300. Amts- und Anzeigeblatt für den GberamtrbeM Lalw. 84. Mg,,,.

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Erscheinung,tage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag. Freitag und Eamrtag. JnserttonSpreiS u> Vsg.proZri!« sürLtadtu.Bezirtsorte; außer Bezirkt, Psg.

Donnerstag -en 23. Dezember 1909.

BezugSpr.i.d. EtLdt'/^SHrl.m.LrLaerl. MI. t.Lb. PostbezugSpr. s.d. iörtS- u. NachbarortSoerk. '/^iihrl. Mk. I.SO, im Fernverkehr Mk. 1.SV. Bestell-. in Württ. so Psg., in Bayern u. Reich SS Psg.

Amtliche Bekairntmachnrrge».

A« die Schnttheitzeniimter.

Einzeln; Berichte b-tr. die Ber«rsach«ug von Bränden dnrch das Spielen der Kinder mit Zündhölzern und feuergefährlichen Stoffe«,

oderamtl. E laß vom 1. Juli 1S09, Calwer Wochen­blatt Nr. 153, stehen noch ans und wollen umgehend vorgelegt werden.

Calw, 21. Dezember 1909.

K. Oberamt.

Amtmann Ripp mann.

Bekanntmachung

betr. die Anzeigepflicht bei Milzbrand- fällen nnter Menschen.

Durch Beschluß des Bundesrats ist die An- zeigepflicht bei Erkrankungen und Todesfällen an Milzbrand «nd Milzbraudverdacht unter Menschen mit Wirkung vom 1. Januar 1910 ein­geführt worden.

Die Anzeige ist au die OrtSpolizetbehörde zu erstatten.

Zur Arz-ige sind verpflichtet

1) der zugezogene Arzt,

2) der Haushaltungsvorstand,

3) jede sonst mit der Behandlung oder Pflege des Erkrankten beschäftigte Person,

4) derjcniae, in dessen Wohnung oder Behausung der Erkranknngs- oder Todesfall sich ereignet hat,

5) der Leichenschauer.

Die Verpflichtung der unter Nr. 2—5 ge­nannten Personen tritt nur dann ein, wenn ein früher genannter Verpflichteter nicht vorhanden ist. (Zu vergl. Z 2 des Ges. betr. die Bekämpfung ge­meingefährlicher Krankheiten, vom 30. Juni 1900 R G Bl. S. 306 )

Unterlassung der Anzeige zieht Geldstrafe von 10 bis zu 150 Mk oder Haft nicht unter einer Wache nach sich.

Die Ortspolizeibehörden werden euf den Min.-Erlaß vom 21. Okt. 1909. betr. die Aufnahme

einer Statistik der Milzbraudfälleunter Mensche«,

(Min.-Abl. S. 434) noch besonders hingewtesen. Calw, 18. Dezember 1909.

K. Oberamt. Amtmann Rtppmann.

Tagesrreuigkeiten.

Calw. Ueber Weihnachten kommen folgende Sonderzüge zur Ausführung:

am 24. und 31. Dezember:

Sonderzug Pforzheim—Calw, Pforzheim ab 4,53 nachm.

Calw an 5,57 „

Sonderzug Pforzh.—Wildbad, Pforzheim ab 4,50 nachm.

Wildbad an 5,55 „

je mit Wagen 4. Klasse und Halt auf sämtl. Stationen.

Die Arbeiterzüge 1177 Pforzheim—Unterreichen­bach (Pforzheim ab 5,33 nachm.), 1189 Pforzheim- Neuenbürg (Pforzheim ab 5,46 nachm.) und 1173 Pforzheim—Calw (Pforzheim ab 8,00 abends) fallen an diesen Tagen aus.

Der Personenzug 1191 Pforzheim—Wildbad Mörzheim ab 5,57 nachm.) hält am 24. und 31. Dezember in Engelsbrand an.

Am 26. Dezember gehen 2 Sonderzüge Wild­bad—Pforzheim :

Wildbad ab 5,55 nachm, und 7,55 nachm. Neuenbürg ab 6,20 „ „ 8,21 „

Pforzheim an 6,40 „ „ 8,42

sowie 2 Sonderzüge Calw—Pforzheim

Calw ab 5,45 nachm, und 9,09 nachm.

Pforzheim an 6,42 „ „ 9,59 „

je mit Wagen 3. und 4. Klasse und Halt auf sämtl. Stationen.

Ueber die auf den andern Strecken der württ. Staatsbahn verkehrenden außerordentlichen Personen­züge gibt ein Anschlag auf sämtlichen Stationen Aufschluß.

Stuttgart 22. Dez. Dem seit längerer Zeit im Lande fühlbar gewordenen Mangel gesetzlicher Bestimmungen in Bezug auf die behördliche Beaufsichtigung des Kost- und Pflegekinderwesens ist durch die Verab­schiedung des Gesetzes vom 16. August 1909, betreffend die Kost- und Pflegekinder, abgeholfen

worden. Das Gesetz wird am 1. Januar 1910 in Kraft treten. Das Ministerium des Jnnem bemerkt nun gegenüber den zur Ausführung des Gesetzes berufenen Behörden folgendes: Den bei fremden Personen untergebrachten Kindern — und unter diesen insbesondere den kleinen hilflosen Kindern — sollen die Behörden der Absicht des Gesetzgebers entsprechend einen wirk­samen öffentlichen Schutz angedeihen lasten, bei Betätigung dieses Schutzes aber soll in die Privatverhältnisse der Kostgeber nicht weiter ein­gegriffen werden, als es die zwingende Not­wendigkeit erfordert. Kostgeber die von edlen Beweggründen geleitet sind, werden unbeschadet einer geordneten Aufsichtsführung mit möglichster Schonung zu behandeln, gegen unsaubere Ele­mente aber werden die gesetzlichen Handhaben mit Nachdruck anzuwenden sein. Auf ein um­fassendes Zusammenarbeiten der Ortsbehörde« mit den zahlreichen im Lande bestehenden, auf dem Gebiete der Jugendfürsorge segensreich wirkenden Vereinen wird seitens des Ministeriums besonderer Wert gelegt. Der Führung der Listen über die Pflegestellen ist seitens der Orts­behörden besondere Sorgfalt zu widmen, sie sollen einen klaren Einblick in den jeweiligen Stand der Beaufsichtigung des Kost- und Pflege­kinderwesens der Gemeinde ermöglichen. Die K. Oberämter werden angewiesen, darüber zu wachen, daß die in 8 17 der Vollzugsverfügung vorgeschriebenen Bekanntmachungen der Orts­polizeibehörden rechtzeitig erfolgen.

Stuttgart 22. Dez. Gestern abend 5 Uhr fielen an einem Neubau Ecke der Korn- berg- und Johannesstraße infolge Brechens des Gerüstes 3 Maurer, die mit Einsetzen eines Fensterkreuzes beschäftigt waren, ca. 8 Meter hoch herunter. Der eine erlitt einen Rippenbruch, der andere eine Stirnwunde und einen Bruch

Die Leute vom Lleekamphof.

Roman von Ecich EL enstein.

(Fortsetzung.)

Sanna vergißt ganz, den Blick von ihm abzuwenden. Sie gedenkt der Jahre, als sie noch zusammen durch Wald und Wiesen getollt waren und er immer ihr Beschützer gewesen war. Dabei seufzt sie, ohne zu wissen, warum, und wundert sich, wo die Jahre hingekommen sind. Wie gestern kommt es ihr vor ... .

Jetzt steht drüben die Viktl auf und zündet die beiden Hängelampen in der Stube an. Eine oben am Herrentisch, die andere unten beim Ofen. Dabei wird sie die zwei neuen Gäste gewahr und tritt geschäftig auf sie zu.

„Ja, wen haben wir denn da auf einmal?" ruft sie laut, „den Stini mit einem jungen Dirndl! Hab' Euch gar nicht kommen sehen . ."

„Freilich, freilich," schmunzelt der Stini, „hast's alleweil gnädig .. . und jetzt täten wir halt schön bitten, wenn noch ein Stücke! Schweins­braten da wäre?"

„Werd's der Mutter gleich sagen — aber wer ist denn die, die Du da bei Dir hast? Ist doch keine aus Friedau?"

„Kennst mich wirklich nimmer?" fragt die Sanna.

Da schlägt die Viktl plötzlich beide Hände zusammen und ruft so laut, daß alle Gäste neugierig aufhorchen: „Marand Josef — die Florus Susanna bist! Daß ich Dich aber auch nicht gleich erkannt Hab' an Deine blonden Haaren! So lichte hat kein Mensch in Friedau je gehabt wie Du, Sanna! Na, das ist schön, daß Du zusprichst bei uns! Bist denn nimmer im Höllgraben?"

Sanna wird ein wenig rot und schlägt die Augen nieder. Der

Friedl ist aufgestanden und steht hinter der Viktl und seine braunen Augen sind seltsam weit aufgerissen.

„Nein", murmelte Sanna, „die Leut sind zu wild da drin, drum hat die Lori gemeint, ich sollt' mich anderswo umschauen." Sie tat einen liefen Atemzug. „Und jetzt bleib ich beim Stini."

Die Viktl lachte hell auf.

„Meinst das ernsthaft?"

„Ganz."

„Na, das schaut Dir gleich! Bist immer so eine Stille gewesen, die vor lauter Sinnieren auf nichts rechtes kommt. Da wird'S Dir beim Stini gerade taugen. Der ist ja auch so einer! Aber jetzt werd' ich die Mutter fragen wegen dem Braten ..." Sie eilt in die Küche hinaus, wo Mutter Trautwein erhitzt und müde am Herd steht und im Stillen überlegt, wie sie die Reste am besten verwerten kann. Sonn- und Feier­tage sind harte Lasten für die nicht mehr junge beleibte Frau, deren Beine das Stehen nur mehr schwer ertragen.

Aber nie noch war ihr der Gedanke gekommen, sich nach Hilfe um­zusehen, „denn was man sauer verdient, soll auch in der eigenen Tasche bleiben", war ihr Grundsatz, und auf diesem Grundsatz stand die ganze Wirtschaft.

Die Mutter kochte, Vater Trautwein verwaltete den Keller, und Viktl bediente die Gäste. So waren sie allmählich in die Höhe gekommen, und heute dachte manches Dirndl in Friedau mit Neid an das Heiratsgut, das die Viktl einmal mitbekommen würde.

„So, da hast Deinen Schweinsbraten für den Stini", sagt die Wirtin jetzt und schiebt der Tochter den Teller hin, „kannst ihn billiger rechnen, ist das letzte Ende. Nachher soll er nur herauskommen, um sein Mehl und den Speck. Hab's schon gestern vorgerichtet."

Als die Viktl in die Stube tritt, findet sie Friedl neben Sanna