von Beamten in Schlesien glaube er kaum, daß diese Parteien sich wieder finden werden. Die Nationalliberalen würden in dieser Frage der Polenpolltck die H-ltung der preußischen Regierung gutheißen und es billigen, wenn solchen Beamten, die nicht treu zur deutschen Sache stehen, das Nötige bemerkt werden. Hier würden Zentrum und Sozialdemokratie als Hüter der Freiheit wieder Hand in Hand gehen. Auch bei der preuß-scheu Wohlrechtkvorlage werde das intime Verhältnis zw scheu Zentrum und Konse, Dativen ganz bedaurr- liche Risse aufweisen und auch in streng kirchen- politischen Fragen müsse eS sich zeigen, ob auf die Dauer sich die konservative Partei an der Seite des Zentrums finden lassen weide. Das Zentrum versichere, daß es keine konfessionelle Partei sei, doch außerhalb des Zentrums glaube das kein Mensch und auch ia Zentrumkwählerkreisen werde sich ein leises Kopfschütteln bemerken lassen Las Zentrum sei durch seine ganzen politischen Motive, die ausgesprochenste konfessionelle Partei, die es in einem parlamentarischen Lande je gegeben habe. Im Wachstum der Sozialdemokratie sehe man eine Folge des Zusammenbruchs des Blocks. Man lübe es, anch den Nationalliberalen einen Teil der Schuld an dieser Brwegung beizumcssen. Angenommen, die Partei hätte auch für d ese Art der Steuergesetzgebung gestimmt, glaube denn irgend ein Mensch das Wachstum der Sozialdemokratie wäre dadurch gebemmt worden? Das gerade Gegenteil dürfte richtig sein. Die Nationalliberalen blieben im Verhältnis zur Sozialdemokratie die Alten und nach wie vor m einer grundsätzlichen Kampfstellung Solange sie sich auf internationalem Boden stellt, in allen nationalen Fragen verneinend zur Seite steht, im vollsten Bewußtsein als Klassenpartei auflrttt und die Monarchie grundsätzlich bekämpft. Wir werden bei unserer künftigen Haltung nicht vm Haaresbreite von der Linie durch und durch nationaler Politik abweichen. Wenn etwa links von uns die Neigung bestehen sollte, aus unserer j-tzigen politischen Stellung irrige Konsequenzen zu ziehen, so würden w r da« für einen bedauerlichen Fehler halten. Wir haben keinen Grund, cbzugehen von uns rer bisherigen W rtschafts- und Handelspolitik und wollen, daß die Sozialpolit k in den Bahnen fortgeführt wird, die Bismarck und der alte Kaiser etnge'chlagen hoben. Durch die Natur unserer Partei sind wir daraus angewies-n, eine vernünftige Mittelstandspolitik zu treiben. Wir verlangen weiter eine l berale Ausgestaltuna des Ver- fossungslebens und wünsch! n, daß d-e Wahlrechtsfrage von unseren Freunden in Preußen in einem aufrichtig liberalen Sinn in die Hand genommen werde und daß sie aus den süddeutschen Verhältnissen erkennen, daß eS auch auf dem Wege d r freiheitlichen Gestaltung der Verfassung out g ht mit dem Schicksal eines Volkes. Nach Bcspr'chuug einiger Fragen der wü ttemdergischen Po ilik schloß Hieber mit dem Gelöbnis, daß die Partei im Wechsel der Jahre und Personen auf der unverrückbaren Grundlage des nationalen Gedankens und des besonnenen Fortschritts weiter arbeiten werde (Lmg- anhaltender, für Mischer Befall) Reichstagsabg Prof. Wetze! sprach hierauf über „Staatsbürgerliche Erziehung*. Unter Hinweis auf die sozialdemokratische Jugendoroan sanon. auf den katholischen Volksverein, die Wirdthorstbünde ermahnte er zu gleichem Vorgehen auf national- l.beraler Seite, um die Jugend auch in nationaler, staatsbürgerlicher Hinsicht zu «rziehen. Es " üß'en Erzt her gewonnen werden, die wie PH losophen denken und wie Bauern reden Der e'gei llicbe Ort für staatsbürgerliche Erziehung s i die Fortb ldun s schule. In München, Lämma.k und der Sckw'tz habe man vorbildliche Einr chmngen getroffen. Es sei notwendig, in dieser Bez chnoa energisch vo: zu- gkhen denn wenn in jedem Bürg r eiwrs von staatsbürgerlichem Wissen vorhanden sti, davo> h -be auch der Staat sci en Vorteil. (Lbh. Beifall) Das Rferat über „Die Kanalisation des Neckars" erstaüete Landtagsabo. Kübel. Er ver<rat in energischer Weise die Auffaffuna der württembergischen Regierungskreise. sow e d r Interessenten vom Handel und der Jnduirrte Die Bedeutung des Kanals für unser Land sei längs« e - kaum. Es handelte sich um eire Lebertzf ag> in- kie wirtschaftliche Entwickelung W'.rtlem era«. Be Besprechung der sächsisch-badischen D rksch ist -r klärte er das M ßtrauen aegen Preußen fii un gerechtfertigt und sprach sich für de p^-uß scheu Vorschlag betr. Gründung von Zwcckve bänden aus Man solle jetzt nicht Wb der denselben Fehler w e bei den Reichseiserbehnen m chen. Leb: ef -r B- - fall.) Geh Hofrat Dr. v Jobst tra- ole'chf ll» für den p-erßischen Vo schlag ein m d heff e daß die Sch ffah ts<eme«nsch ft ein guter Vo lauf r für die Etscnb hnoem inschatt sei Der R ck in des Ministers von Pschek wäre tief zu -klagen und könnte gerade für die Sache das Kanal» v- hän„-
nisvoll werden. Er wünsche, daß der Minister wenigstens solange bleibe, bis die Necken kanol sation gesetzlich sestgelegt ist. (Beifall.) Zum Schluß nahm die Versammlung folgende Refolut'on einst mmig an: „Die Landesversammlung der National- liberalen Partei hält die Förderung der Binnenschiffahrt durch Flußkorrekitonen und Kanalbauten, insbesondere die Hebung der Schiffahrt auf dem Rh:in und die Schiffbarmachung des Neckars, für »eine der wichtigsten volkswirtschaftlichen Aufgaben im Deutschen Reich. In dem von Preußen dem BundeSrat unterbreiteten Vorschlag, ?w:schen den an einem Stromgebiet interessierten Bundesstaaten wirtschaftliche Zweckverbände mit der Berscht gung zur Erhebung mäßiger, ausschließlich der kchiffahrt dienender Abgaben zu bilden, «blickt die Landes- verscmmlung einen geeigneten Weg, um insbesondere die Kanalisierung des Neckars in Bälde ohne zu starke Belastung der würtlemb. Stawsfinanzen zur Durchführung zu bringen."
Stuttgart 8. Jan. (Hansa-Bund und Telephonverteuerung.) Der geschäftsführende Ausschuß des Württembergischen Landesverbandes vom Hansabund für Gewerbe, Handel und Industrie hat in Uebereinstimmung mit den zahlreichen Organisationen des Hansabundes in Württemberg hinsichtlich der geplanten Aenderung der Fernsprechgebührenordnung folgende Aeußerung beschlossen: „Der Fernsprecher muß ein Werkzeug des täglichen Gebrauchs sein, hat jedoch in Deutschland, im Gegensatz zu anderen Ländern, insbesondere zu Schweden, bei weitem nicht die ihm gebührende Benutzung und Popularität gefunden, und zwar um deswillen, weil seine Benutzung bisher für die großen Kreise des Verkehrs, namentlich aber für das Mittel- und Kleingewerbe und das Handwerk, sowie für Beamte und Haushaltungen, erheblich zu teuer gewesen. Wir erblicken deshalb in der jetzt vorgeschlagenen Verteuerung des unentbehrlichen und technisch noch erheblich ver- bcfferungsfähigen Verkehrsmittels eine Maßregel, die nicht nur jene weiten Kreise der Bevölkerung, sondern auch die Reichspostverwaltung selbst schädigen muß. Wir sind der Ansicht, daß die von dieser Verteuerung erwarteten Ueber- schüsse eher durch eine Herabsetzung als durch eine Erhöhung der Gebühren erzielt werden würden, und daß die dringend nötige Popularisierung des Fernsprcchwesens erreicht werden kann durch eine überaus billige Grundtoxe und. eine sehr mäßige Gesprächsgebühr, die nicht durch Zähler, sondern nach Pauschalsätzen festzustellen wäre und eventuell auch nach Maßgabe der Benutzung gestaffelt werden könnte."
Stuttgart 7. Jan. (Schöffengericht.) Der Kutscher Eugen Seibold ritt am Sonntag, 24 Oktober, in angetrunkenem Zustand die neue Weinsteige herunter. Er schlug fortwährend seinem Pferd mit der Reitpeitsche über den Kopf, so daß sich das Publikum über die rohe Mißhandlung aushielt. Als man ihm Vorhalt machte, ritt er unter die zahlreichen Spaziergänger hinein und beschimpfte sie aufs gröblichste. Einen Schutzmann, der gegen ihn einschritt und ihn vom Pferde zog, packte er an der Brust. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten wegen Tierquälerei und groben Unfugs zu einer Woche Haft und wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu 10 Tagen Gefängnis. Das Gericht ging über den Antrag des Staatsanwalts hinaus.
Ober-Eßlingen 8. Jan. Eine etwas dunkle Geschichte spielte sich hier während der Feiertage ab. Ein hiesiger Privatier, der fiüher in Spanien war, erhielt von dort ein Paket zugesandt, auf dem kein Absender angegeben war. Da cs ihm auch sonst verdächtig vorkam, es hingen nämlich, nachdem die äußere Umhüllung entfernt war, Schnüre an der inneren Umhüllung, so schickte er das Paket nach Eßlingen auf die Polizeiwache, wo es in respektvoller Entfernung von den verschiedenen Instanzen, ferner vom Gerichtschemiker beobachtet wurde. Keiner wollte so recht mit der dummen Sache zu tun haben und so wunderte das Paket wieder an seinen Empfänger zurück, der es auf den Dachboden stellte, damit nur dieser und nicht das ganze Haus in die Luft fliege, falls die Geschichte explodierte. Nach einigen Tagen beschaulicher Ruhe wurde es einem beherzten Mann übergeben, der es mit aufs Feld nahm, in eine
Grube legte, mit Pulver umgab und dieses dann anzündete. Als der Pulverdampf sich perzogen hatte, näherte er sich behutsam und da er nichts Verdächtiges wahrnahm, öffnete er eine zum Vorschein gekommene Büchse ebenso behutsam, stets gewärtig, in die Luft zu fliegen. Und siehe, in der Büchse war — eine wertvolle, feingearbeitete Taschenuhr. Die Umhüllung war in die Luft geflogen und jetzt weiß man nicht, war da ein Bombenattentat geplant, oder aber war's ein harmloses Geschenk spanischer Freunde.
Mergentheim 8. Jan. Eine unliebsame Ueberraschung wurde den von Pfitz- ingen nach Niederstetten zurückkehrenden Personen in der Sonntagnacht zuteil. Diese wurden von fünf betrunkenen Burschen überfallen und in schlimmer Weise mißhandelt. Unter den Mißhandelten befindet sich ein friedlich seines Weges ziehendes Brautpaar. Die Sache ist bereits dem Gerichte übergeben und es wäre zu wünschen, daß die Täter einen ordentlichen Denkzettel bekommen.
Ulm 8. Jan. Unter dem Geflügel- bestande des Tierhändlers Julius Mohr im Donaural ist die Geflügelcholera ausgebrochen. Bei der großen Menge von in- und ausländischem Geflügel, das dort beisammen ist, dürfte die Krankheit großen Schaden anrichten.
Ulm 8. Jan. Auf dem Wochenmarkt sind durch die Polizei 40 Gänse beschlagnahmt worden, die schon im Zustande beginnender Fäulnis waren. Es stellte sich heraus, daß die Verkäuferin die Gänse schon am Markte zuvor feilgehalten, wegen zu niedrigen Preisen aber nicht abgegeben hatte. Nun hat sie einen Schaden zu tragen, der dem vollen Wert der 40 Gänse entspricht.
Konstanz 8. Jan. Vorgestern Vormittag 9 Uhr fühlte sich ein Ochse im Stalle des Metzgcrmeisters Eulger unbehaglich und trat eine Moi gerPromenade an den See an. Er spazierte bis zum Leuchtturm hinaus, und als man versuchte, seine Reise zu stören, sprang das Tier kurzerhand beim Gondelhafen ins Wasser und schwamm ein großes Stück in den See hinaus. Schnell war eine unserer kleinen Seeschwalben bei der Hand, fuhr dem vierfüßigen Schwimmer nach und dirigierte ihn an einem „Lasso" wieder aus die feste Erde. Es war das zweifellos, trotz aller Aufregung, ein ungemein köstlicher Anblick.
Bruchsal 8. Jan. Die Blättermeldung, daß der frühere Rechtsanwalt Hau aus dem hiesigen Zuchthaus flüchten wollte, ist nicht richtig. Ein Ausbruchsversuch wurde tatsächlich gemacht, doch war Hau, der in der Schreinerei beschäftigt ist, nicht daran beteiligt. Auszubrechen versuchten ein zu lebenslänglichem und ein zu 6 Jahren Zuchthaus Verurteilter, die sich an einem zusammengeflochtenen Meerrohr an der Mauer herab- laffen wollten, aber durch die Wachsamkeit des Hundes entdeckt wurden.
Berlin 8. Jan. (Brand in der Borfig'schen Maschinen-Fabrik.) Ein großer Brand in der Borfig'schen Maschinenfabrik in Tegel, der heute Nacht gegen 3 Uhr ausbrach und sofort einen erheblichen Umfang annahm, hat einen großen Teil der Eisengießerei vernichtet. Der angerichtete Schaden dürfte 50000 ^ betragen. Tie EntstehungS- msache des Brandes konnte noch nicht ermittelt werden.
Berlin 8. Jan. (Absturz mit dem Flug-Apparat.) Heute Nachmittag stürzte auf dem Flugplatz in Johannistal der Mechaniker Keidel aus einer Höhe von 10 Meter ab. Keidel, der von Orville Wright selbst ausgebildet ist, führte einen Wright-Apparat und bildete seinerseits Schüler aus. Der Absturz erfolgte infolge Zerreißens eines Drahtes an einer Stabilisierungsfläche. Keidel ist leicht verletzt, der Apparat schwer beschädigt.
Posen 8. Jan. (Ein Bahnwärter mit seiner Familie ermordet.) Zwischen den Stationen Pludy und Jablonna der Weichselbahn wurde der Bahnwärter Martin Kurk, seine Frau und drei kleine Kinder ermordet.