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und ein Vermögen von 6846 ^ 90 L- auf. Zum Schluß machte der Vorstand noch Mitteilung über verschiedene Vereinsangelegenheiten, Wanderkochkurse, Wanderarbeitsstätte. Zur Verteilung an die der Versammlung anwohnenden Mitglieder kam der Kalender des landw. Vereins und eine Schrift des verstorbenen Herrn Ober- amtSrichters Fischer über „Das geltende Recht beim Viehhandel."
Calw. (Auf dem Rade um die Welt.) Der Leipziger Schriftsteller W. Schwiegershausen, welcher kürzlich eine 5jährige Reise auf dem Zweirade durch die 5 Kontinente beendete und von über 1000 Radfahrern empfangen und im Triumph nach seiner Heimatstadt Leipzig geleitet wurde, wird Dienstag, den 7. Dezember, im „Bad. Hof" einen Lichtbildervortrag über seine Erfahrungen halten. Wie man uns mitteilt, hat Sch. in 5 Jahren Europa, Asien, Afrika, Australien, Tasmanien, Neuseeland, Süd- Zentral-Amerika, Mexiko und die Vereinigten Staaten zu Rade durchfahren und einen Welt- und Reiserekord geschaffen, indem er eine nachweisbare Radtour durch sämtliche Weltteile, sowie die längste Reise zu Lande ausführte, welche je gemacht wurde, 52 000 Kilometer legte er zurück und brauchte 4 Räder und 28 Gummireifen auf. Ein Rad war in Asien noch nicht gesehen worden und man taufte es Teufelswagen. Der Energie und dem Wagemute des jungen Deutschen wurde in allen Ländern Anerkennung gezollt. In Teheran wurde er vom Schah empfangen, in Indien an Fürstenhöfen, in Ausstralien und den Südsee-Jnseln von den Gouverneuren und in Peru und Mexiko von den Präsidenten ein. Sämtliche dieser hohen Persönlichkeiten zeichneten sich in das Autographenbuch des Reisenden. Die letzte Widmung des Präsidenten von Mexiko lautet: Meine herzlichsten Glückwünsche dem kühnsten aller Reisenden, den ich kenne." Sein erster Begleiter kehrte infolge der Strapazen bald zurück, während der zweite Gefährte im Kampfe mit Beduinen fiel. Seine Reise ist reich an Abenteuern und Studien. Den ersten Teil beschrieb er in einer Serie Reisebriefen für verschiedene Zeitungen. Er nahm mehrere tausend Photographien und wird einen Teil derselben bei seinem Vortrage als Lichtbilder vorführen. Niemand versäume diesem seltenen, lehrreichen und unterhaltenden Vortrage beizuwohnen. (S. d. heut. Inserat.)
— Seine Königl. Majestät haben am 5. November d. I. allergnädigst geruht, die evangelische Pfarrei Hengen, Dekanats Urach, dem Pfarrverweser Hugo Rupp in Aichelberg, Dekanats Calw, zu übertragen.
Aus dem Würmtal 1. Dez. Auch hier in der Gegend des unteren Würmtals wird ziemlich viel gewildert. Gestern ereignete
sich nun ein eigentümlicher Vorfall. Der Hilfsbriefträger, der den Gang von Neuhausen nach Hohenwart unweit Pforzheim macht, hörte seit einigen Tagen im Walde Hundegebell. Er ging nun der Sache auf die Spur und fand einen großen Wolfshund in einer von Wilderern gestellten Rehschlinge hängend. Der Hund war so wütend, daß der Mann ihn nicht zu befreien wagte. Er benachrichtigte, da er das Tier kannte, den Besitzer, einen Wirt in Hohenwart, der dann den bereits acht Tage vermißten, halbverhungerten Hund befreite. Jedenfalls war der Hund auf eigene Faust auf verbotenen Pfaden gewandelt und so in die Schlinge geraten, aus der ihn der Wilderer nicht zu befreien wagte.
Tübingen 1. Dez. Die Brauereibesitzer Tübingens samt Umgebung, denen sich auch der Bezirkswirtsverein anschließt, haben beschlossen, vom 1. Dezember ds. Js. an die Bierpreise zu erhöhen und zwar um 2^ pro Hektoliter. Für den Ausschank gestalten sich künftighin für gewöhnliche Biere die Preise folgendermaßen: '/« Ltr. 7 c), 03 Ltr. 10 0,4 Ltr. 11 A V» Ltr. 13 A Spezialbiere beanspruchen besondere Preise. Entgegen diesem Aufschläge wird das Brot vom 1. Dezember ab um 2 c) pro 1 Kilo billiger werden. Auch die seither 90 Gr.-Wecken sollen auf 100 Gr. vergrößert werden.
Heilbronn 1.Dez. (Schwurgericht.) Der 8. Fall betraf gestern die Strafsache gegen den 52 Jahre alten verheirateten Taglöhner Wilhelm Hampp von Leonbronn O.A. Brackenheim, wohnhaft in Ochsenberg, wegen versuchten Mords und Widerstands. Der Angeklagte wird beschuldigt, er habe in der Nacht zum 3. Oktober seine Ehefrau zu erschießen, versucht. Er gab nämlich aus einem Revolver, einen Schuß auf sie ab, der ihr eine leichte Wunde in der Herzgegend beibrachte, und als der Polizeidiener ihm den Revolver abnehmen wollte, leistete er Widerstand. Der Angeklagte hat mit seiner Frau nicht im besten Einvernehmen gelebt, die Schikßszene war denn auch aus den ehelichen Mißhelligkeiten entsprungen, doch konnten die Geschworenen nicht die Ueberzeugung gewinnen, daß Hampp seine Frau töten wollte, sie sprachen ihn daher nur der Körperverletzung und des Widerstandes schuldig, worauf das Gericht eine Gefängnisstrafe von 1 Jahr 6 Monate und 15 Tage aussprach.
Pforzheim 1. Dez. Der hiesige Bürgerausschuß hat nunmehr den Ankauf der Lokal-Eisenbahnlinie Pforzheim- Brötzingen für 370000 endgültig genehmigt. > Bis in etwa 2 Jahren wird diese Strecke elektrisch
eingerichtet. Von der Stadt werden noch mehrere elektrische Straßenbahnlinien eröffnet werden.
Kreuth 1. Dez. Die Ueberführung der Leiche des Herzogs Karl Theodor vonBayern von Bad Kreuth nach der Schloßkirche in Tegernsee findet in der Nacht von Donnerstag zum Freitag in aller Stille statt. Der Hof-Leichenwagen trifft zu diesem Zweck aus München morgen früh hier ein. Die Beisetzung findet Freitag Vormittag 11 Uhr in der Schloßkirche in Tegernsee statt.
Berlin 1. Dez. (Reichstag.) Abg. Graf Stolberg-Wernigerode eröffnet als bisheriger Präsident die Sitzung. Nach Bekanntgabe der eingegangenen Vorlagen, unter denen sich der Reichshaushaltsetat befindet, wird zur Wahl des Präsidenten geschritten. Sie wird unter Namensaufruf mit Stimmzetteln vorgenommen. Bei der Wahl zum Präsidenten werden 354 Stimmzettel abgegeben, davon sind weiß 96, mithin gültige Stimmen 258. Hiervon lauteten 256 Stimmzettel für Graf Stolberg, 2 Stimmzettel für den Abg. Bruhn. Graf Stolberg ist somit gewählt. Er nimmt die Wahl dankend an und begibt sich zum Präsidentenstuhl. Er sagt nochmals seinen aufrichtigen Dank und drückt die Bitte aus, daß das Haus ihn wiederum in seiner Amtsführung unterstützen möge. Darauf folgt die Wahl des 1. Vizepräsidenten. Beider Wahl werden 350 Stimmzettel abgegeben, davon sind 104 weiß, mithin gültig 246. Der Abg. Spahn (Ztr.) erhielt 239 Stimmen; die übrigen sind zersplittert. Abg. Spahn nimmt die Wahl dankend an. (Bravo im Zentrum.) Es folgt die Wahl des 2. Vizepräsidenten. Hiebei werden 351 Stimmzettel abgegeben, darunter 118 weiße. Gültig sind somit 233 Stimmzettel. Davon lauten 221 für den Abg. Dr. Paasche (natl.), 12 Stimmen sind zersplittert. Abg. Dr. Paasche bedauert, die Wahl nicht annehmen zu können. Es entspinnt sich nunmehr eine Geschäftsordnungsdebatte über einen Antrag v. Normann (kons.) auf Vertagung. Singer (Soz.) wendet sich gegen den Antrag Normann. Gröber (Ztr.) erklärt, der Abg. Singer habe für seine Behauptung, daß die Aussetzung der Wahl des 2. Vizepräsidenten unzulässig sei, keinen Beweis erbracht. Singer (Soz ): Wenn heute der 2. Vizepräsident und die Schriftführer nicht gewählt werden, so ist eine sachliche Beratung überhaupt nicht möglich. Präsident Graf Stoberg: Der Antrag Normann geht dahin, die Wahl des zweiten Vizepräsidenten zu vertagen und dann die Schriftführer zu wählen. Singer (Soz) hält seinen Widerspruch aufrecht. Dr. Müller-Meiningen (frs. Vp.) hält die Ansicht des Abg. Singer für zweifellos richtig. Abg. Gröber (Ztr.): Der Antrag Normann I zerfällt in zwei Teile: 1) die Wahl des Vize-
Oberherrschaft über die blond- und braungezöpfte Schar führte, die nicht immer mit Glacehandschuhen angefaßt werden durfte.-
Die Abende fuhren dann die Pareicker Damen einmal wöchentlich nach dem Klosterhof, einmal kamen die Bewohner vom Klosterhof nach Pareicken, und hin und wieder gab es auch, da die allerstrengste Trauerzeit vorüber war, einen kurzen Besuch in der Nachbarschaft. Dadurch, daß Evelin bei den Fernis und der Gräfin Volgers Aufnahme gefunden hatte, und man wußte, daß D in Berlin in ersten Familien verkehrte, hatte man die vorsichtige Zurückhaltung, die man hier zu Lande Fremdlingen meist entgegenbrachte, fallen gelassen, und es war ihr gelungen, sich einen wenn auch kleinen Umgangskreis zu schaffen. — Allerdings hielten sich die älteren Damen mit Töchtern vorsichtig noch etwas zurück, aber die jungen, hübschen und lebenslustigen Frauen, die für sich selbst nicht glaubten unter der Rivalität der verführerischen kleinen Baronin leiden zu müssen, fanden den Verkehr amüsant. Baronin Evelin wußte so hübsch und witzig zu plaudern, allerhand kleine, intime, heitere, nur für verheiratete Frauen berechnete Sachen zu erzählen, und dann gab es immer ein kleines Jeu, so ganz harmlos — es handelte sich höchstens um vierzig bis fünfzig Mark den Abend, das war doch etwas neues, was man hier noch nicht gekannt. Es war eben mal etwas anderes, wie die ganze, kleine, elegante, schöne Frau selbst. Die Männer waren ihr meist alle bedingungslos verfallen — sie war auch entzückend in ihren Pariser Toiletten, mit dem reizend und doch so natürlich frisierten lockigen Haar und dem zarten Parfüm, das von Evelin Horst so unzertrennlich war, wie die Brillanten an den weißen Händen und die unzähligen kostbaren Kleinigkeiten, die einem Kostüm erst das Gepräge der Eleganz geben.
Evelin besaß die Fähigkeit, sich allen Verhältnissen anzupassen,, so tat sie'S auch hier. Sie zeigte den strebsamen Landjunkern gegenüber Interesse für die Wirtschaft, für Southdown-Böcke und „Ost-Friesen", sprach mit den älteren Damen über das kleine Federvieh, die sittlichen
Zustände unter den Leuten und trachtete danach, sich bei jedem Zusammensein etwas mehr Terrain zu erobern. Sie war stets gleichmäßig heiter und liebenswürdig in Gesellschaft, stets gleichmäßig verstimmt gereizt, wenn sie mit Tante Carolin allein war, denn im Grunde langweilte sie sich über die Maßen in diesen für ihre Begriffe entsetzlich soliden Kreise, ärgerte sich über Armand Ferni's Unentschlossenheit und daneben traf sie noch Callein's Spott.
„Ich habe Ihre Meisterschaft überschätzt, Baronin," sagte dieser einmal zu ihr, als sie sich auf einem Spaziergang nach der romantischen Klosterruine trafen.
„Wieso?"
„Nun — unter uns — mir, einem sehr langjährigen Bekannten und Freunde Ihres Gatten gegenüber, brauchen Sie doch kein Geheimnis daraus zu machen, weshalb Sie hier in Solitüde vor Anker gegangen sind."
Sie zuckte mit den Achseln und lächelte ihn spöttisch an.
„Diese Bemerkung gebe ich Ihnen zurück, Graf Markus. Von allen Frauen der Welt ist es also dieser Inge vorgehalten geblieben, den unbezwinglichen Callein zu besiegen!"
„Und von allen Männern, aus denen Sie stets gemacht, was Sie wollten, ist es allein mein kleiner Vetter Armand, dem Sie bei aller Leidenschaft nicht ein Atom von Entschlossenheit einzuflößen vermögen," antwortete Markus.
„Ich kann warten."
„Machen Sie sich keine Illusionen, Baronin Horst," jsagte er hart. „Dies Verlöbnis ist schwerer zu lösen, als eine Ehe."
„Bei diesem schwachen, unentschlossenen Armand!" rief sie unbedacht.
„Wie richtig Sie ihn bewerten, den Mann, nach dem Sie so begierig Ihre schönen Hände ausstrecken," antwortete er mit scharfem Sarkasmus.
(Fortsetzung folgt.)