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Amts- Md Anzrigeblatt sür den Gberamtrbezkl Calw.
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Skri<idetnuriii«ta-e: Montag. Dienstag. Mittwoch, onnerstag. Freitag und Samstag. Hniertionspreis 0 ösg. pro Zeile für Stadt u.vejirkSorte; außer Bezirk iS Pfg.
Donnerstag. Len 30. Dezember 1909.
Se,ug»pr.i.d.Stabt'/«j!ihrl.m.rrügerI.Mk. 1 .LS. Postbezugspr. f.d. Orts- u. Nachbarortsverk. o^cihrl. Mk. I.sa, im Fernverkehr Mi. 1.80. «estellg. in Württ. 80 Pfg.. in Bayern u. Reich 48 Psg .
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innern.
Tagesueuigkeiten.
— Calw. Wie alljährlich hielt auch Heuer der hiesige Liederkranz am 26. Dez. seine Weihnachtsfeier. Ein reichhaltiges Programm, das den Mitgliedern vorher zugestellt wurde, übte eine solche Anziehung aus, daß schon lange vor Beginn die Räume des Bad. Hofs bis auf den letzten Platz besetzt waren. In schöner Abwechslung folgten rasch aufeinander Männer- und gemischte Chöre, Solls und Zithervorträge. An die übliche Gabenverlosung schloß sich das Theaterstück „Schuld und Sühne" an. Die Darsteller gaben durchweg ihr Bestes, so daß die Zuhörer trotz 2stündiger Aufführungsdauer von Anfang bis zum Schluß in größter Spannung gehalten wurden. Damit auch diejenigen entschädigt werden, welche wegen Platzmangels zu kurz gekommen sind, soll am kommenden Sonntag eine Wiederholung stattfinden, bei welcher auch Nichtmitglieder Gelegenheit geboten ist, der Aufführung beizuwohnen. Zur Deckung der Kosten wird ein kleines Eintrittsgeld erhoben werden. (S. Inseratenteil.)
Calw 29. Dez. Bei eine Schlägerei in Liebelsberg zwischen Burschen von Altbulach und Martinsmoos wurde der Bäcker Sautter von Altbulach schwer verletzt; er mußte ins Krankenhaus hiehergebracht werden. Der Täter ist ermittelt und an das hies. Amts - gericht eingeliefert worden.
Calw. (Egsdt.) Am 12. Dezember hat sich in Stuttgart ein Verband Württ. und
Hohenzollern'scher Wasserkraftbesitzer begründet, mit der Aufgabe, den Mitgliedern in Bezug auf Wafsernutzung und den Schutz ihrer Rechte fördernd und beratend zur Seite zu stehen. Dem Verband, zu dessen Vorsitzenden Georg Schick Hardt-Betzingen gewählt wurde und dessen Vorstand Industrielle und Mühlenbesitzer gleichmäßig umfaßt, sind bereits zahlreiche Einzelmitglieder und 2 Vereinigungen an der Schatz und an der oberen Enz beigetreten. Das Wassergesetz vom Jahre 1900 hat bei allen Vorzügen doch auch manche Nachteile für die Wasserkraftbesitzer mit sich gebracht und trotz aller Bemühungen sind viele mit Wasserkraft arbeitende Gewerbe in immer größere Bedrängnis geraten. Dem einen Werk nehmen die Wasserleitungen das wertvollste gleichmäßige und eisfreie Quellwafser weg, das andere hat mit Schwierigkeiten durch Flußkorrektionen, Meliorationen und sonstige schädigende Veränderungen zu kämpfen. Wer gezwungen ist, an seiner Anlage Umbauten vorzunehmen, die sich wegen der stets wachsenden Konkurrenz nicht vermeiden lasten, ist in schlimmer Lage. Er muß sich drückende Auflagen, Widerruflichkeit, Gebühren, Kautionen u. s. w. gefallen lasten und erreicht trotzdem nur in einem jahrelangen umständlichen und kostspieligen Verfahren sein Ziel. Die Zwecke und Aufgaben des Verbandes ergeben sich daraus klar und bestimmt: Förderung und Beratung der Mitglieder in Bezug auf ihre Wassernutzung, z. B. bei Ableitung und Wegpumpen von Quell- und anderem Wasser namentlich bei der Wasserversorgung von Städten und Gemeinden, auch bei Verwendung für andere Zwecke, Aenderung von Quellfastungen, bei unberechtigtem Anstauen und Zurückhalten von Wasserläufen, bei Ansprüchen der Fischerei- Interessenten, durch Einwirkung auf Gesetzgebung, Gesetzhandhabung und die öffentliche Meinung,
durch Einfluß auf das Sachverständigenwesen, durch Erwägungen, wie man die Wasserkräfte noch bester ausnützen könnte, namentlich bei Nacht, durch Erwägungen, ob an geeigneten Stellen späterhin bei uns nicht auch Stauweiher — sog. Talsperren — angelegt werden könnten, ähnlich wie in anderen Ländern, bei Eintragungen in das Wasterrechtsbuch, in geeigneten Fällen bei Konzessionsgesuchen, durch Vertretung der Interessen Einzelner, wenn es sich nach Ansicht des Vorstands und Ausschusses um prinzipielle Fragen handelt, die einen größeren Kreis interessieren. Der Verband kann sein Ziel nur erreichen, wenn sich ihm möglichst alle Interessenten anschtießen und wir können heute milteilen, daß demnächst für die hiesige Gegend eine Versammlung abgehalten werden wird. Vorläufig ist der Geschäftsführer Dr. A. Marquard in Stuttgart Königstr. 31 8° zu Auskünften gerne bereit.
Ludwigsburg 29. Dez. Zu dem Ausbruch der 2 Sträflinge aus dem hies. Zuchthaus meldet die LudwigSb. Ztg. noch: Wie die beiden Ausbrecher in die Freiheit gelangt sind, scheint nicht völlig aufgeklärt. Festgestellt ist, daß sie aus der Schlosserei nach gewaltsamer Entfernung eines Gitters durch ein sehr enges Fenster den Weg in den Hof nahmen. Eine beim Zellenbau gefundene Schürze läßt ferner darauf schließen, daß sie von dort über die Maurer entkamen. Beide tragen Sträflingskleider und man muß deshalb damit rechnen, daß sie sich in erster Linie andere Kleider zu verschaffen suchen werden, um ihre Flucht ungehindert fortsetzen zu können.
Ludwigsburg 29. Dez. Die beiden aus dem hiesigen Zuchthaus entsprungenen Sträflinge sind vorgestern abend in der Hördstraße in Zuffenhausen in die Gärtnerei Rudolph eingedrungen, wahrscheinlich um sich andere Kleider zu verschaffen. Der Gärtnereibesitzer war aber
Die Leute vom Lleekamphos.
Roman von Erich Eben st ein.
(Fortsetzung.)
Der Stini ist wieder in die Stube getreten, macht sich da und dort zu schaffen und wirft dabei heimliche Blicke auf die Sanna.
Stolz ist er auf sie. Ordentlich Respekt hat er vor ihr. Das ist eine starke, Ganze. Wer weiß, wenn die Mirzl einstens aus dem Holz gewesen wäre, ob es nicht doch noch möglich ....
Aber darüber hilft jetzt kein Denken und Grübeln. Ein Menschenalter ist darüber hingezogen.
Endlich wendet sich die Sanna vom Fenster ab. Ihr Gesicht ist so weiß wie der Schnee draußen. Stini öffnet den Schrank uud weist auf die vielen Kletzenbrotstücke.
„Da schau her," sagt er mit einer gewissen naiven Freude, „viel haben sie mir gegeben! Jetzt brauchst einmal eine Weile nicht darauf zu denken, daß wir acht Tage mit einem Laib Brot auskommen!"
Er lächelt sie an. Auch in ihrem Gesicht glimmt ein seltsames Lächeln auf. Fast mitleidig. „Viel haben sie Dir gegeben!" wiederholt sie mechanisch, und der Stini hat das Gefühl, als meine und denke sie eigentlich ganz etwas anderes.
Dann schweigen sie beide nebeneinander hin, Stunde um Stunde. Stini macht sich mit seiner Korbflechterei zu schaffen, Sanna spinnt, während das Feuer im Ofen langsam erlischt und der Tag Stunde um Stunde in die Ewigkeit wirft.
5 .
Die rothaarige Eva im Habererhof sitzt im Kuhstall, den Melkeimer zwischen den Knien, und nimmt ihrem Liebling, der „Blühla", die Milch ab.
Das Tier steht ruhig da, nimmt ab und zu ein Maul voll Heu aus der Krippe und drückt den gefleckten Leib behaglich an die rundliche Eva, die sich während des Melkens mit ihrer Stirn dagegen stemmt.
Sie stehen sich alle acht im Stalle gut mit ihrer Pflegerin, aber am vertrautesten ist schon die „Blühla", denn ihr flüstert die Eva allerhand Geheimniste zu, von denen sonst niemand etwas zu misten braucht. So weiß zum Beispiel die „Blühla" allein, daß drüben am Kleekamphof ein gewisser Felix dient, mit dem der Zufall Eva alle Augenblicke zusammenführt. Daß dieser Felix nußbraune Augen und geschneckelte Haare hat, die ihm „so viel sauber" zu Gesicht stehen, daß er gern lacht, wie die Eva, trotzdem er, wie diese, elternlos ist, und sein Lebtag unter fremden Leuten herumgestoßen wurde.
Auch weiß die „Blühla", daß beide von einer winzigen Hütte irgendwo träumen, die in ferner, ferner Zeit — vielleicht erst, wenn sie grauhaarig sind — ihr Eigentum sein wird. Und daß der Felix dazu schon hundert, die Eva aber erst fünfzig Gulden erspart hat.
„Und dann", das ist immer der Schluß von Eoas Ergießungen, „kommst zu uns, „Blühla"! Sollst es gut haben dann. Sollt's aber gar zu lange dauern, und du am End' gar scho nimmer lebig sein, dann muß es wenigstens eine von deinen Kalbeln sein!"
Auch heute flüstert die Eva ihrer Lieblingskuh allerlei Pläne zu und merkt dabei gar nicht, daß schon lang keine Milch mehr in den Eimer spritzt. Da wird sie durch einen kalten Luftzug aus ihren Träumen geschreckt.
Die Bäuerin ist in den Stall getreten. Mit kundigem Blick mustert sie die Kühe, tritt an den Verschlag in der Ecke, wo drei Kälber sorglich gehütet werden, und wirft einen Blick auf das beinahe volle Milchschaff, in welches Eva eben als letztes Ergebnis die Milch der „Blühla" gießt.
Zuletzt schaut sie die Eva selbst. Schön ist sie just nicht mit ihrem