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bereits im voraus gezahlten Platzmieten wieder. Aber auch zu dem neuen Termin ist die Ausstellung gar nicht abgehalten worden und sie soll nun überhaupt nicht mehr stattfinden, der Unternehmer hat sein Ausstellungsbüro geschlossen und antwortet auch nicht auf Zuschriften. Die bereits bezahlten Platzmieten haben aber die Beteiligten nicht zurückerhalten können und es mag dahin gestellt bleiben, ob überhaupt Wille wie Mittel dazu vorhanden sind.
Berlin 14. Okt. Im nächsten Sommer wird ein Expeditionsschiff mit dem Prinzen Heinrich, dem Grafen Zeppelin und Geheimrat Hergesell nach Spitzbergen gehen, um Vorbereitungen für die deutsche Zeppelin-Hergesell-Polarexpedition zu treffen.
Potsdam 15. Okt. Der Kaiser und die Kaiserin trafen mit der Prinzessin Viktoria Luise um 5 V« Uhr nachmittags auf dem Bornstedter Felde ein, um einigen Flügen Orville Wrights beizuwohnen. Die Majestäten wurden vom Hauptmann von Kehler und Orville Wright empfangen. Der Kaiser begrüßte auch die ebenfalls anwesende Schwester Orville Wrights. Dieser vollführte trotz des widrigen böigen Windes außerordentlich gut gelungene Aufstiege bis zu einer Höhe von 150 Mtr. Der Abstieg erfolgte glatt. Die Vorführung dauerte etwa V- Stunde. Der Kaiser ließ sich alsdann noch eingehend den Apparat erklären und überreichte Orville Wright sein Bild mit eigenhändiger Unterschrift.
Königshütte 15. Okt. Im hiesigen Hotel „Graf Reden" hat sich der 30 Jahre alte Apotheker Hans Schmidt aus Flensburg, der in dem benachbarten Orte Chorcow eine Apotheke besaß, erschossen. Er war mit einer reichen Majorstochter in Wiesbaden verlobt. Die Dame hatte vor kurzem die Verlobung auf Wunsch ihrer Eltern aufgehoben, was sich Doktor Schmidt, der sich in pekuniär bedrängter Lage befand, so zu Herzen nahm, daß er Selbstmord verübte.
Altona 15. Okt. In einem Varwtö wurden in der vergangenen Nacht wegen des Stuttgarter Juwelen-Diebstahls die Gebrüder Rohde verhaftet, die den Einbruch begangen haben sollen. Man fand bei ihnen außer Pfandscheinen über versetzte Schmucksachen einen geladenen Revolver.
New-Aork 15. Okt. Der Führer Ba- ville, der Cook bei der Besteigung des Mount Mc. Kinley in Alaska im Jahre 1906 begleitete, hat eidlich bekräftigt, daß der höchste von Cook damals erreichte Punkt mindestens 14 Meilen vom Gipfel entfernt war. Cook sei überhaupt nur bis zu einer Höhe von 10 000 Fuß ge
kommen. Baville behauptet ferner, Cook habe ihn veranlaßt, einen Teil des Tagebuchs der Expedition umzuschreiben, um es mit Cooks Anspruch, den Gipfel erreicht zu haben, in Einklang zu bringen.
Eine aufsehenerregende Hinrichtung.
Nach dem letzten revolutionären Aufstand in Katalonien im Juli d. I., bei dem insbesondere auch die Klöster in Mitleidenschaft gezogen wurden, war unter den Verhafteten, neben vielen anderen Lehrern, auch der Direktor der Modernen Schule in Barcelona, Franzisko Fer rer, der, wie es hieß, von einem Madrider klerikalen Blatt als Anstifter des Aufstandes denunziert worden war. Er war nicht zum erstenmal in eine solche Anklage verwickelt, denn bereits nach dem Anschlag auf das junge spanische Königspaar hatte man ihn der Teilnahme daran beschuldigt; er wurde aber freigesprochen. Alsbald nach seiner Verhaftung am 1. September erschienen halbamtliche Nachrichten von Rundschreiben, Briefen revolutionäranarchistischen Inhalts, die bei Haussuchungen in der Wohnung Ferrers gefunden worden seien. Es soll aus ihnen hervorgegangen sein, daß Ferrer doch Beziehungen zu dem Attentäter Morral unterhielt, für die damals vor Gericht kein Beweis erbracht werden konnte. Nun war allerdings die revolutionäre Gesinnung Ferrers bekannt, denn er hatte selbst nie ein Hehl daraus gemacht, allein die erwähnten Schriftstücke stammten aus früherer Zeit nnd es ist kein Beweis für die Mitwirkung Ferrers an den jüngsten Unruhen bekannt geworden. Er selbst hat in dem dieser Tage gegen ihn geführten Prozeß vor dem Kriegsgericht— über den von dev Zensur nur kurze Berichte freigegeben wurden, die keinen hinreichenden Einblick gewähren — bis zuletzt behauptet, daß er an den Unruhen unbeteiligt gewesen sei. Trotzdem ist er zum Tode verurteilt und inzwischen bereits hingerichtet worden. Wenn die Anklage auf Anstiftung der Unruhen in der Tat begründet war, so hatte die Regierung gewiß das Recht, mit aller Strenge vorzugehen; ob sie den Angeklagten dem Kriegsgericht übergeben mußte statt der ordentlichen Gerichtsbarkeit, ist aber zweifelhaft, und ein böser Fehler ist jedenfalls die Zensur, der die Prozeßberichterstattung unterworfen wurde. Das Kabinett Maura steht im Ausland schon lange im Verdacht, nicht nur eine den Klerikalen willfährige reaktionäre Politik zu treiben, sondern auch mit gewaltsamen Unterdrückungsmaßnahmen eine Willkürherrschaft aufgerichtet zu haben. Dieser Eindruck erfährt durch den Fall Ferrer und die Art seiner Erledigung neue Nahrung, wodurch dem Ansehen Spaniens nicht wenig geschadet wird. Es läge im Interesse des Landes wenn die Regierung noch nachträglich eine Rechtfertigung ihres Vor
gehens und eine Begründung des Urteils gegen Ferrer der Oeffentlichkeit vorlegen würde.
Paris 15. Okt. Die Beerdigung Ferrers bat gestern auf dem sogenannten Südwestfriedhöf in Barcelona stattgefunden. Beigewohnt haben der Beerdigung die greise Mutter Ferrers, die Nichte und einige Verwandte des Erschossenen, die mit Erlaubnis der Behörden erschienen waren. Ferrer lag in einem schwarzen, noch nicht geschlossenen Sarge in demselben grauen Anzuge, den er bei der Verhandlung getragen hatte. An den Füßen hatte er noch dieselben gelben Schuhe, die er eiligst angezogen hatte, als er in der Nacht geweckt wurde. Der Kopf war in weiße Tücher eingehüllt, die vollständig blutbefleckt waren. Man bemerkte am Halse eine Schußwunde, die mit Kalk übertüncht war. Der rechte Backenknochen war durch eine Kugel eingeschlagen, das Gesicht war leichenfahl, die Hände waren schon ganz schwarz. Als man den Sarg aufhob, bemerkte man, daß der Tote in einer Blutlache gelegen hatte. Auf dem Weg zur Gruft tropfte das Blut aus dem Sarge. Ferrer wurde in einem Massengrab beigesetzt. Seinen Angehörigen wurde bewilligt, daß an der Stelle, wo er beerdigt wurde, ein Kreuz errichtet werden dürfe. Als sich die Erde über dem Sarg schloß, fiel Ferrers Mutter in Ohnmacht. Die Unglückliche war Mittwoch vormittag 10 Uhr in Monjuich erschienen und hatte inständig gebeten, ihren Sohn noch einmal sehen zu dürfen. Ferrer war aber schon eine Stunde vorher erschossen worden.
Vermischtes.
Nachrichten aus der Rheinischen j Mission in Barmen. Die Rheinische Mission hat im Jahr 1908 unter allen deutschen evangelischen Missionsgesellschaften die größten äußeren Erfolge gehabt, da auf ihren 117 Hauptstationen in dem einen Jahr im ganzen 14 791 Personen durch die Taufe in die christliche Kirche ! ausgenommen wurden, und die Zahl ihrer Ge- ! meindeglieder am 1. Jan. d. I. 137 232 betrug, s Davon kommen auf die große Insel Sumatra 89027; unter dem Batakvolk, das auch vom Islam stark umworben wird, 11 857 auf die benachbarten kleineren Inseln Rias, Menta- wei und Enggano, 2445 auf Borneo, 1949 auf China, 78 auf Deutsch-Neuguinea, 19 830 auf die englische Kapkolonie, 12 929 auf Deutsch-Südwestafrika. Neben diesen großen Erfolgen hat sie aber auch viel Schweres durchzumachen, nicht bloß in dem ungesunden Klima von Neuguinea. Neuestens kommt die Nachricht, daß der Missionar Lett auf der Insel Menta- wei, wo er zwischen der niederländischen Regierung und den Eingeborenen vermitteln wollte, ermordet worden sei. In früheren Jahren war es ihm auf der benachbarten Insel Rias ge
gespenstischen Schein vor ihnen her auf den Kiesweg, und wob eine Strahlenkcc^ne um das feine Mädchenhaupt mit den weichen, braunschwarzen Haaren, sind Armand Ferni sah verstohlen auf das Mädchen, und seine Gedanken schweiften nicht mehr so leidenschaftlich bewegt in die Ferne.
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Sechs Wochen später wars, an einem Sommer-Nachmittage in vorgerückter Stunde, da kehrte Inge von einem Gang aus dem Dorfe zurück, wo sie die Pastorsfamilie im Namen Frau v. Fernis besucht und sie zum Mittagessen für den nächsten Tag eingeladen hatte. Inge ging am Waldessaum auf dem Bergrücken entlang — weit dehnten sich die grünen Felder, dahinter das silberne Band des Flusses. Die Felder trugen reichen Erntesegen, in Hocken zusammengesetzt; beladene Fuder schwankten dem Hofe zu; rührige Hände überall, die da wirkten und schafften, den köstlichen Gewinn zu bergen. Und dazu Blätterrauschen und Sonnenglanz und milde Luft, so eine rechte, echte, weiche Sommerluft, die die Wange kost und in jedem Atemzug eine Wolke von Blütenduft und Waldesfrische mit sich bringt, und über dem allen ein Friede, wie er nur auf dem Lande zu finden ist, der den bewegten Gemütern Stillesein und den traurigen Seelen Hoffnung und Gottvertrauen wiedergibt. — Inge machte einen Augenblick Halt, setzte sich auf einen Mooshügel am Fuß einer alten Eiche und blickte, die Arme um die Knie gelegt, hinunter in die schöne stille Welt. Plötzlich sprangen die beiden weißen russischen Windhunde Armand Fernis in weiten Sätzen auf sie zu.
„Caro! Nelson!" rief sie, halb erschreckt, halb erfreut beim Anblick der schönen Tiere, die auf ihren Anruf zutraulich näher kamen und ihr die schmalen Köpfe entgegenstreckten, um sich liebkosen zu lassen. Sie wußte jetzt, daß Armand in der Nähe sei, und als sie sich umsah, trat er auch eben aus dem Wald heraus.
„Fräulein v. Herrnstein — ergebenster Diener!" rief er lustig,
seinen Strohhut lüften. „Bleiben Sie sitzen, Sie haben sich hier ein herrliches Plätzchen ausgesucht, ich werde Ihnen Gesellschaft leisten."
Er kam näher und sie reichten sich die Hände, von Inges Seite wie zwei gute Bekannte, wie zwei Menschen, die unter demselben Dach miteinander leben, ohne mehr als das natürliche Interesse für einander zu haben, das sich im täglichen Verkehr immer dort findet, wo nicht ausgesprochene Antipathie herrscht. Armand aber freute sich im Stillen dieses Zusammentreffens.
„Ich war bei Roebkes", sagte Inge, während der junge Mann sich in einiger Entfernung auf einen Baumstumpf setzte, „Nelson" sich zu seinen Füßen streckte und „Caro" sich neben Inge in das Moos schmiegte, ihren Kopf in den Schoß des jungen Mädchens legend.
„Bei Roebkes? So! Mama hat sie wohl eingeladen?"
„Ja, zu morgen."
„Morgen? Da bin ich nicht zu Hause."
Inge dachte, wie peinlich es Frau v. Ferni sein würde, wenn der Sohn wieder fehlte, und aus diesem Gefühl heraus rief sie lebhaft:
„Nicht? Ach wie schade!"
Armand sah überrascht auf, und plötzlich wandelte ihn die Luft an, sie in Verlegenheit zu setzen.
„Tut Ihnen das so leid?" fragte er, sie mit seinen sonnigen Augen schelmisch anblinzelnd; aber die erwartete Wirkung blieb aus, Inge errötete nicht einmal, sie sagte nur:
„Ja, gewiß, da Ihre Frau Mutter Sie sehr vermissen würde."
„Glauben Sie das im Ernst?"
»Ja."
Dies Ja klang sehr bestimmt, beinahe wie eine Mahnung, es berührte ihn ganz eigen, und es verstärkte plötzlich sein Interesse für das junge Mädchen; er hatte das Gefühl, daß sie ungemein zuverlässig sein müsse.