saurer Kalk und Aetzkalk, letzterer hat etwa den doppelten Gehalt wie kohlensaurer Kalk. Bei der Kalkanwendung habe zu gelten: für leichte Böden kohlensauren Kalk, für schwere Böden .Aetzkalk. Was die Menge der Düngemittel betreffe, so könne man unter Umständen zu viel tun, namentlich geschehe dies bei Bäumen in Gärten in der Nähe der Güllengrube., Ein Baum erfordere pro gm und Jahr an Dungstoff 5 x Phosphorsäure, 10—15 8 Stickstoff und 15—20 x Kali. Nehme man nur Latrine (pro Jahr 3 Liter für den Baum), so enthalte diese Düngung zu viel Stickstoff und zu wenig Kali. Am besten werde das Kali durch die Holzasche hereingebracht, für 1 Baum 80—100 ss. Eine vorzügliche Düngung sei demnach 3 Ltr. Latrine und 80 bis 100 ss Holzasche; wenn letztere nicht erhältlich sei, so müsse an ihre Stelle Kali treten. Die Latrine sei ein einseitiger Stickstoffdünger und die Jauche ein einseitiger Kalidünger. Am Schluß des Vortrags verbreitete sich sodann der Redner noch über das Normalobstsortiment, das seinen Beifall fand und das für hiesige Verhältnisse trefflich zusammengestellt ist. Dem Redner wurde für seine ausgezeichneten praktischen Ausführungen großer Beifall zuteil. Den Dank der Versammlung sprach der Vorsitzende des Landwirtschaft!. Vereins, Hr. Regierungsrat Voelter, und der Vorstand des Obstbauvereins, Hr. Priv. Schoenlen, in anerkennendsten Worten aus. Für die Mitglieder des Obstbauvereins fand später eine Gratisverlosung von Obstbäumen und Nistkästchen statt; 100 Gewinne wurden verteilt und fanden dankbare Abnehmer bei den Vereinsmilgliedern. Die Mitgliederzahl erhielt ebenfalls wieder einen Zuwachs. Der Verein vermittelte für seine Mitglieder 500 ausgesuchte tadellose Exemplare von Hoch- und Halbstämmen und Pyramiden.
Einen weiteren Vortrag hielt Landwirt- schaftsinspektor Ströbele in Leonberg über Ziegenhaltung und Zucht. Der Redner verbreitete sich mit überzeugenden Beispielen in eingehender Weise über die Vorteile der Ziegenhaltung namentlich für kleinere Leute und hob den hohen Nährwert der Ziegenmilch und deren Einfluß auf die Gesundheit hervor. Er forderte zur Gründung eines Ziegenzuchtvereins auf, dessen Zweck darin bestehen soll, daß ein gemeinsames Zuchtziel erreicht und die Ziegenhaltung rationell getrieben werden könne. Es solle allmählich die rehfarbige Ziege, die auf dem Schwarzwald bodenständig sei, überall eingeführt werden. Notwendig sei aber, daß auf die Bockhaltung das größte Augenmerk gerichtet werde; in dieser Beziehung werde wohl in Bälde durch ein Landesgesetz geholfen werden. Auch dieser Vortrag fand lebhaften Beifall. Der Vortrag hatte den
Erfolg, daß die Interessenten für Ziegenzucht zusammentraten und einen Bezirksverein für Ziegenhaltung gründeten. Der Verein ist ein Zweigverein des landwirtsch. Vereins und erhält von diesem einen jährlichen Beitrag von 100 Der Vorsitzende schloß die außerordentlich zahlreich besuchte Versammlung mit der Mahnung, das Gehörte auch in die Tat umzusetzen und die Ziele des landwirtschaftl. Vereins und dessen Zweigvereine stets mit Liebe zu fördern.
Calw. Einen kürzlich beim Amtsgericht hier als Zeuge vernommenen Taglöhner, dem durch seine unwahren Angaben beim Kassenamt höhere, als ihm zustehende Gebühren ausbezahlt wurden, verurteilte das hies. Schöffengericht wegen Betrugs zu der Gefängnisstrafe von 10 Tagen, sowie zur Kostentragung.
Stuttgart 28. Okt. Im Gemeinderat berichtete Gemeinderat Klein über Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenkommission habe durch eine Rundfrage bei den städtischen Aemtern feststellen lassen, was für Arbeiten hier in Frage kommen. Es sind von den meisten Aemtern, so vom Bekleidungsamt, von der Straßenbauinspektion, vom Wasserwerk, von der Kanalbaudirektion, dem Gaswerk u. s. w. Arbeiten im Gesamtbetrag von 430 000 angemeldet worden. Die Arbeitslosenkommission beantragt, die von den verschiedenen Aemtern gemeldeten Arbeiten als No Islands arbeite» anzusehen. Die Bauabteilung soll den Termin der einzelnen Arbeiten festsetzen; wie im Vorjahr sind nur Stuttgarter Unternehmer zuzulassen. Die Arbeitslosenzählung soll wie im Vorjahr vorgenommen werden und zwar die erste am 27. November 1909, die zweite am 1. und 15. Februar. Die Zählung soll wie früher vorgenommen werden, da die Hauszählung im Hinblick auf ihre Kosten in keinem Verhältnis zu dem Ergebnis stehe. Gemeinderat Dietrich trat dagegen für die Hauszählung ein. Ferner bemängelte er einen großen Teil der Arbeiten, chie von Industriearbeitern nicht ausgeführt werden könnten. Der Lohn müßte erhöht werden; 2.50 Tagelohn für die Notstandsarbciten sei zu wenig. Gemeinderat Klein stellt darauf fest, daß nicht unter 2.70 Tagelohn gezahlt werde. Die Lohnverhältnisse seien äußerst günstig. Darauf äußerte sich Gemeinderat Sperka im Sinn von Gemeinderat Dietrich.
Stuttgart 28. Okt. (Strafkammer.) Wegen Zweikampfs mit tödlichen Waffen wurden zwei Studenten zu je drei Monaten Festungshaft verurteilt. Sie wurden bei einer Bestimmungsmensur von der Polizei überrascht. Ein weiterer Student erhielt wegen Beihilfe 23 Tage Festungshaft. — Am 20. Juni wurde in
Cannstatt in der Untertürkheimerstraße eine Frau von einem Automobil angefahren, zu Boden geschleudert und schwer verletzt. Gegen den Chauffeur Michael Murghy wurde Anklage wegeu fahrlässiger Körperverletzung erhoben. Die Verhandlung endigte aber mit Freisprechung, da ihm ein Verschulden nicht nachgewiesen werden konnte. Der Mann der Frau verlangt von dem Besitzer des Automobils, einem Newyorker Kaufmann, eine jährliche Rente von 1000 Der Zivilprozeß ist noch nicht entschieden.
Eßlingen 28. Okt. Als der Bewohner eines Hauses in der Küfergasse gestern früh lange nicht erschien, holten Mitbewohner, die die Türe verschlossen fanden, den Hauseigentümer, der jenyl tot im Bette fand. Er hatte sich eine Kugel mitten in die Stirn geschossen. DHn bedauernswerte junge Mann war schon seit längerer Zeit geistig nicht ganz normal, er hatte von einem früheren Selbstmordversuch her noch eine Kugel im Kopfe stecken. — Ein 14jähriger Bursche aus Nellingen brachte sich gestern mittag in einem Hause in der Sulzgrieserstraße eine Schußwunde in den Kopf bei. Er mußte schwer verletzt im Sanitätswagen in das Krankenhaus gebracht werden.
Reutlingen 28. Okt. Wie man dem „Generalanzeiger" milteilt, wird Reutlingen nun auch bald einen lenkbaren Luftballon aufzuweisen haben, allerdings keinen Zeppelin. Der Erfinder will den Lenkballon, der nur eine Person tragen soll, hauptsächlich für den Luftsport gebaut haben. Ein Windmotor treibt die Propellerflügel, die Geschwindigkeit wird durch eine Bremsvorrichtung reguliert, Höhen- und Seitensteuer sind vom Führersitz leicht zu bedienen. Die Füllung des Ballons soll 25 bis 30 ^ kosten. Der Erbauer gedenkt sein Kunstwerk in den nächsten Tagen auszustellen und auch Probeaufstiege zu unternehmen.
Reutlingen 28. Okt. In der gestrigen Sitzung des Gemeinderats führte Oberbürgermeister Hepp in Sachen der Typhusepidemie aus, es sei klar und auch von jedem Sachverständigen selbstverständlich erachtet, daß die Krankheit nicht mit einem Schlag aushöre. Er könne aber andererseits konstatieren, daß die Neuerkrankungen doch wesentlich im Rückgang begriffen seien, wenn er auch zugeben müsse, daß immer noch Anzeigen von Typhus und Typhusverdacht einlaufen z. B. am Mittwoch wieder drei, währ end am Tag zuvor keine gemeldet wurde. Das Untersuchungsamt habe bei der größten Zahl der Typhusveldachtsfälle den Typhus auch bakteriologisch festgestellt. Im Schlachthaus seien weiter Desinfektionsmaßregeln angeordnet worden, und es geschehe alles, was zur Bekämpfung
„Willkommen, tausendmal willkommen," rief sie, „und auch Sie, liebes Kind," zu Inge gewendet.
Es folgten nun die bei solchen Gelegenheiten üblichen Umarmungen, Höflichkeiten und Herzlichkeiten. Callein stand währenddessen etwas im Hintergrund und besah sich eine Kollektion seltener Sevresteller; als Gräfin Volgers Augen ihn suchten, winkte er lächelnd mit der Hand.
„Laß nur, Tante Lie", sagte er, „wir kennen uns ja — ich kann warten."
Dann, als das Brautpaar abgetan, trat er auf die Gräfin zu und küßte ihre kleinen Hände, zärtlich und ehrfurchtsvoll zugleich, und streichelte sie und sagte weich, wie es sonst gar nicht seine Art war:
„Guten Tag, kleine Tante Lie, siehst Du, da bin ich auch einmal wieder."
„Und für wie lange?" fragte sie lächelnd.
Er zuckte die Achseln.
„Ich weiß es nicht, ich weiß es ja nie, wie lange ich's auf einer Scholle aushalte."
„Du solltest Dir ein Beispiel an mir nehmen, Mark. Wenn man glücklicher Bräutigam ist, sieht man die Welt mit ganz anderen Augen an, dann weiß man, was die Heimat und das eigene Haus für einen Wert haben", rief Armand mit der Wichtigkeit und Sicherheit eines, der seines Besitzes froh ist.
Calleins Mund verzog sich zu einem etwas spöttischen Lächeln.
„Ich bin aus anderer Art, und ich glaube nicht, daß mir die Frau noch begegnen wird, die mich an den Spinnrocken zwingt."
Eine leichte Röte stieg Armand in die Stirn, aber gleich darauf lachte er herzlich.
„An den Spinnrocken? Wie das klingt! Macht Dir Inge denn den Eindruck, als ob sie das beabsichtige?"
„Die Frau, die wir lieben, spinnt ob mit oder ohne Absicht immer einen Zauberkreis um uns, aus dem wir nur schwer loskommen. Sollte meine gnädigste Kousine eine Ausnahme bilden? Ich glaube es kaum. Es gibt unleugbar gegenseitige geheimnisvolle Einflüsse zwischen einigen
Menschen, ich meine zwischen Männern und Frauen, denen sie sich nicht entziehen können."
„Ich glaube nicht an solche Einflüsse", sagte Inge mit einer gewissen Hast.
„Aber ich, und Sie werden es auch noch", gab Callein ruhig zur Antwort und nahm dabei mit zwei Fingern ein Stäubchen von seinem Rockärmel.
Gräfin Lie verstand E die Unterhaltung rasch ins allgemeine hinüberzuleiten. Es gab da so "viel zu besprechen, von der Landwirtschaft, der Ernte, und dann traten geistige Interessen in den Vordergrund, und Inge hatte vollauf Gelegenheit, die Schlagfertigkeit der alten Gräfin, ihren feinen Spott und Humor kennen zu lernen. '-Lie Volgers sprach sehr gut, und ihre lebhaften Augen leuchteten dabei von einem zum andern. Marks Blicke hingen an ihr, und als sie eine allerliebste Anekdote aus Hofkreisen erzählte, griff er nach ihrer Hand, küßte sie und sagte:
„Tante Lie, Sie sind und bleiben die Frau, die ich am meisten bewundere."
Da kam Feuerländer mit dem Tee, und Inge erbot sich zur Bereitung, was Gräfin Volgers dankend annahm.
„Wie wär's, liebe Inge, wenn sie mir alten, einsamen Frau mal für einige Zeit Gesellschaft leisten möchten?" fragte sie. „Seit dem Tode meines Mannes, also seit sechs Jahren, Hause ich hier ganz allein — und wenn mir auch die Zeit nie lang wird, sehe ich doch gerne hin und wieder etwas Gesellschaft bei mir, besonders von der lieben Jugend."
„Ich würde gern kommen, sehr gern", antwortete Inge recht herzlich —
„Und mich verlassen?" warf Armand ein.
„Nun, der Weg ist ja nicht allzu weit," meinte die Gräfin. „Uebrigens, was Euch beide — zu den Herren gewendet — interessieren dürfte — Solitüde ist vermietet!"
(Fortsetzung folgt.)