1096
licher Originalentwürfe für bürgerliche Wohnungs- Einrichtungen erließ die Redaktion der illustrierten Zeitschriften „Südd. Möbel- u. Bauschreiner" und „Südd. Tapezierer u. Dekorateur" (Herausgeber L. Heilborn, Stuttgart), ein Preisausschreiben, bei dem Professor Schmohl, Direktor der Kgl. Baugewerkschule, Regierungsrat Hartmann, Regierungsbaumeister Dr. Klopfer u. a. das Preisrichteramt übernommen haben. Die eingelaufenen Konkurrenzarbeiten sind zur Zeit im Vortragssaal des K. Landesgewerbemuseums in Stuttgart ausgestellt und bieten jedem, der sich für einfache, moderne Wohnungs-Einrichtungen interessiert, mancherlei Anregung und Ausschluß über die heutige moderne Bewegung auf kunstgewerblichem Gebiete.
Fellbach 30. Okt. Bei einer Treibjagd im hiesigen Gemeindewald wollte ein auswärtiger Teilnehmer mit dem Schaft seines geladenen und gespannten Gewehres von einem Apfelbaum einen Apfel Herunterstoßen. Dabei löste sich der Schuß und die ganze Ladung drang dem Jäger in den Oberschenkel, sodaß er lebensgefährlich verletzt ins Fellbacher Krankenhaus verbracht werden mußte.
Waiblingen 1. Nov. Ein schweres Unglück, verursacht durch ein Automobil, ereignete sich laut „Remstalbote" gestern Abend 9 Uhr am Ortseingang von Großheppach. Der dieses Jahr vom Militär beurlaubte Christian Wöhrle wurde von einem unbeleuchteten Automobil überfahren, wobei er neben einem Schädelbruch einen Schlüsselbeinbruch und schwere innere Verletzungen davontrug. Der durch einen Radfahrer alsbald in Waiblingen requierierte Arzt und Sanitätswagen war rasch zur Stelle, worauf die Ueberführung des schwer Verletzten ins Katharinenhospital nach Stuttgart erfolgte. Ob der Verunglückte mit dem Leben davonkommt, ist sehr fraglich. Bezeichnend für den Automobillenker ist, daß er nach dem Unglück, ohne sich weiter um den Verletzten zu kümmern, in rasender Eile auf und davon fuhr. Leider konnte die Nummer des Automobils nicht festgestellt werden. Die Erregung in der Gemeinde Großheppach ist groß.
Tübingen 1. Nov. (Schwurgericht.) In der Samstagsitzung war die 25jähr. Dienstmagd Wilhelmine Wald schuk in Oberndorf des Meineids angeklagt. Die Angeklagte bestritt, ihren Eid verletzt zu haben, und führte die Sache auf einen Racheakt zurück. Die Beweisaufnahme fiel derart zu Ungunsten der Angeklagten aus, daß die Geschworenen sie des Meineids schuldig sprachen, das Vorhandensein der Strafmilderungsgründe des Z 157 St.-G.-B. jedoch bejahten. Die Waldschuk wurde wegen Meineids zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt.
Reutlingen 1. Nov. In vergangener Nacht machten junge Arbeiter von Nehren auf der Straße Skandal, griffen den Schutzmann tätlich an, flohen und feuerten auf einen zu Hilfe kommenden Fahnder und trafen ihn am Arm. Bei einem nochmaligen Zusammentreffen stellte sich einer der Burschen, der Maler Schelling, schußbereit und zielend gegen den entgegenkommenden Schutzmann, worauf dieser gleichfalls feinen Revolver zog, feuerte und den jungen Mann durch die Brust schoß. Er starb auf dem Wege zur Polizeiwache. Der Malergehilfe ist als Raufbold bekannt und soll auch wegen dieser Eigenschaft aus der Schweiz ausgewiesen worden sein.
Reutlingen 1. Nov. Zu der nächtlichen Radauszene erfährt die „Schwarzw. Kreiszeitung" folgendes: In der Nacht vom Sonntag auf Montag wollte der Schutzmann Allmendinger am Gartentor die Namen von Ruhestörern, die er wiederholt zur Ruhe verwiesen hatte, feststellen. Die Ruhestörer, drei an der Zahl, fielen über den Schutzmann her und hieben mit Stöcken auf ihn ein; auf ein von ihm abgegebenes Notsignal kam der Schutzmann Hack ihm zu Hilfe, riß einen von den Angreifenden von ihm weg und wurde von diesem in demselben Augenblick mit einem Revolver in den Arm geschossen. Die Angreifer flüchteten hierauf und schossen mehrmals auf die sie verfolgenden Schutzleute. In der äußeren Krämerstraße versteckten sie sich in den Garten einer Villa, der hierauf von den Schutzleuten abgesucht wurde. Allmendinger bemerkte, als er seine Taschenlaterne in Funktion setzte, drei bis vier Schritte vor sich den 19jährigen Maler Paul Schelling von Nehren, der auch den Schuß auf Hack abgegeben hatte, wie er in knieender Stellung mit angelegtem Revolver auf ihn zielte und ihm zurief, wenn er herkomme, schieße er ihn über den Haufen. Diesen gegen sein Leben gerichteten Angriff schlug Allmendinger durch einen Schuß aus seinem Dienstrevolver zurück. Schelling wurde durch den Schuß getötet. Die beiden Schutzleute sind schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzt.
Murrhardt O.A. Backnang 1. Nov. Eine eigentümliche Unterbrechung erfuhr am Samstag die Beerdigung des in der Nähe der Solitude verunglückten Sohnes des Oekonomen Müller. Er war am letzten Mittwoch von einem Lastautomobil überfahren worden. Nachher verbreitete sich das Gerücht, daß er an den Folgen einer Stichwunde gestorben sei. Infolgedessen wurde kurz vor der Beerdigung die Untersuchung der Leiche vorgenommen. Es ergab sich, daß ein scharfer Knochensplitter, der sich, als das Bein bei dem Unfall gebrochen wurde,
losgelöst hatte, die Schlagader und die Oberhaut durchschnitten hatte. Ein Verbrechen liegt somit nicht vor.
Ulm 1. Nov. Der Schranne waren 8002 Zentner Getreide zugeführt, die bis auf einen Rest von 185 Zentner abgesetzt wurden und zwar zu folgenden Preisen: Kernen 10 98 bis 11.13°.^, Weizen 10.66—11.10^, Einkorn Mischling 10.50—10.70 Roggen 7.97 bis 8.10 Gerste 7.97—8.10 Haber 7.45 bis 7.90 Linsengerste 7 Der Zentner hat gegen den vorigen Durchschnittspreis aufgeschlagen Kernen um 7 c), Weizen um 3 abgeschlagen Roggen um 14 A Gerste um 1 c) und Haber um 10 Bei starker Zufuhr herrschte rege Kauflust. — Dem Schweinemarkt waren 320 Milchschweine und 22 Läufer zugesührt. Erstere kosteten pro Paar 20—28 letztere 50—55
Vom Bodensee 1. Nov. In Konstanz tauchte dieser Tage das Gerücht auf, daß ein dortiger Obsthändler in Basel von der Polizei schwer mißhandelt worden und später an den Folgen gestorben sei. Es handelt sich um den Obsthändler Heinrich J l g. Der Vorfall hat sich bereits am 22. Juli und zwar nach der Darstellung des juristischen Vertreters der Erben Jlgs folgendermaßen zugetragen: Jlg hielt sich an genanntem Tage behufs Einkaufs von Obst in Basel auf. Abends etwa um 7 Uhr wollte er sich nach Erledigung der geschäftlichen Angelegenheiten an den badischen Bahnhof begeben und wurde unterwegs von einem Polizisten mit dem Rade angefahren. Es entstand ein kurzer Wortwechsel, dem Jlg dadurch ein Ende machte, daß er den Polizisten ersuchte, ihm bis zum nächsten Posten zu folgen. Kaum war Jlg hier angekommen, als zwei Polizeibeamte sich auf ihn stürzten und ihn, ohne daß sie ihn zu Wort kommen ließen, unter schweren Mißhandlungen in einen Keller und dann in einen kleinen dunklen Raum abführten, woselbst sich Jlg bis nachts Vs 10 Uhr unter ständigem Frieren aufhalten mußte. Jlg wurde dann wieder in das Wachtlokal verbracht, woselbst er sofort nach einem Arzt verlangte. Anstatt daß seinem Wunsche entsprochen wurde, packten ihn die Polizisten abermals, verbrachten ihn wieder in den gleichen Raum, wo er vorher gewesen war, und mißhandelten ihn daselbst auf die roheste Weise. U. a. erhielt er von dem einen der beiden Polizisten einen Tritt mit dem Fuß, von dem andern einen wuchtigen Stoß. Als Jlg etwas sagen wollte, machte einer der Polizisten die Bemerkung: „Werft den Chaib Hintere", worauf Jlg wieder gepackt und auf die Bretterpritsche geworfen wurde, sodaß ihm alle Knochen weh taten. Er
Mit ein paar Schritten ist der Graf neben ihr, faßt ihre Hand, hält sie mit festem, leisem Griff in der seinen. Eine Männerhand mit heißpulsierendem Blut. Inge zittert, ein fremdes, bis dahin nie gekanntes Gefühl schauert durch ihren Körper, sie hat nicht die Kraft, sich zu regen oder ihre Hand zurückzuziehen, so stehen sie einander gegenüber.
„Fräulein v. Herrnstein, überlasten Sie mir Ihren Platz, Sie bedürfen der Ruhe, gehen Sie, legen Sie sich nieder. Es ist wenig nach Mitternacht, einige Stunden Schlaf werden Ihnen gut tun. Die Wärterin ist nebenan, ich bleibe hier", sagt Callein.
Er tritt ihr einen Schritt näher, sie weicht um ein weniges zurück und macht einen Versuch, ihre Hand zu befreien, er gibt sofort nach.
„Ich kann doch nicht schlafen," sagte sie leise, „aber ich danke Ihnen für — den guten Willen."
„Und wenn Sie auch nicht schlafen, so ruhen Sie. Ich bitte, Fräulein v. Herrnstein, daß sie es tun, ich bitte."
Ist es der weiche, schmeichelnde Ton seiner Stimme, ist es die ruhige Bestimmtheit und das Bewußtsein, daß er Recht hat? Inge hätte es nicht zu sagen vermocht, was für sie maßgebend war, aber es wäre ihr auch ebenso unmöglich gewesen, sich seinem Wunsche zu widersetzen.
„Ich werde gehen", sagt sie. „Hier von dieser Arznei ist in einer Stunde zu geben, und zugleich muß die Wärterin dann den Umschlag erneuern. Gute Nacht, Graf Callein."
„Gute Nacht."
Er wendet sich ab und macht sich mit der Arznei zu schaffen. Inge gleitet leicht wie ein Schatten hinaus. Als sich die Tür hinter ihr geschlossen, läßt er sich langsam, schwerfällig in den Lehnstuhl nieder, stützt den Arm auf, legt die Stirn in die Hand, blickt auf den weißen Schein, den der Mondstrahl auf den Teppich zeichnet, und überläßt sich seinen Gedanken. Sie führen ihn in eine zu ferne Vergangenheit, sie knüpfen an bei der kleinen Episode in der Konditorei Josty, wo er Inge zum erstenmal gesehen, und die sich ihm so in allen Einzelheiten eingeprägt
hat, daß er ihren Anzug beschreiben könnte, bis in das Kleinste — es kommt ihm fast komisch vor, er schüttelt den Kopf, er lächelt spöttisch, beinahe ein wenig verächtlich; das Kopfschütteln und das Lächeln gilt ihm selbst, aber es ändert doch nichts an der Tatsache, daß er all dieses Kleine, Nebensächliche behalten darf, als wäre es etwas absolut Wichtiges. — —
Inge entkleidet sich zu derselben Zeit in ihrem Stübchen, aber sie kommt nicht recht damit vorwärts. Ist es noch immer die halbe Schlaftrunkenheit, die ihr in den Gliedern lastet? Sie legt ein Kleidungsstück ab und streicht sich das Haar aus der Stirn und blickt ganz still geradeaus ins Leere, dann geht sie an ihren kleinen Schreibtisch. Da stehen zwei, drei, vier verschiedene Photographien Armands, als Kind, als Jüngling, als Mann. Sie nimmt eine nach der andern und versenkt sich in das Anschauen der hübschen Züge mit den sonnigen kecken Augen. Unwillkürlich spielt ein Lächeln um ihre Lippen, und sie neigt sich und küßt die Bilder.
„Ich liebe ihn", sagt sie, als müßte sie sich's selbst bestätigen, „ja, ich liebe ihn."
Uebermüdung bringt ihr dann bald einen tiefen Schlummer, aus dem sie gegen Morgen durch ein Geräusch in Annas Zimmer und durch eilige Schritte im Korridor geweckt wird; sie setzt sich im Bett aufrecht, zugleich öffnet sich die Tür und Anna im Morgenkleid und das Haar flüchtig geordnet steht auf der Schwelle; ihr blasses, schmales Gesicht erscheint noch bleicher, ihre Augen sind rot und verweint.
„Anna," ruft Inge, „Anna, geht es schlechter?"
Das junge Mädchen neigt nur leise den Kopf.
„Komm doch mit — Inge — bitte. Sie hat nach Dir gefragt."
Hastig springt Inge auf, die Hände zittern ihr beim Ankleiden, die Kammerjungfer wirft ihr einen leichten roten Schlafrock um, sie wickelt sich fest hinein, die leuchtende Farbe sticht auffallend ab gegen das blasse, erregte Antlitz und das dunkle Haar. Die beiden Mädchen eilen den Korridor entlang zu den Gemächern Marianne v. Fernis. In dem Raum vor dem Krankenzimmer finden sie Armand und Callein. Die Hände
»-
r