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würdige Mitglieder eines Wandervereins werden können. Nach einem beschwerlichen, ja teilweise gefährlichen Aufstieg im Stadtgartcn folgte eine vom herrlichsten Wetter begünstigte Wanderung in schönster Winterlandschaft. Während wir nämlich in unserem milden Nagoldtal infolge häufigen Tauens neben wenig Schnee vielfach kahle Stellen mit lästigem Schmutz finden können (wie z. B. am letzten Sonntag), durften wir unk auf der Höhe vom Windhof an ununterbrochen U der schönsten Schneelandschaft bewegen und hatten dabei den Genuß eines prächtigen Rundblicks, ja selten guten Fernblicks bis zu den Höhen der Alb, von der man z. B. die Teck deutlich erkennen konnte. Von der Sonne herrlich beschienen zeigte sich alles im reinsten Weiß. Der Marsch war also sehr lohnend zumal die Luft ohne lästige Winde angerehm frisch war. Obwohl wir durchweg auf gebahnten Wegen gehen durften, vielfach allerdings in Einerreihen im sogenannten Gänsemarsch, war das ungewohnte Marschieren auf dem Schnee doch eine schöne Leistung für die Wandergenossen und es wurde die Tour nicht zu weit ausgedehnt. Vom Windhof ging's über Spessart, Rötenbach nach Teinach. (Wer eine schöne weite Schneelandschaft beschauen will, dem sei empfohlen, in den nächsten Tagen diese oder eine andere Tour auf unsere Höhen auf der Waldseite zu machen; es wird ihn sicherlich hoch erfreuen.) DaS wohlverdiente Vesper wurde im „Hirsch" in Teinach eingenommen. Eine Heimkehr ganz zu Fuß war nicht rötlich mit Rücksicht auf die eisigen Flächen an den Calwer Berghängen und den späten Aufgang des Mondes. Wir mußten daher bis zum Abgang des 9 Uhr-Zuges unsere Zeit so gut als möglich ausfüllen. Mit Freuden wurde daher das Anerbieten unseres freundlichen Gastgebers angenommen, der uns eine genügende Anzahl mehrsitziger Rodelschlitten zur Verfügung stellte. Die Bahn aus der Zavelsteiner Straße war eine so vorzügliche, daß die Schlitten in fast unheimlicher Schnelle vor dem Hirsch vorübersausten. Bei Sternenschein pilgerten wir dann frohgemut ins „Waldeck" und fuhren hernach wohlbefriedigt auf einer bequemeren Bahn der Heimat, zu.
— Calw 31. Jan. Heute nachmittag von V-3 bis kurz nach 3 Uhr schwebte über unser Tal ein Luftballon. Er bewegte sich von Nordost nach Südwest und zwar in sehr beträchtlicher Höhe. Teilweise wurde er noch von den Wolken verdeckt, die an und für sich schon sehr hoch sich befanden. Im Vergleich zu den 3 Ballons, die letzten Sommer in einer Höhe von angeblich 4000 Mir. sich über Calw bewegten, dürfte der heutige Ballon mindestens 5000 Mtr. hoch gewesen sein. Man konnte
daher, obwohl er von der Sonne wunderschön beleuchtet war, von seinen Einzelheiten nur mit bewaffnetem Auge etwas unterscheiden. Er trug eine offenbar bemannte Gondel und eine Fahne mit unseren Landesfarben.
Calw 1. Febr. Morgen Mittwoch wird die Calwer Bäckerinnung nach einem Zeitraum von 5 Jahren wieder von der ihr gewährten Erlaubnis Gebrauch machen, daß in der Mittagsstunde von 12—1 Uhr, mit sämtlichen Glocken geläutet wird. Es geschieht dies zur Erinnerung an die Belagerung Wiens durch die Türken im Jahr 1683, indem ein Bäckergeselle aus dem Calwer Amt, der beim Brotbackcn in der Nacht auf die Minierarbeit der Türken aufmerksam geworden war, dies rechtzeitig zur Melkung gebracht hatte.
Wildberg 29. Jan. Als Beweis dafür, daß der Wert der Fischwasser immer noch nicht im Sinken begriffen ist, mag angeführt werden, daß bei der teure auf hiesigem Rathaus statt- gesundenen Wiederverpachtung des den Gemeinden Effringcn, Rotfelden und Wildberg gemeinschaftlich zustchenden Fischereircchts im Schwarzenbach ein Pachtgeld von jährlich 300 ^ erzielt wurde, gegen bisherige 76 Pächter ist der Frschzüchtcr Johann Hartmann in Pfrondorf, welcher wohl die Ergiebigkeit dieses Gewässers zu schätzen weiß; mögen die Bemühungen des anerkannt tüchtigen Züchters von Erfolg gekrönt sein. (Ges.)
T übingen 31. Jan. Das Hochwasser letzthin blieb hinter dem von 1872, dem größten genauer gemessenen, um 60 ein am Neckarpegel an der Brücke zurück. Der Schaden, den die Stadtgemcinde durch das Hochwasser erlitten hat, wird auf 1500—2000 geschätzt, er ist also
nicht allzubeträchtlich. Namentlich handelt es sich um Beschädigung der verschiedenen Anlagen. Am Baggcrcibetrieb wurde auch einiges vom Wasser fcrtgetncbcn und aus der Seeanlage wurden Fische entführt, die man später hocherfreut auf den Lustnauer Wiesen fing. Für den fort- geschwemmten Kies und Sand wurde andererseits neuer wieder so reichlich angeschwcmmt, daß die Stadt sogar noch Nutzen daraus ziehen kann.
Stuttgart 31. Jan. Die staatliche Erfindungs-Ausstellung ist heute Vormittag um 11 Uhr durch einen feierlichen Akt in der König Karl-Halle des Landesgcwerbemuseums durch den König eröffnet worden. Der König erschien in Begleitung des Generaladjutanten Freiherrn v. Bilfinger und des Flügeladjutanten Major v. Marval und wurde am Portal des Museums durch den Staatsminister v. Pischek, Präsident v. Mosthaf und dem Ausstellungs- leiter Patentanwalt Schwäbsch empfangen.
Staatsminister v. Pischek hielt die erste Ansprache an die Versammlung: Ein neues und eigenartiges Unternehmen ist es, das wir in der Ausstellung da drüben begrüßen. Heraus- gcwachsen aus den Beobachtungen und Erfahrungen der staatlichen Auskunstsstelle für gewerblichen Rechtsschutz soll es dazu dienen, allen denjenigen, die aus irgend einem Gebiet unseres wirtschaftlichen, kulturellen oder häuslichen Lebens aus erfinderischem Geist heraus neue oder verbesserte Einrichtungen ersonnen und der Verwirklichung kntgegengesührt haben, erleichterte Gelegenheit zur Vorführung ihrer Erfindung in der Ocffentlichkeit und zur Verwertung ihres geistigen Eigentums und der darauf verwandten Arbeit zum eigenen Vorteil und zum Nutzen der Allgemeinheit zu geben und sie gegen eine Ausbeutung ihrer häufigen Unerfahrenheit und Mittellosigkeit zu schützen. Die Ausstellung soll und wird daher auch dem kleinen Mann zu gut kommen, der oft nicht in der Lage ist, die Kosten für den Ausbau seiner Erfindung und für die erforderliche Reklame aufzubringen. Im weiteren Verlauf seiner Rede führte der Minister aus: Wenn aber so unsere Ausstellung grundsätzlich praktischen Zwecken dient, so gewährt sie zugleich einen interessanten und erfreulichen Einblick in die Art und den Weg des Vorwärtsstrebens und Vouvärtsschreitens unserer Industrie und Technik. Freilich dürfen wir von der Ausstellung nicht die Vorsühr ung großer bahnbrechender Erfindungen erwarten, durch welche die kulturelle oder wirtschaftliche Entwicklung der Menschheit plötzlich mit einem Ruck auf neue Wege geleitet wird. Aber die geistige und technische Kleinarbeit, die auf Grund sorgfältigster und minutiöser Beobachtung und Kombination bereits bekannte Einrichtungen verbessert, vereinfacht und vervollkommnet, die oft in sinnreichen, scheinbar kleinen und einfachen Neue- r ungen gewissermaßen das Ei des Kolumbus findet und damit überraschende Wirkungen erzielt—diese in zahlreichen geistigen Werkstätten gepflegte Kleinarbeit steht nie still und zeitigt tägliche Erfolge. Und in ihr tut sich namentlich auch der zum zähen Grübeln, Bohren und Probieren im stillen Kämmerlein besonders veranlagte Schwabe rühmlich hervor. Der Minister schloß seine Rede mit einem Hoch auf den König. Präsident v. Most - haf wies in längerer Rede sodann auf den Entwicklungsgang der neuen Ausstellung hin, die ganz unmittelbar der wirtschaftlichen Verwertung der Erfindungen dienen, die Erfinder und Industrie zusammenführen soll, indem sie den ersteren Gelegenheit gibt, ihre Erfindungen einem großen Kreis vorzuführen und der letzteren ermöglicht, die auf eine Verwertung wartenden Erfindungen kennen zu lernen, das für den einzelnen Paffende auszuwählen und industriell auszunützen — die
Die Hobeinin ist heute Gegenstand der eifrigsten Neugierde. Man muß sich eine doch anschauen, von der sie in der Stadt bei Gericht glauben, daß sie ihren Mann umgebracht hat.
Und wer sollt's denn sonst getan haben?
Lange begreift Bibiana nicht, warum sie die Leute so ansehen. Endlich fällt da und dort ein Wort an ihr Ohr: „Die Pferde am Haberer- hof sind immer besonders schön gewesen, weil sie „Hüttenrauch" (Hüttenrauch wird Arsenik genannt, das man in Steiermark gern den Pferden gibt, weil sie dadurch feist und glänzend werden) bekommen . . könnt ja sein, daß sich die Bäuerin bei ihrem Mann damit vergriffen hätte . . ."
„Am 14. August soll er ausgegraben werden, der Hobein — da wird sich'S ja zeigen . . ."
„Zuzutrauen wär's ihr am Ende schon. Wenn eine den Stiefsohn von seiner Heimat treibt ..."
„Es ist nur ein Glück, daß der Kleekamp daraufgekommen ist . . ."
So ging es hin und her.
Bleich wie der Tod und zitternd vor Wut kommt die Habererbäurin heim. „Jetzt will er mich gar zur Giftmischerin machen, der Kleekamp!" Mit diesen Worten fällt sie auf die Bank neben die alte Cenz und erzählt ihr stockend, was sich in Friedau zugetragen hat.
Cenz ist erst sprachlos, und bei dieser Nachricht droht selbst ihre Weisheit zu versagen.
„Du sollst den Bauer vergiftet haben? Aber wie kommen denn die Leut' nur aus so was?"
„Der Kleekamp wird's wohl ausgesprengt haben. Gehört Hab' ich, daß er vor zwei Wochen fort nach Egydi gefahren ist. Darnach ist an den Pfarrer die Verständigung gekommen, daß der Ambros am so und sovielten ausgegraben werden soll. Der Meßner-Nazi hat's unter die Leut' gebracht. Und wenn das wahr wird . . . Cenz . . . .! Nicht überleben tu ich die Schand! Mit Fingern werden sie auf mich weisen, und eh' ich das ertrag, verkauf ich den Hof und geh ganz fort von da!"
„Narr! Daß sie erst recht glauben, Du hättest es getan! Hoch mußt' den Kopf tragen, Du, und stolzer sein, wie früher! Wenn er wirklich ausgegraben wird, dann wird sich'S ja am besten weisen, daß Du unschuldig bist." ^
„Als ob die Leut' dann noch davon abzubringen wären! Kein Herrgott redet ihnen das mehr aus."
Cenz schüttelt den Kopf.
„Dumm ist das ganze Gerede, und ich glaub's gar nicht, daß der Kleekamp im Ernst so was behauptet. Da steckt was anderes dahinter, paß nur auf!"
„Was denn aber nur?"
„Noch weiß ich's nicht. Aber er wird sich schon wieder durch was verraten, der Kleekamp. Grad wie damals durch seinen Zorn und seine Angst, wie der Franz fort ist ..."
Bibiana packt plötzlich Cenz'am Arm.
„Cenz," murmelt sie leidenschaftlich, „wenn man das für gewiß müßt, was Du mir gesagt hast . . . Damit könnt man ihn treffen, den hochnäsigen Protzenbauer!"
„Wahr ist's sicher. Es kann gar nicht anders sein. Aber warte noch . . . Beweis hast keinen, und so leugnet er's einfach ab. Die Stund wird schon kommen, wo Du ihm alles auf einmal heimzahlen kannst, dann mußt aber Numero sicher gehen. Ganz tief mußt' ihn treffen, ganz klein mußt ihn machen vor den Friedauer«, daß er sich nimmer aufzuschauen traut, wenn seine Schand' in allen Mäulern ist. .. vor der Hand laß Dir nichts merken. Wart', Bibiana, warte!"
Und die Hobeinin befolgte den Rat. Stolz und aufrecht ging sie ihren Weg, daß ihr keiner etwas anmerken sollte. Nur ein verbissener Ausdruck kam allgemach in ihre Züge und den Dienstleuten gegenüber wurde sie noch strenger, als früher. Nur einmal verließ sie ihre Ruhe und die ganze verhaltene Wut ihres Innern machte sich Luft. Das war dem Andres! gegenüber. (Forts, folgt.)
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