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ans Land und brachte ihn mit Hilfe eines in der Nähe wohnenden Bahnarbeiters in einem Privathause unter
Waldsee 28. Jan. Vorgestern wurden die 3 Altäre in der Frauenbergkapelle abgebrochen, um gestern sorgfältig verpackt auf k Schlitten in das Atelier des Altarbauers und Bildhauers Th. Schnell in Ravensburg zum Zweck der Restauration verbracht zu werden. Beim Abbruch der Altäre war große Vorsicht nötig, da einzelne Statuen und Figuren durch den Wvrm gelitten haben. Am meisten defekt ist der linke Seitenalter. In der Mitra (Bischofskappe) der Nikolausstatue auf dem Hochaltar fand sich wunderbar eingebaut ein Vogelnest mit 5 vorzüglich erhaltenen Eiern vor.
München 27. Jan. (Luftschiffverkehr.) Wie die Blätter melden, wurde heute im Kollegium der Gemeinde-Bevollmächtigten ein Antrag eingebracht: der Magistrat möge die Initiative zu Verhandlungen ergreifen, damit in diesem Sommer auch ein Luftschiffverkehr mit einem Zeppelin-Ballon von München aus ermöglicht werde.
Berlin 27. Jan. Gestern abend 10.37 Uhr ist der König von Württemberg auf dem Anhalter Bahnhof zum Gebi.-rtstag des Kaisers eingetroffen. In seinem Gefolge befinden sich Generaladjutant, General der Infanterie Frhr. v. Bilfinger und Flügeladjutant von Dörtenbach. Am Bahnhof waren der Kronprinz und der württembergische Gesandte erschienen. Der Kronprinz geleitete den König nach dem Kgl. Schloß, wo der König in den Königskammern Wohnung nahm. Auch der Gouverneur von Berlin war beim Empfang am ; Bahnhof anwesend.
Berlin 27. Jan. Der Reichstag beging den Geburtstag de- Kaisers mit einer Feierinden festlich geschmückten Erfrischungsräumen des Reichstagsgebäudes, wobei Vizepräsident Dr. Spahn den Toast auf den Kaiser ausbrachte. Der Redner wies auf die Vermählung süddeutscher und norddeutscher Kultur hin, die sich mit der Belehnung des Sohnes schwäbischer Erde mit der Mark Brandenburg auf dem Konstanzer Konzil vollzogen habe. Dem deutschen Heere sei die Gestalt bewahrt, die in 3 Kriegen das Erstaunen von Freund und Feind erregt habe. Eine starke Kriegsflotte trage die deutsche Flagge, dem Feinde zum Trutz, dem Lande zum Schutz; hoch und hehr, mächtig und fest stehe das deutsche Haus. Der Kaiser habe sich erwiesen als des Weltfriedens mächtiger Hort. Deutschland an die Front der Menschheit! das sei des Kaisers Ziel. An die Abgeordneten ergehe der besondere
Ruf des Psalmisten: „Mein Tagewerk gehört dem Kaiser." Mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf den Kaiser schloß Dr. Spahn seine Rede.
Berlin 27. Jan. Während hier ruhiges Weiter mit kaltem Frost eingetrcten ist, laufen aus einzelnen Gegenden Deutschlands Sturm- nachrichten ein. In Essen brach gestern abend ein furchtbarer Sturm los, der von heftigem Schneegestöber begleitet war. Die Straßenbahnen stellten den Verkehr ein. In der Eifel dauerte der Schneefall an. Hunderte von Arbeitern sind beschäftigt, die Eisenbahnstrccken freizulegen. Der Schnee liegt mehrfach 3 Mtr. hoch. In Norddeutschland ist es zu vielen Unglücks fällen, in der Nordsee zu zahlreichen Schiffskatastrophen gekommen. Im Haag wütete gestern ein Blizzard, der im ganzen Lande große Störungen verursachte. In Nord- England herrschte gestern starker Schneesturm. In London wies das Thermometer 10 Grad Kälte auf. In Italien wütet bereits seit einigen Tagen ei n furchtbares Unwetter. Aus Venedig wurde gestern die falsche Nachricht an Beamte des Vatikans gegeben, die Stadt sei von einem Seebeben halb zerstört worden.
Paris 27. Jan. (Vom Unwetter in Frankreich.) Der Bautenminister Millerand hat über die Lage im Hochwassergebiet folgende Mitteilung gemacht: In Bray ist die Seine um 12 ein, bei Nogent um 20 cm gefallen, stieg aber noch in Monterau und Melun. Die Ionne ist bereits um 10 ein in Sens gesunken, dagegen steigt die Marne immer noch, sodaß mit einem Steigen der Seine um weitere 50 cm zu rechnen ist. Es ist jedoch anzunehmen, daß das Hochwasser der Seine heute nachmittag zum Stillstände kommen wird. Unter dem furchtbaren Druck des Wassers ist die Mauer des Bahnhofes Quai d'Orsay eingestürzt. In wenigen Minuten drang das Wasser in die umliegenden Straßen. Die Polizisten liefen durch das Viertel, um die Einwohner zu benachrichtigen. Auf das schnellste wurden Boote herbeigeholt und in einem Zeiträume von wenigen Minuten stand das Wasser 50 ein in den Straßen und stieg jede Minute noch um 10 cm. Heute früh war im Boulevard St. Germain und in der Rue du Bac die Lage sehr ernst. In der Rue de Lille haben die Soldaten einen Damm errichtet, der jedoch vom Wasser stark bespült wird und nicht lange Widerstand leisten dürfte. Am Louvre erreichte der Fluß die Höhe des Quais.
Paris 27. Jan. Das Wetter ist heute in Paris trocken. Die Nachrichten von dem Oberlauf der Seine lauten besser; doch erwartet man für morgen noch ein Steigen des Lotes um 30 cm. Ein in der Nähe des Pont Sully
errichteter Damm ist geborsten. Das Waffer überflutete den Quai und hob den Belag der Brücke empor. Der Stadtteil Bercy ist voll ständig geräumt. Im Palais Bourbon ist der innere Hof unter Wasser und nur noch ein einziger Zugang zur Deputiertenkammer vorhanden. Das Kaufhaus Printemps ist infolge derUeber- schwemmung der Kellerräume geschloffen worden. Das Rathaus von Jvry ist seit heute früh 10 Uhr unter Waffer. Die Seine nimmt fortgesetzt ab. In der Nähe von Autun ist eine Brücke eingestürzt.
Paris 27. Jan. Die Summen, welche durch die allgemeine Wohltätigkeit für die Ueberschwemmten aufgebracht wurden, betrugen bis gestern abend bei der Pressesammlung 773000 Frs.; beim „Temps" strömten allein am ersten Tage 101000 Frs. zusammen. Arme Arbeiterinnen, die 2 Frs. im Tag verdienen, brachten Gaben von 5—10 Frs.; Arbeiter betätigen sich in aufopfernder Weise an den Rettungsarbeiten, Wohlhabende stellten ihre freien Wohnungen Obdachlosen zur Verfügung. Um so größer ist die Entrüstung gegen einzelne Bäcker, die die Lage mißbrauchen und die Brotpreise ohne Grund erhöhen. In einem Vorrort nahmen Leute das Brot vom Laden und mißhandelten den Bäcker. Sie rissen ihn aus dem Laden und schleiften ihn durch Gaffen und Plätze, bis er jämmerlich um Gnade bat. In einem anderen Vorort entgingen mehrere Bäcker einem gleichen Geschicknurdurch schleunige Flucht und durch Preisgabe ihrer Waren.
Brüssel 27. Jan. (Major Parseval in Brüssel) Major Parseval hielt gestern hier vor einem zahlreichen Publikum einen Vortrag über die deutschen Luftschiff-Systeme und vor allem über sein eigenes. Der belgische Aero- Klub ernannte den Major Parseval zum Ehren- Mitglied.
Brüssel 27. Jan. (Das Erbe König Leopolds.) Es wird gemeldet, daß diebelgische Regierung auf 23 Millionen Kongo-Obligationen, welche König Leopold dem Kongo-Unternehmen als Vermögen überwiesen hat, Anspruch erhebt, weil diese aus derKongo-Kron-Domäne herrühren. Die Prinzessinnen wollen diesen Anspruch der belgischen Regierung, wie verlautet, bestreiten.
Petersburg 27. Jan. (Ein Eisenbahnunfall bei Zarskoje Selo.) Auf der nach Zarskoje Selo führenden, nur für Hoszüge bestimmten Linie ereignete sich gestern ein Unglücksfall. Ein Extrazug, in dem sich der Finanzminister Kokowzew und der Reichs-Kontrolleur Charitonow befanden, überfuhr 15 Klm. von Zarskoje Selo entfernt den Leutnant Kusminski vom Moskauischen Leib-Garde-Regiment, der im Dienst die Strecke
mit Händ' und Füß' kannst Dich stemmen gegen das, was Dir bestimmt ist — es geht doch über dich drüber, wie der Pflug übern Acker."
Felix schüttelte den Kopf.
„Ja, ja, Dirndl, so lustig ist's bei uns worden! Schier die Freud' an der Welt könnt eins verlieren dabei."
Viktl geht schweigend weiter. Endlich rafft sie sich auf zu gewaltsamem Scherz: „Wird schon besser werden, Felix! Jetzt auf der Alm oben, wett' ich, vergißst auf alles, wenn Du bei einer gewissen Rothaarigen vorsprichst, gelt?"
„O jeh!" seufzt Felix bedrückt, „die hat's Lustigsein auch verlernt. Gar nimmer zum Kennen ist die Eva."
„Ja, warum denn?"
„Wenn ich das müßt! Aber kein Wort herauszubringen ist aus ihr darüber. Manchmal kommt's mir grad so vor, als ob die Sonne überm Friedauer Tal untergegangen wär' und alles hätt' sich verändert."
Viktl seufzt und schweigt. Da gibt er ihr einen sanften Stoß: „Ra, Du — jetzt lass' am End' Du auch den Kopf hängen? Ich Hab' einen Zeisig pfeifen hören, Du wolltest Hockzeit machen mit dem Unterländer, der zur Lichtmeß bei Euch war? Da wird Dir der Sinn doch nicht aufs Traurigsein stehen?"
Viktl schüttelt den Kopf. „Es ist nichts daraus worden. Der Hans ist ein guter Bub, aber heiraten mag ich überhaupt nicht. Es wird schon so sein, wie Du gesagt hast: Die Sonn' ist untergegangen überm Friedauer Tal."
Felix schielt sie von der Seite verwundert an, sagt aber nichts mehr. Dann erreichen sie die Höhe und sehen die Sennhütten im Licht der untergehenden Sonne vor sich liegen.
„Gehst heut' noch heim?" frägt Viktl, ehe sie sich vor der Traut- wein'schen Hütte trennen.
„Nein. Ick übernacht beim Gregor und geh' erst morgen abend nach Frieda« zurück."
„Dann behüt' Dich Gott, ich muß heut noch hinunter wegen dem Gäste-Bedienen, allein könnt's der Vater nicht richten am Sonntag."
Als sie im Haus verschwunden ist, stößt Felix einen lauten Juchzer aus, der wie ein Alarmruf über das Almdorf hintönt. Und richtig fliegt gleich darauf das hölzerne Gattertor an der Habererhofhütte auf und Eva ruft scheinbar höchst erstaunt herüber:
„JefsaS, fitzt bist Du schon wieder da! Gar nicht gewußt Hab' ich's, daß die Wochen schon herum ist . . ."
Ein wenig rot wird sie dabei, denn es ist eine großmächtige Lüge. Gezählt hat sie die Stunden bis zum Samstag abend, aber das braucht er nicht zu wissen. „Die Mannsleut sind so soviel eingebildet!" dmkt Eva und tritt in die Hütte zurück,
Eine halbe Stunde später sitzt Felix, nachdem er Mehl und Salz bei Gregor abgeladen hat, vor Evas Hütte, und macht ihr neue Sohlen zurecht auf ein paar alte Schuhe — denn der richtige Bursch muß alles können, und auf der Alm gibt's keinen Schuster.
Während er den Schuh zwischen den Knien hält und bedächtig einen Nagel neben den anderen setzt, steht Eva innen am Herd und macht zur Feier des Abends ein Schmalzkoch. Dabei fliegen die Reden hin und her zwischen der rußigen Küche und der Bank vor dem Haus.
Felix erzählt, was er an Neuigkeiten aus Friedau mitgebracht hat, Eva wirft nur hin und wieder eine Bemerkung dazwischen.
Zuletzt kommt er auch auf den Habererhof und die Hobeinin zu reden, die immer herrischer auftritt und gestern sogar dem alten Andres! mit dem Davonjagen gedroht hat. Auch vom Franz ist die Rede und daß sie sagen, er sei wieder nach Amerika zurück.
Darüber wird Eva ganz still, und als sie nach einer Weile mit dem fertigen Schmalzkoch vor die Hütte tritt, bemerkt Felix erschrocken, daß ihre Augen rot und die Wangen blaß sind.
(Fortsetzung folgt.)
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