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mann-Stuttgart, eine Beschreibung des Teinacher Jakobifestes von H. Waldeck und ein Gedicht aus dem Festspiel von Ernst Salzmann „In Schatzhausens Reich." In der Rubrik „Verschiedenes" rügt ein Einsender im Pforzheimer Anzeiger die geschmacklose Bemalung einer Felswand im Monbachtal seitens des Touristenklubs Leonberg und ebenso die Beschmierung der Schutzhüllen mit allerlei Inschriften und Schweinereien. Ein Mitglied des „Alt-Wandervogel, Bund für Jugendwandern" fordert zum Eintritt in diesen Verein auf und hebt die Vorteile der Schülerfahrten hervor. In der Fortsetzung des Mitgliederverzeichniffes fällt die große Zunahme des Pforzheimer Bezirksvereins angenehm auf.
Calw 25. Okt. Ein Kellnerlehrling von Hirsau entzündete auf dem Weg nach Ober- kollbach die Zündkapsel einer Dynamitpatrone, wodurch 2 Knaben von Oberkollbach verletzt wurden. Der Lehrling hatte mehrere solche Kapseln dem Vorrat seines Vaters, der Steinbruchbesitzer ist, entnommen.
Nagold 25. Okt. Zu Ehren des nach Neckarsulm versetzten Regierungsrats Ritter fand am Samstag nachmittag im Kreise geladener Gäste eine Abschiedsfeier statt, die mit einer Rede des Stadtschultheißen Brobb eck eröffnet wurde. Außer ihm sprachen noch Gutsbesitzer Link-Trölleshof, Hugo Rau-Calw, Schultheiß Dengler-Ebhausen, Geometer Gärtner-Wildberg, Landtagsabg. Schaible, Stadlpfarrer Menz, Gutspächter Künekamp- Unterschwandorf, Oberamtspfleger Rapp, Schultheiß Kern-Gültlingen. In allen Ansprachen kam die Verehrung für den Scheidenden und die Anerkennung seiner Verdienste um den Bezirk zum Ausdruck. Der Liederkranz sorgte für die gesangliche Ausschmückung der Feier.
Stuttgart 25. Okt. Der Stand der Herbstsaaten in Württemberg um die Mitte dieses Monats wird allgemein als gut bis mittel bezeichnet. Sowohl Winterweizen, wie Spelz und Roggen stehen trotz der ungünstigen Witterung der letzten Zeit ganz ordentlich, namentlich im Neckar- und Schwarzwaldkreise. Durch die verspätete Räumung der Felder und die zahlreichen Niederschläge wurde die Bestellung der Herstsaaten vielfach sehr verzögert und erschwert, daher ist die Beurteilung der jungen Saaten auch noch äußerst schwierig. Der Ertrag der Kartoffeln entspricht vielfach nicht den gehegten Erwartungen. Die Knollen sind vielfach klein geblieben und Fäulnis und Engerlinge haben den Ertrag mancherorts beeinflußt.
Stuttgart 25. Okt. Als heute vormittag gegen 11 Uhv eine Maschinengewehrabteilung von Gaisburg nach Stuttgart fuhr, begegnete ihr beim Schlachthaus in dem bekannten Tempo ein Automobil. Die Pferde eines militärischen Wagens scheuten und warfen den
' Wagen um, der in den Graben fiel und einen Soldaten unter sich begrub. Dieser wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen hervorgezogen. Die anderen Mannschaften wurden vom Wagen geschleudert und leichter verletzt. Der Chauffeur wollte flüchten, wurde aber von einem Offizier zu Pferde eingeholt und gestellt.
Stuttgart 25. Okt. Der Polizeibericht schreibt: In der Planiestraße kam am Samstag vormittag ein 15 Jahre alter Telegraphenbote mit seinem Fahrrad zu Fall, wurde von einem entgegenkommenden Automobil überfahren und erlitt anscheinend nur eine unbedeutende Kopfverletzung. — Am Samstag abend wurde in der Wilhelmstraße eine 28 Jahre alte Frau von einem Radfahrer um gefahren, so daß sie am Kopf und an den Armen Hautschürfungen davontrug. — Auf der Kreuzung der Linden- und Calwerstraße ist am Samstag nachmittag ein Zweispänner-Fuhrwerk und ein Straßenbahnwagen zusammengestoßen, wobei ein Pferd an den Beinen verletzt wurde. Personen kamen nicht zu Schaden. — Am Samstag abend 10 Uhr wurde auf dem Güterbahnhof in Untertürkheim ein Bremser von einem Zug überfahren und getötet. — Am Samstag abend fiel in der Küche eines Hauses der Augustenstraße ein 5 Jahre alter Knabe in einen Topf heißen Wassers. Der Knabe erlitt so schwere Brandwunden, daß er gestern abend gestorben ist. — Gestern abend 6 Uhr fiel in der Filderstr. ein 15 Jahre alter Mechanikerlehrling von seinem Fahrrad und brach den linken Fuß.
Stuttgart 25. Okt. In der Friedhofstraße wurde gestern nachmittag ein Knabe von 2'/» Jahren von der Straßenbahn erfaßt und eine Strecke weit geschleift. Das Kind mußte, da ihm ein Fuß und ein Arm abgedrückt waren, in das Olgaspital geschafft werden.
Stuttgart 25. Okt. Die Stadtverwaltung schaffte unlängst einen photographischen Apparat für die hies. Fahndungsmannschaft an, damit die lokalen Tatbestände rc. verbrecherischer Handlungen mit photographischer Treue sofort ausgenommen werden können. Als man den Apparat zu jenem Zweck während des Volksfestes notwendig brauchte, war er nicht zu haben, da er zu anderen dringenden Zwecken verwendet wurde, nämlich zum Abphotographieren der preisgekrönten — Schweine auf dem Volksfest.
Freudenstadt 25. Okt. Heute ist hier der erste Schnee, wenn auch mit reichlichem Regen untermischt, gefallen. Gegen Mittag hat sich das Wetter wieder aufgeheitert, die Temperatur ist jedoch rauh geblieben.
Tübingen 25. Okt. Die Staatsanwaltschaft hat gegen 20 Wirte von hier und den Bezirksorten das Strafverfahren eingeleitet, weil in ihren Geschäftslokalen sogenannte Geschick
lichkeits-Automaten aufgestellt und in Verwendung waren. Die Automaten werden gerichtlich beschlagnahmt. Das Oberamt erläßt nun eine öffentliche Warnung mit dem Hinweis, daß der Betrieb der Automaten als verbotenes Glücksspiel gelte und als solches gerichtliche Bestrafung nach sich ziehe.
Reutlingen 25. Okt. Die hier seit Mitte vorigen Monats herrschende Typhus- Epidemie hat bereits 17 Opfer gefordert und zeigt noch immer keine stetige Abnahme, vielmehr kommen täglich neue Fälle von Typhus und Typhusverdacht in wechselnder Zahl zur amtlichen Kenntnis. Nach Mitteilungen des Oberamts- physikats hat die Untersuchung über die Quelle der Infektion noch keine bestimmten Anhaltspunkte ergeben.
Heilbronn 25. Okt. Die beiden Luftballons „Württemberg" und „Stuttgart" mit den 6 Heilbronner Passagieren und den zwei Stuttgarter Führern haben am Sonntag bei dem starken Westwind eine sehr rasche Fahrt gehabt: sie sind gerade ostwärts über Württemberg und Bayern nach Oesterreich Hineingetrieben worden und dort miteinander in Böhmen glücklich gelandet: bei Kralowitz nördlich von Pilsen und westlich von Prag. Me Luftlinie beträgt etwa 400 km und die Geschwindigkeit wird 60—70 kw, also Schnellzugseile, gewesen sein. Unterwegs sind die Brieftauben, die Schneidermeister Vogelmann, der Vorsitzende des Heilbronner Brieftaubenklubs mitgegeben hat, aufgelassen worden; sie sind der Reihe nach in Heilbronn mit Depeschen eingetroffen, von den 10 bisher 6, die erste von Langenburg und die letzte über Ansbach; alle melden sie eine schöne und genußreiche Fahrt. Dem Aufstieg im Heilbronner Gaswerk hat wieder eine große Zuschauermenge beigcwohnt; zuerst ging „Stuttgart" nach halb 10 Uhr in die Höhe, dann „Württemberg" der sofort Ballast abgeben mußte, um nicht mit einem der hohen Schornsteine in Kollision zu geraten. Führer waren Dierlamm- Stuttgart und Oberleutnant Henke-Ludwigsburg. Der starke Wind entführte beide Ballons rasch über den Wartberg hinweg. Die Automobilverfolgung ist bis Rothenburg und bis Nürnberg möglich gewesen; weiter nicht. Die Herren werden heute mittag in Heilbronn eintreffen. (Neckztg)
Weingarten 25. Okt. Einem hiesigen Cigarrenhändler sind in seinem Laden 75 Oetis- heimer Kirchenbaulotterielose gestohlen worden. Von dem Dieb fehlt jede Spur.
München 25. Okt. Heute früh hat die Polizei bei dem berühmten Simplicissimus-Zeichner und Leiter der Langenschen Verlagsanstalt T. T. Heine Haussuchung abgehalten. Es handelt sich um ein aus Subscription herausgegebenes Werk: Der Phönix. Das Vorgehen der Polizei erfolgte auf dringendes Ersuchen der Sittlichkeits-Kom-
„Du liebst mich, Inge, Du liebst mich l O, du mein goldiges Liebchen, Schatz — ich kann es ja gar nicht fassen, dies Glück. Inge! Wenn Du wüßtest, was Du mir bist, und was Du mir noch sein wirst — Du gute, Du liebe, Du meine herrliche Inge. Mein, Inge, wirklich mein?"
„Dein, bis der Tod uns scheidet", sagte sie aus einem tiefen, heiligen, überquellenden Empfinden heraus. So kniet sie neben ihm, und sie halten sich umschlungen, sie tauschen heiße, zärtliche Küste, sie vergessen die Welt umher — den Sonnenschein, die Sommerpracht, das Duften und Blühen. Sie haben nur sich. — —
4.
Aus Markus Callein's Tagebuch.
Am Bord des.4. 5. 19 . .
Statt des festen Boden habe ich wieder mal die schwankenden Planken des Schiffes unter mir; eigentlich ein ganz unzeitgemäßer Ausdruck, der uns noch so von früher überkommen ist, denn bei unfern modernen Lloyddampfern merkt man von dem Schwanken sehr wenig und an einem so stillen sonnigen Tag wie dem heutigen überhaupt nichts. Man vergißt ja, daß man sich auf einem Schiff und auf offener See befindet, wenn man den raffinierten Luxus sieht, womit diese schwimmenden Kolosse ausgestattet und eingerichtet sind. Dieser Herren-Salon, in dem ich schreibe, könnte eben so gut im Klubhaus in Berlin oder Paris sein, es fehlt nichts, gar nichts, was wir moderne, überverwöhnte Menschen zu unserer Bequemlichkeit und Behaglichkeit nötig haben, denn im Grunde bedarf der Mensch furchtbar wenig, das habe ich an mir selbst erfahren, während meines Aufenthaltes im „wilden Westen". Wir schlafen, wenn wir gesund und rechtschaffen müde sind, in unsere wollene Decken eingewickelt, am Lagerfeuer, den unendlichen Sternenhimmel über uns, genau so gut wie
in einem französischen Himmelbett, dessen schwere Seidenvorhänge uns Licht und Luft entziehen, und ein Stück selbst erjagten und selbst gebratenen
Fleisches bekommt uns besser als eine Trüffelpastete,.-
Ich will damit aber nicht sagen, daß ich in einem Himmelbett nicht schon herrlich geschlafen, und daß eine Trüffelpastete mir in angenehmer Gesellschaft nicht schon sehr gut geschmeckt hätte. Dies nur in Parenthese. Während mein Blick durch die runden dickglasigen Fenster fällt, hinaus auf das im Sonnenschein glitzernde, funkelnde Meer, frage ich mich, warum sitze ich hier? Warum mache ich überhaupt die Reise? Mein Kapital, mein Vermögen, mein Besitz zwingen mich dazu, nicht weil sie zu klein, sondern weil sie sehr groß sind. Es ist ein Fluch des in einer Hand wachsenden Kapitals, daß es uns mit einer unheimlichen Gewalt zwingt, immer weiter in seinem Dienst zu arbeiten. Wir wissen, daß das Kapital eine Macht ist, mit der wir die Welt beherrschen können, und doch ist es in vielen Stücken unser eigener Tyrann, der unser Denken, unsere Kräfte unausgesetzt in Anspruch nimmt, uns aussaugt, aufzehrt. Ich wollte nie zusammenscharren und ich will es heute noch nicht, und doch wächst das Kapital unter meinen Händen; ich hasse und verachte die Geizhälse, die mit ihren Schätzen nichts anzufangen wissen^ und nichts anderes wollen, als am Jahresabschluß immer mehrstellige Zahlen in ihre Bücher einzutragen, und ich häufe seit Jahren Schätze auf Schätze. Allerdings kann mir niemand nachsagen, daß ich mit meinem Reichtum „nichts anzufangen" wisse. Es hat Zeiten gegeben, wo ich ihn mit vollen Händen ausstreute, für edle und nicht edle Zwecke. In früheren Zeiten machte der Besitz die Menschen großdenkend, jetzt, möchte ich sagen, ist das Gegenteil der Fall. Vielleicht liegt das in den wirtschaftlichen Verhältnissen. .
(Fortsetzung folgt.)