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Amts- und Anzeigeblatt für den GberamtrbeM Lalw
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UrsHetnunzStezs: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnrrstag, Freitag und Samstag. Jnsertionspreis >« dsg. pro Atiir für Stadt u. Bezirk Sorte; außer Bezirk tg Psg.
Mittwoch, den 1. Dezember 1909.
BrzugSpr.i.d. Stadtl^jLhrl.m.Träger!.Mk. I.2S. Postbezugspr s-d. Orts- u. Nachbarortsverk. >/^ährl. Mk. I.so, im Fernverkehr Mk. 1.S0. Bestellg. in Württ. SO Pfg., in Bagern u. Reich 4L Psz
TsgrSUSNiskeiteLi.
Stuttgart 30. Nov. Der bekannte Sanitätsrat Dr. Bilfinger, Vertreter der hygienischen Heilkunde, der früher viele Jahre lang in Stuttgart eine ausgedehnte Praxis hatte, und jetzt noch bei vielen im guten Andenken steht, wird demnächst wieder in sein engeres Vaterland zurückziehen, nachdem er seit ungefähr 15 Jahren verschiedene große Sanatorien auf dxr Oberwaiü (Schweiz), in Grüna bei Chemnitz (Sachsen), in Wilhelmshöhe, in Eisenach u. a. Orten ärztlich geleitet hatte. Er hat nunmehr kürzlich zusammen mit einem kleinen Consortium das neuerbaute Sanatorium Elisabethenberg bei Lorch, eine Fahrstunde von Stuttgart entfernt, käuflich erstanden. Die Anstalt, die wundervoll am südlichen Abhang des Welzheimer Waldes gelegen und ein modernst eingerichtetes Sonnensanatorium ist, wird derzeit noch vergrößert und mit Lift, Wandelhalle, Liegehalle rc., aufs vollkommenste ausgestattet, so daß es ein Sanatorium ersten Ranges darstellt. Die Eröffnung findet Mitte März statt.
Stuttgart 30. Nov. Bei der heutigen Ziehung der Geldlotterie zum Bau eines Asyls für Obdachlose fielen die Hauptgewinne auf folgende Nummern: 35 000 ^ auf Nummer 6450, 6000 auf Nr. 42 622, 2000 auf Nr. 50 641, je 1000 ^ auf Nr. 66 341 und Nr. 1338, je 500 ^ auf Nr. 70 602, 66485, 3985, 7686 (ohne Gewähr.)
Bebenhausen 29. Nov. I. M. die Königin, welche den hiesigen Kindern schon so viele Beweise ihrer Güte zuteil werden ließ, beschenkte die Schulkinder zu deren großer Freude eigenhändig mit Schnitzbroten; auch die noch nicht schulpflichtigen Kindern bis zu den
kleinsten herab wurden in gleicher Weise bedacht. In den schneereichen Tagen der letzten Woche erschien die Königin auf der Schlittenbahn und weilte gerne unter der fröhlichen Kinderschar.
Schramberg 28. Nov. Der seit einem Monat wieder eröffnete städtische Fischmarkt war bisher trotz der hohen Fleischpreise schwächer besucht als in früheren Jahren. Eine Erklärung findet diese Erscheinung in dem seit Wochen fühlbaren Mangel an Butter und anderen Fetten, welcher dem Konsum der hierorts beliebten Bratfische Schranken setzt. Das Angebot an Butter auf den hiesigen Wochenmärkten bleibt stark hinter der Nachfrage zurück, weshalb die Preise eine ungewöhnliche Höhe erreicht haben; in den Metzgereien ist Schmalz nur auf Be-. stellung zu erhalten. Ein großer Teil der Konsumenten ist daher auf Surrogate angewiesen.
Ulm 30. Nov. Am Sonntag fand hier eine Versammlung von Eisenbahnunterbeamten statt, die unter dem Zeichen „Los von Roth" stand. Gewerkschaftssekretär Krug von Stuttgart wies nach, daß der neue Eisenbahnerverband keine Zentrumsgründung darstelle. Er behandelte die Veranlassung, die zur Neugründung geführt habe und betonte, daß der neue Verband vom alten finanziell völlig unabhängig sei. Landtagsabgeordneter Andre gab eine Reihe von Fällen bekannt, die zur Beleuchtung der ganzen Sachlage beitrugen, und machte für die Mißstände im alten Verband nicht allein Roth, sondern auch die Vorstandschaft verantwortlich. Er bedauerte, daß der alte Verband sein Verhältnis zu den christlichen Gewerkschaften immer mehr gelockert habe, und trat energisch für die Beamtenaufbesserung ein, die besonders den Verkehrsbeamten gegenüber
bei ihrem harten und gefährlichen Dienst eine unabweisbare Forderung geworden sei. Die überwiegende Mehrzahl der Anwesenden entsprach der Aufforderung zum Beitritt in den neuen Verband.
Jmmendingen 29. Nov. Ueber unsere Grenzstation gingen in der Zeit vom 1. Oktober bis Ende November ca. 600 Eisenbahnwagen Traubenmaische und 450 Wagen frisches O bst von den Grenzämtern Singen, Schaffhausen, Waldshut und Konstanz ein, welche an die Hauptzollämter Stuttgart, Heilbronn, Sigmaringen, sowie an die Zollämter Tuttlingen, Calw, Tübingen und Reutlingen zur Schlußabfertigung weiter gingen. Diese Einfuhr bedeutet gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang, an welchem die Vorschriften des neuen Weingesetzes vom 7. April 1909 für eingeführte Traubenmaische und Moste, über deren Einfuhrfähigkeit ein Zeugnis vorzulegen ist, einigen Anteil haben dürften. In den meisten Fällen waren den Traubenmaischsendungen konsularisch beglaubigte Analysenatteste spanischer, italienischer und französischer Chemiker beigegeben; wo dies nicht der Fall war, mußte die Maische von dem ermächtigten Chemiker der Empfangsstation auf die Einfuhrfähigkeit untersucht werden. Ein weiterer Grund des Rückgangs der Einfuhr von Traubenmaische liegt aber hauptsächlich darin, daß viele Landleute, welche sich in den letzten Jahren einen billigen Wein aus ausländischen Trauben einlegten, jetzt zum Obstmost- oder Bierkonsum zurückkehrten, da der ausländische Traubensaft durch den hohen Zoll von 10 Mk. per äs sich verteuerte und auch bei besseren Jahrgängen dem süddeutschen Gaumen nie so recht mundete. In der Hauptsache wird der eingeführte Traubensaft meist als Verschnitt-
Im Llosterhof.
Roman von B. v. Lancken.
(Fortsetzung.)
Inge empfindet seine unmittelbare Nähe wie eine zwingende Gewalt, es liegt in seiner Persönlichkeit, seiner Sprache, seinem Blick; sie fühlt einen Zauber, der sie von Minute zu Minute mehr gefangen nimmt, und gegen den sie sich wehren muß. Ihre ganze Willenskraft zusammenraffend, steht sie auf, tritt einen Schritt zurück, innerliche Erregtheit und Verwirrung lasten sie das rechte Wort nicht finden. Sie kann ihm auch kein Zugeständnis machen; da muß, wie so oft im Leben, auch ihr der Trotz helfen.
„Vielleicht — will ich Ihnen auf Ihre Frage nicht antworten. Nein, ich will nicht," sagte sie schroff.
Eine tiefe Röte stieg in ihre Wangen, und wie sie ihm jetzt ansieht, mit blitzenden Augen, die schlanke Gestalt stolz aufgerichtet, da muß Markus Callein sich beherrschen, um nicht vor ihr niederzuknien und ihre schmalen, weißen Hände, den Saum ihres Kleides zu küssen.-
Nichts verrät ihr, was innerlich in ihm vorgeht, keine Wimper zuckt, nur ein kleines, halb spöttisches, halb triumphierendes Lächeln spielt um seine Lippen.
„Recht so," sagte er, „immer noch bester dieser offene Trotz als ein unbeholfenes Leugnen. Wenn Sie wüßten, Inge, wie durch Ihr Leugnen und Ihren Trotz die Wahrheit an allen Ecken hindurchlugt."
„Welche Wahrheit?" ruft sie, zum Aeußersten gebracht, unbesonnen.
„Die Wahrheit, von der sie sich keine Rechenschaft geben wollen, weil — weil Sie sie fürchten. Die Wahrheit, die aus der Welt zu schaffen Sie machtlos find. Es ist nicht so leicht, Inge, die Wahrheit fortzuschaffen; wir können sie verleugnen, aber nicht — wegwischen, wie ein beliebiges, unangenehmes, häßliches Wort auf der Schiefertafel."
Inge hätte aufschreien, in Tränen ausbrechen, fliehen mögen, vor ihm und sich selbst. Sie sah nirgends mehr einen Ausweg, eine Hilfe, immer enger zog er den Bannkreis um sie zusammen, immer deutlicher fühlte sie, wie sie ihn liebte, immer deutlicher, daß ihr ganzes ferneres Leben ein fruchtloser, stiller, schwerer Kampf, daß sie gezwungen sein würde, mit einer Lüge vor den Altar zu treten. War es denn möglich, daß es solche Lebenswirrniste gab, wo die Wahrheit einer Untreue, und die Treue einer Lüge gleichkam? Zu einer letzten verzweifelten Abwehr raffte sie sich zusammen.
„Wenn ich Ihnen nun sage, daß ich Ihre Behauptung anzweifie."
„Welche?" fragte er ruhig.
Sie besinnt sich einen Moment, es wird ihr so schwer, klar und logisch zu denken und zu sprechen. Ja, welche Behauptung wollte sie ihm denn widerlegen? Sie preßte die Hände gegen die Stirn und schwieg einen Moment, endlich sagte sie:
„Ihre Behauptung, daß einer großen Leidenschaft gegenüber kein Widerstand hilft. Ich sage, wir können die Leidenschaft beherrschen, wenn das „Muß", sei es aus Pflicht, sei es aus Ehre, dies von uns fordert. Wir-"
Ein leises gedämpftes Lachen unterbricht sie; erschrocken sieht sie zu Callein hinüber. Wäre Inge erfahrener gewesen, so würde dies Lachen ihr verraten haben, daß sie hier einer unbezwingbaren, verzehrenden Leidenschaft gegenüber stehe.
»Inge — Sie Kind, Sie liebes, ahnungsloses Kind," stöhnt Markus hervor, sich ihr entgegenneigend, „was sprechen Sie da so Hoch- und Stolzklingendes aus der Unwissenheit Ihrer jungen Jahre heraus! Leidenschaft an sich mag zu bezwingen sein, ja, aber Leidenschaft, die aus einer großen, tiefen Liebe hervorwächst, die aus dieser Liebe herausgeboren wird, die kann sich eben so wenig davon befreien, wie das Kind sich von den Vorzügen und Fehlern befreien kann, die ihm das Leben gaben. Wenn die