1174
ausgebrochen, das so schnell um sich griff, daß das Gebäude in kurzer Zeit ein Raub der Flammen wurde. Die am Platze anwesenden Feuerwehren hatten alle Mühe, die Nachbargebäude zu schützen. Als Entstehungsursache dürfte Kurzschluß angenommen werden. Die Mühle versorgt die Gemeinde mit elektrischer Energie, weshalb durch den Brandunfall auch die Stromabnehmer empfindlich getroffen werden.
Ludwigsburg 22. Nov. Die Orgelbauanstalt E. F. Walcker u. Co. erhielt am Samstag den Besuch der 3 Söhne des Herzogs Albrecht von Württemberg und ihres militärischen Erziehers, Oberstleutnant v. Sonntag. Mit großem Interesse wurden sämtliche Betriebswerkstätten besichtigt. Auf einem nach Montevideo bestimmten Werk gab Musikdirektor Zweißler einige Proben von der Tonfülle und dem Wohlklang, die in einem solchen Werk eingeschloffen sind. Die Prinzen schieden sehr befriedigt.
Göppingen 22. Nov. Ein neuer Gasbadeofen wurde vorgestern einem noch nicht lang hier ansässigen Postbeamten beinahe verhängnisvoll. Der Ofen war noch nicht fertig montiert, als sein Besitzer auch schon ein Bad nahm. Durch ausströmendes Gas wurde er betäubt. Seine durch das Stöhnen aufmerksam gewordenen Angehörigen fanden ihn bewußtlos. Erst nach mehreren Stunden kehrte das Bewußtsein wieder. Der Beamte wird einige Zeit arbeitsunfähig sein.
Geislingen 22. Nov. Gestern früh schied in Süßen ein altes Ehepaar, Privatier Geyer und seine Frau, in der gleichen Stunde aus dem Leben. Die alte Frau war. schon lange Zeit schwer leidend und gestern früh bemerkte die Wartefrau, daß das Lebensflämmchen plötzlich erlöscht war. Sie wollte den in einem andern Zimmer befindlichen Gatten schonend davon unterrichten, doch ehe sie so weit kam, klagte dieser über Unwohlsein und verlangte Tee. Als dieser gebracht wurde, war auch der alte Mann eine Leiche.
Gmünd 22. Nov. Das Blindenasyl Gmünd hatte nach dem soeben erschienenen 72. Bericht im abgelaufenen Rechnungsjahr 49 279 Mk. Einnahmen und 49 065 Mk. Ausgaben, zu welch letzteren aber noch ein Guthaben der Pfleglinge von 2242 Mk. tritt, sodaß ein Defizit von 2028 Mk. bleibt. Im Asyl weilen 48 männliche und 51 weibliche Pfleglinge. Mitglieder des Verwaltungsrates sind u. a.: Regierungsrat Rau und Oberbürgermeister Möhler, Anstaltsvorstand ist Oberinspektor Griesinger. Das Blindenasyl ist eine Privatanstalt die unter der Aufsicht der K. Kommission für die Erziehungshäuser steht. Der niedrigste Betrag der jährlichen Kostgeldentschädigung ist auf die Summe von 200 bis
300 Mk. gesetzt, wofür die Anstalt für alle Bedürfnisse eines Pfleglings sorgt.
Heidenheim 22. Nov. Am Samstag abend zwischen 6 und 7 Uhr ließ sich eine ca. 35—40 Jahre alte, noch unbekannte Frauensperson in der Nähe der Bahnstation Mergelstetten von einem Eisenbahnzug überfahren. Der Streckenwärter traf die betreffende Person etwa eine Stunde vorher in der Nähe des Bahndammes, wobei sie auf seine Frage, wo sie hin wolle, erwiderte, sie habe den Weg verfehlt.
Kirchheim a. N. 22. Nov. Heute früh 4.30 Uhr warf sich auf hiesiger Station vor den Augen des Stationsverwalters ein jüngerer Arbeiter unter den einfahrenden Zug. Er kam aber zwischen die Schienen zu liegen, und obwohl die Maschine und der Gepäckwagen über ihn hinweggingen erlitt er keinen erheblichen Schaden. Nur mit Widerstreben konnte er unter dem Zug hervorgezogen werden.
Breslau 22. Nov. Auf den Wiener Baron Albert Rothschild, der gegenwärtig bei Schillersdorf jagt, wurde ein Attentat versucht. Baron Rothschild hatte schon vor 14 Tagen einen Brief erhalten, in dem er unter Todesdrohungen aufgefordert wurde, an einen sozialistischen Führer in Rybnick 25 000 Kronen zu senden, doch stellte sich heraus, daß dieser Sozialist mit dem Erpreffer- schreiben nichts zu tun hatte. Als nun gestern der Lehrer Strachetter nach Schillersdorf ging, bat ihn ein mit herrschaftlicher Livree bekleideter junger Mann, an den Baron einen Brief persönlich zu überreichen, was der Lehrer übernahm. Unterwegs explodierte der Brief und Strachetter wurde schwer verletzt.
Berlin 22. Nov. Ein großer Einbruch ist in der vergangenen Nacht in dem in der Kaiser Wilhelmstraße gelegenen Manusaktur- waren-Geschäft von Abonower ausgeführt worden. Den Einbrechern fielen insgesamt für mehr als 40 000 Pelze und Seidenwaren als Beute zu.
Duderstadt 22. Nov. Neue enorme Schneemassen bis 60 om sind gestern nachmittag und vergangene Nacht im Harz, in Südhannover, Hessen und Thüringen niedergegangen. Der Bahn- und Fährverkehr ist vielfach lahmgelegt.
Beuthen i. Oberschl. 22. Nov. Auf der „Hohenzollergrube" entstand heute Nachmittag eine Explosion, als beim Schlammversetzverfahren Wasser mit einem Brandfelde in Berührung kam. Ein Maschineningenieur wurde getötet, ein Heizer tödlich, ein Bergverwalter schwer, zwei andere Beamten leicht verwundet.
Paris 22. Nov. Nach einer Meldung aus dem Haag geht daselbst ein aus Hofkreisen
stammendes Gerücht, demzufolge sich Königin Wilhelmina neuerdings in gesegneten Umständen befindet. Es heißt, daß die Königin aus diesem Grunde ihre für das Frühjahr beabsichtigte Reise nach England aufzugeben beschlossen habe.
Wien 22. Nov. Zu dem Giftmord- Anschläge wird gemeldet: Der Kaiser hat sich über alle Einzelheiten der Angelegenheit Bericht erstatten lassen und Befehl erteilt, ihn jeder Zeit vom Stande der Angelegenheit zu unterrichten. Die Polizei hat bis zur Stunde noch nichts entdeckt, was auf die Spur des Giftmordes führen könnte. Die Militärbehörden sind von dem Glauben abgekommen, daß der Attentäter eine militärische Person ist und fühlt sich außer Stande, die Sache zu verfolgen.
Madrid 22. Nov. Die letzten Nachrichten über den vulkanartigen Ausbruch des Pic von Teneriffa lauten dahin, daß ein kolossaler Lavastrom sich ziemlich rasch gegen Santiago bewegt. Die Bewohner mehrerer Ortschaften ergriffen bereits die Flucht. Der angerichtete Schaden dürste groß sein, da seit gestern auch ein Stein- und Aschenregen niedergeht.
London22. Nov. Die letzten Nachrichten aus Cherry besagen, daß man jetzt aus den untersten Stellen ein deutliches Klopfen vernimmt. Infolgedessen werden die Rettungsarbeiten mit verdoppelter Hast fortgesetzt. Außer 20 Mann, die bereits zu Tage gefördert wurden und den 50 oder mehr, die man im tiefsten Stollen des Ostschachtes zu finden hofft, hat man noch etwa 58 Mann in anderen Teilen des Bergwerks aufgefunden, die jedoch vorläufig dort bleiben, wo sie sind, weil die Aerzte fürchten, daß sie den Transport nicht vertragen können. Sie werden so gut verpflegt, wie es unter den obwaltenden Umständen möglich ist und sollen heute, wenn sie etwas zu Kräften gekommen sind, ans Tageslicht geholt werden.
Vermischtes.
Auskunft st ellefürAuswanderer. Der „Staatsanz." schreibt: In neuerer Zeit sind zahlreiche Fälle bekannt geworden, aus denen hervorgeht, daß die von der Deutschen Kolonial- gcsellschaft errichtete unter der Oberaufsicht des Reichs stehende Zentralauskunstsstelle für Auswanderer in Berlin VV. Schellingstraße 4 noch nicht genügend bekannt ist. Die Stelle und ihre Zweigstellen erteilen auf mündliche oder schriftliche Anfragen auswanderungslustigen Personen unentgeltlich Auskunft über die Auswanderungsziele und über sonstige Auswanderungsangelegenheiten. Es ist den zur Auswanderung entschlossenen Personen nachdrücklich anzuraten, nicht eher auszuwandern, als bis sie bei einer dieser Stellen sich über die Verhältnisse des Ortes oder Landes, nach dem sie auswandern wollen, erkundigt haben.
ragten die Kronen der Bäume in der Ferne in dunklen Umrissen gen Himmel, schwerfällig mit leisem Krächzen zog ein Schwarm Krähen dahin!
„Es ist Herbst", sagte Inge leise, „wie mag es sein, wenn wieder der Frühling über die Erde gehen wird! Sie dachte an einen diesem ähnlichen Tag, wo sie auch allein gewesen war, so wie heute, und die Todesgefahr und noch Schrecklicheres am Wege auf sie gelauert hatte. Da war Markus Callein ihr gefolgt in geheimer Sorge, seine Hand hatte sie gerettet, sein Schutz war ihr zur Seite gewesen, und in seinen Armen, an seinem Herzen hatte sie die Schrecken des Augenblicks überwunden. — Ja, sie gedachte jener Stunde, und wie sie das dachte, erschauerte ihre Seele.
Unwillkürlich sah sie sich um. Allein, ganz allein, nichts Lebendes in ihrer Nähe, als die schwarzen Totenvögel dort oben, kein Laut, als das Pfeifen des Windes, der heisere Schrei der Möven und das Brausen und das Rauschen des Sees, an dessen jenseitigem Ufer sie jetzt das weiße, kokette Rokokoschlößchen liegen sah. — — Einen Moment blieb Inge stehen und schaute hinüber, dann schritt sie rüstig aus, dem Sturm entgegen, hinein in die graue, traurige Einsamkeit des Novembertages.-
Als sie am Klosterhof ankam, traf sie Mathilde Berner; Armand war noch Ouosdorf hinüber gefahren, man erwartete ihn zu Tisch zurück. Die beiden Mädchen saßen dann plaudernd in dem gemütlichen Wohnzimmer mit der hohen Eichentäfelung, den großen, bequemen, mit tiefbrauner Seide bekleideten Möbeln und dem Leuchiweibchen, das an starken Bronzeketten über dem Mitteltisch schwebte. Der ganze Raum atmete'Behagen, und wenn Inges Augen, während sie darin umherschweiften, auf dem lebensgroßen Bild Marianne Fernis haften blieben, dann war es ihr, als ob wieder Friede und Freudigkeit in ihr Herz einziehen, als ob alle Bangigkeit und alle zweifelnde Angst vor etwas gar nicht Vorhandenem daraus verschwinden müßten. — Da rollte ein Wagen vors Sckloß, und ein paar Minuten später trat Graf Callein ins Zimmer. Als er Inge er
blickte, ging es wie ein kurzer Ruck durch seine Gestalt, Inge errötete und fühlte plötzlich all die geheime Angst wieder in sich aufsteigen, die sie seit Tagen ruhelos machte. Zum erstenmal brachte sie dieses quälende, erregende Empfinden mit Callein in Verbindung, und diese Wahrnehmung erschreckte sie so, daß sie nicht imstande war, ihm ein paar gleichgültigfreundliche Begrüßungsworte zu sagen. Sie reichte ihm nur die Hand und brachte nichts über die Lippen, als nur ein halblautes „Guten Tag."
Die Hand, die nur ganz flüchtig die seine berührte, zitterte, und ihre Augen senkten sich nach einem kurzen, zaghaften, flüchtigen Blick. Diese Verwirrung, die er noch nie an ihr wahrgenommen, beeinflußte auch Callein, und er, der weltgewandte Mann, fand nicht die einfachste Form irgend einer Anrede; nur seine Finger umschloffen die ihren sekundenlang mit einem innigen Druck, während seine Augen mit einem Aufleuchten ihr Antlitz streiften; dann trat er schnell zu Anna, erkundigte sich nach ihrem Ergehen und fragte, ob er störe, wenn er sich zum Essen zu Gaste bitte.
„Nichts könnte uns lieber sein, als das," rief Anna fröhlich. Entschuldigt mich aber ein paar Augenblicke, ich habe Tee bestellt und will noch etwas Kuchen. — Du ißt ein paar gestrichene Brötchen mit, nicht wahr, Mark? Da es immer unbestimmt ist, wann Armand kommt, würde ich einen etwas reichlicheren Imbiß doch empfehlen."
„Wo ist denn Armand hin?"
„Nach Quosdorf."
„Nun, das ist doch gar nicht weit."
„Aber Du weißt, Pünktlichkeit ist nicht seine starke Seite," entgegnete Anna im Hinausgehen. Inge und Markus waren allein. Das junge Mädchen saß in einem tiefen, altmodischen Lehnstuhl. Von dem dunklen Hintergrund und aus der Umrahmung ihres schwarzen Kleides hob sich das Gesicht scharf hervor; es fiel Markus auf, wie schmal ihr Gesicht geworden und welch herber Zug um ihren Mund lag. (Forts, folgt.)