Kiel 13. Nov. In Marinekreisen ist das Gerücht verbreitet, der Kaiser und die Kaiserin beabsichtigen, im Februar nächsten Jahres eine Mittelmeerreise zu unternehmen, die sich bis Jerusalem ausdehnen werde. Die Arbeiten auf der Kaiseryacht Hohenzollern werden so gefördert, daß das Schiff Ende Januar seeklar sein kann. Eine Bestätigung dieser Nachricht bleibt abzuwarten.
Paris 13. Nov. (Steinheil-Prozeß.) Nach Auslosung eines Ersatz-Geschworenen begann heute nachmittag die Verhandlung. Die Köchin Mariette Wolfs verlangt vom Gerichtshof für die gegen sie seitens des Staatsanwalts in seiner gestrigen Rede erhobenen Verdächtigungen Genugtuung. Diesem Verlangen wird vom Gerichtshof nicht stattgegeben mit dem Hinweis, daß der Name der Köchin nicht genannt sei. Der Vorsitzende bemerkt hierzu, daß von ihrer Seite keine zivilrechtliche Klage eingereicht sei. Darnach erhält der Verteidiger das Wort. Er sucht seine Klientin von den gegen sie erhobenen Beschuldigungen reinzuwaschen. Der Verteidiger kommt auf ihre Jugend zu sprechen und hebt ihre Liebe und Anhänglichkeit an die Eltern hervor. Bei ihrer Heirat erwartete sie einen energischen Mann und fand einen schüchternen. Er betonte ferner die Liebe der Angeklagten zu ihrer Tochter und lobt namentlich den früheren Verlobten des Fräulein Steinheil für dessen Aussagen. Alles was der Staatsanwalt gestern in schwarzen Farben geschildert hatte, malt der Verteidiger in rosigen Farben. Für ihn ist sie die tugendhafteste Frau, die liebevollste Gattin und Mutter, sie ist gütig gegen ihr Dienstpersonal, wohltätig für die Armen u. s. w., und eine solche Frau wolle man eines so schrecklichen Verbrechens beschuldigen und wolle ihren Kopf fordern! Die Sitzung dauerte abends noch fort. Man rechnet mit der Möglichkeit, daß das Urteil noch heute Nacht gefällt werden kann. Die Fragen, die den Geschworenen vorgelegt werden sollen, lauten: 1) Ist die Angeklagte schuldig den Tod ihrer Mutter verursacht zu haben, 2) den Tod ihres Gatten verursacht zu haben, 3) den Tod beider mit Vorbedacht herbeigeführt zu haben, 4) ist der Tod des Gatten dem der Mutter vorausgegangen, 5) ist die Angeklagte an dem Verbrechen beteiligt, oder ist sie nur die Urheberin des Verbrechens. — In mehreren Straßen in Paris in der Nähe der Villa Stein heil wurden gestern Zettel angeklebt, in denen der Steinheil die schwersten Mißhandlungen angedroht werden, falls sie nach ihrem etwaigen Freispruch es wagen würde, sich in dem Viertel zu zeigen. Auf Ersuchen mehrerer Hausbesitzer, die ernste Ruhestörungen befürchten, versprach die Polizei Maßnahmen zur Verhinderung von Straßenunruhen zu treffen.
Paris 4. Nov. Fra« Stetnheil wurde freigesprochen. — Die Beratung der Geschworenen dauerte 2'/- Stunden, die Erregung des Publikums während dieser Zeit war sehr groß. Der Freispruch wurde mit ungeheurem Beifall ausgenommen. Man rief allgemein: „Bravo!" und diese Rufe erneuten sich, als Frau Steinheil in den Saal geführt wurde. Als sie den Freispruch hörte, sank sie ohnmächtig zusammen. Nachdem sie sich erholt hatte, verließ sie kurz nach 2 Uhr früh den Justizpalast. Frau Steinheil kehrte nicht mehr ins Gefängnis zurück, da die Formalitäten der Freilassung sofort erledigt wurden. Um 2 Uhr verließ sie in einem Automobil den Justizpalast. Sie beabsichtigt sich, wie es heißt, auf einen Landsitz zurück zu ziehen. Vor dem Justizpalast mußte ein umfangreicher Ordnungsdienst eingerichtet werden, da eine über 2000 Köpfe zählende Menschenmenge die Abfahrt der Frau Steinheil erwarteten. Als diese den Justizpalast verlassen hatte, folgten ihr gleichfalls im Automobil mehrere Journalisten.
F arnborough 13. Nov. Die Familie Bonaparte erhielt ernste Nachrichten über zunehmende Schwäche der Kaiserin Eugenie übermittelt. Die frühere Kaiserin der Franzosen steht im 84. Lebensjahr.
New-Dork 13. Nov. Nach Meldungen aus Kingston gehen dort seit Freitag Wolkenbrüche nieder und verursachen schwere Ueber-
schwemmungen. Die Straßenbahn und die Eisenbahn hat den Verkehr eingestellt. Zahlreiche Menschen sind ertrunken. Eine drahtlose Depesche des in Kingston unbeschädigt eingetroffenen Dampfers „Prinz August Wilhelm" meldet, daß dort im Orkan zwei Dampfer gestrandet sind. Das amerikanische Kanonenboot Eagle wurde gegen den Peer geschleudert.
New-Jork 13. Nov. Es ist endlich gelungen, die Verbindung mit Jamaika auf drahtlosem Wege wieder herzustellen. Der deutsche Dampfer „August Wilhelm" hat auf drahtlosen Anruf geantwortet und mitgeteilt, daß die Insel von einem Cyklon verheert worden sei. Sintflutartige Regengüsse seien niedergegangen. Die Eisenbahnlinien sind zerstört. Ein Erdbeben hat entgegen anderweitigen Nachrichten nicht stattgefunden. Unter den an die Pears getriebenen Schiffen befindet sich auch der französische Dampfer „Amande". Es gelang jedoch die Dampfer wieder flott zu machen, ebenso d as englische Kanonenboot „E agle".
Vermischtes.
EinhumoristischesErlebnis des englischen Botschafters. Bei der Einsegnung der Prinzessin Viktoria Luise ereignete sich, wie aus Berlin geschrieben wird, ein humoristischer Vorgang, der den englischen Botschafter am Berliner Hof betraf. Die diplomatischen Vertreter waren sämtlich anläßlich der Festlichkeiten ins Schloß zu einem Frühstück geladen worden. Es war nun die Weisung gegeben worden, daß bei der Abfahrt der diplomatischen Vertreter jeweilig die Nationalhymne desjenigen Landes gespielt werden sollte, dessen Diplomat gerade das Schloß verließ. So geschah - es auch. Als nun der englische Botschafter seine Equipage bestiegen hatte, um Las Schloß zu verlassen, fiel die Musik mit der englischen Nationalhymne ein. Die Bestimmung ging vühin, daß die Nationalhymne solange gespielt werden sollte, wie der Botschafter in Sicht war. Nun hatte man dabei aber nicht Mit dem englischen Hofzeremoniell gerechnet. Das englische Hofzeremoniell bestimmt wiederum, daß der Botschafter die Nationalhymne seines Landes mit entblößtem Haupte und stehend bis zu Ende anhören müsse. Kaum erschollen die ersten Klänge des „God save the king," als der Diplomat schleunigst seine Equipage zum Stehen brachte und, sie verließ, um die Klänge der Hymne an sich vorüberrauschen zu lassen. Die Kapelle spielt die Nationalhymne bis zum Schluß, worauf der Botschafter wiederum seinen Wagen besteigt, um davon zu fahren. Da aber der Botschafter noch in Sicht ist, so beginnt die Kapelle pflichtschuldigst noch einmal das „God save the king," um damit den Botschafter hinaus zu geleiten. Wiederum tritt nun das englische Hofzeremoniell in Kraft. Der Wagen hält wieder, der Botschafter steigt aus und hört andächtig mit entblößtem Haupte zu, während die Musik nach Vorschrift immer wieder das Lied intoniert, da ja der Botschafter noch in Sicht ist. So wird das Lied schon zum fünftenmal gespielt, und der Botschafter stand immer noch da. Die anderen diplomatischen Vertreter warteten schon ungeduldig auf besten Abfahrt, um selbst an die Reihe zu kommen. Endlich erscheint der Kaiser als Helfer in der Not. Er merkt den Irrtum und klärt lächelnd den Botschafter auf. Dann gibt er selbst der Musik ein Haltzeichen, woraufhin sich der englische Botschafter in seinen Wagen setzt, um das Schloß zu verlassen. Nun konnten auch die anderen diplomatischen Vertreter in der festgesetzten Reihenfolge nach Hause fahren. Es ist leicht erklärlich, daß dieser Vorgang sofort bekannt wurde, und den Gegenstand allgemeiner Heiterkeit bildete.
Das Honorar des Dr. Cook. Aus Newyork wird berichtet: Dr. Cook hat zwar seine Vortragstournee aufgegeben, allein die goldenen Früchte seiner Entdeckungsarbeiten sind damit nicht verloren. Eine phonographische Aufnahme der Schilderung seiner Polarabenteuer ist vervielfältigt worden und erzählt jetzt in allen Städten der Union mit Dr. Cooks Stimme von Dr. Cooks Taten. Der Polarforscher hat von der Phonographengesellschaft für diesen Vortrag
24 000 ^ erhalten. Die Gesellschaft hat verraten, daß Dr. Cook in einer Aufwallung von Geschäftssinn bereits zwei Tage nach seiner Ankunft in Kopenhc gen der Gesellschaft seine Dienste anbot; Bedingungen: 6000 für die gesprochene Minute! Man lu stellte nur 4 Minuten, der Auftrag wurde ausgeführ! und 4 Min. dauerte auch nur der Phonographenvortrag, der dem Sprecher in so kurzer Zeit 24 000 ^ einbrachte.
Ein Streit um Zeppelin. In Bindersleben unterhielten sich zwei gute Bekannte über Zeppelin und gerieten dabei derartig in die Wolle, daß einer den andern mit dem unschönen Wort „Rindvieh" belegte. Der so Angeredete wollte das „Rindvieh" nicht sitzen lassen und verklagte den Freund. Am Mittwoch spielte sich nun vor dem Schöffengericht in Erfurt eine allgemeine Heiterkeit erregende Szene ab. Die Bemühungen des Vorsitzenden, einen Vergleich herbeizuführen, schienen an dem „starren System" des Zeppelinverteidigers scheitern zu wollen. Er meinte, auf dem Dorf bedeute das Wort „Rindvieh" nichts Beleidigendes. Erst nachdem er belehrt worden war, daß das Wort „Rindvieh" doch wahrlich keine Eloge sei und er deshalb bestraft werden müsse, gab er nach, bat den klägerischen Freund um Entschuldigung und erklärte sich zur Kostentragung, sowie zur Zahlung eines Zehrgeldes in Höhe von 1.50 bereit. Somit war der Streit um Zeppelin geschlichtet.
Marktberichte.
Göppingen 12. Nov. Dem mit dem Martinimarkt verbundenen Vieh markt waren 8 Stück Ochsen, 111 Stück Kühe und 62 Stück Schmalvieh zugetrieben. Der Handel nahm einen schleppenden Verlauf; der größere Teil des angetriebenen Viehs blieb unverkauft. Von den Ochsen wurden 2, von den Kühen 16 und vom Schmalvieh 23 Stück verkauft. Bezahlt wurden für Ochsen 1070 ^ für das verkaufte Paar, für Kühe 150—425 ^ und für Schmalvieh 136—240 ^ p. Stück.
Künzelsau 12. Nov. (Schweinemarkt.) Zufuhr: Milchschweine 344 Stück, Paarpreis von 24—52 Alles verkauft.
Heorgenäum Kasw.
NM* Geffentttcher Vortrag "MD
im Saale des Georgenäums Freitag, de« 19. ds. Mts., abends 8 Uhr, von. Herrn Oberstleutnant Boehringer über
„Kriegerische Ereignisse im Schwarz- Wald, besonders 1870".
Zu zahlreichem Besuche ladet freundlichst ein
der Gorgeniiumsrat.
Reklameteil.
Blumenschmidts Abreißkalender mit täglichen Ratschlägen für den Blumen- und Pflanzenfteund, 1910 (Erfurt, Verlag I. C Schmidt).
Alljährlich neu bearbeitet, erscheint dieser allbeliebte Abreißkalender bereits seit Jahrzehnten und ist den deutschen Blumen- und Gartenfreunden unentbehrlich geworden. Auch die neue Ausgabe zeichnet sich durch anmutige Ausstattung aus, und bildet mit der nach Künstlerentwurf in prachtvollem Farbendruck hergestellten Rückwand einen angenehm auffallenden Zimmerschmuck. Der Abreißkalender ist zu haben für 50 in den Buchhandlungen, wenn nicht, direkt vom Verfasser: °J. C. Schmidt, Blumenschmidt, Erfurt.
kixunä korkig — Z lells? 10 ^
Knorr-9os
Würzt famos
2upven,5sucen,6emüse,
enbsü l llukckein