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Laienersinder sollen dadurch in der Verwertung ihrer Schutzrechte, die sonst nicht ohne kauf­männische Erfahrung möglich ist, wirksam unter­stützt werden. Bei dem jetzigen Unternehmen steht die Absicht, Angebot und Nachfrage auf dem Erfindungsmarkt auf gesunder Grundlage in gegenseitige Beziehung zu bringen, im Vorder­grund. Damit war der Festakt beendet. Der König ließ sich die Mitglieder der Ausstellungs- leitung vorstellen und dann begab sich die ganze Gesellschaft zur Besichtigung der Ausstellung in das neue sinnig geschmückte Ausstellungsgebäude. Die Ausstellung der zahlreich cingetroffenen Gegenstände, Modelle und Zeichnungen ist nach den Patentklassen, unter welche die betr. Er­findungen fallen, erfolgt. Am Eingang jedes Ausstellungssaals ist eine Zusammenstellung der Patentklassen angebracht, die darin ausgestellt sind. Für jede ausgestellte Erfindung ist im Ausstellungsbüro ein besonderer Akt vorhanden, welcher den Anmeldebogen, die Patentschrift oder andere nähere Beschreibungen und Zeichnungen enthält. Zur Ausstellung zugelafscn sind Er­findungen, welche in Deutschland patentiert oder zum Patent angemeldet und amtlich veröffentlicht, oder welche in Deutschland als Gebrauchsmuster eingetragen sind. Ter König verließ erst um V-1 Uhr unter den Hochrufen der zahlreich vor dem Gebäude erschienenen Menge die sehr inte­ressante Ausstellung.

Stuttgart 31. Jan. (Strafkammer.) Der schon öfters vorbestrafte Kaufmann Paul Müller von Leipzig gab sich in einer hiesigen Wirtschaft, in der er einige Zeit verkehrte, als Major a. D. aus. Eines Tages kam die Tochter des Wirts auf die Kaiserparade zu sprechen und sprach den Wunsch aus, sie möchte die Parade auch sehen. Sofort war derHerr Major" be- j reit, ihr die gewünschten Tribünenkarten zu be­sorgen und da er augenblicklich nicht soviel bei sich hatte, um das Geld für drei Karten aus­legen .zu können, gab ihm das Mädchen zwölf rr Mark. DerHerr Major" besorgte aber die Karten nicht, sondern verbrauchte das Geld für sich. Er wurde heute von der Strafkammer wegen Unterschlagung zu zwei Monaten Gefäng­nis verurteilt. Von einem ihm weiter zur Last gelegten Einmielbetrug wurde er freigesprochen.

Pforzheim 31. Jan. Heute früh nach 5 Uhr explodierte ein Taxam et era utomobil des Taxameterkutschers Eisenmann, als er einige Personen vom Maskenball nach Hause führte, in der Kaiser-Wilhelmstraße. Das Automobil, daS einen Wert von mehreren tausend Mark hatte, ist vollständig vernichtet. Die Insassen kamen ohne Schaden davon.

Münch en 30. Jan. Ein Zwischenfall, der leicht bedenkliche Folgen hätte haben können, ereignete sich heute nachmittag im vollbesetzten Saale des Hotel Union bei einer Pocci-Auf- führung der Calderon-Gesellschast. In der KomödieKasperl als Prinz" beugte sich eine Darstellerin über ein offenes Kerzenlicht, wobei ihr Brusttuch Feuer fing. Sie suchte die Flamme mit den Händen auszulöschen. Schon riefen einige ZuschauerFeuer!" als ein Herr aus dem Parkett auf die Bühne sprang und durch geschicktes Eingreifen weiteres Unheil verhütete. Die fast ausverkaufte Vorstellung fand dann ihren ungestörten Fortgang.

Berlin 31. Jan. (Reichstag.) Vize­präsident Dr. Spahn eröffnet die Sitzung um 1'/« Uhr. Am Bundesratstisch sind anwesend: Staatssekretär Dernburg u. Unterstaatssekretär v. Lindequist. Das Haus erledigt zunächst eine Reihe von Rechnungssachen. Es folgt die 3. Lesung des Nachtragsetat für Ost- und Süd­westafrika. Abg. Erzberger (Ztr.): Wir werden auch in der 3. Lesung dem Nachtragsetat zu­stimmen. Inzwischen sind aber einige neue Er­eignisse eingetretcn. Die Aktien der Kolonial­gesellschaft sind an einem Tage um 10 Prozent gefallen, sobald die Aeußerung des Staatssekretärs bekannt wurde, daß der Vertrag nicht abgeschloffen werden würde. Seitdem ist durch eine Veröffent­lichung in derKölner Ztg." ein vollständiges Novum geschaffen worden, da danach die Gesell­schaft den ganzen Vertrag in seinem ganzen

Inhalt als zweifelhaft darstellt. Wie stellt sich die Kolonialverwaltung dazu? Stimmt sie zu, so haben wir allefür die Katz" gearbeitet. Die Abgg. Arning (natl.) und Arendt (Rchsp.) stimmen Erzberger zu. Letzterer führt aus, es sei unerhört, daß die Kolonialgesellschaft sich darauf berufe, daß der Vertrag nicht notariell beglaubigt sei. Man sei der Kolonialgesellschaft viel zu weit entgegengekommen. Der erste Ver trag würde nicht den Interessen des Reichs, sondern denen der Kolonialgesellschaft entsprochen hoben, das beweise der Börsensturz. Staats­sekretär Dernburg billigt die soeben gehörten Ausführungen; auch- juristisch bestehe kein Anlaß, den Vertrag für ungültig zu erklären. Abg. Görke (natl.): Würden die Angaben der Kolo­nialgesellschaft auch nur annähernd richtig sein, dann könnten wir dem Nachtragsetat nicht zu- stimmen. Nach den Erklärungen des Staats­sekretärs können wir dies nicht annehmen. Abg. Richthofen (kons.): Der Artikel in derKöln. Ztg." scheint nur ein Schachzug zu sein, um in einem kurzfristigen Vertrag bessere Bedingungen zu erlangen. Einer solchen Pression dürfen wir nicht nachgeben. Abg. L edebour(Soz-): Das ganze Vorgehen der Kolonialgesellschaft ist ein Skandal. Für den Vertrag sind wir nicht zu haben. Abg. Erzberger (Ztr.): Das Haus ist sich einig in der Auffassung von dem Vorgehen der Gesell­schaft und sollte gerade deshalb den Nachtrags- ctat einstimmig annehmen. Abg. Dove (Frs. Vgg.). Der Nachtragsetat kann durch die Er­klärung der Gesellschaft nicht beeinträchtigt wer­den. Wir werden heute für ihn stimmen. Staatssekretär Dernburg: Gegenüber der Kolonialgesellschaft haben wir außerordentlich viele Machtmittel. Ich werde mich nach der j Auffassung des Reichstags richten. Abg. Lede- bour (Soz.): Wir werden gegen den Nachtrags­etat stimmen, aber es unterstützen, was die Reichs­tagsmehrheil beschließen sollte, um der ungeheuer­lichen Zumutung der Kolonialgesellschaft ent- gegenzutreten. Nach nochmaligen Bemerkungen dis Abg. Görke (nlt.) wird der Ncchtragsetat gegen die Stimmen der Sozialdemokraten an­genommen. Die Petitionen werden für erledigt erklärt. Es folgt die 2. Lesung des Kolonial- etats für 1910.Dazu liegt eine Resolution der Kommission vor, die eine besondere Neu­regelung der Kolonialbeamtengehälter ablehnt und auf das zu erwartende Kolonialbeamten- gesetz hinweist. Staatssekretär Dernburg stimmt der Resolution zu, womit diese ange­nommen ist. In der Generaldebatte über den Kolonialetat erklärt zum Titel: Gehalt des Staatssikretärs Abg. Erzberger (Ztr.): Bei den ersten Auslandsreisen der Beamten muß man sparsamer verfahren. Beim Erlaß einer Stkuerordnung sollte man den Ansässigen all­mählich größeren Einfluß zugestehen. Was be­absichtigt die Verwaltung zu tun, um dem wach­senden Propaganda des Islam entgegenzutreten? Der Zunahme der Branntweinpest muß mit allen Mitteln entgegengearbeitet werden. Die Bezirksämter müssen die Eingeborenen zur Arbeit erziehen. Abg. Dove (frs. Vgg.): Die Rechts­lage in den Kolonien ist noch nicht genügend geklärt, zum Beispiel hinsichtlich der Kirche, die anscheinend in den Kolonien einen Kulturkampf Hervorrufen möchte, nachdem sie in Elsaß-Lothringen damit kein Glück gehabt hat. Abg. Frhr. v. Richthofen (kons.): Der Reichszuschuß für die Kolonien ist im Abnehmen begriffen. Die Eisen­bahnpolitik der Verwaltung ist unter gewissen Voraussetzungen durchaus anzuerkennen. Abg. Noske (Soz.): Den Tausend Millionen, die wir in die Kolonien hineinstecken mußten, stehen nur ganz unerhcblicheBeträge gegenüber. Anzuerkenncn ist die Abnahme der kolonialen Scheußlichkeiten. Immerhin kann die Verwaltung noch viel humaner gehandhabt werden. Die Zahl der Prozesse in Südwestafrika ist ungeheuer. Das entspricht dem kolonialen Alkoholverbrauch. Wir treten für Selbstverwaltung ein. Darauf tritt Vertagung ein. Vizepräsident Dr. Spahn schlägt vor, die nächste Sitzung morgen Dienstag nachmittag 1 Uhr abzuhalten und auf die Tagesordnung die Beschlußfassung über den Einspruch des Abg. Ledebour gegen den ihm am Samstag erteilten Ordnungsruf, den deutsch-portugiesischen Handels­

vertrag und die Fortsetzung der Beratung des Kolonialetats zu setzen. Zur Geschäftsordnung beantragt der Abg. Bebel (Soz.), den ersten Gegenstand der Tagesordnung auf Donnerstag zu verlogen. Es entspinnt sich hierüber eine längere Geschäftsordnungsdebatte, in deren Ver­lauf der Abg. Graf Westarp (kons.) die Be- schlußfähigkeit des Hauses anzweifelt. Abg. Bebel (Soz.) zieht hierauf seinen Antrag zurück. Es bleibt also bei der vom Vizepräsidenten vor­geschlagenen Tagesordnung.

St. Cyr 29. Jan. Als der Mechaniker Legal! heute mit der Entleerung des lenk­baren LuftschiffesZodiac" beschäftigt war, richtete sich die Hülle durch den Gasdruck plötzlich auf und warf ihn gegen die Wand des Schuppens. Legall erlitt einen Sckädelbruch und ver­starb auf der Stelle. ,

London 29. Jan. (Schweres Brand­unglück.) Im Osten Londons ereignete sich gestern ein schreckliches Brandunglück. Unweit der Station City Road brach in dem oberen Geschoß eines Arbeiterwohnhauses Feuer aus. 5 Kinder im Alter bis zu 12 Jahren befanden sich in dem brennenden Hause und standen beim Erscheinen der Feuerwehr in Flammen. Die Kinder erlitten so furchtbare Brandwunden, daß sie bald nach ihrer Ankunft im Krankenhause starben.

vom Hochwasser in Zrankreich.

Paris 31. Jan. In den meisten Stadt­vierteln nimmt das Straßenleben tagsüber so ziemlich wieder das gewöhnliche Aussehen an. Abends allerdings bieten die Boulevards und Hauptstroßen wegen des Mangels an elektrischem Licht ein recht trostloses Bild. Die meisten Geschäfte werden notdürftig mit Petroleumlampen und Kerzen beleuchtet. Die Straßen, aus denen sich das Wasser zurückgezogen hat, wurden den ganzen Tag über mit desinfizierenden Flüssig­keiten besprengt und gereinigt. Dasselbe geschieht in den Erdgeschossen und Toreinfahrten der überschwemmten Häuser. Die Keller sind dort noch bis zur Decke mit dem meist aus den Sammelkanälen herrührenden Schmutzwaffer ge­füllt. Vielfach werden Hand- und Dampfpumpen benutzt, um die Keller zu entleeren; jedoch hat die Polizei in einzelnen Straßen sie verbieten müssen, da befürchtet wird, daß die Kanäle einen allzu großen Wasserzufluß nicht aushalten können, j Die Leitung der Untergrundbahn hat an ver- - schiedenen Punkten mächtige Pumpen aufgestellt i und wartet das weitere Fallen der Seine ab, um mit den Pumparbeiten zu beginnen. ES heißt, daß die Untergrundbahn gegen die Nord- ' und Südlinie, welcher sie das Wiedereindringen ^ des Waffers in ihren Tunnel zuschreibt, sowie ! gegen die Stadt Paris als Konzessionsverleiherin einen Schadenersotzprozeß anstrengen will. Die Gesellschaft der Nord-Südlinie erhebt in den Blättern energisch Einspruch dagegen, daß man sie wegen der Ueberschwemmung der Gegend des St. Lazare-Bahnhofes und wegen der in ver­schiedenen Gegenden vorgekommenen Senkungen verantwortlich machen will.

Vermischtes.

Ein schweres Eisenbahnunglück hat sich in England auf der LondonBrightoner Bahn ereignet. Der um 3 Uhr 40 Minuten aus Brighton abgegangene Expreßzug entgleiste bei einer Geschwindigkeit von 60 Kilometer per Stunde in dem kleinen Ort Stoats Nest im Bahnhof beim Ueberfahren einer Weiche. Die Wirkung war furchtbar. Die ersten beiden Per­sonenwagen wurden auf den Bahnsteig geschleudert, der folgende Pullman-Salonwagen flog hoch in die Luft und zertrümmerte niederkrachend den halben Bahnhof. Die übrigen Wagen fielen auf die Seite und wurden so eine Strecke weit ge­schleift. Der Zug war voller Paffagiere. Die Szene nach der Katastrophe spottete jeder Be­schreibung. Das Geschrei der unter den Trümmern eingeklemmten Opfer war weithin hörbar. Rettungs­mannschaften waren schnell zur Stelle und arbeiten noch jetzt an der Befreiung der unter den Trüm­mern Liegenden. Man barg bisher 10 Tote und 20 Verletzte.