1300

des linken Armes, während der dritte eine Gehirn­erschütterung erlitt. Gestern abend 8'/« Uhr ist auf dem Bahnhof in Cannstatt eine 20-Jahre alte Frau aus Fellbach, die aus einem von Eßlingen kommenden Zuge ausstieg, ehe dieser still stand, zu Fall gekommen und brachte beide Hände unter die Räder eines Eisenbahn­wagens. Es wurden ihr an der rechten Hand sämtliche Finger abgefahren und an der linken Hand Zeige- und Mittelfinger stark gequetscht.

Cannstatt 22. Dez. In letzter Zeit ist es wiederholt hier vorgekommen, daß eine etwa 10 Jahre alte Volksschülerin kleinen Kindern, die von Hause mit Aufträgen fortgeschickt worden waren, ihre Geldbeträge entwendete. So zum Beispiel schickt die jugendliche Diebin die Kinder, bei denen sie Geld vermutet, unter irgend einem Vorwand in einen Laden und nimmt ihnen dann ihr Portemonnaie mit dem Gelds ab, das sie so lange halten will, bis die Kinder wieder aus dem Laden kommen. Natürlich wartet sie dies nicht ab, sondern verschwindet mit dem Gelds. Bis jetzt ist es noch nicht gelungen, ihrer habhaft zu werden.

Plochingen 22. Dez. Gestern abend ist ein frischgefüllter Eisenbahngaswagen in Brand geraten. Der Wagen mußte wegen Explosions­gefahr auf ein Nebengleis gestellt und während der Nacht von der Feuerwehr bewacht werden. Glücklicherweise ist die Explosion nicht eingetreten.

Sternenfels 20. Dez. Das bei dem Brandunglück vermißte Kind wurde glücklicher­weise wieder aufgesunden. Die allein im Hause anwesende Mutter glaubte in ihrer Bestürzung, das Kind sei in Freundeshänden geborgen. Tat­sächlich befand es sich nach 6 Stunden noch im brennenden Hause. ES hatte sich aus Angst in eine kleine Kammer hinter die Bettlade ge­flüchtet, wo es am wenigsten vermutet wurde. Trotz des Ostündigen Brandes, trotz des in sich zusammenstürzenden Hauses, der brennenden Bett­lade und des gewaltigen Rauches, konnte das Kind unversehrt in die Arme der glücklichen Mutter gelegt werden. Ein Mitglied der Feuer­wehr entdeckte das schlafende Kind und entriß es dem Verderben, das ihm ringsum drohte. Wunderbare Rettung.

Mundelsheim O.A. Marbach 22. Dez. Kürzlich passierte hier ein merkwürdiger Unfall. Das zweispännige leere Dungfuhr­werk eines hiesigen Weingärtners geriet im mittleren Käsbergweg über die Weinbergstütz­mauern hinaus. Kühe, Wagen und Fuhrmann überschlugen sich in dem steilen Weinberggelände dreimal von Schranne zu Schranne. Die jüngere Kuh wurde los und kam sogar über acht hohe Stützmauern hinunter. Glücklicherweise erlitten weder der Eigentümer noch die Tiere nennens­werten Schaden, dagegen ist der Schaden am

Weinberg und Gespann größer. Viele Mühe verursachte aber das Hinaufziehen der Kühe von Mauer zu Mauer.

Gerstellen O.A. Heidenheim 22. Dez. Die Einbrecher, die seinerzeit auf den Bahn­höfen Waldhausen, Schalkstetten rc. in räuber­ischer Weise nachts eingedrungen waren und einen erheblichen Geldbetrag mitlaufen ließen, wurden am Samstag in Ulm verhaftet. Es sind zwei gefährliche Einbrecher namens Albert Albrecht von Gablenberg bei Stuttgart und Eugen Frick von Bodnegg, Oberamt Ravensburg. Neben anderen Einbrüchen haben die Verhafteten auch den Diebstahl in Waldhausen rc. eingestanden.

Durchhausen O.A. Tuttlingen 22. Dez. Welch gewaltige Baumriesen unsere Gemeindewaldung birgt, zeigt folgende Tatsache: Vorgestern wurde eine Tanne im Theilenwalde gefällt, die die respektable Höhe von 45 Metern hatte und ein Kubikmaß von 16,8 Festmeter aufwies. Der Stamm selbst ist 30 Meter lang und mißt noch 15,8 Festmeter. Das Alter dieser Tanne betrug ungefähr 230 Jahre. Der Durchmesser über den Stock be­trägt 2,30 Meter. Dieser Baumriese ist nicht einzig in seiner Art, denn es stehen noch viele in diesem Walde, einer sogar hat 45 Fstmtr. mehr. Auch in einem anderen Walde wurde ein Stamm gefällt, der auf 28 Mtr. Länge ein Kubikmaß von 10,10 Fstm. hatte.

Pforzheim 22. Dez. Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein! Die Wahrheit dieses Sprichworts mußte der Gold­arbeiter Emil Friedrich Schüler im benach­barten Eutingen erfahren. Er ließ an einem Sonntag durch ein Schulmädchen bei dem Kauf- - mann Judt Flaschenbier holen und zeigte 14 Tage später durch einen anonymen Brief an die Staatsanwaltschaft den Judt wegen Ueber- tretung der Gewerbeordnung an. Allein er wurde als Absender des Briefes erkannt. Zwar erhielt Judt einen Strafzettel von 3 aber auch der Angeber Schüler erhieltwegen An­stiftung" zu dem Bierverkauf einen Zettel und zwar von 10 Es ließ die Sache vor das Schöffengericht kommen und dieses besserte ihm in Anbetracht der bewiesenen niederträchtigen Gesinnung auf 20 ^ auf. Von Rechtswegen!

Karlsruhe 21. Dez. Gestern abend 5'/« Uhr kam ein Unbekannter auf das Bureau des Oberbuchhalters Link beim katholischen Oberstiftungsrat in der Beiertheimer Allee, hing Hut und Schirm an den Schreibpult, zog zwei Revolver aus seinen Taschen, hielt sie dem Beamten entgegen und drohte, ihn zu erschießen, falls er ihm nicht augenblicklich den Kassen- schrank öffne oder um Hilfe rufe. Der Ober­

buchhalter kam dieser Aufforderung nach, worauf der Täter mit einem Griff rund 300 Mk., be­stehend in zwei Einhundert-, ein Zwanzig- und ein Fünfmarkschein, der Rest in Silber und Gold nahm und in seine Tasche steckte. Vor seinem Weggange drohte der Unbekannte dem Beamten, wenn dieser vor einer halben Stunde Anzeige mache oder schreie, werde er von seinem Komplizen, der vor dem Gebäude auf der Lauer stehe, er­schossen. Als der Täter das Bureau verlassen, ging Link sofort durch eine Seitentür und nahm mit einem weiteren Beamten die Verfolgung auf. Trotzdem der Räuber auf der Flucht einmal zu Fall kam, gelang es den Verfolgern nicht, ihn einzuholen und festzunehmen. Der Tat dringend verdächtig ist der 26 Jahre alte Fensterreiniger Alfons Hettich aus Straßburg.

Posen 22. Dez. Graf Kwilecki fühlte sich, schon ehe er im Prozesse der Frau Meyer als Nebenkläger austrat, verpflichtet, die Mittel zu einer guten Erziehung des Knaben zur Verfügung zu stellen. Er will bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Knaben eine jährliche Rente von 1500 und bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres eine solche von 1800 zahlen.

Hamburg 22. Dez. (Ein deutsches Schiff vermißt.) Von dem deutschen Dampfer Waldemar Rademacher", der am 1. Dezember von Leith nach der Elbemündung abging und am 4. Dezember in Hamburg hätte eintreffen müssen, fehlt bis jetzt jede Spur. Die Besatzung bestand aus 17 Mann.

Brüssel 22. Dez. Die Deputierten­kammer ist heute Nachmittag zusammengetreten, um die Adresse festzustellen, die morgen dem Prinzen Albert überreicht werden soll. Vanderv.elde (Soz.) verlangte, daß die An­gelegenheit in einer öffentlichen Sitzung ver­handelt werde, was der Präsident als gegen das Reglement verstoßend bezeichnet^ Die Sozialisten verließen darauf die Sitzung. Sodann begann die geheime Beratung, in der schließlich der von der Kommission vorgeschlagene Text der Adresse angenommen wurde.?

Brüssel 22. Dez. Die Prinzessin Luise empfing gestern den Besuch ihrer Schwester Stephanie und ihrer Tante, der Gräfin von Flandern. Dann fuhr die Prinzessin Luise nach dem königlichen Palast, wo sie längere Zeit am Sarge ihres Vaters weilte und einen Blumen­strauß niederlegte. Sie war tief gerührt und brach in heftiges Schluchzen aus. Die zu dem Leichenbegängnis hierher kommenden Delegierten treffen alle incognito ein und werden nicht amtlich empfangen. Für die heutige Leichenfeier sind strenge Maßregeln getroffen worden, um die Ordnung aufrecht zu erhalten.

Brüssel 22. Dez. (Versöhnung der 3 Schwestern.) DemPeuple" zufolge soll

sitzen, der des- Mädchens Hand spielend in der seinen hält. Und sie hört, wie er just sagt:Daß Du so sauber worden bist, Sanna, hält' ich nicht gedacht! Aber das mußt mir versprechen: am Kirchtag in drei Wochen, der erste Tanz gehört mir!"

Sanna nickt lächelnd.

Wenn's Dir ernst ist, Kleekamp Friedl ich habe nichts dagegen!"

Da fliegt eine finstere Wolke über Viktl's Gesicht. Unsanft setzt sie den Teller vor Stini hin und sagt scharf:Du, Sanna, dem darfst nicht trauen, das ist ein Wetterwendischer! Heut tut er Dir schön und morgen einer anderen!"

Friedl lacht lustig auf.

Glaub's nicht, Sanna! Ich bin bloß ein Frommer, weißt!"

Möcht' wissen, wieso? Du ein Frommer?" spottet die Viktl, aber er gibt ihr ernsthaft zurück:

Paß nur auf: mir ist die ganze Welt wie eine Kirche und jedes hübsche Mädchen ist ein Gnadenbild drinn. Da muß einer doch, wenn er fromm ist, vor jedem Gnadenbild hinknien und der Heiligen sein Gebet sagen!"

Alle lachten. Die Sanna am meisten. Aber Viktl's Lachen klang gezwungen. Sie setzt sich dann zu den dreien und gibt sich herzhaft Mühe, mitzutun in Lustigkeit und dem jungen Kleekamp zu aefallen. Ihre schwarzen Augen, die wie Waldkirschen in dem frischen, bräunlichen Gesicht liegen, funkeln ordentlich und zu beiden Seiten der mohnroten Lippen springen alle Augenblicke Grübchen auf.

Die Trautwein Viktl weiß, daß ihr nichts so gut ansteht, wie Lachen und Lustigsein. Aber heute ist alles umsonst. Seit die Sanna da sitzt und Augen macht wie ein Muttergottesbild, hat der Friedl keine Zeit mehr für Viktl. Zwei, dreimal zupft der Stini Sanna am Aermel: Du, Dirndl, heimgehen wäre Zeit! Drei Stunden haben wir auf die Mitterbodenalm!"

Aber Friedl sagt jedesmal:Zeit genug hast, Stini, ist ja Monden- schein, und daß Euch der Weg nicht lang wird: ich geh' mit nachher."

Und damit der Stini nicht ungeduldig wird, läßt der junge Klee­kamp Wein bringen und Schinken, daß man sich stärken möge für den weiten Weg. Zuletzt bestellte er gar drei Tassen Kaffee und seufzend muß sich Mutter Trautwein bequemen,zu nachtschlafender Zeit" Kaffee zu kochen.

Das wird der Viktl endlich zu dumm. Sie steht auf und setzt sich zu den Burschen, mit denen sie auf einmal in einen ausgelassenen lärmen­den Ton verfällt, den man gar nicht an ihr gewohnt ist.

Der Kleekamp Friedl hat kein Äuge dafür. Um 9 Uhr gibt er endlich dem Drängen des Stini nach und verlangt zu zahlen. Dabei gibt es noch einen kleinen Streit; trotz Stinis Protest besteht Friedl darauf, auch für ihn und die Sanna zu zahlen, und setzt seinen Willen durch.

Beim Abschied greift er der Viktl unter's Kinn.Na, Schatzerl, schlaf' gut und träume von Deinem Liebsten, dem Friedl, ja?"

Unwillig wendet sie sich ab, ohne zu antworten, der Stini aber schüttelt den weißen Kopf.

Bist doch ein rechter Hallodri, Kleekamp Friedl! Nichts ist Dir wichtiger in der Welt, als den Dirndln die Köpfe zu verdrehen!"

Glaubst leicht, es gäbe sonst viel Wichtigere auf der Welt?" lachte der dagegen. Stini nickt ernsthaft:Mancherlei gibt's Bub'! Wirst es schon noch inne werden!" Dann schlüpft er in die Küche, um Mehl und Speck in Empfang zu nehmen.

Sanna nimmt das Bündel auf, das ihre paar Habseligkeiten enthält. Auch sie schüttelt den Kopf über Friedls Lebensweisheit.

Bist halt immer noch derselbe, Du!" sagte sie mit einem kleinen Seufzer.Was Dein Vater zu wenig acht hat auf uns Frauenzimmer, das hast Du zu viel." (Forts, folgt.)