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«och anwesend und kam mit einem der Burschen, der nicht weichen wollte, ins Handgemenge, er hatte nachher blutige Hände und scheint den Sträfling im Gesicht verletzt zu haben. Eine «eitere Spur fehlt bis jetzt.
Vom Stromberg 29. Dez. Die föhnig laue Witterung der Weihnachtswoche hat in der Vegetation erstaunliche Wirkungen hervorgebracht. Der Hahnenfuß zeigt seine gelbe Blüte vollständig offen, auch das Leberblümchen blüht. Die Christrose, die in früheren Jahren erst Mitte Januar offene Blumen brachte, ist gleichfalls im Blütenschmuck. Auch das Felsenhungerblümchen ist am Aufgehen.
Bückingen 29. Dez. Zur Zeit herrscht in unserer Gemeinde eine wahre Zigeunerplage. Nachdem es vor einiger Zeit mehreren Zigeunerfamilien gelungen ist, hier Unterkunft zu finden, wird der Zuzug dieser fahrenden Leute immer zahlreicher. Daß die Betreffenden beim Suchen von Wohnungen nicht gerade sanft Vorgehen, hat sich dieser Tage zur Genüge bewiesen, wo diese schwarzbraune Gestalten die Hausbesitzer, die ihre zur Vermietung stehenden Wohnungen ihnen nicht einräumten, fortwährend belästigten. Den Behörden dürfte cs geboten erscheinen, hier einzugreifen. Aber auch den Vermietern wäre anzuraten, solche Mieter nicht aufzunehmen.
Eßlingen 29. Dez. Festgenommen wurden heute nacht zwei mehrfach vorbestrafte Verbrecher durch die hiesige Schutzmannschaft bei einem Einbruch in der Hohestraße. Die Verhafteten stehen mit dem kürzlich in derSirnauer- straße verübten Einbruchsdiebstahl in Verbindung. Man hat bei dem einen derselben einige dort entwendete Gegenstände vorgefunden. — In einem Hause der Strohstroße zog sich gestern vormittag ein 7V-jähriges Mädchen, das allein war, beim Spielen mit einer Puppenküche so schwere Brandwunden zu, daß es kaum mit dem Leben davonkommen wird. Das Hemd, mit dem das Kind nur gekleidet war, brannte ihm vollständig vom Leibe. Das Kind hatte noch, als Hausbewohner auf sein Schreien herbeigeeilt waren, die Geistesgegenwart, die Türe aufzuschließen, worauf ihm alsbald die erste Hilfe zuteil und seine Ueberführung ins Krankenhaus veranlaßt wurde.
Herrenberg 29. Dez. In diesen Tagen wird wieder an die im Herbst eingerückten Soldaten das übliche Stadtgeschenk verabreicht. Es ist für sie jedenfalls von Vorteil, wenn sie das Geld jetzt erst erhalten, als schon im Herbst vor dem Einrücken, denn jetzt wissen sie es doch schon nützlicher zu verwenden als im Herbst, wo es meistens doch boß in Getränk umgesetzt würde.
Bebenhausen. Ihre Majestät die
Königin beschenkte auch in diesem Jahr die hiesige Schuljugend mit Weihnachtsgaben. Besondere Freude machte es, daß Ihre Majestät die Oberklaffe mit der größeren Ausgabe der württ. Realienbücher bedachte, wodurch eine schnelle Einführung dieses Lehrmittels ermöglicht wurde. Mit der Bescherung war eine Weihnachtsfeier verbunden. In die Winterstille, die nach den K. Hofjagden hier eintritt, bringt diese Weihnachtsbescherung alljährlich eine frohe Vereinigung von Jung und Alt, und mit herzlichem, ehrfurchtsvollem Dank gedenkt man dabei der Güte der Königin.
Hirrlingen OA. Rottenburg 29. Dez. Die in den besten Jahren stehende Ehefrau des Schreinermeisters Anton Waller goß in die brennende Lampe Petroleum nach, dieses fing Feuer, die Kanne explodierte, und lichterloh brennend stürzte die vor Angst und Schmerzen aufschreiende Frau ins Freie, wo sie alsbald zusammenbrach. Gestern morgen erlag sie ihren Brandwunden. Alle Hilfe war vergebens.
Weitingen 28. Dez. Der 25jährige Eger aus Felldorf machte sich am letzten Sonntag den 19. Dezember in der Bahnhofrestauration das Vergnügen, eine Nähnadel in seinen Oberarm zu stecken, um sie durch Muskelanschwellung wieder herausschnellen zu lasten. Es ist ihm dies auch scheints des öfteren gelungen, dock einmal kam die Nadel nickt heraus, sondern verschwand ganz im Arm. Man zog an dem daranhängenden Faden, doch dieser brach ab. Auch der Arzt konnte trotz Einschnitte die Nadel nicht mehr herausbringen. Der junge Mann mußre nach Tübingen und ist seitdem dort und muß schwere Schmerzen erdulden. Die Nadel zirkuliert scheints im ganzen Körper und er spürt sie bald da bald dort, ohne daß dieselbe bis jetzt entfernt werden konnte.
Freudenstadt 29. Dez. Trotz des regnerischen Wetters treffen gegenwärtig zahlreiche Wintergäste hier ein. Im Kurhaus Palmenwald sind vorgestern abend die beiden Prinzen Eugen und Albert von Schaumburg-Lippe wieder angekommen, die voriges Jahr mit so viel Lust und Freude dem Wintersport gehuldigt haben und im Hotel Waldlust weilen zurzeit der württem- bergische Kriegsminister v Marchtaler und Gemahlin. Auch die übrigen Hotels sind im Vergleich zu dem Besuch des vorigen Jahres gut besetzt.
Oberndorf 29. Dez. Dem Generaldirektor der Waffensabrik Mauser, Geh. Kommerzienrat vr. Ingenieur Mauser hier, ist vom Deutschen Kaiser für seine großen Verdienste um das Waffenwesen, der preußische Kronorden II. Klaffe verliehen worden.
Schramberg 28. Dez. In der letzten Sitzung der bürgerlichen Kollegien wurde die
Forterhebung der Verbrauchsabgabe von Bier, der Hundeabgabe und der Grundstücksumsatzsteuer mit einer jährlichen Gesamteinnahme von rund 18000 Mark auf die Dauer von 5 Jahren beschlossen. Dabei wurde erwähnt, daß der durchschnittliche Bierverbrauch in hiesiger Stadt im letzten Jahr von 206 Liter pro Kopf auf 180,6 Liter zurückgegangen sei; für das Jahr 1909—10 laste sich ein weiterer Rückgang erwarten.
Tuttlingen 29. Dez. Heute kaufte Lehrer A. Bäuerle hier die Spöhrer'sche höhere Handelsschule für Töchter. In diesem Gebäude wird kommendes Frühjahr eine Aspirantenanstalt (Vorschule für das Lehrerseminar in Rottweil) eröffnet werden.
Riedlingen 28. Dez. Das Explosionsunglück in Pflummern ist nicht durch den Benzinmotor, sondern durch die Benoidgas- beleuchtungseinrichtung enstanden. Die Explosion erfolgte um 5 Uhr 20 Min. mit einem donnerartigen Schlag, der in weitem Umkreis gehört wurde. Aus dem Erdgeschoß schlug eine mächtige Feuersäule empor, die sofort wieder erlosch. Die Wirkungen der Explosion waren furchtbar. Die nahezu 1 Meter starke Wand wurde vollständig herausgerissen, so daß der Hintere Teil des Rathauses mit dem Sitzungssaal sofort einstürzte. Der noch stehende Teil wurde polizeilich gesperrt und muß abgebrochen werden. Die Feuerversicherungsakten liegen noch unter den Trümmern, die übrigen Akten sind geborgen. Türen und Kreuzstücke des Hauses wurden samt den Gerüsten herausgeschleudert, in der Nachbarschaft Menschen und Tiere zu Boden geworfen. Pächter Rehm von der Käserei ist noch nicht vernehmungsfähig. Die 14jährige Packerin Anna Kerlach erlitt einen Schenkel- und einen Ellenbogenbruch sowie schwere Kopfverletzungen und starb noch abends. Neben ihr wurden verletzt: eine 16jährige Mitarbeiterin, ferner 2 Kinder, die Milch holen wollten. Um 6 Uhr pflegte in der Käserei die Milchablieferung zu erfolgen, auch war auf diese Stunde eine Sitzung des Gemeinderats anberaumt. Ein Glück, daß sich niemand vorzeitig eingesunden hatte.
Friedri chshafen 29. Dez. Nach Mitteilung einer Berliner Correspondenz hat die chinesisch e Heeresverwaltung beschlossen, Offiziere, die hervorragende technische Fähigkeiten besitzen, nach dem Auslände, ganz besonders nach Deutschland, zu senden, um an Ort und Stelle den Bau und die Führung von Luftschiffen zu studieren. So sollen einige Offiziere die vom Grafen Zeppelin geschaffene Luftschifferschule zu Friedrichshafen zu mehrsemestrigem Studium besuchen.
Pfo rzh eim 29. Dez. Auch Straßenräuber machen bisweilen sehr schlechte Er
röten Haar, den Sommersprossen um die Stumpfnase und unter den wafferblauen Augen. Aber eine treuherzige derbe Lebensfreude steht ihr im Gesicht geschrieben, und der Körper ist kräftig und stark. Die Züge der Habererhofbäuerin Hellen sich nicht auf, als sie auf die Magd blickt.
„Schaffen kannst!" sagt sie endlich gleichsam widerwillig. Aber sonst hält' ich ein Wörtl zu reden mit Dir!"
Eva die inzwischen begonnen hat, die frisch gemolkene Milch durch ein feines Sieb in ein anderes Schaff zu gießen, blickt erstaunt auf.
„Und was wär denn das nachher, Bäuerin?" frägt sie.
„Liebschaften duld' ich keine bei meinen Leuten! Und daß Du's weißt: Die Sache mit dem Kleekamphofknecht, dem Felix, die muß ein End' haben!"
Einen Augenblick steht Eva wie vom Donner gerührt. Dann blitzt es in ihren Augen auf.
„Bäuerin," sagt sie in mühsam unterdrückter Erregung, „alles was recht ist, aber was ich außer Haus tu, das geht Euch nichts an! Ich schaff, was ich kann und solang ich am Habererhof bin, war der Felix noch nicht herüber —"
„Dafür läufst Du ihm genug nach!"
„Ich lauf ihm nach? Bäuerin — das dürft' mir kein anderes sagen! Meiner Lebtag bin ich keinem Mannsbild nachgelaufen . . . Hab' immer was auf mich gehalten ... und daß ihr jetzt so . . ."
„Na, kannst es etwa leugnen, daß im Sommer der Felix iminer grad da was zu schaffen hat gehabt, wo Du in der Nähe Futter geholt hast?"
Ein Lächeln huscht über Evas Gesicht.
„Das leug'n ich auch nicht. Aber dafür kann ich doch nicht, daß die Gründe vom Kleekamp an die unsrigen stoßen? Und daß der Felix sich just dort zu schaffen macht, wo ich arbeiten Hab' müssen? Das heißt aber nickt, daß ich ihm nachgegangen bin, sondern er mir. Und dabei ist kein Geheimnis überhaupt, daß wir einander gern haben."
„Schämst Dich nicht?"
„Gar nicht, Bäuerin. Die Liebe kommt von unserm Herrgott, und Unrechtes ist nichts zwischen uns. Geht alles in Zucht und Ehren."
„Das sagt eine jede, bis —"
„Jetzt ist's aber genug!" fällt Hr die Eva scharf in die Rede. „Schlecht machen brauch' ich mich nicht von Euch zu lassen! Wenn ich was in der Arbeit versäum', dann könnt Ihr mir's sagen, aber sonst . . ."
„Oho, Dirn moderier' Dich ein bissel! Und kurz und gut, ich duld'S nicht länger, daß zwischen meinen Leuten und denen vom Kleekamphof ein Verkehr ist!"
Eva zuckte die Achseln.
„Dafür kann ich nicht, daß Ihr in Feindschaft lebt mit dem Kleekamphofer. Vom Felix laß' ich nicht!"
„So, fchön! Das wär mir aber ganz was Neues, daß eine so spricht mit mir! Nachher kannst Deine Sachen gleich zusammenpacken und zu Neujahr gehen, verstehst."
„Gut genug, Bäuerin. Hab' mich zwar' beim Leihkauftag auf ein ganzes Jahr verdingt, aber wenn's so steht, geh ich schon früher."
Sie packt das Schaff mit der Milch, hebt es mit starken Armen auf den Kopf und geht, ohne die Bäuerin weiter zu beachten, aus dem Stall und nach der Milchkammer ins Haus hinüber.
Die Habererbäuerin folgt ihr langsam. Sie ist im Stillen wütend, daß die Sache so ein Ende genommen hat, denn sie weiß ganz gut, daß sie jetzt, wo der allgemeine „Leihkauf" längst vorüber ist, nur schwer eine andere Stalldirne bekommen wird, und ganz gewiß keine solche wie Eva.
Aber Widerspruch verträgt sie nicht, und was sie sich in den Kopf gesetzt hat, das muß ausgeführt werden.
Als die Hobeinin das Haus betritt, schießt die alte Cenz mit geheimnisvoller Miene auf sie zu.
(Fortsetzung folgt.)