278.

Amts- und Anzrigeblatt für den Oheramtsdezirk Calw.

84. Jahrgang.

SrschtkiungStaze: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag. Jnsertionspreis i» Ksg.pro Zeit« für Stadt u, Bezirksorte; außer Bezirk tL Nsg,

Samstag, den 27. November 1909.

VezugSpr.i.d. Stadt»/ijLhrl-.m. Träger!. Mk. 1 . 25 . PostbezugSpr. s.d. OrtS- u. Nachbarortsverk. V^jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1 . 30 . Bestellg. in Württ. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg.

Amtliche Betanntmachunge«.

Bekanntmachung,

betr. dir BeitragSmarkenabrechnung bei der

Invalidenversicherung.

Die OrtSbehörde« f. d. Arb.-Bers.. die BezirkSt ankasse und die Bejirkskrankenpfleze- verficherung werden gemäß Erlaß des Vorstandes der Versichecungsanstall Württemberg vom 4. Okt. ds. Js. (Amtsbl. der Vecs-Anst. 26. November ds. Js. S. 65) veranlaßt, den auf 1 . Februar 1910 «mgesttzten äußersten Termin für die Vorlage der BeitragSmarkenabrechnung deS lV. Vierteljahr-

1909 pünktlich einzuhalten, damit der von der Versicherungsanstalt an das Reichsverstcherungsamt einzure chende Rechnungsabschluß nicht verzögert wird.

Bet dieser Gelegenheit wird zur Behebung etwaiger Zweifel darauf aufmerksam gemacht, daß das Rechnungsjahr 19l0 mit der 13. Beitrags­pertode, also am Sonruag den 4. Dezember 1910 abschließt. Es sind demnach die am 31. Dezember

1910 zum Einzug fälligen Jnvaliden-Versicherungs- beiträze als zu der am 1. Sonntag im Jahr 1911 abschließende» ersten Beitragsperiode gehörig im Rechnungsjahr 1911 zu verrechnen. Auf dieser Grundlage haben daher auch die Einzugstellen ihre Rechnungstabellen für das Jahr 1910 anzulegen.

Calw, 26. November 1909.

K. Oberamt.

Amtmann Rippmann.

Tnsesnenigkeiterr.

* Calw 26. Nov. Die Novembernummer der Schwarzwaldvereinsblätter enthält einen ReiseberichtIm hintersten Wald" von P. Völker, die Fortsetzung des Vortrags Regelmann im Württ. Schwarzwaldverein Wanderungen im Herzen des Wasgenwaldes", einen weiteren WanderberichtEine Tour durch den mittleren und nördlichen Schwarzwald" von

H. M. Ulm, die Schilderung einesVolksschul­ausflugs" einer Knabenklasse des Volksschul­komplexes Stuttgart-Gaisburg, eine Beschreibung derWolfsschlucht bei Bad Teinäch" (bildet die Grenze zwischen Emberg und Rötenbach, ist 1 stm lang und beginnt 150 >n über dem Rötenbachtal, leidet aber leider an Wasserarmut). Dem Calwer Wochenblatt sind 2 Artikel entnommen, nämlich: Vom Fackeln in Calw" undVon den Schrannen­einrichtungen in Calw". Den Schluß der reich­haltigen und mit trefflichen Bildern geschmückten Nummer bilden die Vereinsnachrichten, Mit­teilungen aus befreundeten Vereinen und eine Bücherschau.

Vaihingen a. F. 26. Nov. Eine mutige Tat beging gestern in Stuttgart eine hiesige Frau, die Ehefrau des Bierführers Prinzing. Die Frau war eben die Staffeln der Rotebühl- straße heraufgkommen, als ein schwer beladenes Kohlenfuhrwerk die Reinsburgstraße herunter an ihr vorbeifuhr. Infolge des Schnees glitt der Fuhrmann plötzlich vor der Frau aus und fiel unter den Wagen zwischen die Räder. In dem­selben Moment warf Frau Prinzing ihr Gepäck weg und zog in größter Geistesgegenwart den Mann rasch hervor. Nur um eine Sekunde hat es sich gehandelt und dem Fuhrmann wären die Räder seines schweren Kohlenwagen über den Leib gegangen und hätten ihn unfehlbar zerdrückt. Einige Stuttgarter Herrn, die vor Schreck stehen geblieben waren, spendeten nachher der Frau ihre größte Bewunderung und Hochachtung.

Stuttgart 26. Nov. (Strafkammer.) Der Maler Josef Kreiling stahl in Weilder- stadt, während er Malerarbeiten ausführte, in einer Kammer ein Sparkassenbuch, eine Uhr und 16 Der Diebstahl wurde alsbald

bemerkt und da sich Kreiling verdächtig gemacht hatte, wurde er auf dem Wege zum Bahnhof festgenommen. Nachts brach er aus dem Orts­arrest aus, indem er eine Riegelwand hinaus­drückte. Er wurde später in Mannheim ver­haftet. Die Strafkammer verurteilte ihn wegen Diebstahls und Sachbeschädigung zu 6 Monaten 15 Tagen Gefängnis.

Stuttgart 26. Nov. (Schwurgericht.) Wegen Fälschung öffentlicher Urkunden und Betrug hatte sich der ledige, 27 Jahre alte Dienstknecht Heinrich Hintermaier von Hon­hardt OA. Crailsheim zu verantworten. Der Angeklagte, der schon 45 mal wegen Bettels und Landstreicherei vorbestraft ist, verschaffte sich auf verschiedenen österreichischen Postanstalten 6 Post­sparkassenbücher, indem er je 1 Krone einzahlte. Die Beträge erhöhte er dann durch eigene Ein­träge von größeren Sparsummen auf 2000 Kronen und stempelte die Einträge mit einem selbst an­gefertigten Stempel ab. Die Fälschungen waren sehr plump ausgeführt. In Stuttgart suchte er 2 Uhrmacher unter Vorzeigen eines der gefälschten Sparkassenbücher und unter dem Vorbringen, er wolle einen Hausierhandel anfangen, zur kredit­weisen Ueberlassung von Uhren und Ketten im Wert von 1000 zu bewegen. Die Uhrmacher schöpften Verdacht und wiesen ihn ab. Der Angeklagte ist geistig minderwertig. Die Ge­schworenen billigten ihm mildernde Umstände zu, worauf das Gericht gegen ihn auf 9 Monate Gefängnis erkannte.

Plüderhausen OA. Welzheim 26. Nov. Ein gräßliches Unglück trug sich gestern hier zu. Ein auf dem nahen Aichenbachhof in Kost befindlicher 12jähriger Knabe stieg abends gegen '/-6 Uhr auf den eisernen Verteilungsmast der

Im Klosterhof.

Roman von B. v. Lancken.

(Fortsetzung.)

12 .

Das Dampfroß fauchte in den regenfeuchten Nachmittag hinein. Die feinen, langen Tropfen an den Scheiben der Coupsfenster rieselten durch die schwärzliche Ablagerung des Rußes und vermischten sich damit zu einer Schmutzschicht, die sich an der hölzernen Einfassung ansetzte.

In die Ecke eines Abteils erster Klaffe gedrückt, saß Armand von Ferni! die Stirn, sonst so glatt, war tief gefurcht, die Augen hatten den lachenden, sonnigen Blick verloren und starrten mit einem Ausdruck der Sorge und in unheimlichem Flackern auf den Teppich, der*den Boden des Wagens deckte, oder hinaus in die graue, trübe, melancholische Landschaft. Die letzten Wochen hatten Armand sehr angegriffen, sie hatten tief in sein Leben und in seine Verhältnisse eingreifende Veränderungen gebracht. Mit der Leidenschaft für Evelin ging die für das Spiel Hand in Hand, und da er eben so unvorsichtig wie unglücklich spielte, hatte er innerhalb fünf Wochen fast sein Vermögen verloren. Wer die alle Vernunft und guten Vorsätze unterjochende Macht der Spielwut nicht kennt, wird sich kaum eine Vorstellung davon machen können, wie sie einen Menschen Hin­zureißen und zu beherrschen vermag, und wenn zu dieser Leidenschaft noch ein böses Weib kommt, so ist es fast unmöglich, daß der Betreffende nicht daran scheitern wird.

Hunderttausende in einigen Tagen zu verlieren, ist ebensowenig ein Ausnahmefall, wie der, daß selbst ein Mann von Fernis Vermögen in vier Wochen finanziell fast an den Rand des Abgrunds gebracht wird. ES gab Abende, in denen Armand Verluste von immenser Höhe zu ver­zeichnen hatte, und er war auf dem Wege nach Berlin, um das Geld zur

Begleichung seiner jetzigen Spielschulden flüssig zu machen. Es handelte sich um zweimalhunderttausend Mark. Dieser Gedanke beschäftigte ihn trotzdem momentan weniger, als der an Evelin Horst und Inge! Der brennende Wunsch, Evelin zu besitzen, erfüllte ihn so vollständig, und seine Empfindungen für Inge hatten sich derartig gewendet, daß ihn eigentlich, so meinte er, nichts als seine Pflicht und sein Ehrbewußtsein zurückhielten, das Verlöbnis zu lösen und Evelin seine Hand, seinen Namen und seine Stellung anzubieten. Nichts als Pflicht und Ehrbewußtsein? Gab es da nicht etwas anderes, was bedeutungsvoll mitsprach? Das grenzenlose Vertrauen zu Inges tüchtigem Charakter, die Verehrung, die er ihr entgegenbrachte? Wenn er sich ernstlich fragte, ob ihm ein Leben ganz ohne Inge denkbar sei, so mußte er mitnein" antworten. Sinne und Leidenschaft zogen ihn zu Evelin, aber ein Gefühl nicht minder tief, wenn auch anderer Art, regte sich in ihm für Inge, sobald er sich vergegenwärtigte, daß sie ganz und für immer aus seinem Lebens­kreis scheiden sollte. Sein haltloser Charakter und sein unklares Empfinden zerrten ihn hin und her und raubten ihm fast jede Lebensfreudigkeit; sein Dasein spielte sich seit Wochen schon in einem Taumel der Leidenschaften ab, die seine geistigen und körperlichen Kräfte aufrieben; er wußte, daß er an Evelins Seite sich immer nach Inge sehnen, er wußte aber noch bestimmter, daß er Inge, sollte sie sein Weib werden, durch sein wahn­sinniges Verlangen nach Evelin totunglücklich machen würde.-

Sein Kopf schmerzte, in seinen Schläfen hämmerte es, er mußte die Augen schließen und sich zurücklehnen und verfiel bei dem gleichmäßigen rollenden Geräusch des Zuges in eine Art Halbschlummer, in dem ihn die tollsten und verworrensten Bilder umgaukelten.

Es war spät am Abend, als er in Berlin ankam, und hier merkte er erst, wie seine Nerven gelitten und in welch erregtem Zustand er sich befand. Das brandende Gewoge des Großstadtverkehrs, das Hasten und Treiben, das Rollen der Wagen, das Klingeln der Elektrischen die