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aufgefundtzn. Nach der Lage des Begrabenen, er lag von West nach Ost, wurde das Alter von einem Sachverständigen auf 12—1400 Jahre geschätzt. Der Schädel und einige Knochen wurden behufs genauer Untersuchung von dem Sachverständigen in Verwahrung genommen.
Mannheim 29. Jan. (Haftbefehl gegen Cook.) Der Polizeistation von Heidelberg und Umgebung ist, wie verlautet, vom Staatssekretär der Haftbefehl gegen Cook zugegangen.
Duisburg 29. Jan. (Ueberschwem- mungen am Niederrhein.) Der Rhein ist bei Ruhrolt aus den Ufern getreten und hat eine Höhe, wie man es seit Jahrzehnten nicht erlebte. Der ganze untere Stadtteil Duisburg- l Meiderich steht unter Wasser. In Unter-Meiderich ist das Hochwasser in die Parterre-Räume eingedrungen, sodaß viele Familien ihre Wohnungen verlassen mußten. Das Hochwasser droht die Krupp'sche Friedrich Alfred-Hütte in Rheinhausen zu überschwemmen. An der Eindämmung des Hochwafsergebiets wird eifrig gearbeitet. Die Schiffahrt ist größtenteils eingestellt. Vom Oberrhein kommen Nachrichten über anhaltendes Steigen des Stromes.
Berlin 29. Jan. (Reichstag.) Am Bundesratstisch: Kriegsminister v. Heeringen. Vor Eintritt in die Tagesordnung verliest Vizepräsident Spahn ein Schreiben des türkischen Botschafters^, in dem dieser den Dank des türkischen Parlaments für die Beileidskundgebung des Reichstags anläßlich des Brandes des türkischen Parlamentsgebäudes ausdrüät. Hierauf wird die Beratung des Militäretats fortgesetzt. Abg. Müller-Meiningen (Frs. Vp.) führt aus: Wir verlangen in erster Linie eine Reform des Straf- und Beschwerderechts. Aber der Kriegsminister hat das Beschwerderecht noch verschärft. Mißhandlungen durch alte Soldaten und auch Offiziere kommen immer noch vor. Der Duellunfug besteht noch, weil ein geradezu vorsintflutlicher Ehrbegriff in der Armee gepflegt wird. Gegenüber der Bemerkung des Vorredners, daß im bayerischen Heere die Soldatenmißhandlungen in neuerer Zeit besonders hervorgetreten seien, führt der bayerische Generalmajor v. Gebsa ttel aus, das sei nicht richtig. Der Vorredner, der im bayrischen Landtage gerade das Gegenteil gesagt habe, müsse diese Angabe beweisen. Abg. Sachse (Soz.) geht neuerdings auf den Mans- felder Bergarbeiterstreik ein und hält seine gelegentlich der diesbezüglichen Interpellation gegen die Militärverwaltung vorgebrachten Beschwerden aufrecht. Er protestiert dagegen, daß der Minister das von ihm und der Streikleitung
Unterzeichnete Telegramm nicht beantwortet habe. Das sei eine Mißachtung, die ein anständiger Mann nicht verdiene. Kriegsminister v. Heeringen: Am 22. Oktober ging die Menge erst nach zweimaligem Trommelwirbel auseinander. Um Haaresbreite wäre ein blutiger Zusammenstoß erfolgt. Diese Tatsache kann nicht aus der Welt geschafft werden. Die behaupteten Verhaftungen sind nicht zur Kenntnis der Behörden gekommen. Ruhe und Ordnung trat ein, nachdem die Ordner mit der weißen Binde aus der Menge verschwanden. Die Depesche habe ich nicht beantwortet, weil die darin berührte Angelegenheit schon lange erledigt war. Der Redner berührt dann neuerdings den Fall des Bonner Einjährigen Veith und das Blanken- burger Duell und hebt hervor, mit Strafen könne man das Duell nicht aus der Welt schaffen. Am besten werden die Duelle durch Kabinettsorder eingeschränkt. „Zwischen dem Kaiser und mir gibt es keine Mittelsperson, auch nicht in Gestalt des Militärkabinetts." Auf Paraden legen wir nur noch minimalen Wert. Abg. von Oldenburg (kons.): Wir wollen möglichst an den preußischen Traditionen festhalten. Dazu gehören Militär, Militärkabinett und adelige Offiziere. Den Sozialdemokraten paßt natürlich die preußische Tradition nicht. Der Kaiser muß jederzeit in der Lage sein, einen Offizier mit 10 Mann beordern zu können, um den Reichstag zu schließen. Abg. Singer (Soz.): fragt den Vizepräsidenten Erbprinzen zu Hohenlohe, ob er Oldenburgs Aeußerung gehört habe, die augenscheinlich zum Verfassungsbruch auffordere. Habe er sie gehört, so hätte er den Abg. von Oldenburg zur Ordnung rufen müssen. Vizepräsident Erbprinz zu Hohenlohe erklärt, er habe die Aeußerung so aufgefaßt, als ob die Disziplin im preußischen Heere bis zum äußersten gehen müsse. Hätte er sie anders verstanden, so würde er sie in schärfster Weise gerügt haben. Abg. v. Oldenburg erklärt, seine Aeußerung sei tatsächlich so gemeint, wie sie der Vizepräsident aufgefaßt habe. Die Abgg. Bassermann (natl), Gröber (Ztr.) und Müller-Meiningen (Frs. Vp.) wenden sich in scharfen Erklärungen gegen den Abg. v. Oldenburg. Abg. Müller-Meiningen (Frs. Vp.) protestiert gegen die Untätigkeit des Präsidenten. Abg. Sachse (Soz.) ruft: Herunter vom Präsidentenstuhl! Erbprinz zu Hohenlohe: Ich kann einen solchen Ausdruck nicht zulaffen, solange ich als Präsident an dieser Stelle fungiere. Ich rufe den Abg. Sachse zur Ordnung. Abg. ».Oldenburg (kons.) wiederholt seine Erklärung. Abg. Singer (Soz.) legt wiederholt Verwahrung gegen das Verhalten des Präsidenten ein. Abg. Ledebour (Soz.) ruft: Der Prä
sidentkneift. Erbprinz zu Hohenlohe ruft den Redner zur Ordnung. Darauf geht die Debatte weiter. Abg. Vogt- Hall (Wirtsch. Vgg.): Wir bitten um möglichste Beschleunigung der Abschätzungsgeschäfte bei Manöverschäden und Berücksichtigung der kleineren Betriebe bei Armeelieferungen. Kriegsminister v. Heeringen: Daß die Manöver bedeutende Anforderungen an die Landwirtschaft stellen, ist uns klar. Die Manöver sind aber eine notwendige Uebung. Damit schließt die Debatte. Vizepräsident Dr. Spahn macht Mitteilung von einem Schreiben des Abg. Ledebour, in dem dieser wegen des ihm erteilten Ordnungsrufes an das Haus appelliert. Hierüber wird am Montag ohne Debatte abgestimmt werden. Nachdem Abg. Dr. Müller- Meiningen und Generalmajor v. Gebsattel persönliche Bemerkungen ausgetauscht haben, wird die Debatte wieder eröffnet. Abg. Zubeil (Soz): Wenn das Heer eine Familie sein will, sind die Mißhandlungen um so bedauerlicher. Die Rede des Abg. v. Oldenburg ist nicht ernst zu nehmen. Bei dem Herrn scheint es im oberen Stübchen nicht richtig zu sein. Vizepräsident Spahn rügt diesen Ausdruck. Kriegsminister v. Heeringen bestreitet die Berechtigung mehrerer Beschwerden Zubeils, der falsch unterrichtet sei. Abg. Rogalla v. Bieberstein (kons.) bestreitet, daß der Abg. Oldenburg einen Gegensatz zwischen preußischen und bayerischen Offizieren gemacht habe. Bayer. Generalmajor v. Gebsattel hat in den Oldenburgschen Bemerkungen eine Beleidigung'der bayerischen Armee nicht erblicken können. Kriegsminister v. Heeringen bittet Zubeil, ihm sein Material schon jetzt und nicht erst in der dritten Lesung zugänglich zu machen. Eine Reihe von Kapiteln wird ohne wesentliche Debatte bewilligt. Hierauf vertagt sich das Haus. Aus einer längere» Geschäftsordnungsdebatte geht schließlich der einstimmige Beschluß hervor, den Appell des Abg. Ledebour erst für Dienstag auf die Tagesordnung zu setzen, wenn das amtliche Stenogramm der Rede des Abg. v. Oldenburg vorliegt. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr. Dritte Lesung des Nachtragsetats, kleinere Etats.
Berlin 29. Jan. (Beileids-Kundgebung des Kaisers.) Wie das B. T. hört, hat der Kaiser an den Präsidenten der französischen Republik ein in herzlichen Worten gehaltenes Telegramm gesandt, in dem er sein tiefes Mitgefühl mit den vom Hochwasser betroffenen Pariser Bürgern ausspricht.
Magdeburg 29. Jan. Der Nachtzug Neuhaldensleben—Eisleben ist um Mitternacht bei Eisleben im Schnee stecken geblieben. Die Strecke dürfte erst Nachmittags wieder frei werden.
„Du bist mir lieber!"
„So sagst jetzt. Wer weiß, wie Du morgen redest? Gewiesen hat sich's, daß Du selber nicht weißt, was Du willst, daß Du hin und her schwankst wie ein Betrunkener — nicht bloß zwischen der Sanna und mir, sondern überhaupt zwischen dem Brav- und Schlechtsein. Auf so einen Menschen ist kein Verlaß."
„Viktl ... ich sag nicht nein! Schau, ich geb Dir's zu, daß Du recht hast . . . wenn auch nicht in allem. Kein so fester bin ich nicht, wie ich sein möcht ... bin mehr nach meiner Mutter, die soll auch so eine gewesen sein, die's Richtige nicht hat finden können vor lauter Suchen und Sehnen ... der Fabian hat mir's einmal erzählt. Neben dem Vater, der mich immer über die Achsel angeschaut hat, Hab ich's nicht finden können. Unter lauter Mannsbilder bin ich ausgewachsen und vielleicht grad darum hat's mich immer zu den Dirndln gezogen. Das Weichherzige Hab' ich gesucht ... mit der Sanna Hab' ich als Bub viel gespielt. Wie ich sie dann wiedersah, so hat's mir den Kopf verdreht. So weichherzig wie die, Hab' ich gemeint, wär keine zweite, bis ich's dann begriffen Hab', daß sie erst recht eine Harte, Stolze ist."
„Weil sie Dir halt nicht gleich in die Arme geflogen ist!" wirft Viktl bitter ein, Fried! aber fährt, ohne dm Einwurf zu beachten fort:
„Zu gleicher Zeit Hab' ich begriffen, was Du für eine bist. Nicht auf das Gerede und nicht auf meinen Vater hast geachtet, wie ich krank war und bist bei mir geblieben. Das, Viktl, vergeß ich Dir nie! Du bist die Weichherzige, die ich alleweil gesucht Hab, und ob Du's jetzt glaubst oder nicht: seitdem schwanke ich nicht mehr hin und her. In Deiner Hand liegt's, was für ein Mensch aus mir wird. Stoßst mich mit Ernst von Dir, Viktl, dann frag ich nichts mehr nach dem Leben. Dann will ich ein Lotter bleiben, und je schneller ich mich zu Grund richt', desto lieber ist's mir. Willst es aber noch einmal mit mir versuchen . . . bereuen tätest es nicht, Viktl! Anhängen wollt' ich Dir mein Lebtag in Lieb und Treue und keinen besseren Mann könntest finden. Für Dich wär mir
Arbeiten und Bravsein grad eine Lust." Lange sagt Viktl nichts und geht schweigend neben dem Burschen her. Endlich, sie kommen schon ins Tal hinunter und die Dächer von Friedau glänzen ihnen wie matte silberne Spiegel entgegen, sagt sie mit ungewohnter Weichheit: „Die richtige Lieb hört nimmer auf, steht im Evangelium ... so werd' ich halt schon ein Einsehen und es mit Dir versuchen müssen, Fried!; denn einen anderen könnt' ich doch nimmer gern haben ..."
Es dauert lange, ehe sie die ersten Häuser von Friedau erreichen. Zu viel haben sie einander zu erzählen aus der bitteren Zeit der Trennung. Als sie aber endlich doch ans Abschiednehmen denken, sagt Friedl: „Und in vier Wochen, gelt, machen wir Hochzeit. Länger wart' ich nicht!"
Viktl sieht ihn halb erschrocken an.
„In vier Wochen schon? Jesus, Bub, was wird denn da der Vater dazu sagen? Du weißt, sie haben nur mich und mit den fremden Kellnerinnen ist's halt ein Kreuz . . . Die Mutter wird auch schon alt . . . immer haben sie sich's so ausgedacht, daß ich einen nehmen sollt' der zuheiratet zu uns und mit für's Geschäft wär. Wenn ich jetzt vom Fortgehen anfang ... Du lieber Gott, das wird ein schöner Tanz werden."
Friedl lacht sie glückselig an.
„Wenn's nur das ist . . . ich mach mir nichts aus der Landwirtschaft, und wie mich der Vater jetzt traktiert, geh' ich heut' lieber vom Kleekamphof als morgen. Zum Wirtsgeschäft Hab ich alleweil große Freude gehabt."
„Friedl — ist das Dein Ernst?"
„Und ob! „Vater und Mutter sollst verlassen und dem Weib anhangen!" so steht's auch im Evangelium! Und ich häng' Dir an mit tausend Freuden!" flüstert er ihr zärtlich ins Ohr.
„Dann ist ja alles gut!" jubelt Viktl und hat ihr altes Lachen, das ihr so gut steht, wieder gefunden. „Und weißt, wann wir Hochzeit machen? Am 12. August. Das ist der Tag der heiligen Klara und zu der Hab' ich immer ein besonderes Zutrauen gehabt."