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wein für farbschwache inländische Weine benützt. In Bezug auf Qualität waren die eingeführten Trauben besser als voriges Jahr. Die Preise stellten sich frachtfrei unverzollt für Trauben spanischen Ursprungs auf 19—30 Mk., für Trauben italienischen Ursprungs auf 19,50 bis 31 Mk., für Trauben österreichischen Ursprungs auf 17-35 Mk. per äri.
Von der bayrischen Grenze 30. Nov. Vom köstlichsten Edelfisch der Donau, vom Rotfisch oder Huchen, haben die Fischer Stepperger und Hügel in Dillingen innerhalb 3 Tage 7 Stück mit der Flugangel gefangen. Die Fische wiegen 10—33 Pfund.
München 30. Nov. Ein schwerer Einbruch ist heute vormittag 8 Uhr in dem Juweliergeschäft Krause in der Sporerstraße entdeckt worden. Aus einem aufgesprengten Kassenschrank sind Juwelen und Schmucksachen im Werte von 13 000 Mk. gestohlen worden. Von den Dieben fehlt jede Spur.
Bad Kreuth 30. Nov. Herzog Karl Theodor in Bayern ist heute nacht 2 Uhr gestorben. — Der verstorbene Herzog hatte am 9. August d. I. seinen 70. Geburtstag begangen. Er war das Haupt der herzoglichen Linie des bayerischen Herrscherhauses und folgte seinem am 18. Nov. 1888 verstorbenen Vater, Herzog Maximilian, nachdem sein älterer Bruder Ludwig dem Erstgeburtsrecht entsagt hatte; Schwestern des Herzogs Karl Theodor waren Kaiserin Elisabeth von Oesterreich und die beim Pariser Bazarbrand umgekommene Herzogin von Alentzon. Als junger Prinz trat der Herzog in die Artillerie ein; er hat die Feldzüge von 1866 und 1870/71 mitgemacht, bekleidete zuletzt den Rang eines bayer. Generals der Kavallerie und war Inhaber des 3. Chevaulegersregiments, das seinen Namen führt, sowie Chef des preußischen Dragonerregiments Freiherr». Manteuffel (rhein.) Nr. 5. Bekannt ist das menschenfreundliche Wirken des Herzogs Karl Theodor als Augenarzt. Er hatte Medizin studiert und war von der Universität München zum Or. maä. promoviert worden. Durch besonderen Erlaß des Reichskanzlers erhielt er 1880 die Befugnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Als besonderes Fach wählte er die Augenheilkunde. Er übte sie in Tegernsee und in den Frühjahrmonaten in Meran, später nur noch in München aus, wo er sich eine eigene Klinik erbaut hatte. Seine Praxis kam vielen unbemittelten und hilfsbedürftigen Personen zugute. — Herzog Karl Theodor, der viel in Schloß Tegernsee weilte, war zweimal vermählt. Seine erste Gemahlin, Prinzessin Sophie von Sachsen, starb nach 2jähriger Ehe 1867; aus dieser Ehe stammt Herzogin Amalie Gemahlin des Herzogs Wilhelm von Urach
Grafen vonWürttemberg; die Frau Herzogin weilte mit den sonstigen Familienangehörigen am Sterbelager des Vaters. Die zweite Ehe schloß Herzog Karl Theodor 1874 mit Maria Josepha Infantin von Portugal. Die Kinder aus dieser Ehe sind: Herzogin Sophie, vermählte Gräfin zu Törring-Jettenbach; Herzogin Elisabeth, Gemahlin des belgischen Thronfolgers Prinzen Albert; Herzogin Marie Gabriele, Gemahlin des Prinzen Rupprecht von Bayern, zukünftigen bayer. Thronfolgers; Herzog Ludwig Wilhelm geb. 1884, Oberleutnant im Chevaulegers-Rgts. seines Vaters, Herzog Franz Joseph, geb. 1888, Leutnant im bayer. Ulanen-Rgt.
Berlin 30. Nov. Der Reichstag wurde heute Mittag 13 Uhr im weißen Saale des königlichen Schlosses vom Kaiser mit einer Thronrede eröffnet, in welcher unter Bezugnahme auf die letzten Steuer-Vorlagen betont wird, daß die finanzielle Stellung des Reiches mit den gewonnenen Mitteln weiter befestigt werden soll. Dieser Aufgabe entspreche der neue Etat. Dann werden in der Thronrede die dem Reichstage zugehenden neuen Vorlagen angekündigt, zunächst die Reichs-Versicherungsordnung, alsdann ein Gesetz über Hausarbeit und ein Stellenvermittler- Gesetz. Die in der letzten Tagung nicht erledigten Entwürfe einer Strafprozeßordnung und einer Novelle zum Gerichtsverfassungsgesetz über die Organisation der Strafgerichte sollen dem Reichstage von Neuem unterbreitet werden. Weiter werden verschiedene Kolonial-Vorlagen angekündigt, darunter eine zur Fortführung der Usambara-Bahn bis zum Kilimandscharo und ein Kolonialbeamten-Gesetz. Das Handelsprovisorium mit England soll um weitere 3 Jahre verlängert werden. Ein Handelsvertrag wird auch mit Portugal angestrebt. Zum Schluß betont die Thronrede die guten Beziehungen zu anderen Mächten und das Marokko-Abkommen mit Frankreich. Der Kaiser hegt das Vertrauen, daß das Zusammenhalten der drei verbündeten Reiche Deutschland, Oesterreich und Italien auch fernerhin seine Kraft für die Wohlfahrt ihrer Völker und die Erhaltung des Friedens bewahren wird.
Berlin 30. Nov. Dem Reichstag ist ein Gesetzentwurf zugegangen, wonach der Termin für das Inkrafttreten der Witwen- und Waisenversicherung durch eine entsprechende Aenderung des Zolltarifgesetzes und des Gesetzes betr. den Hinterbliebenenversichp- rungsfonds und den Reichsinvalidenfonds vom 1. Januar 1910 auf den 1. April 1911 hinausgeschoben werden soll.
B erlin 30. Nov. Aus Rom meldet ein hiesiges Blatt, daß Fürst und Fürstin Bülow im Januar aus dem Hotel Excelsior in die Villa Malta übersiedeln werden. Die Villa ist schon
jetzt bewohnbar, aber die Fürstin wünscht vor dem Einzug noch den Räumlichkeiten ihr eigene« Gepräge zu geben. Fürst Bülow erfreut sich des besten Wohlbefindens und ist bei guter Stimmung. Er macht ausgedehnte Spaziergänge im Garten der Villa Borghese und in der Campagne, wo er nach Ankunft seiner Reitpferde auch im Sattel zu treffen sein wird. Der Fürst wird sich nach seiner Uebersiedlung in die Villa Malta zuerst mit der Ordnung seiner großen, die Weltliteratur umfassenden Bibliothek und seines interessanten Briefwechsels befassen, ferner auch mit seinem Werk „Rom im Mittelalter", das er sich vor 35 Jahren vorgenommen hat. Da außerdem im italienischen Parlament, dessen Mitglieder schon in Rom persammelt sind, „eine kleine Finanzreform i». Sicht ist", wie Fürst Bülow dieser Tage gut gelaunt bemerkte, so ist für seine Unterhaltung auskömmlich gesorgt.
Paris 30. Nov. Ein eigenartiger Fall von Spionage hat sich dieser Tage hier abgespielt. Ein italienischer Unteroffizier namens Rossi erschien neulich auf dem Kriegsministerium und bot Schriftstücke zum Kauf an, die sich auf die Bewaffnung der Alpenorte und Baupläne des Panzerschiffes Democratie beziehen. Er erzählte, er habe diese Papiere dem italienischen Kriegsministerium entwendet, die französische Offiziere hingeliefert hätten. Er mache sich er- bötig, die Namen dieser französischen Offiziere zu nennen. Man wollte ihn mit der Geheimpolizei in Verbindung setzen, davon wollte er jedoch nichts hören sondern erklärte, er wolle nur mit dem Kriegsministerium zu tun haben. Wolle dieses sich nicht mit ihm einlassen, so werde er seine Papiere Deutschland überlasten, das ihm bereits Angebote gemacht hätte. Daraufhin wurde der Mann verhaftet und wird wegen Spionage verfolgt werden.
Paris 30. Nov. Die gestrige „Faust"- Aufführung in der großen Oper, welcher der König von Portugal beiwohnte, wurde durch einen Zwischenfall gestört. Die Elektriker benutzten die Anwesenheit des Königs, um von der Direktion eine Lohnaufbesserung zu verlangen. Sie erklärten, sofort die Arbeit einzustellen, wenn ihrem Verlangen nicht Rechnung getragen würde. Auch die Maschinisten schlossen sich den Forderungen an. Während der Verhandlungen wurde das Publikum ungeduldig. Die Pause zwischen dem ersten und zweiten Akt dauerte bereits 40 Minuten. Schließlich mußte die Direktion nachgeben, da man den König nicht länger warten lasten wollte. Die Elektriker erhielten eine Lohnaufbesserung von 3 Francs wöchentlich zugesagt.
Paris 30. Nov. Dem „Temps" wird aus Verdun gemeldet, daß gegen eine ganze
Liebe, die echte Liebe, die Mutter unserer Leidenschaft ist, dann gibt es „keinen Widerstand und keine Wahl", und niemals wird Menschenwille lösen, was sich seelisch geeint. Versuchen Sie's doch, ob Sie „Ihre Liebe", er machte eine kleine Pause und drängte das Wort, das ihm auf der Lippe schwebte, zurück, „ob Sie Ihre Liebe abstreifen und beiseite werfen können, wenn man es von Ihnen fordert!"
Inge bebt wie von einem Fieberfrost geschüttelt. Zum ersten Male schlagen die Töne einer elementaren, gewaltigen Leidenschaft, die — sie fühlt es mit Wonne und Schrecken zugleich — aus einer großen und starken Liebe herausgeboren ist.-
Und diese Liebe gehört ihr.-
Ihre Füße tragen sie nicht mehr, sie schwankt und greift, eine Stütze suchend, in die Luft, da fühlt sie ihre Hand umfaßt mit festem, unlöslichen Griff, keuchender Atem streift ihre Wangen und eine Stimme, schmeichelnd und beschwörend zugleich, flüstert ihren Namen: „Inge — Inge!" und ihr ist, als ob der Himmel sich vor ihr auftue zu unaussprechlicher, wonne- voller Seligkeit. Aber nur sekundenlang gibt sie sich diesem Empfinden hin, dann fährt sie jählings zusammen, und mit einer einzigen Bewegung macht sie sich frei und steht Callein gegenüber, totenblaß, mit zuckenden Lippen, mit weitgeöffnetem, schreckensvollen Blick.-
„Rühren Sie mich nicht an, Graf Callein, Sie vergessen, daß ich Armands Braut bin," flüstert sie kaum hörbar.
„Ich vergesse es nicht einen Augenblick, aber ich sehe, daß diese Verbindung zu Ihrem Verderben führt. Armand ist ein schwacher, haltloser Charakter —"
„Ich werde versuchen, ihm eine Stütze zu sein, wie ich es seiner Mutter und mir selbst gelobt," entgegnet sie zitternd.
„So wollen Sie wirklich diese unselige Ehe eingehen, Inge? Diese Ehe, in der Ihnen keine Erniedrigung, kein Schmerz erspart bleiben wird?" flüstert Callein, mit sich selbst ringend.
„Ich habe Armand und seiner Mutter geschworen, daß uns nichts scheiden wird, als nur der Tod, und werde mein Wort halten — es sei denn, daß er selbst mich frei gibt um einer Besseren willen."
„Aber das ist ja Frevel gegen Ihre eigene Person, das ist ja Wahnsinn!" zischte Callein.
„ES ist Treue, Graf Markus," antwortete sie leise und legte die Hand über die Augen, sich von ihm abwendend.
„Auch für die Treue gibt es unter gewissen Umständen eine Grenze."
„In diesem Falle aber nicht — ich habe meiner sterbenden Mutter versprochen, so viel an mir ist, die große Dankesschuld abzutragen, die durch jahrelang erwiesene Güte der Krusemarcks und Fernis auf uns ruht. Ich habe nie geglaubt, daß ich, die Arme, Heimatlose, die hier eine Heimat gefunden, dazu imstande sein würde. Jetzt ist die Zeit gekommen. Armand ist ein schwankender Charakter, es war seiner Mutter ein Trost, mich an seiner Seite ^u wissen. Ich habe ihm mein Wort gegeben, er glaubt an meine Treue, ich werde sie halten."
Callein zuckte ungeduldig mit den Schultern; er mochte die Zwecklosigkeit einsehen, diesem festausgeprägten Willen des Mädchens gegenüber irgend etwas zu erreichen.
„Sie werden es bereuen, Inge."
„Es ist immer besser man bereut eine Handlung, die man in treuem Pflichtbcwußtsein getan, als eine, durch die man dies Pfiichtbewußtsein verletzt hat."
„Und wenn Armand nun selbst die Auflösung dieses Bundes wünschen, verlangen sollte?" fragte Markus sehr langsam, Inge scharf beobachtend.
„Dann ist er frei."
„Ah."
Markus Callein stieß dies Wort hervor, wie einen Seufzer der Erlösung.-
(Fortsetzung folgt.)