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30000 einbrachten und von denen er einen Teil alsErsparnis" sicher angelegt hat, über­führt und zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Er ist ein einfacher Müllersknecht, hat zuerst unter dem falschen Namen Friedrich Semmet von Reutlingen und später unter seinem richtigen Namen sein Leben gegen Unfälle versichert, dann Unfälle markiert, den Aerzten Symptome schwerer Krankheiten, Beckenbruch, Bruch der Wirbelsäule, Lähmung der Beine usw. vorgetäuscht und auf diese Weise von vier Versicherungsgesellschaften etwa 22 000 Frcs. Entschädigungen und Ab­findungen herausgeschwindelt, bis er schließlich von einem Agenten der Züricher Versicherungs­gesellschaft, der ihm heimlich nachgereist ist, in Balingen entlarvt worden ist. In der Ver­handlung präsentierte der Müllerbursche sich als ein kräftig gebauter Mann im Vollbesitz seiner Kräfte, 31 Jahre alt, gewandt in der Verteidigung und als raffinierter Versteüungskünstler.

Kirchheim u. T. 1. Febr. Gestern vormittag 7 Uhr ist auf dem Bahnsteig des hiesigen Bahnhofs ein Mann in bewußtlosem Zustande mit einer Kopfwunde vom Bahnpersonal aufgefunden worden. Nachdem der Verunglückte das Bewußtsein wieder erlangt hatte, konnte festgestellt werden, daß er sich auf der Fahrt von Eßlingen nach Weilheim-Teck befand und beim Umsteigen hier in den um 6.56 Uhr nach Plochingen abgefahrenen Zug geraten war. Als der Reisende wahrnahm, daß er sich nicht in dem richtigen Zug befand, ist er während der Fahrt aus ihm wieder herausgesprungen und dabei zu Fall gekommen.

Kirchheim u. T. 1. Febr. Heute vor­mittag verlor der Viehhändler Kromer dahier sein Notizbuch, in dem er 1000 ^ in Hundert­markscheinen aufbewahrt hatte. Drei Gauner hatten das Geld gesunden. Nachdem sie im Wartesaal dasse be unter sich verteilt halten, fuhren sie in der Richtung nach Unterboihingen davon. Die Landjägermannschafi ist ihnen auf der Spur. Fraglich wird jedoch sein, ob man die Gauner noch mit dem Gelds erwischt.

Balingen 1. Febr. Auf der erst vor einigen Tagen erösfnete Rodelbahn am Hcu- berg ereignete sich am Montag nachmittag zwischen 4 und 5 Uhr ein tödlicher Unfall. Die Realschüler der 2. und 3. Klasse waren mit dem Lehrer auf der Rodelbahn. Als drei Knaben die ziemlich steile und mit Eis überzogene Bahn hinabfuhren kamen sie nicht weit, als sie den Schlitten schon nicht mehr lenken konnten. Sie fuhren an eine Sicherheitsabschrankung an, wo­bei dem 12 Jahre alten Sohn des Oberamts­sparkassiers Zelter der Bauch aufgeschlitzt wurde, fodaß er nach einer halben Stunde starb, während

der 12 Jahre alte Bahnwartssohn Haug die linke Hand brach.

Wiernsheim OA. Maulbronn 1. Febr. Der hiesige 38 Jahre alte Lammwirt Joseph Schmierer hat sich am Montag Vormittag in seinem Schlafzimmer mit einem Rasiermesser den Hals abgeschnitten. Als ein Gast nach ihm sehen wollte, fand er ihn in den letzten Zügen. Schmierer hinterläßt Frau und zwei Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren. Die Ursache des Selbstmordes ist noch nicht auf­geklärt. Seine Frau soll in der lktzten Zeit nicht zu Hause gewesen sein.

Vom Hochsträß 1. Febr. Ein rätsel­hafter Fund wurde von einem von Blaubeuren kommenden Bauern von Dietingen in der Nähe Markbronns gemacht. Er fand am Straßen­rand einen Sack mit Inhalt und warf ihn auf seinen Wagen. Was war der Inhalt? 14 Stück bereits abgezogene Feldhasen, die aber keine Schußwunde zeigten, fand er am andern Morgen in dem Sack. Jagdpächter und Landjägermann­schaft fahnden nach dem bis heute unbekannten Eigentümer.

Ulm 1. Febr. Das Schwurgericht ver­urteilte die 33 Jahre alte Haushälterin Maria Keßner von Trieb in Unterfranken wegen versuchten Totschlags zu sieben Monate Gefängnis und rechnete sechs Monate der Unter­suchungshaft an. Die Kcßner hatte in den letzten Jahren mit dem Kunstmaler Willburger zusammengelebt, glaubte sich aber zuletzt vernach­lässigt, was zu häufigen Eifersuchtsszenen führte. Bei einer solchen gab sie auf Willburger auf dem Wege von Söflingen nach Ulm vier Revolver schüsse ab, traf aber ihren Begleiter nicht. Dann wollte sie sich selbst erschießen, aber der Revolver versagte. Die Aerzte erklärten sie für vermindert zurechnungsfähig.

Sigmaringen 1. Febr. Der an der Wasserleitung in Oberschmeien beschäftigte 26- jährige Arbeiter Karl Rieble von Korb OA. Waiblingen wollte nachts um 1 Uhr, um Forellen zu fischen, eine Dynamitpatrone in die Schmeie werfen und dort explodieren lasten. Unglück­licherweise explodierte die Patrone aber in seinen Händen und riß ihm beide Vorderarme weg. Außerdem erlitt der Verunglückte noch schwere Verletzungen an den Augen und im Gesicht. Er wurde sofort in das hiesige Fürst Karl-Landesspital gebracht, woselbst ihm vor­gestern vormittag beide Armstümpfe abgetrennt werden mußten. Sein Zustand ist sehr ernst.

München 1. Febr. (Zum Tode des Kronprinzen Rudolf.) Gegenüber den Publikationen eines Herrn v. Planitz in in-

und ausländischen Blättern über das Ende des Kronprinzen Rudolf von Oesterreich und dessen schwere körperliche Verletzungen, die seinerzeit auch Herzog Karl Theodor in Bayern bemerkt haben soll, wird im hiesigen Hofbericht festgestellt, daß der Herzog unmittelbar nach der Katastrophe überhaupt nicht in Wien geweilt hat, sondern erst zur Beisetzung seines Neffen nach Wien gekommen ist. Der Herzog habe dort nur den mit der Leiche des Kronprinzen ausgestellten Sarg gesehen. Die Mitteilungen des Herrn v. Planitz seien deshalb aus der Luft gegriffen.

München 1. Febr. Ein neuer Trick wurde von 7 Schmugglern angewandt, die im Münchner Schnellzug GenfMünchen während der österreichischen Zollrevision zur Verhaftung gelangten. Neben den Heizröhren hatten sie unter den Sitzen solche aus Papiermache an­gebracht, die den wirklichen täuschend ähnlich sahen. In den Röhren fanden sich erstaunliche Mengen Saccharin.

Berlin 1. Febr. (Reichstag.) Vize­präsident Dr. Spahn eröffnet die Sitzung um 1 Nhr. Am Bundesratstisch ist Staatssekretär Wermuth erschienen. Das Haus ist stark besucht; die Tribünen sind überfüllt. Es herrscht große Erregung. Auf der Tagesordnung steht zunächst die Abstimmung gegen den Einspruch des Abg. Ledebour (Soz.) gegen den ihm am Sonnabend erteilten Ordnungsruf. Der Ein­spruch wird ohne Debatte in einfacher Abstimmung abgelehnt. (Große Heiterkeit.) Mit den Sozial­demokraten stimmte nur die Freisinnige Fraklions- gemeinschaft und die Polen. Es folgt die 2. Beratung des deutsch-portugiesischen Handels­vertrags. Abg. Herold (Ztr.): Meine Fraktion ist sich darin einig, daß der Handelsvertrag für Deutschland verhältnismäßig ungünstig ist. Trotz­dem ist ein Teil meiner Freunde für den Ver­trag, weil er immerhin bester ist, als der ver­tragslose Zustand. Dazu kommt, daß die Handelsbilanz Portugals zu Gunsten Deutsch­lands im Wachsen begriffen ist. Mit aller Entschiedenheit werden wir für die Folge gegen derartige ungünstige Verträge Stellung nehmen, auch wenn Vorverhandlungen zwischen den Regierungen erfolgt sind. Abg. Kämpf (Frs. Vpt): Eine ganze Reihe von Industriezweigen erhebt berechtigten Widerspruch gegen den Ver­trag. Trotzdem wird ein großer Teil meiner Freunde, weil sie einen Zollkrieg vermeiden wollen, für den Vertrag stimmen. Abg. Graf Schwerin-Löwitz (kons.): Wir werden ein­stimmig für den Vertrag eintreten. Kaufmännisch richtiger wäre es freilich gewesen, den Vertrag in der Kommission, nicht im Plenum eingehend zu behandeln. Wir verkennen die großen Mängel

In sechs Wochen ist Leihkauftag. Ich mein schier, daß ich das nächste Jahr anderwärts Weizen schneiden werd'."

Der Lahnbauer braucht einen Ochsenknecht", sagt ein anderer, schon im März hat er mich angeredet, und die Arbeit soll nicht schwer sein bei ihm. Am Leihkauftag werden wir wohl einig werden."

Jetzt mischen sich auch die Dirndln drein.

Viel bkffen soll die Kost sein bei der Hinterbäurin, sagen sie", «eint die Mirzl,und eine Kuhdirn sucht sie . . . Dableiben mag ich völlig nimmer."

Ich auch nicht! Ich auch nicht", fallen die anderen ein, und so ist's beschlossene Sache: Am Leihkauftag verdingen sich die Dienstboten des Habererhofes alle anderwärts.

Da wird ihr das Lachen schon vergehen, der Bäurin", schmunzelt Bartl,und ich bin nur neugierig, wer sich daher noch verdingen wird? Aber zur Hochzeit vom Kleckamp Fried! gehen wir justament alle!"

Andres! verläßt den Hof, auf dem er alt geworden ist, still, aber ohne Trauer. So, wie es jetzt da zugeht, seitdem die Weiber die Herr­schaft führen, ist ihm alles fremd geworden.

Ein Stück noch geben ihm die anderen Dienstboten das Geleite, dann wandert er allein weiter gen Friedau hinunter. Der Trautwein hat letzthin merken lasten, daß er Schnitter braucht. Da wird wohl unterzukommen sein, bis . . .

Der Andres! glaubt mit seinem alten Kindergemüt noch an das Walten einer ewigen Gerechtigkeit. Darum läßt er nicht von dem Gedanken, daß früher oder später des toten Hobein letzter Wille sich erfüllen müsse, und nur bis dahin braucht er ein Unterkommen.

15.

Heut bin i kreuzlusti Und juchez und lach.

Komm heut noch zum Fensterl,

Lieb's Dirndl, bleib wach!

Dirndl wegen Deinetwegen Wag i mein Leib und Leben,

Wag mei Haus und Guat Und mei jung's Bluat!

Hollartdio! Hollareh!

klingt es weich und schmelzend wie in verhaltener Seligkeit aus eiuer Burschenkehle hin über die mondbeglänzte Wiesenalm. Die Rinder im Stall heben die Köpfe, der Spitz an der Kleekamphütte, der das Hüter­amt bei Nacht über hat, kläfft wütend auf und in den Sennhütten denkt manche Schwaigerin halb im Schlaf erstaunt:Ist etwan heut Samstag, daß die Burschen vom Tal herauf kommen?"

Die Eva in der Habererhofhütte aber fährt jählings in die Höhe: Jesses, das ist dem Felix sein Jodler . . . wird doch nichts passiert sein, daß er mir so inmitten der Nacht daher kommt?" Und steht auf und wirft hastig die Kleider über.

Mitten in der Nacht" ist es just nicht, sondern erst neun Uhr, aber im Almdorf ist die Sonne die Uhr: mit ihr geht man schlafen, mit ihr steht man auf. Da klopft es auch schon leise an Evas Fenster.

Du, Dirndl, schläfst vielleicht schon?"

Eva findet es für gut, die Entrüstete zu spielen.

Wer ist denn der kecke Ding, der mir da zu nachtschlafender Zeit an der Hütten herumschleicht?"

Ich bin's, der Felix . . . mach aus, Eva!"

Weiter hast keine Schmerzen? Da geh' nur gleich wieder zurück nach Friedau, in der Nacht ist keine Zeit zum Plauschen!"

Aber geh', Eva, sei gescheit ... ich geh ja gleich wieder fort. Zwei Stunden bin ich heraufgestiegen zu Dir, damit ich Dir'S gleich sagen kann, und jetzt willst mich nicht einmal anhören!"

Wird was besonderes sein! . . .!"

Na, ich kann die Neuigkeit auch wieder hinuntertragen . . . er­sticken werd ich nicht daran. Behüt Dich Gott, Du grantigs Dirndl. .."

(Fortsetzung folgt.)