1144

Plochingen 13. Nov. Am vergangenen Sonntag nacht traf auf dem Wege von Unter­boihingen kommend ein Dragoner hier ein, um mit der Bahn nach Stuttgart zu gelangen. Nachdem aber die Fahrgelegenheit zum recht­zeitigen Eintreffen in seiner Garnison nicht mehr möglich war, begab er sich in eine Scheuer, wo er bis zum Donnerstag früh ohne etwas zu essen, sich aufhielt. Auf dem Wege nach Zell wurde er von einem Landjäger angehalten, nach Eßlingen ins Bezirkskommando eingeliefert und am Mittag seinem Truppenteil wieder zugeführt.

Friedrichshafen 13. Nov. Die Ver­suche zur Abbringung des bei Eriskirch auf Sand aufgelaufenen SalondampfersKaiser Wilhelm" sind im Laufe des gestrigen Nach­mittags bis gegen Eintritt der Dunkelheit fort­gesetzt worden. Sie blieben durchweg ergebnislos, da der herrschende Sturm die Arbeiten außer­ordentlich erschwerte. Zwei der Motorboote, die sich bemühten, die Taue von demKaiser Wil­helm" nach den, zur Hilfeleistung bereitliegenden DampfernKönigin Charlotte" undGreif" hinüberzubringen, erlitten Motordefekte; auch sind vier Seilbrüche zu verzeichnen. Heute vormittag, wo sich der Sturm etwas gelegt hat, werden die Versuche noch fortgesetzt, sie sind aber immer noch mit großen Schwierigkeiten verbunden, da die See so unruhig ist, daß die Bergungs­schiffe selbst Gefahr laufen, auf Sand zu geraten.

Friedrichshafen 13. Nov. Die Ver­suche den in der Höhe von Eriskirch festsitzenden badischen DampferKaiser Wilhelm" freizu­machen, wurden auch heute fortgesetzt. Da der Wasserstand des Sees täglich um drei bis vier Centimeter fällt und böiges stürmisches Wetter herrscht, sind die Arbeiten mit außerordentlichen Schwierigkeiten verknüpft. Der gestrandete Dampfer hat einen Tiefgang von 1.60 Meter und die Wassertiefe an der Unfallstelle beträgt einen Meter, sonach sitzt der Dampfer sechzig Centimeter tief im Sande fest. Da nun durch den stürmischen See fortwährend neue Sand- mafsen angeschwemmt werden, versandet das Schiff immer mehr. Die Bergungsarbeiten sind deshalb außerordentlich schwierig und anstrengend und wurden bis heute nachmittag 4 Uhr fort­gesetzt, jedoch ohne jeden Erfolg. Da der Dampfer dem herrschen Südweststurme seine ganze Breit­seite bietet, hat er etwas auf die Seite geneigt, sodaß ein Rad völlig über dem Wasser schwebt. Der zur Hilfe anwesende badischeGreif" fuhr gestern abend 5 Uhr nach Konstanz zurück. Heute früh fuhr er wieder zur Unfallstelle hin­aus, um im Verein mit dem Württembergischen DampferKönigin Charlotte" die Bergungs­versuche fortzusetzen, außerdem leisteten die beiden Zeppelinschen MotorbooteWürttemberg" und

Weller", welch letzterem gestern abend die Steuerung brach, Beihilfe, indem sie die Taue von den gestrandeten Schiff nach den zur Hilfe­leistung bereitstehenden Dampfern bringen. Bis heute Mittag 12 Uhr war kein Erfolg zu ver­zeichnen. Der DampferKönigin Charlotte" kehrte in den Hafen zurück, während der Dampfer Greif" an der Unfallstelle verblieb. Heute nachmittag flaute der Wind etwas ab. Gegen 1 Uhr gelang es demGreif" das gestrandete Schiff etwa vierzig Meter herauszuziehen. Auf die Notsignale eilte der DampferKönigin Char­lotte" wieder herbei, als er jedoch an der Un­fallstelle anlangte, war die Hilfe zu spät. Im letzten Moment war das Tau gerissen und das Schiff wieder in die alte Tiefe Hineingetrieben worden. Heute nachmittag V-4 Uhr kehrte Greif" wieder nach Konstanz zurück, um noch zwei Dampfer zur Hilfeleistung herbeizuholen. Bei dem wieder stärker werdenden Sturm dürfte aber kaum zu hoffen sein, daß das Schiff noch heute frei gemacht werden kann.

Friedrichshasen 14. Nov. Die Be­mühungen um Verbilligung der Personen­tarife auf den Bodenseedampfern hatten bisher, wie der Oberschw. Anzeiger meldet, keinen Erfolg, da einzelne Dampfschiffahrtsver­waltungen sich ablehnend verhielten, darunter auch die Schweiz. Neuerdings hat diese nun der Verbilligung der Tarife zugestimmt, und es ist zu erwarten, daß auch die übrigen Verwaltungen der Erfüllung dieses oft geäußerten Wunsches keine Hindernisse bereiten werden.

Essen 13. Nov. Der Jugendgerichtshof hat die 14jährigen Lampenputzer Roßeck und Bengel, die am 12. August dem gleichaltrigen Czeck mit dem Schlauch einer Druckleitung den Bauch ausgepumpt hatten, bis er starb, zu nur je einem Monat Gefängnis verurteilt.

Gotha 14. Nov. Das Luftschiff III", das heute Morgen unter Führung von Oberleutnant Stelling in Leichlingen bei Cöln aufgestiegen war, ist heute Abend nach einer Fahrt von etwa 270 Kilometern im Lustschiffhafen in Gotha glatt gelandet.

Berlin 13. Nov. Nunmehr ist auch der Parseval V in den Werkstätten der ! Lufifahrzeug-Baugesellschaft zu Bitterfeld fertig gestellt worden. Er ist als Sportballon gedacht, hat für 2 Personen Tragkraft und außerdem eine Ballastabgabe von 400 IZ. Er ist für den kaiserlichen Automobilklub bestimmt.

Berlin 13. Nov. Heute Nacht wurde in den Bureauräumen der Schlesischen Dampfer- Kompagnie Aktiengesellschaft ein schwerer Ein­bruch verübt. Die Diebe erbrachen den Geld sch rank und stahlen etwa 10000 an Geld und Kassenscheinen.

Stuttgart 451 Stimmen. Demnach ist Schund (Bauernbund) gewählt. Bei der letzten Land­tagswahl im Jahre 1906 sind von 5276 Wahl berechtigten 3223 Stimmen abgegeben worden. Damals entfielen auf Guoth, der die Unter­stützung des Bauernbundes besaß, 2754 Stimmen, auf die beiden Zählkandidaten Bäckermeister Bötzel 324 und Landgerichtsdirektor Gröber 108 Stimmen.

Simmersfeld 12. Nov. Seit vor­gestern abend herrscht großes Schneetreiben auf dem Hinteren Wald. Gestern schon hatte die Post vom Enztal her eine Stunde Verspätung, so daß sie nicht mehr auf den Zug, an den sie in Altensteig Anschluß haben sollte, kam. Heute Freitag ist's nun ebenso. Es geht ein starker Wind und muß man annehmen, es habe große Schneewehen. Wenn es so weiter macht, müssen die Bahnschlitten in Tätigkeit gesetzt werden.

Stuttgart 14. Nov. Eine illustrierte Wochenschrift für Kunst und Kultur in Schwaben ist gestern hier unter dem Namen Schwäbische Kunstschau" erschienen. Herausgeber ist Dr. R. I. Hartmann. Die Kunstschau stellt sich zur Aufgabe, aus den tausend Einzel­erscheinungen, in denen das Kunstschaffen und die Kunstübung unserer Zeit uns entgegntritt, das Wertvolle, aus dem rasch Vorüberziehenden das Bleibende, herauszuheben. Sie will eine Ueberschau bieten über das, was die Woche bringt, über die Bühnenkunst, die Musik im Konzertsaal, das Künstlerkonzert und die Auf­führungen der ernst zu nehmenden Vereine. Was aus den Werkstätten der Maler und Bildhauer hervorgeht, was Baukünstler und Meister des Kunstgewerbes zeigen, soll verzeichnet werden. Die Kunstschau will aber nicht nur überschauen, sondern auch hineinschauen in den tiefsten Gehalt der künstlerischen Erscheinungen und sie will dabei eine Arbeit fürs Schwabenland leisten. Die erste Nummer ist nach Ausstattung und In­halt eine Empfehlung für das neue Unternehmen. Gedruckt und verlegt wird die Schwäbische Kunst­schau von Wilhelm Knöller und Cie.

Cannstatt 13. Nov. Am Mittwoch abend wurde in einem Trikotladen hier ein frecher Diebstahl verübt, während sich im Augenblick niemand iin Laden befand. Ein Bursche schlich sich ein, stahl einen größeren Posten Frauen- und Kinderweißzeug und ergriff mit ihm die Flucht. Trotzdem er sofort verfolgt wurde, gelang es ihm doch, mit der gestohlenen Ware durchzukommen. Die hiesige Fahndungs­polizei hat ihn aber in der Person eines arbeit­scheuen Menschen aus Bayern, der anscheinend auch einen falschen Namen führt, ermittelt und festgenommen. Auch die gestohlene Ware, die er verkauft hatte, konnte wieder beigebracht werden.

schindet und damit zufrieden ist. Ich habe Dir meine Absichten darüber schon früher einmal gesagt. Weißt Du's nicht mehr?"

Ja ich weiß es," antwortete sie halblaut.

Nun also, ich kann mich nicht anders machen als ich bin."

Nein aber man kann, selbst seinem Naturell entgegen, die Erfüllung von Pflichten als etwas Notwendiges anerkennen. Armand wir sind doch nicht nur in der Welt, um zu genießen. Wir sollen doch arbeiten, etwas leisten."

Armand tat, als ob er das gar nicht höre, wenigstens hielt er es nicht der Mühe wert, zu antworten, und Inge schwieg auch. Es war, als ob eine schwere Last ihre Seele Niederdrücke, sie seufzte und trat von ihm fort an das Fenster und sah hinaus in den Garten. Es hatte wieder angefangen zu regnen, und der Himmel war grau bewölkt; der Garten, der vor kurzem noch ein so frisches und heiteres Aussehen hatte mit den feuchtglänzenden Blättern und Rasenflächen, die im Sonnenschein wie mit Tauperlen übersät erschienen, machte jetzt einen trüben, melancholischen Eindruck.

Inge fühlte es heiß in ihre Augen steigen, aber sie war zu stolz es zu zeigen. Ohne sich zu regen, stand sie ein paar Minuten, den Rücken nach dem Zimmer gekehrt, und würgte an den aufquellenden Tränen. Als sie sich umdrehte und das Zimmer leer sah und Armand drüben zu Gräfin Volgers sprechen hörte, stand sie ein paar Augenblicke ratlos überlegend, griff dann nach ihrem Schlüsselkölbchen, das sie neben sich auf den Stuhl gestellt, und ging durch die gegenüberliegende Tür hinaus.

Erst im Speisezimmer traf das Brautpaar wieder zusammen. Als Armand die Gläser der Damen und sein eigenes gefüllt, hob er es erst gegen Gräfin Volgers:Gnädigste Tante!" Dann gegen Inge und sagte lachend:Auf Dein spezielles Wohl, Du kleiner, weltweiser Trotzkopf!"

Inge zögerte, als Gräfin Lie lächelnd das Wort nahm:

Aber Inge, Du wirst doch die Worte von Deinem Schatz, wenn er einen Scherz macht, nicht auf die Goldwage legen. Eine ganz kleine Differenz, was will das bedeuten, wenn zwei sich lieb haben."

Es widerstrebte Inge, auf diese Weise den Ausgleich herbeizuführen, aber trotzdem hob sie ihr Glas und überwand sich sogar so weit, Armand anzulächeln. Ein Lächeln, in dem verhaltene Tränen zitterten, und das ihn wenig befriedigte. Den rechten Ton fanden beide heute nicht wieder, und man merkte Armand die Verstimmung noch sehr an, als er fortritt; Inge stand in der offenen Haustür und sah dem Davonreitenden nach; ein feiner, grauer Regenschauer hüllte alles in nebelhafte Trübung, feucht­warmer Duft stieg aus dem Erdboden auf.

Was soll das werden?" dachte das Mädchen. »Er versteht mich nicht. Wird er's jemals? Wird es nicht ein fortwährendes Ringen werden gegen das, was in ihm gährt und Betätigung verlangt? Dieser unbegrenzte Hang zum Genießen! Und ist meine Befürchtung im Hinblick auf jene Frau nicht wirklich begründet? Ach, Tante Marianne, wenn Du noch lebtest I"

Sie lehnte wie müde das Köpfchen gegen den Pfosten, und eine große Sehnsucht nach der Toten überkam sie. Heute zum erstenmal trat es ihr so klar vor die Seele, welch eine große schwere Pflicht sie auf sich genommen, und eine Angst packte sie, ob sie dieser Pflicht auch gewachsen, sein, ob sie würde erfüllen und halten könne, was sie der Heimgegangenen versprochen. Diesen Sohn hatte Marianne v. Ferni über alloL flieht; die glückliche Ausgestaltung seiner Zukunft, sein Leben als das eines tüchtigen, arbeitsamen Mannes war ihr sehnlichster Wunsch; in Inge hatte sie die zu sehen gemeint, die geeignet sei, ihm die Stütze zu werden, dMn er so bedurfte. War sie die Rechte? Würde es ihr gelingen? Zweifel und Sorgen gaben sie nicht mehr frei. Es blieb eine große Trostlosigkeit in ihrem Herzen zurück, die sie umsomehr quälte, als es ihr widerstrebte, gegen die Gräfin ein Wort darüber zu erwähnen. ' (Forts, folgt.)