesen." Er weist, indem er Lori voll anfieht, auf da» Austragstöckl, dessen Giebel eben von den ersten Sonnenstrahlen getroffen wird.
„Keinen Sinn hat das lange Herumreden. Drum frag' ich Dich kurz: willst mich heute noch oder ist Dir das Herumzigeunem so fest an» Herz gewachsen, daß Dir ein ruhiges Platz! für Deine alten Tage nicht» mehr gilt? Die närrische Verliebtheit haben die Jahre verschluckt, was aber das ehrliche Gernhaben betrifft —: Ich bin Dir noch heut derselbe, Lori —"
Sie blickt lange schweigend in sein Gesicht, als suche sie etwas darin, dann schüttelt sie langsam den Kopf.
„Nein", sagt fie fest, „es tät kein gut mehr jetzt, Sixtus. Ich taug nicht mehr unter die Menschen daher. In der Einschicht bin ich ruhig und kalt geworden, da fühl ich mich wohl und in ein Zusammenleben könnt' ich mich nicht mehr schicken."
„Tätest Dich schon gewöhnen ... ich bin schon einer, der Dir in allem entgegenkommen möchte."
„Nein, wenn Du'» jetzt auch glaubst. Ausgewachsen haben wir uns beide, jeder für sich allein und zwei ausgewachsene Bäume bringst auch nicht mehr in ein» zusammen. Gern haben wert»' ich Dich immer .... Da» möcht' ich mir halten bis an mein Ende und ander» geht'» nicht. Behüt' Dich Gott, Sixtu» .... und wenn Dir'» die Sanna da am Hof recht heimelig macht, dann denk halt manchmal auf mich, wie ich an Dich denken werde, wo ich bin."
Sie wendet sich rasch ab und steigt mit schnellen Schritten Franz und Sanna nach, die eben im Walde verschwinden. Der Kleekamp braucht