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Srschrtmrngttage: Montaz. Dienstag, Mittwoch, Vonneektaa, Freitag und LamStag. JnserttonSprctS w Ifg. pro geile für Stadt u, BezirlSorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Kreitag, den 29. Oktober 1909
v-zuarpr.i.d. Stadt>/gährl.m. Träger!. Mk. 1.SL. PostdezugSpr. s.b. Orts- u. NachbarortSverk. V.jährl. Mk. l.so, im Fernverkehr Mk. 1.30. «estellg. in Württ. 30 Pfg., in Bagern u. Reich 4L Pfg.
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* Calw 29. Okt. Am gestrigen Feiertag hielt der landwirtschaftliche Bezirksverein und der Bezirksobstbauverein eine Versammlung im „Bad. Hof" ab, in der Garteninspektor Schönberg in Hohenheim einen Vortrag hielt über Düngung und Pflege des Obstbaums. Der hier wohlbekannte und gern gehörte Redner führte im allgemeinen Folgendes aus: Das Goethe'sche Wort „Auf jeden Raum pflanz einen Baum und pflege sein, er bringt dir's ein" werde oft in unrichtigem Sinn aufgefaßt, nicht jeder Platz eigne sich für einen Obstbaum (aber vielleicht für einen anderen Baum), denn der Obstbaum verlange einen richtigen Standort, andernfalls sei alle Mühe vergebens. Außerdem sei auf eine paffende Sortenwahl zu sehen, die müsse stets eine lokale sein, und könne nicht allgemein für alle Gegenden gelten; es sei daher bei der Sortenwahl Vorsicht zu üben. Der Boikenapsel z. B. gedeihe vorzüglich in Höhenlagen wie Schwarzwald und Alb, im Unterland sei der Baum nicht zu empfehlen, da er von? Mehltau befallen werde; dagegen gedeihe der Gravensteiner ausgezeichnet in niederer, feuchter Lage, während er in trockenen Gegenden wenig Früchte bringe. Bei der Baumpflege komme hauptsächlich die Baumgrube, der Baumpfahl, der Baumschnitt, der Stamm, die Baumkrone und das Umpfropfen in Betracht. Die Baumreihe stehe von Süden nach Nord, die Abstände seien entsprechend groß, damit Licht eindringen könne; der Baumgrube müsse ein Vorratsstoff für den Baum mitgegeben werden, nur so werde dieser mit Energie ins Leben treten können. Zu vermeiden sei ein zu tiefes Setzen der Bäume, man lege eine Latte über die Grube und setze den Baum 6—8 om höher; ein zu tiefes Sitzen
bringe Siechtum. Der Pfahl komme vielfach auf die falsche Seite, er solle auf der Windseite stehen und nicht in die Krone hineinragen, auch soll der Baum an dem Pfahl eine wirkliche Stütze haben; als Anbindemittel seien Weiden und Kokosfasern am besten, Hopfenranken am schlechtesten. Der junge Baum müsse beschnitten werden, damit er eine schöne pyramidale Krone erhalte, am besten werde die untere und die darauffolgende Astserie beschnitten und der Zweck des Schnitts werde damit erreicht werden, es sei dabei gleichgiltig, ob die Aeste quirlförmig oder spiralisch verteilt seien. An dem jungen Stamm seien die Wafferschoffe zu entfernen, Beschädigungen auszubessern und die Wunden zu säubern. Die Baumkrone, die nach etwa 4 bis 5 Jahren nicht mehr dem Schnitt unterworfen sei, müsse bloß reguliert werden; überhandnehmende Aeste seien zu entfernen oder zu kürzen. Das Ausputzen der Bäume solle sich nur auf dürres Holz beschränken; derjenige Baumwart sei dev beste, der möglichst wenig Holz unter dem Bäum liegen habe. Das beste Präparat für Holzwunden sei Steinkohlenteer und Kolophonium. Außerordentlich wichtig sei das Umpfropfen; in erster Linie sei auf örtliche Sortenwahl zu sehen; man solle nur Edelreiser von Maffenträgern gewinnen, die Ertragsfähigkeit könne nur durch peinliche, individuelle Sortenwahl gehoben werden. Der Vorschlag sei leicht auszuführen, fast in jedem Ort gebe es solche Standbäume und Massenträger und auf diese sei beim Umpfropfen der Blick zu richten. Das Umpfropfen könne im Herbst und Frühjahr geschehen, in letzterem Fall müssen an dem Baume Zugäste stehen bleiben. Der junge Baum brauche zu seinem Gedeihen einer Baumscheibe; auf Weiden, Allmanden und Grasplätzen fehle diese fast überall und die Folge
sei, daß der Baum Hunger leide; der Boden muffe offen bleiben mindestens bis zum 10. Jahr des Baumes. Alle diese Arbeiten seien aber umsonst, wenn es an einer richtigen Obstbaumdüngung fehle. Alle Kulturpflanzen verlangen Düngung und dasselbe treffe beim Obstbaum zu. Der Waldbaum könne die Düngung entbehren, da dort einenatürlicheHumusdeckevorhandenist. Durch die Düngung werde dem Baum die Produktion von Holz, Laub und Früchten ermöglicht. Als Nährstoffe kommen für den Obstbaum Stickstoff, Kali, Phosphorsäure und unter Umständen Kalk in Betracht. Die Düngung geschehe nicht am Stamm sondern in der Hauptsache in der Kronentraufe. Als Zeit komme nicht in erster Linie das Frühjahr in Betracht, sondern die Zeit des 2. Triebs, also von Mitte Juni ab. Zum ersten Trieb besitze der Baum vom Winter her noch genügend Reservestoffe; schwerlösliche Stoffe können natürlich das ganze Jahr hindurch gegeben werden, dagegen sollen stickstoffhaltige Dünger nicht im Sommer angewendet werden, weil der Trieb zu lange dauere und infolgedessen das Holz nicht mehr ausreifen könne. Unter allen Dungmitteln seien die flüssigsten am besten, weil sie am leichtesten wie Jauche und Latrine in den Boden eindringen und sofort den Wurzeln zugeführt werden, aber auch der Stallmist sollte nie bei Bäumen fehlen. Die Wirkung des Stallmistes sei außerordentlich groß, auf eine Baumscheibe rechne man einen halben Schubkarren verrotteten Stalldüngers. Die Scheibe bleibe dadurch locker, die Feuchtigkeit halte an und das Aussehen der Bäume sei wie umgewandelt. Unter den Kunstdüngern seien zu nennen schwefelsaures Ammoniak (besser als Salpeter), Thomasmehl und Superphosphat, Kainit (in hiesiger Gegend vorzüglich) und kohlen-
Im Klosterhof.
Roman von B. v. Lancken.
(Fortsetzung.)
Als der Diener Callein sah, glitt ein freudiges Leuchten über sein glattrasiertes Gesicht, und mit einem Gemisch von Vertraulichkeit und Ehrerbietung, wie man es bei langjährigen Untergebenen findet, rief er:
„Ach der Herr Graf, der Herr Graf!"
Mark Callein reichte ihm die Hand. „Na, wie geht's uns, Feuerländer, wie geht's uns? Immer noch auf dem Posten? Ist die Frau Gräfin zu sprechen?"
„Ei gewiß doch, Herr Graf, die Frau Gräfin sind im Garten."
„Ich bringe der gnädigen Gräfin meine Braut," rief Armand mit seinem sonnigen Lachen. „Na, wie gefällt sie Dir, Feuerländer?" setzte er mit vornehm herablassender Leutseligkeit hinzu.
Der Alte schmunzelte und ein verständnisvolles, bewunderndes Blinzeln gab Armand die gewünschte Antwort. — Die Vorhalle, die sie durchschritten, war mit Waffen, Geweihen und altersschwarzen, geschnitzten Möbeln dekoriert. Ein Kamin stand darin, und über ihm, in die Wand eingelassen, befand sich das Oelbild eines jüngeren Mannes in der Jagdtracht früherer Jahrhunderte: Schwarzes üppiggelocktes Haar unter dem kleinen Dreispitz, und unter starken, dunklen Brauen, die fast an der Nasenwurzel zusammenstießen, ein Paar blaugrauer, tief, beinahe leidenschaftlich blickender Augen, ein großer, gutgeformter Mund.unter kleinem dunklen Bart. Der Jäger stand an eine steinerne Ballustrade gelehnt, die Füße in den hohen gelbledernen Reitstiefeln leicht gekreuzt; an seine Knie schmiegte sich ein prächtiger Rüde, dessen Kopf seine Hand zu liebkosen schien. Der Hintergrund war als Wald gedacht, geradezu meisterhaft war die Beleuchtung durch die sinkende Sonne, deren Glanz, am Horizont ver
glühend und durch die Bäume fallend, auf Haar und Wange des schönen Mannes eine wundersame Wirkung hervorbrachte. Als Inge die Halle betrat, fiel ihr Auge sofort auf das Bild, und sie fühlte ihren Fuß stocken — ihre Blicke waren wie gebannt, und dann wandte sie sich langsam, wie durch eine unsichtbare Macht gezwungen, und sah Callein an. Er stand mit Armand hinter ihr, und letzterer nickte ihr zu und rief lachend:
„Also Du findest sie auch heraus, die sprechende Aehnlichkeit? — Wunderbar, nicht wahr?"
„Ja, ganz überraschend, ganz frappierend."
Callein, der gerade seinen Hellen Paletot abgestreift, schob seine Kravatte zurecht, strich seinen Bart, zuckte die Achseln und sagte:
„Sie werden nichts Wunderbares mehr darin finden, Koüsine, wenn Sie hören, daß der dort mein Urgroßvater ist."
Feuerländer öffnete respektvoll die Flügeltüren, die zum Gartensalon führten, und Armand ging, seine Braut am Arm, dem Grafen voran — durch einen Salon, von dessen Wänden Männer und Frauen in bunten Trachten, vergangene Geschlechter repräsentierend, aus breiten Goldrahmen auf die jetzige Generation herabschauten, steiflehnige, seidenbezogene Möbel aus der Empirezeit, spiegelblankes Parkett, überall kostbare Gruppen und Figuren von Meißner und Ludwigsburger Porzellan, Elfenbeinschnitzereien, alte, wundervolle Fächer, an den Fenstern und Türen schwere Seidenvorhänge in verblaßten Farben. Inge wurde seltsam angemutet durch diese ganze Umgebung, mehr aber noch durch die Frau, die ihnen mit jugendlicher Leichtigkeit und Anmut in Gang und Haltung entgegenkam, in schwarze, leise rauschende Seide gekleidet, schneeweißes, volles Haar nach Art der Rokokozeit frisiert, eine klare Stirn, leuchtende dunkle Augen unter schmalen Brauen und ein herzgewinnendes Lächeln um den feingeschnittenen Mund — Sie streckte Armand eine kleine, juwelengeschmückte Hand entgegen.