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Der Kranker bericht hat namentlich
a. über Entstehung und Verlauf der vor» liegeudeu Erkrankung, sowie über die seitherige Behandlung und den gegen- wSriigen Zustand die zur richtigen Be- urte lung des Falles nötigen Einzelheiten alle genau zu enthalten.
(Verweisung auf in früheren Jahren eingeschickte Zeugnisse ist nicht zulässig.)
b. darüber Auskunft zu geben, ob nach Ansicht de- Arzte- eine Badekur in Wildbad radiziert und ob durch eine solche die Herstellung de- Kranken oder eine wesentliche Linderung mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist,
c. sich bestimmt darüber auszusprechen, ob und inwieweit vermöge seine- körperlichen Zustande- der Bittsteller imstande ist, sich selbst Hilfe z« leisten, namentlich ob er gehen kann oder ob er gefahren oder getragen werden muß.
Die Bittsteller haben die nach vorausgegangener höherer Entschließung erfolgende Einberufung durch die K. Badverwaltung zu Hause abznwarteu.
Da die Belastung der einzelnen Kranken in dem Katharinenstift ganz davon abbänpt, ob die in den Zeugnissen angegebenen Verhältnisse nach dem Eintritt der Kranken mit dem Tatbestände übereinstimmend gefunden werden, so ist genaue Ausstellung namentlich der ärztlichen Krankenberichte im eigenen Interesse der Kranken dringend notwendig.
Von den Gemeindebehörden wird mit aller Bestimmtdeit erwartet, daß sie Leuten, welche nicht zu den Unbemittelten gehören, oder solchen, von welchen eine Belästigung der Kurgäste zu befürchten wäre, keine Zeugnisse ausstellen.
D'e K. Oberämter werden ersucht, gegenwärtige Bekanntmachung mit dem Ansitzen in die Bezirksblätter einrücken z» lasten, daß Gesuche, welche «ach dem 18. März etnkommen, nur in besonders dringende» Fällen be- rückfichttgt werd-n.
Gesuche, welche den vorstehenden Anordnungen nicht entspreche«, insbesondere so. che, welche ungenügende ärztliche Zeugnisse enthalten, müßten
als portopflichtige Dienstsache znr Ergänzung znrückgegeben werden.
Wildbad, 5. Januar 1910.
K. Badverwaltung.
Tagesueuistkeiterr.
8 Bad Tein ach 10. Jan. Daß sich auch auf dem Lande ein erfreuliches Wiedererwachen des Sinnes für politische Betätigung zeigt, beweist der überaus zahlreiche Besuch, der am letzten Samstag vom hiesigen Volksverein einbe- rufenen öffentlichen Versammlung. Als Redner hatte der Volksverein den Reichstagsabgeordneten Wagner von Calw gewonnen, welcher in 1'/-stündigem Vortrag einen „Rückblick über die
Arbeiten des Reichstags" gab, wobei er namentlich die vom schwarz-blauen Block gefertigte famose Finanzreform einer kritischen Beleuchtung unterzog. Die aus der Mitte der Versammlung gestellten Fragen beantwortete der Redner in sachgemäßer und leichtverständlicher Weise, wofür ihm auch seitens des Vorsitzenden des Volksvereins der verdiente Dank ausgesprochen wurde.
Stuttgart 11. Jan. In dem Schadenersatzprozeß des bei der Echterdinger Katastrophe verunglückten Mechaniker B öhler gegen den Grafen Zeppelin stand heute vor der Zivilkammer des Landgerichts Termin an. Es wurde, da die Vergleichsverhandlungen endgültig gescheitert sind, über die Frage der Fahrlässigkeit verhandelt. Der Vertreter des Klägers, Rechtsanwalt Dr. Lindenmaier, beantragte, die Majore Parseval, Groß und Sperling, sowie den Ingenieur Klöpferer-Paris als Sachverständige über die Frage zu vernehmen, ob Fahrlässigkeit bei der Behandlung des Luftschiffes unter den obwaltenden Umständen vorliege. Der Vertreter des Beklagten erklärte sich mit der Ladung dieser Sachverständigen einverstanden und erklärte des weiteren, daß eine gütige Erledigung der Sache angesichts der übertriebenen Ansprüche des Klägers ausgeschloffen sei. Der Beklagte wünsche eine Entscheidung des Gerichts, ob er schuldig sei oder nicht. Der Vertreter des Beklagten führte des weiteren aus, daß sich der Kläger auf einem Platze befunden habe, den zu betreten er nicht berechtigt gewesen sei; der Landungsplatz sei Privateigentum. Das Gericht hat die Entscheidung auf den Grund des Anspruchs beschränkt und wird über die Höhe später entscheiden. Der Kläger verlangt vorläufig 13 000^ und zwar 10 000 ^ Schmerzensgeld und 3000 ^ baren Schaden. Der Gerichtsbeschluß wird in acht Tagen verkündet.
S tuttg art 11. Jan. (Strafkammer.) Am 16. Dezember kam der vorbestrafte ledige 41 Jahre alte Kaufmann Johann Brücker von Hamburg in die Wohnung eines hiesigen Fabrikanten und sagte zu dem Dienstmädchen, er möchte den Herrn sprechen. Das Dienstmädchen führte ihn in ein Zimmer und meldete ihn bei der Herrschaft an. Während Brücker allein im Zimmer war, sah er in einem Nebenzimmer auf einem Tisch, eine goldene Kette, eine Geldbörse und eine Uhr liegen. Er nahm rasch die Sachen weg, steckte sie ein und verschwand damit. Als er die gestohlenen Gegenstände, die einen Gesamtwert von über 600 hatten, verkaufen wollte, wurde er verhaftet. Brücker ist wegen ähnlichen Diebstähle vorbestraft, er hatte sich unter dem gleichen Vorwand in Wohnungen Eingang verschafft und dann
Diebstähle begangen. Bei dem Fabrikanten wollte er um eine Unterstützung nachsuchen. Die Strafkammer verurteilte ihn in Anbetracht seiner vielen und erheblichen Vorstrafen zu 1 Jahr 6 Monaten Zuchthaus.
Stuttgart 11. Jan. Die Wirkung der von Partei und Gewerkschaften ergriffenen Maßregeln gegen die Milchverteuerung hat sich prompt eingestellt. Die Milchhändlervereinigung Stuttgart hat am Sonntag beschlosten, auf den alten Preis von 20 ^ für das Liter Milch zurückzugehen! Der Beschluß ist gestern, Montag, bereits in Wirksamkeit getreten. Damit ist ein Teil dessen, was Partei und Gewerkschaften anstrebten, erreicht. Der unverschämten Preistreiberei bei einem so wichtigen Nahrungsmittel ist ein Ende gemacht worden, wenigstens vorläufig. In Zahlen ausgedrückt bedeutet der Erfolg der organisierten Arbeiterschaft für die Stuttgarter Bevölkerung eine Ersparnis von mindestens 400 000 ^ jährlich, für die kinderreiche Arbeiterfamilie eine Minderausgabe von 15—25 im Jahre. Partei und Gewerkschaften werden den Milchvertrieb fortsetzen.
Zuffenhausen 11. Jan. Einem alten Zuchthäusler, der mehrere Jahre Zuchthaus abzubüßen hatte, sind infolge Wohlverhaltens zweieinhalb Jahre seiner Strafe geschenkt worden. Da er aber in letzter Zeit verschiedene strafbare Handlungen beging, wurde der Strafnachlaß wieder aufgehoben und nun ist der wackere Bruder gestern früh hier verhaftet, worden und in sein altes „Heim" wieder abgeliefert worden.
Ludwigsburg 11. Jan. Der wegen Verdachtes, den Brand im Grafischen Küblereianwesen in der Samstagnacht gelegt zu haben verhaftete, 22 Jahre alte Eisendreher Heinrich Holzäpfel, hat jetzt ein Geständnis abgelegt. Der wenig gut beleumundete Bursche scheint keinen anderen Beweggrund gehabt zu haben, als den, der Freude am „Zündeln". Er hat übrigens in der benachbarten Franck'schen Zichorienfabrik, in deren Hof er durch Uebersteigen des Tores eindrang, das Feuersignal durch Ziehen der Brandglocke gegeben.
Tübingen 11. Jan. Wie der Oberbürgermeister in der letzten Gemeinderatssitzung mitteilte, hat die Generaldirektion der Staatseisenbahnen versichert, daß die Endstrecke der Tübingen —Herrenberger Bahn von Pfäffingen bis Tübingen-Hauptbahnhof bestimmt am 15. Mai oder allerspätestens am 1. Juni dem Betrieb wird übergeben werden können. Die Ausbesserungen am Bahndamm, die durch Senkungen nötig geworden sind, werden nicht eher beendet sein. Auf eine Strecke von ca. 250 Metern hat sich bei Pfäffingen infolge des
Die Wunde verheilte in schönster Ordnung, aber Lori lag immer da mit geschlossenen Augen und regungslos, als wenn sie schliefe. Mechanisch schluckte sie das ihr gereichte Esten hinunter, ließ sich waschen und umbetten, aber alles, ohne aus dem seltsam lethargischen Zustand zu erwachen, in dem sie sich befand."
„Es ist ein interessanter Fall", erklärte der Bader mit weiser Miene. Er hielt sich eine populärwissenschaftliche Zeitung und besaß den „Naturheilarzt". Daraus wandte er der Reihenfolge nach verschiedene Mittel an, aber es half keines.
„Die Müdigkeit schläft sie aus", behauptete Stini, „wenn halt eins, das sein Lebtag über die Kräfte gearbeitet hat, zum Liegen kommt, dann kann sich's gar nimmer herausfinden aus dem Schlaf. Bis sie genügsam ausgeruht ist, wird sie von selber zu sich kommen. Nur Zeit lassen und gut zu essen geben."
„Spart nichts!" befahl der Kleekamp, der in diesen Tagen unruhig umherging und noch wortkarger war als sonst. Der Lori ihre Krankheit ging ihm näher, als er zeigen wollte.
Das zog sich hin bis vor Lichtmeß. Friedl, der längst gesund war, wenn er auch hie und da noch Schmerzen verspürte, ging in einer verbissenen Stimmung umher und gönnte keinem ein Wort.
Alles Sonnige, Sorglose schien aus seinem Wesen wie weggewischt. Mancherlei wurmte ihn. Vor allem, daß die Sanna Ernst machte und ihm so erfolgreich auswich, daß er nickt dazu kommen konnte, mit ihr zu reden. Auch Stini gab ihm wenig Worte. Am allermeisten aber erboste Friedl das Gehaben der Vikrl.
Vom Vater wußte er, daß sie es war, die ihn während der ärgsten Zeit gepflegt hatte. Als aber das Fieber schwand, überließ sie Friedl dem Felix und zog hinauf zur Lori. Sie schlief nickt mehr im Kleekamphof, sondern ging jeden Abend nach Friedau hinab, während die Zirken Wabi, ein altes Weib aus dem Dorf, die Nachtwache bei Lori übernahm.
Dabei und wenn Vikrl am Morgen wiederkam, lauerte Friedl ihr auf. Er mußte ihr doch danken . . .
Aber wie geschickt er es auch anstellte — die Viktl war immer schon da oder fort, wenn er auf sie paßte. Auch wählte sie jedesmal einen anderen Weg. Zuletzt ging er eines abends hinab nach Friedau ins Wirtshaus. Aber auch dies war vergebens, denn Viktl ließ sich nicht blicken und Vater Trautwein übernahm die Bedienung.
Da begriff Friedl endlich, daß sie ihm auswich. Aergerte ihn das so von der Sanna, von der Viktl machte ihn das geradezu wütend.
Was glaubte das Dirndl denn? Früher war sie froh, wenn er ihr ein gutes Wort gab, und jetzt spielte sie die Hochnäsige! War er etwa nicht mehr der reiche, hübsche Kleekampbub?
Es ist am Tage vor Lichtmeß.
Viktl sitzt neben Loris Bett und blickt aufmerksam auf die Kranke. Sie kommt ihr heute anders vor als sonst. Unruhig wirft sie sich manchmal hin und her und die Augenlider zucken zuweilen.
Da klopft es leise an die Tür. Viktl erhebt sich und guckt hinaus.
„Ah, Du bist es, Felix, was willst denn?"
„Hinunter sollst ein bissel kommen zum Friedl — er möcht gern was reden mit Dir."
Viktl wirft den Kopf zurück.
„Ich bin nicht wegen dem Friedl am Kleekamphof, sag' ihm das. Und daß ich keine Zeit Hab'."
„Soll ich ihn vielleicht heraufschicken zu Dir?"
„Nicht unterstehen! Müßt nicht, was ich mit ihm zu reden hält'!"
„Bist aber geschnappisch heut'!" staunt Felix. „Hast doch so schön Kranken gewartet bei ihm —"
„Und jetzt ist er gesund und geht mich nichts mehr an! Grad aus Christenlieb' Hab ich ihn gewartet!"
(Fortsetzung folgt.)