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elektrischen Fernleitung in der Nähe der Rems. Er kam oben mit der Hauptspannungsleitung in Berührung, wodurch ihm die Hirnschale weggerissen und der linke Arm völlig verbrannt wurde. Dann stürzte der Körper 25 Meter hoch auf die Erde herab. Bei der Berührung mit dem Hauptstrom entstand im ganzen Ort auffallender, helleuchtender Strahl wie bei einem starken Blitz. Da man gleich Schlimmes ahnte, suchten Elektrizitäts­arbeiter die Leitung ab und fanden schließlich den leblosen Körper, in dem der Pflegevater zu seinem Schrecken sein Kostkind erkannte. Der aus Augsburg gebürtige Knabe war um 8 Uhr früh von der Schule fortgegangen und hatte sich bis abends im Ort aufgehalten, vom Pflegevater vergeblich gesucht.

Ulm 26. Nov. Auf Anregung von Oberst End finden von Ende November ab beim 12. bayrischen Infanterieregiment in Neu-Ulm jeden Samstag landwirtschaft­liche Vorträge für diejenigen Mannschaften statt, die Landwirtssöhne sind und sich freiwillig gemeldet haben. Der Unterricht erstreckt sich über die Wintermonate und wird von Oekonomie- rat Lehmann in Lauingen erteilt.

Karlsruhe 26. Nov. Bei der heute Nachmittag stattgehabten Präsidentenwahl in der 2. badischen Kammer wurde zum ersten Präsidenten der nationalliberale Abge­ordnete Rohrhurst mit 41 Stimmen gegen 28, welche auf den Zentrums-Abgeordneten und vorigen Präsidenten Fehrenbach fielen, gewählt. Zum ersten Vizepräsidenten wurde, da der im ersten Wahlgange hierfür gewählte Abgeordnete Fehrenbach die Wahl abgelehnt hatte, der sozia­listische Abgeordnete Geiß gewählt. Bei der Wahl stimmten die Linksliberalen mit den So­zialdemokraten zusammen.

Heidelberg 25. Nov. Ein kleines Miß­geschick traf gestern unser Stadtoberhaupt Ober­bürgermeister Dr. Wilckens in Karlsruhe. Auf dem Wege vom Schloß, wo die Kammermitglieder beim Großherzog zur Tafel geladen worden waren, zum Bahnhof verlor er seine goldene Amts­kette. Erst im Zug wurde Dr. Wilckens den Verlust gewahr. Als er heute früh wieder nach Karlsruhe zur Sitzung der 1. Kammer kam, war die Kette bereits zur Stelle. Kinder hatten sie im Schnee gefunden und im Ständehaus ab­gegeben.

Donaueschingen 26. Nov. Graf Zeppelin und die Schuljugend. Als nach der Abfahrt des Kaisers nach Sigmaringen, die fürstliche Familie und die andern Herrschaften mit dem Grasen Zeppelin durch den Park zum Schloß zurückkehrten, hatten die Schulkinder, die

anläßlich der Abfahrt des Kaisers an dem Bahnhof waren, an Zeppelin eine große Freude, sie jubelten ihm mit Hurrarufen zu. Da, wie auf ein gegebenes Zeichen, stürmte die ganze Schul­jugend, Knaben wie Mädchen, voraus die Gymnasiasten, in den Park dem fürstlichen Schloß zu, als ob es eine Wette gälte, sie wollten ihren Zeppelin noch einmal sehen, und ihm ade sagen, wie sich eine Kleine ausdrückte, die nicht mehr mitkommen konnte. Man wird die Sympathie der Kinder für den Grafen wohl verstehen, sie hatten diesen berühmten Mann, der geehrt zu werden verdient, persönlich gesehen und sie wollten ihn noch einmal sehen.

Nördlingen 26. Nov. Jn Oettingen explodierte gestern nachmittag die im Keller der GastwirtschaftGoldstern" befindliche Ace­tylen-Anlage für Bühnen-Beleuchtung. Ein Schlofsermeister und der Wirt, die sich im Keller befanden, wurden durch umherfliegende Trümmer gräßlich verstümmelt und blieben tot am Platze.

Mainz 24. Nov. Aus Anlaß der un­günstigen Witterung in diesem Sommer hat das Heu einen hohen Preis erreicht. Ein hiesiger Spekulant hat sich deshalb mit Algier in Ver­bindung gesetzt und kam dieser Tage eine Sen­dung Heu 20 Eisenbahnwaggons aus Algier hier an. Trotz des ungemein langen Transportes stellte sich der Preis dieses afrikanischen Heues auf über 1 ^ pro Zentner billiger als das Heu aus der Mainzer Gegend.

Berlin 26. Nov. DieNordd. Mg. Ztg." meldet, daß im Bezirk Muansa am Vik­toriasee eine der Rinderpest ähnliche Seuche ausgebrochen ist, der bisher etwa 800 Rinder zum Opfer fielen. Absperrungsmaßregeln sind getroffen. Die Ausfuhr von Häuten und Fellen ist verboten worden. Der Gouverneur ist zur Ausführung ausgedehnter Maßnahmen ermächtigt.

Berlin 26. Nov. Wie von der Motor- Luftschiff-Studien-Gesellschaft mitgeteilt wird, ist dem Major Dr. von Parseval jetzt von der Jla die offizielle Nachricht zugegangen, daß ihm der Kaiserpreis zugesprochen worden ist.

Berlin 26. Nov. In den letzten Tagen gelang es mehrere Geldschrankeinbrecher festzunehmen und zu überführen. Sie führten in der letzten Zeit ein so flottes Leben, daß sie der Kriminalpolizei auffielen. In den Schlupf­winkeln bei ihren Bräuten gelang ihre Verhaftung. Von den in die Tausende gehenden erbeuteten Summen wurde nichts mehr gefunden.

Berlin 26. Nov. Die erste Diamant­felderbahn wird in Deutschsüdwest­afrika vorbereitet. Nach hierher gekommenen

Nachrichten ist dieKoloniale Bergbaugesellschaft" dabei, von der Station Colmannskop (an der Bahnlinie Lüderitzbucht-Keetmannshoop) aus eine Feldbahn nach Südwesten in der Richtung nach der Elisabethbucht zu erbauen. Die Bahn soll etwa 30 km lang werden; 12 km sind davon schon erbaut. Die Anlage dient der leichteren Erschließung der Diamantfelder der genannten Gesellschaft, die sich von Colmannskop bis nach Elisabethbucht erstrecken.

Berlin. (Ein schweres Ballonunglück bei Fiume.) Ueber ein schweres Ballonunglück, dem 2 deutsche Luftschiffer zum Opfer fielen, meldet die Wiener N. Fr. Pr. aus Fiume: Eine Gendarmeriepatrouille, die am Donnerstag morgen in der Nähe des Dorfes Krafica streifte, fand mitten im Walde einen zeriffenen Ballon mit zertrümmerter Gondel. Neben der Gondel lagen 2 Leichen mit gräßlichen Wunden und blut­bedeckt. Die bei den Leichen Vorgefundenen Papiere ermöglichten es, die Identität festzustellen. Es sind Dr. Brinkmann und Ingenieur Franke aus Frankfurt a. M. Man vermutet, daß die Aeronauten das Kapelagebirge überfliegen wollten, aber vom Wind abgetrieben und gegen einen anderen Berg gestoßen wurden, wobei der Ballon ze rissen wurde. Der Ballon fiel infolgedessen aus beträchtlicher Höhe herab und die Luftschiffer wurden beim Aufschlagen auf den Boden getötet. Die Leichen wurden nach dem Friedhof in Krasika verbracht. Nach späteren Nachrichten sind die beiden Luftschiffer am Montag abend in Schmargendorf mit dem 2300 ebm fassenden BallonColmar" des Colmarer Vereins für Luftschiffahrt aufgestiegen, sie hatten beabsichtigt, eine große Fahrt zu unter­nehmen.

Kiel 26. Nov. Beiden Lebensmittel- Lieferungen für die Kriegsschiffe der Torp edo- bootsabteilungwurden große Unregelmäßig­keiten auf gedeckt. Verhaftungen stehen bevor. An Berliner zuständiger Stelle war bis heute Mittag von derartigen Vorgängen nichts bekannt.

Wien 26. Nov. In der Giftmord­sache scheint sich der erste Verdacht zu bestätigen, daß es sich um den Racheakt eines nicht beför­derten Kriegsschülers handelt.

Wien 26. Nov. Die Polizei versendet an die Wiener Blätter folgende Mitteilung: Die Polizei hat durch die ihr zur Verfügung stehenden Schriftproben in der Giftmord- Affäre gewisse Anhaltspunkte erhalten. Es ist vorauszusehen, daß schon die nächsten Tage, vielleicht Stunden die Klarstellung der Affäre bringen werden. Die Sicherheitsbehörden sämt­licher 21 Wiener Bezirke haben eine große Zahl

strahlende Helle in den Straßen, alles, was ihm sonst immer wieder einen anregenden, belebenden Eindruck gemacht, wenn er aus dem stillen Kloster­hof kam, widerte ihn heute an, und er begab sich, im Hotel angekommen, sofort auf das schon telegraphisch bestellte Zimmer, ließ sich sein Souper servieren und ging zu Bett. Morgen! Welch häßlicher Tag dieses Morgen sein würde er, Armand v. Ferni-Krusemark, Erbherr auf Klosterhof und Quosdorf, mußte eine unangenehme Aussprache mit seinem Bankier haben! Was würde der alte Herr, der in der letzten Zeit schon so unsinnig hohe Schecks hatte auszahlen müssen, dazu sagen, wenn Armand ihm erklärte, daß von dem großen Kapital, den guten, sicheren Papieren wieder Hunderttausende umgesetzt und flüssig gemacht werden mußten.

Obgleich totmüde und erschöpft, lag er noch lange mach, und die Uhr von der alten Dreifaltigkeitskirche schlug in langsamen Schlägen zwei, als er endlich einschlief.-

Zu der Zeit, wo Ferni in Berlin seine Verluste überdachte und von qualvoller Sehnsucht nach Evelin erfüllt war, lag die junge Frau in einem bequemen Schlafrock aus weißer, silbergestickter und spitzenbesetzter Seide in einem tiefen Lehnstuhl vor dem Kamin in ihrem Schlafzimmer, die Hände im Schoß gefaltet, während ihre Augen aufmerksam jeder Be­wegung der dicken Tante Carolin folgten, die gleichfalls in einem ihre überüppige Fülle nicht einengenden Negligee vor einem runden Tisch saß, der über und über mit braunen und grünen Kassenscheinen und langen Reihen im Lampenlicht funkelnder Goldstücke bedeckt war. Während ihre weißen, fetten, juwelengeschmückten Finger die Scheine sortierten und hin und wieder das Gold etwas zur Seite schoben, bewegten sich ihre wulstigen Lippen, lautlos zählend, und ihre runden, dunklen Rauboogelaugen leuch­teten in unverhohlener Gier.-

Nun, Tante Carolin", fragte die junge Frau,Du bist zufrieden, scheint mir, was?"

Ja, mein süßes Kind, ich bin zufrieden, wir können die Entwicklung der Dinge ruhig abwarten."

Evelin nahm aus einem goldenen, brillantenbesetzten Etui eine Zigarette, zündete sie an und ließ die feinen blauen Rauchwölkchen in die Luft steigen.

Weißt Du, Tante Carolin, eigentlich entwickelt sich die Sache recht langsam," begann sie wieder, den duftenden Ringlein nachschauend,und wäre der Preis nicht ein so hoher, ich würde nicht den nordischen Herbst hier abgewartet haben. Zudem bin ich in einer ewigen Sorge Calleins wegen. Er ist ein gefährlicherer Gegner als die schöne Inge."

Dagegen läßt sich aber nichts tun, mein Kind, die Sache muß ab­gewartet werden", erwiderte die alte Dame ruhig, die braunen und blauen Scheine in ansehnliche Päckchen zusammenschiebend und sie in ein an der Wand eingelassenes eisernes Geldschränkchen legend, das für gewöhnlich hinter der jetzt zurückgeschlagenen Seitentapete und einem Heiligenbild verborgen war. Sie ließ dann die grünen Scheine folgen, sortierte die Zwanzig- und Zehnmarkstücke in festen Röllchen von je hundertfünfzig Stück und trug alles gewissenhaft in ein schmales, langes Buch ein; was sie von dem Geld für laufende Ausgaben zurückbehielt, barg sie in einer kleinen silbernen Kassette.

Wenn ich nur wüßte, warum Callein sich jetzt in dieser Oede hier festnagelt!" meinte sie, während ihres Hin- und Herhantierens.Deinet­wegen geschieht es doch nicht." Die Baronin lachte.

Nein, Tante Carolin, meinetwegen ganz gewiß nicht mehr: aber trotzdem ist es eine Frau, die ihn hier festhält, oder präziser ausgedrückt ein Mädchen."

So, so, also hat er wieder eine Liebschaft, das wußte ich nicht", entgegnete die dicke Dame, als ob es sich um etwas ganz Selbverständliches handelte, schloß dabei den Geldschrank ab, ließ die seidene Tapete darüber und nahm das Bild der heiligen Cäcilie in die Hände um es wieder zu befestigen.

Nein, eine Liebschaft ist es auch nicht ich denke, es ist etwas viel ernsteres, Tante Carolin, ich denke, es ist eine Liebe."