886 . Amts- und Anzeigebtatt für den Vberamtrbezirk Calw. 81 . I«hr,mg.
WWWMIM
V WHM ,
>-SmM-
WN
W---
WK'
.^'77
''7^.
LM»
D-LL^.
cp.r»v
LLL!-LLL^
MM
SrschetnunLStaz«: Montag, Dienstag, Mittwoch, »onnerstag, Freitag und Samstag. Jnsertionspreis U> Wg< pro Zell« für Stadt u. vezirksorte; außer Bezirkt» Psg.
TsgrSNeNiskeiteN.
* Calw 7. Drz. In der gestrigen Nummer des Wochenblattes veröffentlicht Herr Verwaltungsaktuar EmilStaudenmeyer. Vorsitzend er des Volksvereins, verschiedene „Nachklänze zur Calwer Ge> meinderatswahl". Er führt dabei unter anderem aus, daß er sich in weitgehender Ueberetnstimmnug mit der Berichterstattung des Wochenblattes über das Wahlergebnis der Gemeinderatswahl befinde, daß er aber von dem Berichterstatter auch ein paar Worte des Urteils über die sogenannte »Erklärung" mehrerer Wähler im Inseratenteil erwartet hätte.
Hiezu hat der Berichterstatter Folgendes zu bemerken:
1) Der Bericht über die Wahl in Nr. 283 wollte nur das Wahlergebnis mitteilen und mußte demnach vollständig objektiv gehalten sein. Jeder unbefangene Leser wird die strenge Objektivität des Berichts anerkennen.
2) Die »Erklärung" wurde übrigens in der Besprechung angezogen und dabei in durchaus offener und nicht gewundener Weise gesagt, daß die Wahl unter persönlichen und örtlichen Gesichtspunkten stattgefunden habe, wozu vielleicht auch eine im Wochenblatt erschienene Erklärung besonder- beigetragen habe.
3) Die „Erklärung" wurde vom Volksverein am Wahltag selbst durch eia Flugblatt gründlich widerlegt; es war daher nicht Sache des Berichterstatters, diese bet der Wahl hervortretenden nicht gerade erfreulichen Vorkommnisse nochmals öffentlich zu besprechen. Der Berichterstatter hatte, wenn er sachlich und objektiv bleiben wollte, keinen Anlaß, auf die Wirkungen der »Erklärung" und des „Flugblattes", die er ja gar nicht sicher beurteilen konnte, näher einzugehen.
4) In dem Bericht wurde ausdrücklich angeführt: „Der nicht gewählte Kandidat ist mit Ehre« bestanden "
5) Der Berichterstatter steht nicht an, persönlich zu betonen, daß er die „Erklärung" ebenso wie Herr E. Staudenmeyer bedauert und
Dienstag, den 7. Dezember 1909.
verurteilt hat und es für besser und taktvoller geholten hätte, wenn dieselbe unterblieben wäre.
6) Im übrigen ist der Berichterstatter der Ansicht, daß der Bericht über da- Wahlergebnis nicht de« mindesten Grund für die Ausführungen in den Nachklängen zur Calwer Gemeinderatswahl und für das gänzlich unmotivierte Hereinziehen deS Berichterstatters in diese unliebsame Sache in sich schließt, und daß eS wohl besser und richtiger gewesen wäre, wenn die „Nachklänge" sich ausschließlich an eineandere Adresse gewendet hätten.
(Anmerkung drr Redaktion: Den Ausführungen unseres Berichterstatters fügen wir bet, daß der Bericht über die Gemeinderatswahl durchaus keine Stellungnahme für irgendeine Partei erkennen ließ; die Grenzen der Objektivität sind genau eingehalten und wir müssen daher die Angriffe auf die Berichterstattung als völlig unberechtigt ansehen. Es trifft hier eben auch das bekannte Wort zu: Allen Leuten recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.)
Calw 7. Dez. Gestern Montag abend hielt die hies. Ortsgruppe der Deutschen Partei im Gasthof z. „Hirsch" eine zahlreich besuchte Monatsversammlung ab. Die Tagesordnung umfaßte in erster Linie eine eingehende Berichterstattung über die Delegiertenversammlung der Nationalliberalen Partei Württembergs in Stuttgart am 27. Noo. d. I,, in der über die gegenwärtige parteipolitische Lage und über Organisationsfragen verhandelt wurde. Die sich anschließenden lebhaften Erörterungen ergaben eine völlige Uebereinstimmung der Anwesenden mit den Ausführungen der Hauptredner in der Stuttgarter Versammlung, insbesondere auch mit der Haltung der Fraktion in der Reichsfinanzreform. Die Annäherung der liberalen Parteien wurde lebhaft begrüßt, der Gedanke eines Zusammen
«ezugSpr. t. d. Stadt '/qkihrl. m. Träger!. Ml. 1.LS. PostbezugSpr, f.d. OrtS- u. NachbarortSoerk. V-Iäyrl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.80. Bestell-. in Württ. 80 Pfg.. in Bayern u. Reich 42 Hfg.
gehens mit der Sozialdemokratie jedoch entschieden abgelehnt. Im Anschluß an diese Verhandlungen machte Oberamtsrichter Hölder hier noch Mitteilungen aus den Tagebuchaufzeichnungen seines 1' Vaters, des vieljährigen Kammerpräsidenten und nachmaligen Ministers des Innern v. Hölder, welche interessante Bilder und Schlaglichter auf die politischen Verhältnisse und leitenden Persönlichkeiten Württembergs und anderer Bundesstaaten warfen.
Calw 7. Dez. Auf den heute Abend im Bad. Hof stattfindenden Vortrag des Reise- Schriftstellers Schwiegershausen über seine Erlebnisse auf seiner Radtour durch 5 Weltteile machen wir wiederholt aufmerksam. Die zum Teil mit Humor gewürzten Schilderungen, wie die „überraschende Kur einer Häuptlingsfamilie mit Fahrradschmieröl," sowie bedeutsamer Momente, wie der Besuch bei der Deutschen Ausgrabungs-Expedition in Babylon, der „Tod seines treuen Gefährten" und „eine qualvolle Durstperiode von 4 Tagen ohne Wasser" rc., werden den Vortrag zu einem hochinteressanten machen.
Liebenzell 7. Dez. Heute nacht V-l, Uhr brannte das dem Gipser Häußler, Goldarbeiter Wurster und Maurer Frank gehörige Wohnhaus mit Scheune vollständig nieder. Der Brandschaden beläuft sich auf 10 000 Mk. Die Abgebrannten sind bis auf einen versichert. Es wird Brandstiftung vermutet.
u Stammheim 6. Dez. Am Sonntag feierte der hiesige Militärverein sein 25jähr. Bestehen. Um 12 Uhr stellte sich der Verein, dem sich auf Einladung auch der Veteranenverein und der Liederkranz angeschlossen hatten, vor dem Rathaus auf, um hier die Erinnerungsmedaille aus der Hand des Bezirksobmanns Herrn
Im Klollerhof.
Roman von B. v. Lancken.
(Fortsetzung.)
Evelin, das strahlende, lächelnde, berückende Weib, sitzt am Spieltisch. — Die elektrischen Birnen lassen die Brillanten im Haar und am Busen hell aufleuchten, ein reizendes Lächeln umspielt die roten, weichen Lippen, die juwelengeschmückten Hände ordnen Gold und Scheine — ihr gegenüber sitzt Frau Veltlin mit dem grauen Täschchen, das den Strick des Gehenkten verbirgt, daneben die Uniformen der jungen Offiziere und Neumanns schwarzer Frack mit dem weißen Johanniterkreuz. — Callein tritt neben ihn und zieht seine Börse; er ist jetzt ganz ruhig. Er steht etwas Unabänderlichem gegenüber — es sollte, es mußte ja kommen. Da öffnete sich die Tür. Der Lakai Meisel, der unbezahlbare, unentbehrliche Meisel, tritt ein und nähert sich Baronin Evelin. Sein raffiniertes Gaunergesicht ist bleich, trotzdem bleibt seine Haltung die des tadellosen Kammerdieners.
„Frau Baronin, Herr von Ferni läßt den Herrschaften Lebewohl und auf Wiedersehen sagen. Er ist eben mit dem Boot nach der Klosterruine hinübergefahren, in zwei Stunden spätestens sei er wieder hier."
Sekundenlang folgte dieser Mitteilung tiefes Schweigen; es ist beinahe, als ob jemand eine Todesbotschaft in diesen lustigen, leichtlebigen Kreis hineingetragen hätte. Die dicke Tante Carolin ist die erste die sich faßt.
„Wer ist mit?" fragte sie.
„Niemand."
Baronin Evelin stößt einen lauten Schrei aus. Tante Carolin faltete die Hände über der Brust und flüstert:
„Mein Gott, mein Gott."
Die Herren stehen schweigend, mit ernsten, bleichen Gesichtern. — Der Sturm heult um die Mauern — die Wetterfahne kreischt. Eine Fahrt über den Klostersee in einem kleinen Luxusboote bei diesem Wetter für einen Mann allein, nach reichlichem Weingenuß — ist so gut wie eine Todesfahrt. Den Anwesenden stockt der Atem. — Nach ein paar furchtbaren Stunden hat sich der Bann gelöst.-„Wie ist das denk
bar?" „Mein Gott, wenn man das für möglich gehalten hätte!" „Er hat doch kein Wort darüber gesagt!" „Ja, wenn er das gewollt, jeder von uns hätte ihn doch zurückgehalten." „Aber natürlich!" So schwirren die Rede und Gegenrede hin und her. Evelin Horst richtet ihre Augen auf Callein, er weicht ihrem Blick nicht aus. — Jeder weiß, was in der Seele des andern vorgeht. — Callein ist zu stolz, den Blick zu senken. —
Er bleibt vollkommen ruhig. — In zwei Stunden.-Endlos
dehnt sich die Zeit, und qualvoll ist sie für jeden der Anwesenden. Sie haben sich hie und da niedergelaffen, Evelin und Callein sitzen am Spieltisch, das Gold und die Karten liegen darauf, unberührt. Totenbleich ist die schöne Frau in dem schlichten, weißen Seidenkleid, das elektrische Licht spielt auf dem blonden Haar und weckt tausend schimmernde und flimmernde Reflexe in den Edelsteinen an ihrer Brust und an den feinen Fingern, die in nervöser Erregung einen Hundertmarkschein falten und entfalten. — Bald geht der eine, bald der andere der Herren hinunter an den Strand, sie kommen immer wieder mit ernsten, sorgenvollen Gesichtern zurück, immer mit derselben Nachricht: „Der Sturm braust, der See rast." Am Ufer brandend, überschlagen sich seine Wogen, den weißen Gischt weit hinaufstäubend auf die wohlgepflegten Kieswege. Zwei Stunden — eine Ewigkeit! Endlich waren auch sie vergangen, die Zeiger der kleinen, koketten Pendüle zeigen auf Mitternacht und in raschen Schlägen klingt'S durch die glänzenden Räume. —
(Fortsetzung folgt.)