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Kellerfenster, dessen Eisenstäbe er ausbrach, ein und trat nach gewaltsamem Oeffnen der Kellerund Oehrntüre in das Studierzimmer des Pfarrers. Glücklicherweise wurde er in seiner Arbeit bald gestört, sodaß ihm nur wenig Verwertbares in die Hände fiel. In der Dunkelheit entfloh er. Die Fahndung nach dem Diebe wurde energisch ausgenommen.
Gün drin gen OA. Horb 12. Jan. Im Jahre 1830 kaufte Pfarrer Bäuerle einen morsch ^ gewordenen Bilderaltar um einen Gulden und 30 Kreuzer und ließ ihn nach Gündringen fuhren, wo er verbrannt werden sollte. Auch die Bilder sollten zersägt werden, kamen aber, als der Schreiner Fürbitte für sie einlegte, auf die Pfarrbühne. 1837 wurden sie auf die drei Altäre gestellt und 1867 von Maler Lang in Ulm renoviert. Die sechs Bilder sind äußerst wertvoll, jedes von ihnen hat nach Schätzung eines Münchner Professors einen Wert von 10000 Am 1. Mai 1908 kamen sie nach Stuttgart zu einer zweiten Renovation. Nach fast zweijährigen Verhandlungen bot die staatliche Kommission, um die Bilder der Rückseite, die sich auf die Dauer in der Kirche nicht hätten erhalten lassen, zu retten, 15 000 oder 12 000 ^ und drei Kopien. Der Kirchenstiftungsrat hat nun in seiner letzten Sitzung in geheimer Abstimmung mit 5 gegen 2 Stimmen bei einer Stimmenthaltung den Verkauf der Bilder um 15 000 ^ beschlossen. Die Bilder kommen jetzt in die Kunstgalerie nach Stuttgarts
Freudenstadt 12. Jan. Der Schultheiß Walther von Aach hat die ihm von der Deutschen Partei angetragene Kandidatur angenommen.
Vom Heuberg 12. Jan. Schon seit einem Jahre bildet hier eine Milli onen- erbschaft aus Amerika auf und um den Heuberg das Tagesgespräch von Männern und Frauen. Kenner der Sache behaupten, dotz diese die riesige Summe von 360 Millionen Mark betrage. Fast jeder Ort des Bezirks hat solche glückliche, hoffnungsfreudige Erben. Der Hauptteil würde jedenfalls nach Bubsheim kommen, von wo der reiche Erbonkel stammt. Dieser soll schon lange von dort nach dem Lande der Millionen ausgewandert sein und die Riesensumme hinterlassen haben. Schon vor 25 Jahren sprach man von der gleichen Erbschaft, ohne aber zu einem Resultate zu kommen. Viele schütteln deshalb ungläubig den Kopf und wollen nicht mehr an die Erbschaft glauben, wenigstens nicht, daß sie auf den Heuberg kommt. Auch der Staat würde ein gutes Geschäftchen machen und dürfte dann der Eisenbahnbau rascher vor sich gehen, daß man auch die Riesensumme besser auf die Berge be
fördern könnte. Es fehlt auch nicht an Stiftungen jeglicher Art, die gut gelaunte Erben zu machen versprechen, wenn sie einmal die Glücklichen sind. Gut Ding braucht lange Weil, wird es auch hier heißen. Wenn die Erbschaft auch erst später kommt, man kann sie immer noch brauchen.
Wangen i. Allg. 12. Jan. Gestern abend V-6 Uhr erfolgte im Keller des Kaufmanns R. Sali Schamm eine sehr heftige Benz in - explosion. Der Knall wurde weithin gehört. Die Zugangstüre und ein Teil des Mauerwerks wurden weggerissen. Der im Keller beschäftigte Hausknecht erlitt schwere Brandwunden. Der ganze große Keller, in dem vielerlei Oele lagerten, bildete ein großes Feuermeer. Die alarmierte Weckerlinie rückte aber nach einigen Minuten dem gefährlichen Brande zu Leibe und es gelang ein Weiterumsichgreifen des Feuers zu verhindern.
München 12. Jan. (Großfeuer.) In der Aktien-Ziegelei München ist gestern ein verheerendes Großfeuer ausgebrochen, das vier Gebäude ergriff. Der Brand wütete abends noch in voller Stärke fort.
B erlin 12. Jan. (Reichstag.) Vizepräsident Spahn eröffnet« die Sitzung um 2'/« Uhr. Am Bundesratstisch sind die Staatssekretäre Delbrück, Wermuth und Krätke anwesend. Ms der Tagesordnung stehen zunächst die -Interpellationen Horn-Neisse und Brandys (Pole) betr. Maßregelung von Reichsbeamten wegen Ausübung ihres Kommunalwahlrechts. Staatssekretär Delbrück erklärt sich zur sofortigen Beantwortung der Interpellationen bereit. Abg. Graf Oppersdorf (Ztr.): Die Gemeinderatswahl in Kattowitz führte zu Maßregelungen von Reichsbeamten. Bei politischen Beamten soll politische Agitation gegen staatliche Einrichtungen nicht geduldet werden. Aber Postbeamte sind keine politische Beamten. Ferner sind Kammunalwahlen keine politischen Einrichtungen. Daher ist ein Eingreifen des Staatssekretärs hier un »lässig. Die politische Frage kann man nur durch Versöhnlichkeit lösen. In Kattowitz hat man die Polen und das Zentrum in schärfster Weise angegriffen. Das hat aber die Entschließungen der Regierung in keiner Weise beeinflußt. Das größte Uebel ist politische Heuchelei. (Bravo im Zentrum und bei den Polen.) Die Polen haben der Regierung in kritischen Zeiten große Dienste geleistet. (Aha! links.) Die polnische Sprache wäre aus Oberschlesien längst verschwunden, wenn sie nicht immer wieder durch falsche Maßnahmen der Regierung wachgerufen worden wäre. Wir bedauern die Vorkommnisse und verlangen
Maßnahmen, die eine Wiederholung dieser Dinge verhindern. (Lebhafter Beifall im Zentrum und bei den Polen.) Dann spricht Abg. Korfanty (Pole): Man muß den Hintergrund kennen auf dem sich die Maßregelung vollzogen hat. Die Bevölkerung ist zum allergrößten Teile polnisch und katholisch. Die Liberalen stehen im Dienste des Großkapitals und der politischen Reaktionären. Die wirtschaftlich abhängigen Arbeiter werden von diesen Hurrapatrioten terrorisiert. Gegen diesen Terrorismus haben sich dort die Arbeiter und der Mittelstand zur Selbsthilfe zusammengeschlossen. Nun bekämpft man sie als politische Hochverräter. Wir lasten uns nicht bekämpfen und in unseren Rechten beschränken. Die Behörden in Oberschlesien wirken ganz öffentlich gegen Zentrum und Polen. (Hört, hört!) zusammen mit den Kriegervereinen und sonstigen politischen Schlingpflanzen. (Heiterkeit.) Leute, deren Kinder die höhere Schule in Kattowitz besuchen, wurden wegen des Verdachts, die großpolnische Agitation unterstützt zu haben, in Orte ohne höhere Schule versetzt und Leute, die täglich die Messe besuchen, wurden nach Gegenden ohne katholische Kirchen im Interesse des Dienstes abgeschoben. (Lebhaftes: „Hört, hört" und Pfuirufe im Zentrum und bei den Polen). Tatsächlich hat man die polnische Gefahr nur vorgeschützt, um durch andere Zusammensetzung der Gemeindekörperschaften ein Gemeindewahlrecht zu erreichen, das auch für die Körperschaftswahlen einen antipolnischen Einfluß schaffen konnte. Wir klagen die Regierung an, daß sie im Kampf, den der Mittelstand und der Arbeiterstand mit dem Großkapital führt, offen zu Gunsten des letzteren Stellung genommen hat. Wir klagen sie an, daß sie mit solchen Maßregelungen gegen die Verfassung verstoßen hat Staatssekr. Delbrück: Bei den Wahlen haben 14 Postbeamte und 1 Beamter der Reichsbank für die Polen ihre Stimmen abgegeben. Außerdem hat ein noch nicht wahlberechtigter Postbeamter sich agitatorisch betätigt, trotzdem alle diese Beamten durch ihre Vorgesetzten über ihre Pflicht belehrt worden waren. (Lärm links und Zurufe.) Diese Beamten wurden versetzt. Es handelt sich nicht um Strafversetzungen, sondern um Versetzungen im Interesse des Dienstes. (Gelächter links und Zurufe.) Ich kann verlangen, daß sie mich ruhig anhören. Diese Beamten wurden versetzt nach Orten, wo sie keine Gefahr laufen, mit ihrer Beamtendisziplin in Konflikt zu kommen. Sämtliche Reichsbeamte sind nach dem Reichsbeamtengesetz auch Landesbeamte, dte nach dem preußischen Gesetz dem König Treue und Gehorsam geschworen haben. Die Beamten stehen grundsätzlich in Ausübung ihrer bürgerlichen Rechte allen Staatsbürgern gleich. Ihre politische Betätigung
„Schau, Viktl, mußt nicht so sein mit mir. Hab' Dir grad nur danken wollen, daß Du so gut warst mit mir . . . Drei Wochen lang steh' ich früh und abends auf der Paff' und allweil bist mir entwischt. Und ein bissel mußt mich doch gern haben, daß Du wegen mir auf den Kleekamphof kommen bist?"
Sie lacht kalt und spöttisch auf.
„Wegen Dir! Bild' Dir das nicht ein! Wegen der Lori bin ich hinauf und Dich Hab ich halt so nebenbei gewartet aus Nächstenlieb'". —
„So? Lügen kannst auch? Als wenn mir's der Vater nicht auch erzählt hält' . . ."
„Und kurz und gut, ich habe nichts zu schaffen mit Dir! Laß mich in Ruh!" schreit Viktl plötzlich aufgebracht und macht unversehens einen Satz vom Weg ab in das dunkle Buschwerk zur Seite.
Friedl ihr nach. Aber wie er auch herumtappt und gute Worte gibt und sucht, von Viktl ist keine Spur mehr zu sehen. Seufzend macht er sick auf den Heimweg. Da — wie er fast schon wieder oben ist am Abhang, hört er tief unter sich ihr lautes Hohnlachen.
Wie verrückt rennt er zurück. Sie ist wieder am Weg, und er sieht ihre dunkle Gestalt vor sich her laufen. Dazu tritt der Mond jetzt noch hinter dem Wald hervor und macht alles ringsum licht. Friedl ist ein gewandter Bursche, einholen muß er sie, daran ist kein Zweifel. Und dann soll sie's büßen . . .
Schon ist er ihr ziemlich nahe und die ersten Häuser des Dorfes tauchen auf. Da kommt der Viktl eine breite Männergestalt in den Weg. Sie will ausweicken, stolpert und fällt der fremden Mannsperson mit einem Schreckensruf gerade in die Arme.
Friedl hört, wie sie sagt: „Jffus Maria, wer seid Ihr denn, daß Ihr mich so ftsthaltet? Gleich läßt aus!" Er will zuspringen und Viktl befreien, da bleibt er wie angewurzelt mitten aus der Straße stehen. Der Fremde hat lachend geantwortet: „Kennst mich wirklich nimmer, Viktl? Der Müller-Hans bin ich aus dem Unterland, dem Dich Deine I
Eltern schon in der Wiege halb versprochen haben! Jetzt bin ich gekommen und möcht', daß Du'S ganz tust. Deine Mutter hat mich Dir entgegengeschickt, und wenn das keine gute Vorbedeutung ist, daß Du mir just in die Arme gelaufen bist, dann will ich nicht Hans heißen!"
Viktl hängt sich an seinen Arm.
„Der Vetter bist aus dem Unterland? Das freut mich . . . und jetzt muß ich mich schon wirklich an Deinem Arm lasten, denn allein käm' ich nimmer heim. Den Fuß Hab' ich mir ein bissel übertreten."
Damit verschwinden beide allmählich vor Friedels Augen in den weißen Nachtnebeln. Seltsam betreten steigt der Bursche den Weg zurück zum Hof.
Am anderen Morgen als der Kleekamp nach dem Frühstück allein in der Stube sitzt, öffnet sich die Tür und Lori tritt herein.
Ihr Gesicht ist hart und unbewegt wie immer, aber der Stini hat recht, wenn sie die Augen offen hat, zweifelt man nicht mehr, daß sie ein richtiges und ganzes Frauenzimmer ist. Diese Augen haben einen sanften, weichen, sehnsüchtigen Blick, sind tiefliegend und grau, von einem feuchten Glanz überzogen, der ihnen etwas Schimmerndes verleiht.
Wer sie ansieht, muß unwillkürlich denken, daß Gesicht und Körper der Lori nur ein leeres Postament sind für die Seele, die sich in zwei kleinen grauen Fleckchen gesammelt hat und von da aus alles andere beherrscht.
Zu diesen Augen, welche sich jetzt auf den Bauer richten, will die kalte Stimme gar nicht recht paffen, mit der sie gleichsam widerwillig sagt: „Grüß Dich Gott, Kleekamphofer . . . danken muß ich Dir für die Gutheit, die Du an mir getan hast, obwohl mir's lieber wär', Du hättest es nicht getan. Und jetzt geh' ich. Behüt Gott!"
„Hast es gar so eilig mit dem Fortgehen, daß Du nicht einmal warten kannst, bis man Dir eine Antwort gibt?" sagt er finster.
„Ja. Eilig Hab' ich's, von da fortzukommen."
(Fortsetzung folgt.)